Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Vorsteuerabzug bei vollständigem Verlust sämtlicher Eingangsrechnungen

 Leitsatz

1. Sind sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert worden, ist dieser gestohlen worden und ist deshalb die Vorlage der Originalunterlagen unmöglich geworden, sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt (hier: Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 60 % der voranmeldeten Vorsteuerbeträge).

2. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG ; das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben.

3. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis des Leistungseingangs nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben.

4. Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und hierfür Beweis anbieten; insbesondere muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird. Dieser Nachweis wird nicht durch den Beweisantrag erbracht, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, wenn zugleich jedoch eingeräumt wird, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich sind.

 Gesetze

AO § 162 Abs. 1
AO § 162 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
AO § 14

 Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der nach einer Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 1998 bis 2001 vom 21. Juni 2007.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der … GmbH (GmbH 1). Bei dieser hatte Anfang 1999 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1997 stattgefunden. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH 1 als Organgesellschaft seit 1996 eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. In Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichts betreffend die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 führte das FA aus, dass die Umsätze des Organkreises durch den Kläger als Organträger zu erklären seien und er ab dem 1. Januar 1999 eingereichte Voranmeldungen zu berichtigen habe. Sodann führte das FA im Bp-Bericht aus, dass aus verwaltungstechnischen Gründen die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft nicht geändert würden.

Im Mai 2003 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) gegen den Kläger eine Prüfungsanordnung wegen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Feststellung des Gewinns für die Jahre 1998 bis 2001. Der Prüfer bat den Kläger im Sommer 2003 erfolglos um Vorlage der für die Prüfung notwendigen Unterlagen. Der Kläger beantragte wiederholt die Verschiebung des Prüfungsbeginns. Parallel hierzu beschloss die Gesellschafterversammlung im August 2003 die Umfirmierung der GmbH 1 in C. GmbH. Im Jahre 2004 veräußerte diese im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die neu gegründete D. GmbH, die im Dezember 2004 umfirmierte in … GmbH (GmbH 2).

Im Sommer 2004 teilte der Kläger dem Prüfer mit, dass ihm die Vorlage der erbetenen Unterlagen inzwischen unmöglich geworden sei. Zur Begründung führte er aus, im Zuge des Verkaufs sei das bestehende „Miet- und Pachtverhältnis” zwischen ihm, dem Kläger, und der GmbH 1 einvernehmlich aufgehoben worden. Das Anlage- und Umlaufvermögen habe die GmbH 2 übernommen. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH 2 sei M. S. gewesen. Nach der Veräußerung des Anlage- und Umlaufvermögens sei für die GmbH 1 die Liquidation eingeleitet und beim Handelsregister angemeldet worden. Die gesamten Buchführungsunterlagen der GmbH 1 hätten nunmehr vom Betriebsgelände entfernt werden müssen. Er habe daher die Unterlagen und die EDV-Anlage, auf der die Buchhaltung gespeichert war, auf einen Kleinlaster geladen und auf diesem bereitgehalten, als der Kleinlaster am 23. Juni 2004 entwendet worden sei. Die nicht für die Betriebsprüfung benötigten Unterlagen habe er zwecks Einlagerung nach O. verbringen wollen.

Nach der Beschaffung vereinzelter Belegzweitschriften erfolgte die Prüfung zwischen Januar 2006 und April 2007. Aufgrund des Prüfungsberichts vom 23. Mai 2007 ergingen am 21. Juni 2007 die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Mangels Unterlagen hatte das FA über die durch Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuern hinaus 60 % der erklärten Vorsteuern anerkannt.

Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhoben Klage trägt der Kläger vor, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Die umsatzsteuerliche Organschaft sei durch den Verkauf und die Liquidation der GmbH im Jahre 2004 beendet worden. Deshalb hätten die mit der Klage angefochtenen Bescheide nicht ihm, dem Kläger, sondern der GmbH 1 zugestellt werden müssen. Für die GmbH 1 hätte entsprechend dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Februar 1993 X B 165/92 , BFH/NV 1994, 214 ein Nachtragsliquidator bestellt werden müssen. Die Zustellung an ihn, den Kläger, sei fehlerhaft, da die Umsatzsteuerbescheide nun dem falschen Steuerschuldner bekannt gegeben worden seien.

Im Übrigen sei dem FA bei der Schätzung der Höhe der zu berücksichtigenden Vorsteuern gravierende Fehler unterlaufen.

Für die Umsatzsteuer 1998 sei im Rahmen der Vorprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1997 eine umsatzsteuerliche Organschaft auch für das Jahr 1998 festgestellt worden. Unter Punkt 21 des Prüfungsberichts vom 14. Juli 1999 habe das FA ausgeführt, dass die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft für die Jahre 1996 bis 1998 aus verwaltungstechnischen Vereinfachungsgründen nicht geändert würden. Durch diese Aussage sei ein Vertrauenstatbestand gem. § 176 AO geschaffen worden, an den das FA gebunden sei.

Außerdem habe er, der Kläger, für die Umsatzsteuer der Jahre 1999 bis 2001 den Nachweis über die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern erbracht. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 12. Mai 2003 V B 226/02, BFH/NV 2003, 1226 , ausgeführt, dass es in Fällen, in denen Originalrechnungen nicht mehr vorhanden seien, zulässig sei, den erforderlichen Nachweis auch auf andere Weise zu erbringen. Hierzu könne sich der Steuerpflichtige aller verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel bedienen. Er, der Kläger, habe sich bemüht, von seinen Lieferanten, die für die streitigen Zeiträume Waren und ähnliche Güter geliefert und darüber ordnungsgemäß Rechnung erteilt hätten, Zweitschriften bzw. schriftliche Bestätigungen zu erhalten. Er habe dabei rund 240 Firmen angeschrieben mit der Bitte, eine vorgefertigte Erklärung zu unterschreiben und exemplarisch eine Rechnung beizufügen. So habe beispielsweise die Firma E. GmbH am 16. August 2007 bestätigt, dass sie regelmäßig Rechnungen im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt habe und exemplarisch die Rechnung Nr. 40738 vom 7. Dezember 2001 beigefügt. Das FA habe dieses Bemühen zu Unrecht als mangelhaft erachtet. Das FA habe nicht berücksichtigt, dass steuerrechtliche und handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten längst abgelaufen waren und eine Übersendung der gesamten Rechnungen aller Lieferanten aus Kostengründen nicht möglich gewesen sei. Ein solcher Aufwand sei schlicht unverhältnismäßig gewesen. Die von den Lieferanten erhaltenen Erklärungen und Rechnungszweitschriften würden immerhin 3 Leitzordner umfassen. Diese Unterlagen besäßen daher quantitativ und qualitativ eine hohe Aussagekraft. Von einem mangelhaften Bemühen könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Außerdem sei die laufende Buchhaltung durch die Steuerkanzlei … und Partner KG erfolgt. Dieser Kanzlei hätten die Originalrechnungen vorgelegen. Die Mitarbeiterin B. A. habe an Eides Statt versichert, dass sie nur Rechnungen verbucht habe, die den Anforderungen des § 14 UStG entsprochen hätten. Dies könnten auch Steuerberater K. T. und die Sachbearbeiterin A. O. bezeugen.

Hinsichtlich der Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuerbeträge habe sich das FA darauf berufen, dass im Rahmen der Vorprüfung Vorsteuern in einer Größenordnung von rund 40 % nicht anzuerkennen waren. Diese Argumentation sei unhaltbar, denn die fälschlicherweise gezogene Vorsteuer habe mit dem Erwerb eines Grundstücks ganz überwiegend nur einen einzigen Vorgang betroffen. Unter Außerachtlassung dieses Vorganges seien die Vorsteuern in der Vorprüfung zwischen 0 und 5,08 % gekürzt worden. In den Streitjahren sei jedoch kein Anlagevermögen erworben worden, so dass sich ein solcher Fehler auch nicht habe wiederholen können. Die Umsatzsteuerforderungen des FA seien in den Vorjahren viel geringer als nun aufgrund der Prüfung in den Streitjahren.

Soweit das FA meint, die vorgelegten Rechnungskopien würden teilweise nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, verkenne das FA, dass sich die Rechtslage im Laufe der Jahre geändert habe. § 14 UStG habe in den letzten Jahren erhebliche Änderungen erfahren. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen sämtlich den in den Streitjahren maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1998 – 2001 vom 21. Juni 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Es meint, es sei zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen. Im Hinblick auf die fehlenden Unterlagen sei es nötig gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dabei habe das FA deutlich höhere Vorsteuerbeträge berücksichtigt als der Kläger glaubhaft gemacht habe.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt.

