BMF zur Nichtanwendung mehrerer BFH-Urteile – Bilanzierung

1. Anwendung des § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 EStG bei Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts und Übernahme von Verbindlichkeiten innerhalb einer Mitunternehmerschaft;
2. Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Absatz 3 EStG bei gleichzeitiger Ausgliederung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens nach § 6 Absatz 5 EStG;
Anwendung der BFH-Urteile vom 21. Juni 2012 -IV R 1/08 -,
vom 19. September 2012 – IV R 11/12 – und
vom 2. August 2012 -IV R 41/11
BEZUG BMF-Schreiben vom 8. August 2013
– IV C 6 – S 2241/10/10002, DOK 2013/07487777 –
Schreiben des Staatsministeriums des Freistaates Sachsen vom 30. August 2013
– 32 – S 2241 – 103/40-33604 –
GZ IV C 6 – S 2241/10/10002
DOK 2013/0837216
(bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)
I. Urteile des BFH zur Übertragung von Mitunternehmeranteilen und von
Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nach § 6 Absatz 3 und 5 EStG
1. Teilentgeltliche Übertragungen und Übernahme von Verbindlichkeiten
a) BFH-Urteil vom 19. September 2012 – IV R 11/12 –
Der IV. Senat des BFH hat mit Urteil vom 19. September 2012 – IV R 11/12 – entschieden,
dass die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen
in das Gesamthandsvermögen derselben Personengesellschaft nicht zur Realisierung eines
Gewinns führe, wenn das Entgelt den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht übersteige. Er ist der Auffassung, dass bei Annahme einer teilentgeltlichen Übertragung eines

Wirtschaftsguts der entstandene Veräußerungsgewinn in der Weise zu ermitteln sei, dass dem
erbrachten Teilentgelt der gesamte Buchwert des Wirtschaftsguts gegenübergestellt werden
müsse. Erreiche das Teilentgelt den Buchwert des Wirtschaftsguts nicht, so sei von einem
insgesamt unentgeltlichen Vorgang auszugehen.
b) BFH-Urteil vom 21. Juni 2012 -IV R 1/08 –
In dem zu § 6 Absatz 5 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ergangenen Urteil vom 21. Juni 2012 – IV R 1/08 – hat der IV. Senat des BFH zur teilentgeltlichen
Übertragung eines Grundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft im Streitjahr 1999 Stellung genommen. Er ist
dabei der Auffassung des Finanzamts gefolgt, dass diese Übertragung nach der damaligen
Gesetzeslage gemäß dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zur Aufdeckung der
gesamten stillen Reserven des Grundstücks geführt habe. In der Urteilsbegründung führt der
IV. Senat des BFH aus, dass es hinsichtlich des entgeltlich übertragenen Teils zu keinem
Gewinn komme, weil ein Entgelt (eine Forderung) genau in Höhe des Buchwerts des Grundstücks eingeräumt worden sei (Rdnr. 22). Soweit die Übertragung unentgeltlich durchgeführt
worden sei, habe sie zu einem Entnahmegewinn geführt (Rdnr. 23).
2. Übertragungen auf Grund eines „Gesamtplans“ -BFH-Urteil vom 2. August 2012
-IV R 41/11 –
Ferner hat der BFH mit Urteil vom 2. August 2012 – IV R 41/11 – entschieden, dass der
Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Gesellschaftsanteil steuerneutral übertragen
könne, auch wenn er ein in seinem Sonderbetriebsvermögen befindliches Grundstück zeitgleich und ebenfalls steuerneutral auf eine zweite (neugegründete) Personengesellschaft
übertrage. Im entschiedenen Fall war der Steuerpflichtige alleiniger Kommanditist einer
GmbH & Co.KG sowie alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Der Steuerpflichtige vermietete der KG das in seinem Eigentum stehende Betriebsgrundstück. Am
1. Oktober 2002 schenkte er seiner Tochter zunächst 80 % seines Anteils an der KG sowie die
gesamten Anteile an der GmbH. Anschließend gründete er eine zweite GmbH & Co. KG, auf
die er dann am 19. Dezember 2002 das Betriebsgrundstück übertrug. Am selben Tag wurde
auch der restliche KG-Anteil auf die Tochter übertragen. Der Stpfl. ging davon aus, dass alle
Übertragungen zum Buchwert und damit steuerneutral erfolgen könnten. Das Finanzamt
stimmte dem nur in Bezug auf die Übertragung des Grundstücks zu. Wegen dessen steuerneutraler Ausgliederung nach § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 EStG sei nicht der gesamte
Mitunternehmeranteil übertragen worden mit der Folge, dass die stillen Reserven im Mitunternehmeranteil aufzudecken seien. Nach Tz. 7 des BMF-Schreibens zu § 6 Absatz 3 EStG
vom 3. März 2005 (BStBl I Seite 458) bewirke die steuerneutrale Ausgliederung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens (hier das Grundstück) in ein anderes Betriebs-

vermögen, dass der Anteil am Gesamthandsvermögen nicht nach § 6 Absatz 3 EStG zum
Buchwert übertragen werden könne. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme („Kumulation“) von
Steuervergünstigungen nach § 6 Absatz 3 EStG einerseits und nach § 6 Absatz 5 EStG andererseits sei nicht möglich.
Von dieser Ansicht der Finanzverwaltung ist der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 2. August
2012 – IV R 41/11 – abgewichen. In der Urteilsbegründung führt er aus, dass der gleichzeitige
Eintritt der Rechtsfolgen beider Normen (Buchwerttransfer) dem Sinn und Zweck des Gesetzes regelmäßig nicht zuwiderlaufe. Der Zweck der Regelungen des § 6 Absatz 3 EStG und
des § 6 Absatz 5 EStG gebiete keine Auslegung beider Vorschriften dahingehend, dass bei
gleichzeitigem Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG stets
nur eingeschränkt nach Maßgabe einer anders lautenden Zweckbestimmung des -im Streitfall
einschlägigen – § 6 Absatz 5 Satz 3 EStG verstanden werden und zur Anwendung gelangen
dürfe. Bei der gleichzeitigen (auch taggleichen) Anwendung beider Normen komme es auch
nicht zu einer Kumulation von Steuervergünstigungen. Denn die durch ein nach § 6 Absatz 5
EStG begünstigtes Einzelwirtschaftsgut verkörperten stillen Reserven wären anlässlich der
Übertragung einer nach § 6 Absatz 3 EStG begünstigten Sachgesamtheit gleichfalls nicht
aufzudecken gewesen, wenn das betreffende Wirtschaftsgut weiterhin dieser Sachgesamtheit
zugehörig gewesen wäre. Zugleich blieben die stillen Reserven dieses Wirtschaftsguts in
beiden Fällen gleichermaßen steuerverhaftet. Soweit durch die parallele Anwendung beider
Vorschriften missbräuchliche Gestaltungen zu befürchten seien, werde dem durch die Regelung von Sperrfristen in beiden Vorschriften vorgebeugt. Das Gesetz gestatte somit beide
Buchwertübertragungen nebeneinander und räume keiner der beiden Regelungen einen
Vorrang ein.
II. Auffassung der Finanzverwaltung
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der
Länder in der Sitzung ESt II/2013 zu TOP 15 wird zur Anwendung der o. g. BFH-Urteile
durch die Finanzverwaltung wie folgt Stellung genommen:
1. Teilentgeltliche Übertragungen und Übernahme von Verbindlichkeiten
a) BFH-Urteil vom 19. September 2012 -IV R 11/12 –
Der IV. Senat des BFH lehnt in dieser Entscheidung die von der Finanzverwaltung in Tz. 15
des BMF-Schreibens vom 8. Dezember 2011 (BStBl I Seite 1279) vertretene Rechtsauffassung ab. Danach ist die Frage, ob eine teilentgeltliche Übertragung vorliegt, nach den
Grundsätzen der „Trennungstheorie“ anhand der erbrachten Gegenleistung im Verhältnis zum
Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts zu prüfen. Liegt die Gegenleistung unter dem

Verkehrswert, handelt es sich um eine teilentgeltliche Übertragung, bei der der unentgeltliche
Teil nach § 6 Absatz 5 Satz 3 EStG zum Buchwert zu übertragen ist. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt
insoweit zur Aufdeckung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts. Nach Auffassung des
IV. Senats des BFH ist bei einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem erbrachten Teilentgelt der gesamte Buchwert des
Wirtschaftsguts gegenüber zu stellen. Eine Gewinnrealisierung ist nicht gegeben, soweit das
Entgelt den Buchwert nicht übersteigt.
Zur Frage der Gewinnrealisation bei teilentgeltlichen und mischentgeltlichen (d. h. gegen
Gewährung von Gesellschaftsrechten und sonstiges Entgelt) Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern ist ein Revisionsverfahren beim X. Senat des BFH anhängig – X R 28/12 -. Die
noch ausstehende Entscheidung des X. Senats des BFH bleibt abzuwarten. Daher wird die
Entscheidung über die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 19. September 2012 – IV R
11/12 -im Bundessteuerblatt Teil II zunächst zurückgestellt. In einschlägigen Fällen ist vorerst weiterhin uneingeschränkt die in Tz. 15 des BMF-Schreibens zu § 6 Absatz 5 EStG vom
8. Dezember 2011 (BStBl I Seite 1279) vertretene Rechtsauffassung anzuwenden. Einsprüche
von Steuerpflichtigen, die gegen entsprechende Steuerbescheide unter Berufung auf das BFHUrteil vom 19. September 2012 – IV R 11/12 – eingelegt werden, ruhen gemäß § 363 Absatz 2
Satz 2 AO kraft Gesetzes bis zur endgültigen Klärung der Problematik.
b) BFH-Urteil vom 21. Juni 2012 -IV R 1/08 –
Mit den Aussagen des IV. Senats des BFH in seinen Entscheidungsgründen zeichnete sich
bereits in diesem Urteil ab, dass er bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nicht dem Verständnis der Finanzverwaltung zur Behandlung von teilentgeltlichen Übertragungsvorgängen gemäß Tz. 15 des BMF-Schreibens zu § 6 Absatz 5 EStG vom
8. Dezember 2011 (BStBl I Seite 1279) folgen will. Deshalb wird die Entscheidung über die
Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 21. Juni 2012 – IV R 1/08 -im Bundessteuerblatt
Teil II gleichfalls vorerst zurückgestellt.
2. Übertragungen auf Grund eines „Gesamtplans“ -BFH-Urteil
vom 2. August 2012 -IV R 41/11 –
Das BFH-Urteil vom 2. August 2012 – IV R 41/11 – weicht nicht nur von Tz. 7 des BMFSchreibens zu § 6 Absatz 3 EStG vom 3. März 2005 (BStBl I Seite 458) ab, sondern berücksichtigt auch nicht in ausreichendem Maß den historischen Willen des Gesetzgebers. Bis
einschließlich VZ 1998 regelte § 7 Absatz 1 EStDV in den Fällen der unentgeltlichen Übertragung von betrieblichen Sachgesamtheiten, wie Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen, die Buchwertfortführung durch den Rechtsnachfolger. Nach der Gesetzesbe-