Die angefochtenen Umsatzsteuersteuerbescheide sind zutreffender Weise an den Kläger gerichtet und diesem bekannt gegeben worden.

Ein Steuerbescheid ist demjenigen gegenüber bekanntzugeben, der von ihm inhaltlich betroffen ist. Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger Unternehmer, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG . Deshalb ist ihm gegenüber der Umsatzsteuerbescheid bekanntzugeben. Nach dem Vortrag des Klägers wurde das Organschaftsverhältnis im Jahre 2004 beendet. Die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft führt dazu, dass für die Zeit ab deren Beendigung wieder zwei Unternehmer existieren. Für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Streitjahre hat die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft im Jahre 2004 keine Auswirkung. Die angefochtenen Bescheide waren daher dem Kläger als damaligem Organträger bekanntzugeben.

Im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Für das Jahr 1998 drohte der Eintritt der Festsetzungsverjährung allenfalls zum 31. Dezember 2003 (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO –). Das FA hatte allerdings zuvor eine Außenprüfung angeordnet, deren Beginn auf Antrag des Kläger wiederholt hinausgeschoben wurde (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Die Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuern ist nicht zu beanstanden.

Das FA war zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dürfen die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Kläger hat vorgetragen, dass sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert waren, als dieser gestohlen wurde und ihm deshalb die Vorlage der Unterlagen unmöglich geworden ist. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt.

Das Finanzamt hat die Vorsteuern in Höhe von 60 % der vom Kläger im Voranmeldungsverfahren erklärten Beträge berücksichtigt. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung im Sinne des § 14 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren maßgebenden Fassung); das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung § 162 AO Rz. 27). Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Hiervon ist das FA offenbar ausgegangen, denn es hat über die vom Kläger aufgrund der Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuerbeträge darüber hinausgehend weitere Vorsteuerbeträge berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug ergeben sich aus den §§ 14 , 15 UStG. Der Vorsteuerabzug u.a. ist nur möglich, wenn bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts bezeichnet werden. Den Umfang der dem Kläger zustehenden Vorsteuer konnte der Senat nicht feststellen. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis darüber, dass ihm ein anderer Unternehmer Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt hat, nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 156/06 Rz. 13, BFH/NV 2008, 416 ). Dieser Nachweis ist dem Kläger nach Auffassung des Senats nicht gelungen.

Der Kläger hat nämlich die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht dargelegt und hierfür Beweis angeboten. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, für welche konkrete Leistung ihm der Vorsteuerabzug zusteht. Der Kläger hat lediglich beantragt, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, zugleich aber eingeräumt, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich seien. Damit aber hat der Kläger nicht die zum Vorsteuerabzug notwendigen Tatsachen vorgetragen. Dabei verkennt der Kläger, dass nicht das Vorliegen von Rechnungen streitig ist, sondern ob ihm aus den einst in seinem Besitz befindlichen Rechnungen der Vorsteuerabzug zusteht. Bei der Behauptung des ausschließlichen Vorliegens und Verbuchens von ordnungsgemäßen, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung – nämlich um das Vorliegen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen –. Dies kann das Gericht aber nur aufgrund der Vorlage der Rechnungen oder nach einer Beweisaufnahme feststellen; denn erst, wenn im Einzelnen bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts festgestellt werden kann, kann das Gericht darüber befinden, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorlag, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür hat der Kläger keinen Beweis angeboten.

Die von den Lieferanten unterzeichneten Erklärungen über die Üblichkeit der Rechnungsausstellung mit gesondertem Vorsteuerausweis für den Vorsteuerabzug genügen ebenfalls nicht für den begehrten Vorsteuerabzug, weil auch aus ihnen die für den Vorsteuerabzug notwendigen Angaben nicht entnommen werden können.

Der Kläger hat durch Vorlage von Rechnungszweitschriften Vorsteuern zwischen 20.877,73 DM (2001) und 27.433,71 DM (1998) glaubhaft gemacht. Das FA hat hingegen in den angefochtenen Bescheiden Vorsteuern zwischen 338.634,70 DM (2001) und 584.544,69 DM (1998), also ein Vielfaches der glaubhaft gemachten Vorsteuern berücksichtigt. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Möglichkeit, weitere Vorsteuern zu berücksichtigen.

Der Hinweis des Klägers auf die Vorprüfung geht fehl. In der Vorprüfung lagen – anders als im vorliegenden Verfahren – sämtliche Belege vor.

Für das Jahr 1998 ist kein Vertrauenstatbestand im Sinne von § 176 AO geschaffen worden. § 176 AO setzt in allen Fallvarianten eine Entscheidung eines Gerichts voraus. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist aus den Akten sonst ersichtlich, dass das FA eine Steuerfestsetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu seinem Nachteil geändert hätte. Auch im Übrigen kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensgrundsätze beruhen.

Das FA hat im Bp-Bericht der GmbH 1 nur mitgeteilt, dass die eingereichten Erklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 nicht geändert werden müssen und eine solche erst ab dem 1. Januar 1999 zu erfolgen hat. Damit hatte das FA aber keine Aussage darüber getroffen, dass die Steuerbescheide nicht später noch geändert werden könnten. Dies ergibt sich für das Jahr 1998 insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieses Jahr gar nicht Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen war.

Im Übrigen käme ein Vertrauensschutz allenfalls bei unveränderter Sachlage (insbesondere der fortbestehenden Zahlungsfähigkeit der Organgesellschaft) in Betracht. Im vorliegenden Verfahren hat sich aber die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt der Abfassung des Berichts über die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 in wesentlichen Punkten verändert, da die Organtochter ihr gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen vor Beginn der Betriebsprüfung beim Kläger veräußert hatte und ihre Löschung im Handelsregister beantragt worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege zugelassen.

Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 7. Mai 2013

Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012 (BStBl I 2013 Seite 36) und vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953) mit Anpassung Muster „Freistellungsauftrag für Kapitalerträge und Antrag auf ehegattenübergreifende Verlustverrechnung“

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-1910 / 13 / 10065 :001 vom 31.07.2013

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die BMF-Schreiben vom 20. Dezember 2012 (BStBl 2013 Seite 36) und vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953) wie folgt geändert:

1. Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012

  1. Die Angabe zu Randziffer 23 wird wie folgt gefasst:

    „Rz. 23 (weggefallen)“.

  2. Nach Randziffer 57 wird folgende Randziffer 58 eingefügt:

    „Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner Anwendung.“

2. Änderung des BMF-Schreibens vom 9. Oktober 2012

Nach Randziffer 325 wird folgende Randziffer 326 eingefügt:

„Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner Anwendung.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn ab diesem Zeitpunkt erteilte gemeinsame Freistellungsaufträge aus automationstechnischen Gründen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 berücksichtigt werden.“

Das nachfolgend als Anlage beigefügte Muster ersetzt das Muster im BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012. Bereits gedruckte Muster der Freistellungsaufträge können noch bis zum 30. Juni 2014 weiter verwendet werden.

Quelle: BMF

Ertragsteuerliche Folgen der Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer an Dritte

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt hinsichtlich der ertragsteuerlichen Behandlung der Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer an Dritte Folgendes:

Der Anspruch des Aktionärs auf Auszahlung des auf seine Beteiligung entfallenden Gewinns auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung kann veräußert und übertragen werden, auch wenn die den Gewinnanspruch vermittelnde Aktie nicht mitveräußert wird. Der Anspruch kann auch bereits vor seiner Entstehung durch den Gewinnverwendungsbeschluss als künftiger Anspruch übertragen werden.

Wurden Dividendenscheine ausgegeben, ist der Anspruch des Aktionärs auf die Dividende durch Einigung und Übergabe des Dividendenscheines übertragbar, denn der Dividenden-schein verkörpert den Dividendenzahlungsanspruch.

Eine wirksame Veräußerung der Dividendenscheine im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG erste Alternative liegt nur vor, wenn die Dividendenscheine dem Erwerber übergeben werden.

Wurden die Dividendenansprüche nicht verbrieft, liegt eine wirksame Veräußerung eines sonstigen Anspruchs im Sinne der zweiten Alternative des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG vor, wenn der Anspruch durch eine wirksame Forderungsabtretung auf den Erwerber übertragen wurde.

Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG begründen keine beschränkte Steuerpflicht des Veräußerers nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Satz 2 EStG schließt jedoch die beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht aus. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Satz 2 EStG ist dieser Ausschluss auf Fälle der tatsächlichen Besteuerung des Veräußerungserlöses beschränkt.

Die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) Satz 2 EStG findet keine Anwendung, wenn die tatsächliche Besteuerung des Veräußerungserlöses unterbleibt. Der Wortlaut des Satzes 2 stellt klar, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG an die Stelle der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 EStG tritt. Dadurch wird eine Doppelbesteuerung der Dividendenzahlung und zusätzlich des Veräußerungserlöses aus der Übertragung des Gewinnanspruchs vermieden. Nur in Fällen, in denen vom Inhaber des Stammrechtes der Veräußerungserlös nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG zu versteuern ist, wird die Dividendenzahlung nicht mehr besteuert.

Sofern der Gewinn aus der Veräußerung eines Dividendenanspruchs beim Veräußerer nicht zu einer tatsächlichen Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG führt, verbleibt es daher bei der an der Auszahlung der Dividende anknüpfenden Besteuerung und bei der Auszahlung der Dividende ist in jedem Fall Kapitalertragsteuer einzubehalten.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-2410 / 11 / 10001 :003 vom 26.07.2013

Steuerschulden können künftig per Kartenzahlung beglichen werden

Steuerschulden können zukünftig auch per Kartenzahlung beglichen werden: Künftig können säumige Steuerzahler, die Besuch von einem Vollziehungsbeamten bekommen, ihre nicht fristgemäß entrichteten Steuerzahlungen auch mit Kredit- oder Girokarte entrichten.

Die 138 baden-württembergischen Vollziehungsbeamten im Außendienst wurden dazu mit mobilen Kartenlesegeräten ausgestattet. Bisher waren zur Abwendung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen nur Bar- oder Scheckzahlungen an den Vollziehungsbeamten möglich. In den Gebäuden der Finanzämter sind hingegen keine Bar- oder Kartenzahlungen vorgesehen.

Nach erfolgreich durchgeführter Pilotierung bei sieben Finanzämtern können nun die im Außendienst tätigen Vollziehungsbeamten aller baden-württembergischen Finanzämter Zahlungen per Girokarte, Kreditkarte (MasterCard und VISA), Maestro und VPAY entgegen nehmen. Die Abwicklung erfolgt wie allgemein üblich durch die Eingabe einer persönlichen Geheimzahl (PIN) seitens der Steuerbürger in ein Kartenzahlungsgerät. Kreditkartennutzer müssen, abhängig von der verwendeten Karte, gegebenenfalls auf einem Ausdruck unterschreiben. Die Finanzämter verfügen über eigene Vollstreckungsstellen. Diese können einen im Außendienst beschäftigten Vollziehungsbeamten mit der Vollstreckung beauftragen, der zur Beitreibung der Rückstände säumige Steuerbürger aufsucht.

Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 05.08.2013

Aufteilung Arbeitszimmer bei teilweiser Liebhaberei

Finanzgericht Köln, 4 K 1242/13

Datum:
15.05.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1242/13
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, IX R 21/13
Tenor:

Die Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 wird für die Jahre 2007 und 2008 dergestalt geändert, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 2007 i. H. v. 562 € und für 2008 i. H. v. 766 € gemindert werden. Die Berechnung der Einkommensteuer 2007 und 2008 wird dem Beklagten übertragen.

Bis zum 14.05.2013 werden die Kosten des Verfahrens zu 89 v. H. dem Kläger und zu 11 v. H. dem Beklagten auferlegt. Danach trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

1Tatbestand

2Umstritten war ursprünglich auch, ob eine wissenschaftliche Tätigkeit des Klägers nach seiner Versetzung in den Ruhestand einkommensteuerrechtlich beachtlich oder als Liebhaberei zu beurteilen war. Nachdem der Kläger dieses Begehren im Termin der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt hat, ist nunmehr nur noch streitig, ob dem Kläger ein Abzug eines Teils der auf sein Arbeitszimmer entfallenden Kosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung deswegen versagt werden kann, weil er das Arbeitszimmer auch für eine Tätigkeit nutzte, die vom Finanzamt (FA) als einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei eingestuft wurde.

3Der im Jahr … geborene Kläger ist Universitätsprofessor im Ruhestand. Er wurde für die Streitjahre (2007 und 2008) mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

4Aus dem Objekt E-Straße … (14 Wohneinheiten) erklärte der Kläger Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 97.200 € (2007) und 88.848 € (2008), Werbungskosten i.H.v. 78.229 € (2007) und 61.543 € (2008) und Einkünfte i. H. v. 18.977 € (2007) und 27.305 € (2008).

5In seinen Einkommensteuererklärungen für 2007 und 2008 machte der Kläger u. a. Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.751 € (2007) und 1.936 € (2008) für ein häusliches Arbeitszimmer geltend.

6Diese Kosten berechneten sich wie folgt:

7

für das Jahr 2007
AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Regal gekauft im Jahr 2007 451,00 €
Betriebskosten des Hauses, 6489,65 € x 17,63 % 1.144,13 €
Schuldzinsen, 158 € x 17,63 % 27,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

8

für das Jahr 2008
AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Betriebskosten des Hauses, 4.437,93 € x 17,63 % 782,41 €
Schuldzinsen, 141 € x 17,63 % 24,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

9Den Anteil von 17,63% (Betriebskosten, Schuldzinsen, AfA) errechnete der Kläger in dem er die Fläche des Arbeitszimmers von 32,36 qm in ein Verhältnis zur Gesamtfläche der Wohnung (Erdgeschoss und Dachgeschoss) von 183,51 qm setze. Er legte hierzu eine Wohnflächenberechnung des Dipl. Ing. D vor. Außerdem legte er Grundrisspläne des von ihm und seiner Ehefrau bewohnten, und entweder ihm alleine oder den Ehegatten jeweils zur Hälfte, gehörenden Ein- oder Zweifamilienhauses vor. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass das vom Kläger genutzte Arbeitszimmer aus zwei im Dachgeschoss liegenden Räumen bestand.

10Der Kläger nutzte das Arbeitszimmer in den Streitjahren (2007 und 2008) zeitanteilig zu 30% für seine wissenschaftliche Tätigkeit, zu 45% für die Hausverwaltung E-Straße (14 Wohneinheiten) und zu 25% für die Hausverwaltung C-Straße … (5 Wohneinheiten). Die Einkünfte aus dem Objekt E-Straße wurden in den Einkommensteuererklärungen des Klägers, diejenigen für das Objekt C-Straße … in den Feststellungserklärungen der Grundstücksgemeinschaft A (bestehend aus dem Kläger und seinem Sohn B) erklärt.

11Die Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer teilte der Kläger demzufolge wie folgt auf:

12

für das Jahr 2007
Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 2.751,37 € 30 % 825,00 €
Hausverwaltung
E-Straße 2.751,37 € 45 % 1.238,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 2.751,37 € 25 % 688,00 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

13

für das Jahr 2008
Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 1.935,65 € 30 % 581,00 €
Hausverwaltung
E-Straße 1.935,65 € 45 % 871,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 1.935,65 € 25 % 484,00 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

14Mit teilweise vorläufigen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden für 2007 vom 7.8.2008 und für 2008 vom 16.9.2009 setzte das FA die Einkommensteuer 2007 auf 3.408,00 und 2008 € auf 1.287,00 € fest, wobei es die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer mit der Begründung außer Ansatz ließ, dass dieses nicht Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers sei.

15Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinen Einsprüchen vom 13.8.2008 und 2.12.2009.

16Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Es versagte in der Einspruchsentscheidung den bisher berücksichtigten Verlusten des Klägers aus selbständiger Arbeit erstmalig eine Anerkennung. Außerdem erkannte es auch weiterhin die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten an. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

17Während der Kläger ursprünglich die Ansicht vertreten hatte, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, vertritt er nunmehr nur noch die Ansicht, ihm stünde ein zumindest begrenzter Werbungskostenabzug zu, weil ihm für seine Verwaltungstätigkeit für die Vermietung des Objekts E-Straße … (und im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft für seine Verwaltungstätigkeit für die Vermietung des Objekts C-Straße …) kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.

18Der Kläger beantragt,

19die in der Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 festgesetzte Einkommensteuer 2007 und 2008 dergestalt zu ändern, dass die erklärten Aufwendungen für sein Arbeitszimmer, soweit sie auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entfallen, unter Einschluss des Feststellungsergebnisses für die Grundstücksgemeinschaft bis zu einer Höhe von jeweils 1.250 € Einkünfte mindernd berücksichtigt werden.

20Der Beklagte beantragt,

21die Klage abzuweisen.

22Der Beklagte vertritt die Ansicht, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gehörten grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung und dürften gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) den Gewinn nicht mindern. Dies gelte nach § 9 Abs. 5 EStG auch für die so genannten Überschusseinkunftsarten, zu denen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zählten.