gründung zu § 6 Absatz 3 EStG im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
sollen mit dem neu eingefügten Absatz 3 in den Fällen der unentgeltlichen Übertragung von
Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen die bisherigen Regelungen des § 7
Absatz 1 EStDV übernommen werden. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die bisherige Regelung des § 7 Absatz 1 EStDV beizubehalten und insbesondere eine Einschränkung des bisherigen Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht beabsichtigt ist (BT-Drucks. 14/6882, Seite 32; BT-Drucks. 14/7344, Seite 7). Der im Rahmen des
Vermittlungsverfahrens zum Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz 2001 neu eingefügte
§ 6 Absatz 3 Satz 2 EStG geht auf eine Prüfbitte des Bundesrates zurück. Der Bundesrat hatte
um eine gesetzliche Klarstellung gebeten, dass die Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen für die Anwendung des § 6 Absatz 3 EStG unschädlich sein soll. Dabei ging es
dem Bundesrat aber nur um eine Öffnung des gleitenden Generationenübergangs, wobei er
davon ausging, dass der Übernehmer letztlich ebenfalls das im Sonderbetriebsvermögen zurückbehaltene funktional wesentliche Wirtschaftsgut erhält. Das BFH-Urteil vom 2. August
2012 – IV R 41/11 – widerspricht dieser Zielsetzung des Gesetzgebers und eröffnet unter
Außerachtlassung der „Gesamtplanrechtsprechung“ in bestimmten Fallkonstellationen die
Möglichkeit einer schrittweisen steuerneutralen Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen
auf mehrere verschiedene Rechtsträger.
Zur Frage der Anwendung der „Gesamtplanrechtsprechung“ ist ein Revisionsverfahren beim
BFH anhängig – I R 80/12 -. Im Verfahren I R 80/12 geht es zwar im Schwerpunkt um eine
Einbringung zum Buchwert nach § 20 UmwStG. Allerdings besteht im Verfahren I R 80/12
insofern eine gewisse Ähnlichkeit mit dem vom IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom
2. August 2012 – IV R 41/11 – entschiedenen Fall, als hier kurz vor der Einbringung die
beiden Grundstücke als funktional wesentliche Betriebsgrundlagen in ein anderes Betriebsvermögen ausgegliedert wurden. Es stellt sich demzufolge auch im Verfahren I R 80/12 die
Frage, ob unter Berücksichtigung der „Gesamtplanrechtsprechung“ ein vollständiger, nach
§ 20 Absatz 1 UmwStG begünstigter Betrieb eingebracht worden ist. Das Vorliegen eines
Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils als Buchwertfortführungsgegenstand ist
nämlich sowohl bei § 6 Absatz 3 EStG als auch bei den §§ 20 und 24 UmwStG erforderlich
und grundsätzlich nach denselben Kriterien zu beurteilen. Die noch ausstehende Entscheidung
des I. Senats des BFH ist deshalb abzuwarten. Daher wird die Entscheidung über die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 2. August 2012 – IV R 41/11 -im Bundessteuerblatt Teil II
gleichfalls vorerst zurückgestellt. In einschlägigen Fällen ist weiterhin uneingeschränkt die
Tz. 7 des BMF-Schreibens zu § 6 Absatz 3 EStG vom 3. März 2005 (BStBl I Seite 458) anzuwenden. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach § 6 Absatz 3
EStG einerseits und nach § 6 Absatz 5 EStG andererseits ist danach nicht möglich. Einsprüche von Steuerpflichtigen, die gegen entsprechende Steuerbescheide unter Berufung auf
das BFH-Urteil vom 2. August 2012 – IV R 41/11 – eingelegt werden, ruhen gemäß § 363
Absatz 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes bis zur endgültigen Klärung der Problematik.