23Das Abzugsverbot gelte zwar nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

24Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setze die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer aber voraus, dass das Zimmer ausschließlich oder so gut wie ausschließlich betrieblich bzw. beruflich oder auch anderweitig zur Erzielung steuerrelevante Einkünfte und jedenfalls nicht privat genutzt werde. Eine private Mitbenutzung sei nach der Rechtsprechung des BFH nur dann unerheblich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung sei. Ansonsten sei ein Abzug der Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG ausgeschlossen (vgl. hierzu FG Hamburg Urteil vom 8.12.2004, II 120/04).

25Das Arbeitszimmer des Klägers sei seinen Angaben nach in den Streitjahren zu 30 % für seine selbstständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit genutzt worden. Diese werde jedoch mangels Gewinnerzielungsabsicht als Liebhaberei dem nicht steuerrelevanten und damit dem Privatbereich des Klägers zugerechnet.

26Hier liege die Nutzung für eine nicht der Einkünfteerzielung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dienende und damit in die Privatsphäre fallende Tätigkeit bei vom Kläger geschätzten 30 % und sei damit, unabhängig von der Feststellung, wo sich letztlich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit befinde und ob dem Kläger für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers seien daher nach § 12 EStG in vollem Umfang dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und damit nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

27Entscheidungsgründe

28Die Klage ist begründet.

29Das FA hat einen Abzug in Höhe von 45 % (zuzüglich von 25% im Rahmen der Feststellungsbescheide der Grundstücksgemeinschaft A) der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bis zu einer Höhe von insgesamt 1.250 € jährlich zu Unrecht versagt. Der Senat schließt sich bei seiner Beurteilung den überzeugenden Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG), welches einen vergleichbaren Fall zu beurteilen hatte, im Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100, an.

30Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer waren in Höhe von 45 % der entstandenen Raumkosten als Werbungskosten des Klägers im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, weil der Kläger zu diesem Zeitanteil das Arbeitszimmer für Verwaltungstätigkeiten für das Haus E-Straße … genutzt hatte.

311. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG bestimmt, dass die folgenden Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 EStG). Diese Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend.

322. Im Streitfall bildete das Arbeitszimmer zwar nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.

33Dem Kläger stand in den Streitjahren für seine Verwaltungstätigkeit für das Haus E-Straße … aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

34Der Kläger kann daher 45 % der entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung im Rahmen des Höchstbetrags von 1.250 € geltend machen.

35a) Einem Abzug steht nicht entgegen, dass das Arbeitszimmer nicht nahezu ausschließlich für Einkunftszwecke genutzt wurde. Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzte zwar nach bisheriger Auffassung des BFH grundsätzlich voraus (vgl. Niedersächsisches FG Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100 m.w.N.), dass das Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wurde. Denn nach der Rechtsprechung des BFH konnten Aufwendungen für die eigene Wohnung bei der Einkommensteuer grundsätzlich nicht abgezogen werden, weil es sich bei diesen Aufwendungen regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handele, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien (vgl. BFH-Urteil v. 18.10.1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, betr. Durchgangszimmer). Etwas anderes galt nur dann, wenn die Aufwendungen gleichwohl ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich veranlasst waren (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, und BFH-Urteil vom 21.7.1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Eine solche Veranlassung wurde nur angenommen, wenn – unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen außerhalb seiner Wohnung ein ausreichender Arbeitsplatz zur Verfügung stand und unabhängig davon, ob ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich war – feststand, dass der Raum so gut wie ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wurde. Eine private Mitbenutzung war lediglich dann als unschädlich zu bewerten, wenn sie von untergeordneter Bedeutung war (BFH-Urteile vom 28.10.1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16 und vom 28.09.1967 – IV R 120/66, BStBl II 1968, 77 und BFH-Beschlüsse vom 19.10.1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 und vom 19.10.1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21). War die private Mitbenutzung nicht von nur untergeordneter Bedeutung, so stand die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen.

36b) Indes ist die Rechtfertigung für ein solch grundsätzliches Aufteilungsverbot durch den BFH-Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 entfallen, so dass nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls dann, wenn der Charakter als „Arbeitszimmer” trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist, eine Aufteilung nach den Grundsätzen dieses Beschlusses geboten ist.

37aa) Das FG Baden-Württemberg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 2.2.2011 (7 K 2005/08, EFG 2011, 1055) allerdings die Verwaltungsauffassung bestätigt, wonach Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn das fragliche Zimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, ergebe sich nichts anderes. Wohnungskosten gehörten, anders als die vom Großen Senat beurteilten Reisekosten, zu den grundsätzlich nicht aufteilbaren Kosten für die Lebensführung, die bereits durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten seien (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.2.2011, 7 K 2005/08, EFG 2011, 1055 und auch OFD Koblenz v. 19.9.2011 – S 2354 A-St 32 2). Dem hat sich das Sächsische FG in der Entscheidung vom 11.1.2012 (2 K 1854/11, EFG 2012, 1125) im Wesentlichen angeschlossen.

38bb) Das FG Köln hat demgegenüber im Urteil vom 19.5.2011 (10 K 4126/09, EFG 2011, 1410) bei teils privater, teils betrieblicher Raumnutzung eine schätzungsweise 50/50-Aufteilung „unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände” vorgenommen. Der von ihm angewendete Aufteilungsmaßstab ergebe sich unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.2.2011, VI R 12/10, BFHE 233, 123, BStBl II 2011, 796, wonach eine Aufteilung grundsätzlich im Verhältnis 50:50 geboten sei.

39c) Im Streitfall war ein anteiliger Abzug in Höhe von 45 % der durch die Vermietungstätigkeit für das Grundstück E-Straße … veranlassten Raumaufwendungen geboten.

40Der Große Senat des BFH hat am 21.9.2009 (GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010) in Bezug auf Reisekosten entschieden, dass die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegenstehe. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG normiere danach kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot. Bestünden keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil von Aufwendungen beruflich veranlasst sei, bereite seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so sei dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen. Griffen jedoch die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich sei, fehle es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so komme ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Nach diesen Maßstäben war ein anteiliger Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer vorzunehmen.

41Denn zwischen den Beteiligten ist unstreitig zu welchen Zeitanteilen der Kläger sein Arbeitszimmer für welche Zwecke nutzte. Der Kläger hat im Termin der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass er sich bemüht habe, diese Zeitanteile sachgerecht zu schätzen. Der Senat hat keinen Anlass, diesen unstreitigen Sachverhalt in Zweifel zu ziehen. Die zeitanteilige Nutzung des Arbeitszimmers ist ein sachgerechter Schlüssel, um die für das Arbeitszimmer entstanden Aufwendungen aufzuteilen.

42d) Weitere Bedenken gegen eine Anerkennung eines Teils der für das Arbeitszimmer geltend gemachten Aufwendungen bestehen nicht.

43aa) Dies gilt zunächst nicht wegen der Anforderungen, die an ein häusliches Arbeitszimmer zu stellen sind.

44Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein Raum mit einer inneren Beziehung zum Wohnen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten dient. Der typische Fall eines „häuslichen Arbeitszimmers” ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das häusliche Büro, wobei das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes der Schreibtisch sein sollte (Urteil des BFH vom 9.8.2011, VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200). Darüber hinaus sollte das häusliche Arbeitszimmer mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen, Aktenbock und ähnlichen „Büromöbeln” sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen, Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet sein (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 6.4.2011, EFG 2011, 1416 m.w.N.).

45Das Arbeitszimmer des Klägers erfüllte die von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen an ein Arbeitszimmer. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Unterlagen bestand das Arbeitszimmer aus zwei Räumen im Dachgeschoss, die gegenüber den übrigen Wohnräumen abgeschlossen waren. Nach diesen Unterlagen war das größere dieser beiden Zimmer mit Regalen an allen Wänden und 2 Schreibtischen ausgestattet. Über die Einrichtung des kleineren Zimmers ergibt sich zwar aus den vorgelegten Unterlagen nichts. Indes ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass auch das kleinere der beiden Zimmer einrichtungsgemäß den Anforderungen an ein Arbeitszimmer entsprach.

46bb) Auch der Höhe nach war die Ermittlung der Aufwendungen nicht zu beanstanden.

47Denn der Kläger hat die ermittelten Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer glaubhaft dargelegt.

48Ein Abzug lediglich der hälftigen Anschaffungskosten im Rahmen der Absetzung für Abnutzung war auch nicht vor dem Hintergrund des sog. Drittaufwandes für den Fall geboten, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau lediglich Miteigentümer des von ihm bewohnten Hauses gewesen sein sollte.

49Nutzt ein Miteigentümer im Rahmen seines Miteigentumsanteils einen Teil des Wirtschaftsguts (Arbeitszimmer) zur Einkunftserzielung alleine, dann ist davon auszugehen, dass er Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. In diesem Fall wird der den anderen Miteigentümern gehörende Anteil grundsätzlich nicht wechselseitig gemietet und vermietet (vgl. Urteil des BGH vom 28.11.1963 II ZR 41/62, NJW 1964, 648, zu III.), d.h. der Miteigentümer nutzt den Raum zivilrechtlich nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt ihn insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (§ 743 Abs. 2 BGB). Das gilt auch einkommensteuerrechtlich (vgl. BFH-Urteil vom 7.12. 1993 IX R 169/88, BStBl II 1994, 325, zu I. 1.b; Trzaskalik in Festschrift für L. Schmidt, 1993, S. 51, 72). Anders als sein Miteigentumsrecht bezieht sich sein Nutzungsrecht auf den ganzen Raum (vgl. auch BFH-Urteil vom 12.2.1988 VI R 141/85, BFHE 173, 131, BStBl II 1988, 764, zu I. 3., und BFH Beschluss vom 23.08.1999 – GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774). Nutzt der Kläger das Arbeitszimmer in vollem Umfang aus eigenem Recht, sind auch seine eigenen anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als im Interesse dieser Nutzung aufgewendet anzusehen, so dass eine Aufteilung nach Miteigentumsanteilen nicht vorzunehmen war. Davon ist im Falle der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines Gebäudes auch dann auszugehen, wenn es im Übrigen vom Steuerpflichtigen und seinem Ehegatten gemeinsam bewohnt wird (§ 1353 BGB).

503. Die Minderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung laut Einspruchsentscheidung berechnet sich wie folgt:

51

2007
Kosten Arbeitszimmer gesamt 2.751,37 €
./. Anteil Liebhaberei ./.                            825,00 €
verbleiben 1.926,37 €
Höchstbetrag 1.250,00 €
davon Grundstücksgemeinschaft ./.                            688,00 €
verbleiben 562,00 €

52

2008
Kosten Arbeitszimmer gesamt 1.935,65€
./. Anteil Liebhaberei ./.                            581,00 €
verbleiben 1.354,65 €
Höchstbetrag 1.250,00 €
davon Grundstücksgemeinschaft ./.                            484,00 €
verbleiben 766,00 €

53Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer 2007 und 2008 wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

54Die Kostenfolge beruht auf den §§ 135, 136 Abs. 2 FGO.

55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

56Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer eine (nahezu) ausschließliche Nutzung zu beruflichen (betrieblichen) Zwecken voraussetzt, zuzulassen.

Kein Aufteilungsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer (Finanzgericht Köln)

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können bei einer gemischten Nutzung anteilig als Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Charakter als „Arbeitszimmer“ trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist (FG Köln, Urteile v. 15.5.2013 – 4 K 1384/10 und 4 K 1242/13; jeweils Revision anhängig).

 

Finanzgericht Köln, 4 K 1384/10

Datum: 15.05.2013

Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 K 1384/10
Nachinstanz: Bundesfinanzhof, XI R 20/13
Tenor:

Die Bescheide über die gesonderter Feststellung von Einkünften 2007 und 2008 werden dergestalt geändert, dass weitere Sonderwerbungskosten des Klägers für 2007 in Höhe von 688,00 € und für 2008 in Höhe von 484,00 € berücksichtigt werden. Die Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 wird aufgehoben.

Die Berechnung der Einkünfte 2007 und 2008 wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

1Tatbestand

2Streitig ist, ob dem Kläger ein Abzug eines Teils der auf sein Arbeitszimmer entfallenden Kosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung deswegen versagt werden kann, weil er das Arbeitszimmer auch für eine Tätigkeit nutzte, die vom Finanzamt (FA) als einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei eingestuft wurde.

3Die Grundstücksgemeinschaft A (Beigeladene), an der der Kläger und sein Sohn B jeweils zur Hälfte beteiligt sind, erzielte in den Streitjahren (2007 und 2008) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück C-Straße ….

4In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 2007 erklärte die Beigeladene gemeinschaftliche Einnahmen von 35.324 € und gemeinschaftliche Werbungskosten von 43.657 € und damit einen gemeinschaftlichen Verlust von 8.333 €. Darüber hinaus erklärte sie Sonderwerbungskosten für den Kläger i.H.v. 2.885,94 € und für den Sohn B i.H.v. 7.266,69 €.

5In den Sonderwerbungskosten des Klägers war ein Betrag i.H.v. 688 € enthalten, der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer enthielt. Diese Aufwendungen berechneten sich wie folgt:

6

AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Regal gekauft im Jahr 2007 451,00 €
Betriebskosten des Hauses, 6489,65 € x 17,63 % 1.144,13 €
Schuldzinsen, 158 € x 17,63 % 27,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

7Den Anteil von 17,63% (Betriebskosten, Schuldzinsen, AfA) errechnete der Kläger in dem er die Fläche des Arbeitszimmers von 32,36 qm in ein Verhältnis zur Gesamtfläche der Wohnung (Erdgeschoss und Dachgeschoss) von 183,51 qm setze. Er legt hierzu eine Wohnflächenberechnung des Dipl. Ing. D vor. Außerdem legte er Grundrisspläne des von ihm bewohnten, und entweder ihm alleine oder den Ehegatten jeweils zur Hälfte, gehörenden Ein- oder Zweifamilienhauses vor. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass das vom Kläger genutzte Arbeitszimmer aus zwei im Dachgeschoss liegenden Räumen bestand.

8Der Kläger nutzte das Arbeitszimmer in den Streitjahren (2007 und 2008) zeitanteilig zu 30% für seine wissenschaftliche Tätigkeit, zu 45% für die Hausverwaltung E-Straße … (14 Wohneinheiten) und zu 25% für die Hausverwaltung C-Straße (5 Wohneinheiten).

9Die Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer teilte der Kläger demzufolge für das Jahr 2007 wie folgt auf:

10

Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 2.751,37 € 30 % 825,00 €
Hausverwaltung
E-Straße … 2.751,37 € 45 % 1.238,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 2.751,37 € 25 % 688,00 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

11In dem Feststellungsbescheid 2007 vom 29.7.2008 wich das Finanzamt (FA) insoweit einer Steuererklärung ab, als es bei den Sonderwerbungskosten des Klägers Aufwendungen für ein Arbeitszimmer i.H.v. 688 € nicht berücksichtigte. Im Übrigen erfolgte die Veranlagung erklärungsgemäß.

12In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 2008 erklärte die Beigeladene gemeinschaftliche Einnahmen von 37.685 € und gemeinschaftliche Werbungskosten von 20.170 € und damit einen gemeinschaftlichen Gewinn von 17.515 €. Darüber hinaus erklärte sie Sonderwerbungskosten für den Kläger i.H.v. 2.902,12 € und für den Sohn B i.H.v. 7.156,21 €.

13In den Sonderwerbungskosten des Klägers war ein Betrag i.H.v. 484 € enthalten, der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer enthielt. Diese Aufwendungen berechneten sich wie folgt:

14

AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Betriebskosten des Hauses, 4.437,93 € x 17,63 % 782,41 €
Schuldzinsen, 141 € x 17,63 % 24,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

15Die Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer teilte der Kläger wie folgt auf:

16

Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 1.935,65 € 30 % 581,00 €
Hausverwaltung
E-Straße … 1.935,65 € 45 % 871,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 1.935,65 € 25 % 484,00 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

17In dem Feststellungsbescheid 2008 vom 30.10.2009 wich das Finanzamt (FA) insoweit von der Steuererklärung ab, als es bei den Sonderwerbungskosten des Klägers Aufwendungen für ein Arbeitszimmer i.H.v. 484 € nicht berücksichtigte. Im Übrigen erfolgte die Veranlagung erklärungsgemäß.

18Die auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen ließ das FA für beide Jahre zunächst mit der Begründung, das Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Tätigkeit des Klägers, außer Ansatz.

19Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

20Während der Kläger ursprünglich die Ansicht vertreten hatte, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, vertritt er nunmehr die Ansicht, ihm stünde ein zumindest begrenzter Werbungskostenabzug zu, weil ihm für seine Verwaltungstätigkeit für die Vermietung des Objektes C-Straße, bestehend aus fünf Wohneinheiten, kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.

21Der Kläger beantragt,

22die Feststellungsbescheide 2007 vom 29.7.2008 und 2008 vom 30.10.2009 dergestalt zu ändern, dass bei ihm weitere Sonderwerbungskosten für 2007 in Höhe von 688,00 € und für 2008 in Höhe von 484,00 € berücksichtigt werden und die Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 aufzuheben.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen;

25hilfsweise, die Revision zuzulassen.

26Der Beklagte vertritt die Ansicht, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gehörten grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung und dürften gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) den Gewinn nicht mindern. Dies gelte nach § 9 Abs. 5 EStG auch für die so genannten Überschusseinkunftsarten, zu denen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zählten.

27Das Abzugsverbot gelte zwar nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

28Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setze die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer aber voraus, dass das Zimmer ausschließlich oder so gut wie ausschließlich betrieblich bzw. beruflich oder auch anderweitig zur Erzielung steuerrelevante Einkünfte und jedenfalls nicht privat genutzt werde. Eine private Mitbenutzung sei nach der Rechtsprechung des BFH nur dann unerheblich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung sei. Ansonsten sei ein Abzug der Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG ausgeschlossen (vgl. hierzu FG Hamburg Urteil vom 8.12.2004, II 120/04).

29Das Arbeitszimmer des Klägers sei seinen Angaben nach in den Streitjahren zu 30 % für seine selbstständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit genutzt worden. Diese werde jedoch mangels Gewinnerzielungsabsicht als Liebhaberei dem nicht steuerrelevanten und damit dem Privatbereich des Klägers zugerechnet. Insoweit werde auf die zur Einkommensteuer 2007 und 2008 ergangene Einspruchsentscheidung verwiesen.

30Hier liege die Nutzung für eine nicht der Einkünfteerzielung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dienende und damit in die Privatsphäre fallende Tätigkeit bei vom Kläger geschätzten 30 % und sei damit, unabhängig von der Feststellung, wo sich letztlich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit befinde und ob dem Kläger für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers seien daher nach § 12 EStG in vollem Umfang dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und damit nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücksgemeinschaft zu berücksichtigen.

31Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

32Entscheidungsgründe

33Die Klage ist begründet. Das FA hat einen Abzug in Höhe von 25 % der Aufwendungen für das häusliches Arbeitszimmer zu Unrecht versagt. Der Senat schließt sich bei seiner Beurteilung den überzeugenden Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG), welches einen vergleichbaren Fall zu beurteilen hatte, im Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100, an.

34Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer waren in Höhe von 25 % der entstandenen Raumkosten als Sonderwerbungskosten des Klägers im Rahmen der Einkünfte der Beigeladenen aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, weil der Kläger zu diesem Zeitanteil das Arbeitszimmer für Verwaltungstätigkeiten für das Haus C-Straße genutzt hatte.

351. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG bestimmt, dass die folgenden Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 EStG). Diese Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend.

362. Im Streitfall bildete das Arbeitszimmer zwar nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.

37Dem Kläger stand in den Streitjahren für seine Verwaltungstätigkeit für das Haus C-Straße aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

38Der Kläger kann daher 25 % der entstandenen Aufwendungen als Sonderwerbungskosten im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft geltend machen.

39a) Einem Abzug steht nicht entgegen, dass das Arbeitszimmer nicht nahezu ausschließlich für Einkunftszwecke genutzt wurde. Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzte zwar nach bisheriger Auffassung des BFH grundsätzlich voraus (vgl. Niedersächsisches FG Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100 m.w.N.), dass das Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Denn nach der Rechtsprechung des BFH konnten Aufwendungen für die eigene Wohnung bei der Einkommensteuer grundsätzlich nicht abgezogen werden, weil es sich bei diesen Aufwendungen regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handele, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien (vgl. BFH-Urteil v. 18.10.1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, betr. Durchgangszimmer). Etwas anderes galt nur dann, wenn die Aufwendungen gleichwohl ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich veranlasst waren (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, und BFH-Urteil vom 21.7.1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Eine solche Veranlassung wurde nur angenommen, wenn – unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen außerhalb seiner Wohnung ein ausreichender Arbeitsplatz zur Verfügung stand und unabhängig davon, ob ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich war – feststand, dass der Raum so gut wie ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wurde. Eine private Mitbenutzung wurde lediglich dann als unschädlich bewertet, wenn sie von untergeordneter Bedeutung war (BFH-Urteile vom 28.10.1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16 und vom 28.09.1967 IV R 120/66, BStBl II 1968, 77 und BFH-Beschlüsse vom 19.10.1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 und vom 19.10.1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21). War die private Mitbenutzung nicht von nur untergeordneter Bedeutung, so stand die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen.

40b) Indes ist die Rechtfertigung für ein solch grundsätzliches Aufteilungsverbot durch den BFH-Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 entfallen, so dass nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls dann, wenn der Charakter als „Arbeitszimmer” trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist, eine Aufteilung nach den Grundsätzen dieses Beschlusses geboten ist.

41aa) Das FG Baden-Württemberg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 2.2.2011 (7 K 2005/08, EFG 2011, 1055) allerdings die Verwaltungsauffassung bestätigt, wonach Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn das fragliche Zimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl. 2010 II S. 672, ergebe sich nichts anderes. Wohnungskosten gehörten, anders als die vom Großen Senat beurteilten Reisekosten, zu den grundsätzlich nicht aufteilbaren Kosten für die Lebensführung, die bereits durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten seien (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 2.2.2011, 7 K 2005/08, EFG 2011, 1055), vgl. auch OFD Koblenz v. 19.9.2011 – S 2354 A-St 32 2). Dem hat sich das Sächsische FG in der Entscheidung vom 11.1.2012 (2 K 1854/11, EFG 2012, 1125) im Wesentlichen angeschlossen.

42bb) Das FG Köln hat demgegenüber im Urteil vom 19.5.2011 (10 K 4126/09, EFG 2011, 1410) bei teils privater, teils betrieblicher Raumnutzung eine schätzungsweise 50/50-Aufteilung „unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände” vorgenommen. Der von ihm angewendete Aufteilungsmaßstab ergebe sich unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.2.2011 VI R 12/10, BFHE 233, 123, BStBl. II 2011, 796, wonach eine Aufteilung grundsätzlich im Verhältnis 50:50 geboten sei.

43c) Im Streitfall war ein anteiliger Abzug in Höhe von 25 % der durch die Vermietungstätigkeit veranlassten Raumaufwendungen geboten.

44Der Große Senat des BFH hat am 21.9.2009 (GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010) in Bezug auf Reisekosten entschieden, dass die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegenstehe. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG normiere danach kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot. Bestünden keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil von Aufwendungen beruflich veranlasst sei, bereite seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so sei dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen. Griffen jedoch die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich sei, fehle es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so komme ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Nach diesen Maß-stäben war ein anteiliger Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer vorzunehmen.

45Denn zwischen den Beteiligten ist unstreitig zu welchen Zeitanteilen der Kläger sein Arbeitszimmer für welche Zwecke nutzte. Der Kläger hat im Termin der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass er sich bemüht habe, diese Zeitanteile sachgerecht zu schätzen. Die zeitanteilige Nutzung des Arbeitszimmers ist ein sachgerechter Schlüssel, um die für das Arbeitszimmer entstanden Aufwendungen aufzuteilen.

46d) Weitere Bedenken gegen eine Anerkennung eines Teils der für das Arbeitszimmer geltend gemachten Aufwendungen bestehen nicht.

47aa) Dies gilt zunächst nicht wegen der Anforderungen, die an ein häusliches Arbeitszimmer zu stellen sind.

48Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein Raum mit einer inneren Beziehung zum Wohnen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten dient. Der typische Fall eines „häuslichen Arbeitszimmers” ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das häusliche Büro, wobei das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes der Schreibtisch sein sollte (Urteil des BFH vom 9.8.2011, VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200). Darüber hinaus sollte das häusliche Arbeitszimmer mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen, Aktenbock und ähnlichen „Büromöbeln” sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen, Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet sein (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 6.4.2011, EFG 2011, 1416 m.w.N.).

49Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Unterlagen bestand das Arbeitszimmer aus zwei Räumen im Dachgeschoss, die gegenüber den übrigen Wohnräumen abgeschlossen waren. Nach diesen Unterlagen war das größere dieser beiden Zimmer mit Regalen an allen Wänden und 2 Schreibtischen ausgestattet. Über die Einrichtung des kleineren Zimmers ergibt sich zwar aus den vorgelegten Unterlagen nichts. Indes ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass auch das kleinere der beiden Zimmer einrichtungsgemäß den Anforderungen an ein Arbeitszimmer entsprach.

50bb) Auch der Höhe nach war die Ermittlung der Aufwendungen nicht zu beanstanden.

51Denn der Kläger hat die ermittelten Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer glaubhaft gemacht.

52Ein Abzug lediglich der hälftigen Anschaffungskosten im Rahmen der Absetzung für Abnutzung war auch nicht vor dem Hintergrund des sog. Drittaufwandes für den Fall geboten, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau lediglich Miteigentümer des von ihm bewohnten Hauses gewesen sein sollte.

53Nutzt ein Miteigentümer im Rahmen seines Miteigentumsanteils einen Teil des Wirtschaftsguts (Arbeitszimmer) zur Einkunftserzielung alleine, dann ist davon auszugehen, dass er Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. In diesem Fall wird der den anderen Miteigentümern gehörende Anteil grundsätzlich nicht wechselseitig gemietet und vermietet (vgl. Urteil des BGH vom 28.11.1963 II ZR 41/62, NJW 1964, 648, zu III.), d.h. der Miteigentümer nutzt den Raum zivilrechtlich nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt ihn insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (§ 743 Abs. 2 BGB). Das gilt auch einkommensteuerrechtlich (vgl. BFH-Urteil vom 7.12. 1993 IX R 169/88, BStBl II 1994, 325, zu I. 1.b; Trzaskalik in Festschrift für L. Schmidt, 1993, S. 51, 72). Anders als sein Miteigentumsrecht bezieht sich sein Nutzungsrecht auf den ganzen Raum (vgl. auch BFH-Urteil vom 12.2.1988 VI R 141/85, BFHE 173, 131, BStBl II 1988, 764 und BFH-Beschluss vom 23.08.1999 GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774). Nutzt der Kläger das Arbeitszimmer in vollem Umfang aus eigenem Recht, sind auch seine eigenen anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als im Interesse dieser Nutzung aufgewendet anzusehen, so dass eine Aufteilung nach Miteigentumsanteilen nicht vorzunehmen war. Davon ist im Falle der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines Gebäudes auch dann auszugehen, wenn es im Übrigen vom Steuerpflichtigen und seinem Ehegatten gemeinsam bewohnt wird (§ 1353 BGB).

543. Die Ausrechnung der festzustellenden Einkünfte wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

55Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

56Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer eine (nahezu) ausschließliche Nutzung zu beruflichen (betrieblichen) Zwecken voraussetzt, zuzulassen.

Quelle: FG Köln online

Freistellungsauftrag für Kapitalerträge und Antrag auf ehegattenübergreifende Verlustverrechnung

Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013;

Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012 (BStBlI 2013 Seite 36) und  vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953) mit Anpassung Muster „Freistellungsauftrag für Kapitalerträge und Antrag auf  ehegattenübergreifende Verlustverrechnung“
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die BMF-Schreiben
vom 20. Dezember 2012 (BStBl 2013 Seite 36) und vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953)
wie folgt geändert:
1. Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012
a. Die Angabe zu Randziffer 23 wird wie folgt gefasst:
„Rz. 23 (weggefallen)“.
b. Nach Randziffer 57 wird folgende Randziffer 58 eingefügt:
„Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in UmsetzungSeite 2
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner
Anwendung.“
2. Änderung des BMF-Schreibens vom 9. Oktober 2012
Nach Randziffer 325 wird folgende Randziffer 326 eingefügt:
„Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner
Anwendung.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn ab diesem Zeitpunkt erteilte gemeinsame Freistellungsaufträge aus automationstechnischen Gründen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014
berücksichtigt werden.“
Das nachfolgend als Anlage beigefügte Muster ersetzt das Muster im BMF-Schreiben vom
9. Oktober 2012. Bereits gedruckte Muster der Freistellungsaufträge können noch bis zum
30. Juni 2014 weiter verwendet werden.
Dieses BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik
– Themen – Steuerarten – Steuern – Abgeltungsteuer –
(http://www.bundesfinanzministerium.de/Einkommensteuer-.479.htm) zum Download bereit.
Im Auftrag

Umsatzsteuer; Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten durch die Angehörigen der freien Berufe (§ 20 Satz 1 Nr. 3 UStG);

Konsequenzen des BFH-Urteils vom 22. Juli 2010, V R 4/09
GZ IV D 2 – S 7368/10/10002
DOK 2013/0719183

Nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, die Umsatzsteuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit Urteil vom 22.Juli 2010, V R 4/091, hat der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a. F. nicht anwendbar ist, wenn der Unternehmer in Bezug auf die in der Vorschrift genannten Umsätze buchführungspflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer insoweit freiwillig Bücher führt. Die gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2013, 1BvR 3063/10, nicht zur Entscheidung angenommen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der  Länder gilt Folgendes:
1
Das Urteil wird zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

I. Anwendung des BFH-Urteils vom 22.Juli 2010, V R 4/09
Die Genehmigung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG für Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ab sofort nicht mehr zu erteilen, wenn der Unternehmer für diese Umsätze Bücher führt. Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer
gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt werden. Hat der vom Unternehmer im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) allerdings nicht mehr als 500.000 Euro betragen, erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG; in diesem Fall kann ihm die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten unter dem Vorbehalt desjederzeitigen Widerrufs genehmigt werden.

Sollte im Einzelfall eine bereits auf der Grundlage des § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG oder dessen Vorgängervorschrift unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilte Genehmigung nach § 130 i. V. m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zurückzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1982, VIIIR 9/80, BStBl 1983 II S. 187), ist die Wirkung der Rücknahme auf
nach dem 31. Dezember 2013 ausgeführte Umsätze zu beschränken. Zur Behandlung von Umsätzen, die vor dem Wechsel der Berechnungsart ausgeführt wurden, wird auf Abschnitt 13.6 Abs. 3 UStAE hingewiesen. Von einer Rücknahme der Genehmigung ist jedoch abzusehen, wenn der im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz des Unternehmers
(§ 19 Abs. 3 UStG) nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat und eine Genehmigung nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erteilt werden könnte. In diesem Fall ist der Unternehmer darauf hinzuweisen, dass die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen ist, wenn der Gesamtumsatz des Kalenderjahres 2013 oder eines späteren Kalenderjahres den jeweils maßgeblichen Betrag übersteigt.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Abschnitt 20.1 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010, BStBl I
S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12.Juli 2013
– IV D 3 – S 7179/09/10003-05 (2013/0666997) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) 1
Der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann bis
zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 10. 12. 2008, XI R 1/08, BStBl 2009 II
S. 1026).
2
Dem Antrag kann grundsätzlich entsprochen werden, wenn der Unternehmer eine
der Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG erfüllt. 3
Eine Genehmigung ist unter
den Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zu stellen und erstreckt sich wegen des
Prinzips der Abschnittsbesteuerung stets auf das volle Kalenderjahr. 4
Es handelt sich um

einen begünstigenden Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO
zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 5
Die Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 2
UStG kommt nur bei besonderen Härten, wie z.B. dem Überschreiten der nach § 20 Satz 1
Nr. 1 UStG bestehenden Umsatzgrenze aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger
Geschäftsvorfälle, nicht aber allgemein auf Grund einer fehlenden Buchführungspflicht in
Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 11. 2. 2010, V R 38/08, BStBl II S. 873). 6
Die Genehmigung der Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG ist nicht zu erteilen, wenn der Unternehmer für die in der Vorschrift genannten Umsätze Bücher führt. 7
Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig
geführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 22. 7. 2010, V R 4/09, BStBl 2013 II S. XXX).“
Die Regelungen in Abschnitt I dieses Schreibens sind in allen Fällen anzuwenden. Die Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in Abschnitt II tritt am 1. August 2013 in Kraft.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten –
Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Herunterladen bereit.

Maßgeblichkeit niedrigerer handelsrechtlicher Bilanzwerte im Rahmen der steuerlichen Rückstellungsberechnung

Maßgeblichkeit niedrigerer handelsrechtlicher Bilanzwerte im Rahmen der steuerlichen Rückstellungsberechnung

Ansatz niedrigerer handelsrechtlicher Rückstellungsbeträge in der steuerlichen Gewinnermittlung

Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ist bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (Maßgeblichkeitsprinzip). Ein anderer Ansatz ist nur dann zulässig, wenn steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte bestehen oder im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts ein anderer Ansatz gewählt wurde (§ 5 Abs. 6 EStG, vgl. auch BMF-Schreiben vom 12.03.2010 , BStBl 2010 I S. 239 und vom 22.06.2010, BStBl 2010 I S. 597, EStH 2011 Anhang 9 III).

Insbesondere aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) kommt es nunmehr im Bereich der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen zu erheblichen Wertveränderungen. So sind nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGBRückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen. Dabei sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen. Für Verpflichtungen, die steuerrechtlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 2 EStG keiner bzw. einer Abzinsung nur bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung (Sachleistungsverpflichtungen) unterliegen, führt dies häufig dazu, dass der handelsrechtliche Wertansatz niedriger ist als der steuerrechtliche, denn handelsrechtlich erstreckt sich der Abzinsungszeitraum über den Zeitpunkt des Beginns der Erfüllung hinaus (IDW RH HFA 1.009 vom 23.06.2010, IDW Fachnachrichten 2010 S. 354, Rn. 9).

Hinsichtlich der Frage, ob nunmehr der handelsrechtlich anzusetzende abgezinste und damit niedrigere Wert über § 5 Abs. 1 S. 1 EStG für die Steuerbilanz die Wertobergrenze bildet, oder ob der nicht abgezinste höhere steuerrechtliche Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung zum Ansatz kommt, bitte ich aufgrund einer bundesweiten Abstimmung folgende Rechtsauffassung zu vertreten:

Entsprechend dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu Nummer 3a des § 6 Absatz 1 EStG und der Erläuterung in der Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 14/443 S. 23) ist der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag für die steuerrechtliche Bewertung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auch dann maßgeblich, wenn der Ausweis der Rückstellung in der Handelsbilanz niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Wert ist.

 OFD Münster v. 13.07.2012 – S 2170a – 234 – St 12 – 33

 Stellungnahme des DStV:

 

Sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Kraeusel,
mit Verfügung vom 13.7.2012 (Az. S 2170a – 234 – St 12 – 33) hat die Oberfinanzdirektion Münster (OFD Münster) darauf hingewiesen, dass der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag maßgeblich für die steuerrechtliche Bewertung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist. Zur Begründung verweist die OFD Münster auf folgenden Wortlaut der Gesetzes-begründung zum Gesetzentwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BT-Drucks. 14/443, S. 23):

    „Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz zulässigerweise niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Ausweis, so ist der Ausweis in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend.“

Zugleich macht die OFD Münster darauf aufmerksam, dass insbesondere seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) erhebliche Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz infolge unterschiedlicher Wertansätze zur Regel geworden sind. Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass die Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz insbesondere den unterschiedlichen Funktionen beider Bilanzen geschuldet sind. Während die Handelsbilanz in erster Linie eine Informationsfunktion gegenüber verschiedenen Interessengruppen erfüllt, obliegt der Zweck der Steuerbilanz in der steuerlichen Gewinnermittlung.

Dennoch sind die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zweifelsohne gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG für die Steuerbilanz maßgeblich. Zur Erfüllung des Zwecks der Steuerbilanz gilt dies jedoch nur, soweit keine zwingenden steuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsnormen heranzuziehen sind. Diese ergeben sich vorliegend beispielsweise aus § 5 Abs. 6 EStG, wonach die Vorschriften über die Bewertung gemäß § 6 EStG zu befolgen sind. Lediglich subsidiär, das heißt nur soweit die einkommensteuerrechtlichen Bewertungsvorschriften lückenhaft sind, finden dann die allgemeinen Bewertungsgrundsätze und Bewertungsnormen der §§ 252 ff. HGB Anwendung (vgl. Schmidt/Weber-Grellet EStG § 5 Rz. 33). Anderenfalls kommt es – so auch das Bundesministerium der Finanzen – zu einer Durchbrechung der Maßgeblichkeit:

    „Der Grundsatz der Maßgeblichkeit wird durch die steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte durchbrochen (§ 5 Absatz 1a bis 4b, Absatz 6; §§ 6, 6a und 7 EStG)“ (BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001).

Die steuerrechtliche Bewertung von Rückstellungen ist ausdrücklich und umfassend in § 6 EStG geregelt. Die Abzinsung ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG. Ausnahmen können lediglich aus der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG resultieren, auf die entsprechend in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 1, 2.HS EStG verwiesen wird. Eine Regelungs-lücke ist nach Auffassung des Deutschen Steuerberaterverbands e. V. (DStV) an dieser Stelle nicht ersichtlich. Die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG hat für die Steuerbilanz folglich Vorrang vor der handelsrechtlichen Abzinsungsvorschrift des § 253 Abs. 2 HGB (vgl. Schmidt/Kulosa EStG § 6 Rz. 481).

Hieran ändert auch die Einleitungsformel des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG nichts

    „Rückstellungen sind höchstens insbesondere unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen…“

Unter Berücksichtigung des steuerlichen Bewertungsvorbehalts kann die an dieser Stelle gewählte Formulierung keinesfalls derart ausgelegt werden, dass – sofern gegeben – der niedrigere handelsrechtliche Rückstellungsbetrag für die Steuerbilanz maßgeblich ist. Die Formulierung „höchstens“ verlangt vielmehr, dass kein höherer als der unter Beachtung der in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a – f EStG geregelten Grundsätze ermittelter Rückstellungsbetrag angesetzt wird.

Die nunmehr mit Verfügung vom 13.7.2012 von der OFD Münster vertretene Rechtsauffassung ist unter besonderer Berücksichtigung der vorbezeichneten Ausführungen nicht nachvollziehbar. Sie führt in der Praxis mitunter zu erheblichen Unsicherheiten.

Diese Unsicherheiten ergeben sich beispielsweise im Rahmen der Bilanzierung einer Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen. Aufgrund des sofortigen Beginns der Verpflichtung sind Aufbewahrungsrückstellungen steuerrechtlich nicht abzuzinsen. Dies führt gegenwärtig dazu, dass der handelsrechtlich abgezinste Rückstellungsbetrag regelmäßig niedriger ausfällt als die steuerrechtlich zu bildende Rückstellung. Nach Rechtsauffassung der OFD Münster, die gemäß einer bundesweiten Abstimmung nunmehr entsprechend in den Finanzbehörden umzusetzen ist, ist dieser niedrigere handelsrechtliche Rückstellungsbetrag maßgeblich für die Steuerbilanz.

Ein höherer handelsrechtlicher Rückstellungsbetrag dürfte hingegen aufgrund des Einleitungssatzes zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ausdrücklich nicht in der Steuerbilanz angesetzt werden. Das damit infolge der OFD-Verfügung resultierende einseitige Verständnis von handelsrechtlicher Maßgeblichkeit für die steuerliche Gewinnermittlung – zulasten der Steuerpflichtigen – ist daher abzulehnen (vgl. hierzu auch Prinz, DB 35/2012, S. 1).

Wir möchten Sie bitten, zeitnah zu dieser Problematik Stellung zu nehmen.

Für Rückfragen oder ergänzende Konsultationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

gez.
RA/StB Norman Peters
(Geschäftsführer)

gez.
StBin Dipl.-Hdl. Vicky Johrden
(Referentin für Steuerrecht)

Download als PDF

Quelle: DStV, Mitteilung vom 05.08.2013

 

Umsatzsteuer-Voranmeldung authentifizierte Übermittlung

Seit dem 1. Januar 2013 müssen (Vor-) Anmeldungen authentifiziert übermittelt werden. Dies ergibt sich aus der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Steuerdaten- Übermittlungsverordnung inVerbindung mit § 150Abs. 6 Abgabenordnung.

Damit ist eine nicht authentifizierte Übermittlung von (Vor-)Anmeldungen nach dem 31. Dezember 2012 grundsätzlich nicht mehr zulässig. Um Ihnen einen reibungslosen Umstieg in das authen tifizierte (Vor-)Anmeldungsverfahren zu ermöglichen, werden nicht authentifiziert übermittelte (Vor-)Anmeldungen noch bis 31. August 2013 angenommen. Danach erfolgt eine Abweisung der nicht authentifiziert übermittelten (Vor-)Anmeldungen; bei dadurch verursachter verspäteter Abgabe von (Vor-)Anmeldungen können Verspätungszuschläge festgesetzt werden.

Für die authentifizierte Übermittlung wird einelektronisches Zertifikat benötigt. Dieses erhalten Sie durch eine Registrierung im ElsterOnline-Portal unter www.eisteronline.de/epoiiai. Arbeitgebern wird im Hinblick auf die Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) zum 01. Januar 2013 die Zertifikatsart „Nicht-persönliches Zertifikat (Organisationszer tifikat)“ empfohlen.

Die Registrierung kann bis zu 2 Wochen in Anspruch nehmen. Bei Problemen technischer Artsteht die ELSTER-Hotline zur Verfügung. Die Kontaktdaten finden Sie unter www.elster.de.

Nähere Informationen zur verpflichtenden Authentifizierung finden Sie unter www.eister.de in der „Benutzergruppe“ Unternehmer bzw. Arbeitgeber.

Bitte informieren Sie ggf. Ihren steuerlichen Berater.

 

Hinweis: Sollten Sie noch keine Zertifikat haben, dann können Sie über www.umsatzsteuer-voranmeldung.de Ihre Voranmeldung auch ohne Zertifikat an das Finanzamt übermitteln.