Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Hockeytrainer ist sozialversicherungspflichtig

Ein Trainer, der eine Sportmannschaft über einen längeren Zeitraum trainiert, ist regelmäßig in die betrieblichen Abläufe des Sportvereins eingegliedert. Auch ein überdurchschnittlich hohes Honorar steht bei Eingliederung in betriebliche Abläufe und Weisungsgebundenheit der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Dies hat das Sozialgericht Wiesbaden entschieden.

Der Kläger zu 2) war nebenberuflich im Durchschnitt 18 Stunden monatlich für den Kläger zu 1), einem Sportverein, als Hockeytrainer tätig. Ziel seiner Tätigkeit war insbesondere der Aufstieg der von ihm trainierten 1. Herrenmannschaft von der Oberliga in die 2. Bundesliga. Hierzu wurden dem Kläger zu 2) durch den Verein alle erforderlichen Mittel und Freiheiten (z. B. durch vorrangige Zuweisung von Trainingszeiten und -plätzen) eingeräumt. Die Rentenversicherung stufte die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung mit Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ein. Die Kläger hingegen wandten ein, dass eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit vorliege.

Versicherungspflicht trotz inhaltlich frei gestalteter Tätigkeit und hohem Honorar Das Sozialgericht hat die Entscheidung der Rentenversicherung bestätigt. Die Trainertätigkeit des Klägers zu 2) stelle eine abhängige, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit dar. Trotz im Wesentlichen inhaltlich frei gestalteter Tätigkeit, sei der Kläger zu 2) in den Arbeitsprozess und die Organisation des Vereins eingegliedert und weisungsgebunden. Dem Verein obliege die Gesamtverantwortung für den von ihm unterhaltenen Spielbetrieb und die Letztentscheidung, ob von dem Kläger zu 2) gewünschte Maßnahmen umgesetzt werden.

Die Betreuung einer Mannschaft über einen längeren Zeitraum erfordere dabei ein arbeitsteiliges Zusammenwirken und Abstimmungen der Mannschafts- und Vereinsverantwortlichen.

Darüber hinaus bestehe kein die Tätigkeit prägendes unternehmerisches Risiko, auch eine finanzielle Partizipation des Klägers zu 2) am sportlichen Erfolg der Mannschaft finde nicht statt. Der Kläger zu 2) erhalte stets eine fest vereinbarte Stundenvergütung, wobei selbst ein hoher Stundensatz im Rahmen der Gesamtwürdigung kein ausschlaggebendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit darstelle.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung der Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht wird unter dem Aktenzeichen L 8 KR 297/19 geführt.

Hinweis zur Rechtslage

§ 7a Anfrageverfahren

(1) Die Beteiligten können schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. (…)

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Quelle: SG Wiesbaden, Pressemitteilung vom 23.09.2019 zum Urteil S 8 R 312/16 vom 17.05.2019 (nrkr)

Altersteilzeit im Blockmodell – Urlaub für die Freistellungsphase

Nach Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell besteht kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub für die sog. Freistellungsphase.

Der Kläger war bei der Beklagten im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Ab dem 1. Dezember 2014 setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit fort. Nach dem vereinbarten Blockmodell war der Kläger bis zum 31. März 2016 im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet und anschließend bis zum 31. Juli 2017 von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt er sein auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag jährlich an 30 Arbeitstagen Urlaub zu. Im Jahr 2016 gewährte ihm die Beklagte an acht Arbeitstagen Erholungsurlaub. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, für die Freistellungsphase der Altersteilzeit habe er Anspruch auf insgesamt 52 Arbeitstage Urlaub gehabt, den die Beklagte abzugelten habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage, vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 -). Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Die Freistellungsphase ist mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.

Bei einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell sind Arbeitnehmer in der Freistellungsphase weder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen noch nach Maßgabe des Unionsrechts Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 24.09.2019 zum Urteil 9 AZR 481/18 vom 24.09.2019

„Glücksspieler“ muss Hartz IV-Leistungen zurückzahlen

Das Sozialgericht Wiesbaden hat eine Klage gegen einen Bescheid des Jobcenters Limburg – Weilburg abgewiesen.

Der Jobcenter verlangte von dem Kläger die Rückzahlung von Hartz IV Leistungen in Höhe von rund 35.000 Euro, weil der Kläger zur Tilgung seiner Glücksspielschulden sein Haus verkauft und damit seine Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt hatte.

Der Kläger hatte vorgetragen, dass er wegen Spielschulden von über 100.000 Euro von seinen Kreditgebern über Jahre bedroht worden sei. Es sollte sein Haus verkaufen, um mit dem Erlös seine Spielschulden zu begleichen.

Nach Überzeugung der Kammer hatte der Kläger keinen „wichtigen Grund“ sein Haus zu verkaufen, um mit dem Erlös seine Spielschulden zu begleichen.

Ein wichtiger Grund ist nach der Urteilsbegründung anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles Umstände vorliegen, unter denen nach verständiger Abwägung der Interessen des Einzelnen mit den Interessen der Allgemeinheit – also des Steuerzahlers – den Interessen des Einzelnen der Vorrang einzuräumen ist.

Die Richter waren jedoch der Überzeugung, dass es dem Kläger objektiv möglich und zumutbar gewesen wäre, die Polizei um Hilfe zu bitten. Es gäbe keinen Grund anzunehmen, dass die Polizei nicht in der Lage gewesen wäre, die Sicherheit des Klägers zu gewährleisten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: SG Wiesbaden, Pressemitteilung vom 23.09.2019 zum Urteil S 5 AS 811/16 vom 16.08.2019 (nrkr)

VW haftet Käufern von Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Abgasskandal

Die Volkswagen AG haftet dem Grunde nach Käufern von Fahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal. Verlangt der Käufer Rückerstattung des Kaufpreises, muss er sich die während der Nutzungszeit eingetretene Wertminderung eines vergleichbaren mangelfreien Fahrzeugs auf den Schaden anrechnen lassen (Vorteilsausgleichung). Die Höhe dieser Wertminderung ist nach einem am 25.09.2019 verkündeten Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) durch Sachverständigengutachten zu klären.

Der Kläger hatte im Mai 2009 einen VW Tiguan 2,0 l TDI gekauft. Das Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 ausgestattet. Unter Berufung auf den sog. Dieselskandal begehrt der Kläger von der VW AG Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Das OLG hat am 25.09.2019 einen Beweisbeschluss erlassen. Es stellt zunächst fest, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) gegen die VW AG zustehe. Die Entwicklung und das Inverkehrbringen des mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs, das zur Erlangung einer EG-Typgenehmigung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war, stelle eine sittenwidrige Handlung der VW AG dar. „Manipulationen und falsche Angaben, mit denen gegenüber Behörden die Einhaltung rechtlicher Vorgaben vorgespiegelt werden sollen, können… eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Dritten“ – hier des Käufers – begründen, führt das OLG unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BGH aus. Voraussetzung sei, dass die Vermögensinteressen unbeteiligter Dritter, hier der Käufer, sehenden Auges gefährdet würden, darin eine besondere Bedenkenlosigkeit ihnen gegenüber zum Ausdruck komme und die Sittenwidrigkeit gerade im Verhältnis zum Geschädigten bestehe. Dies sei hier der Fall. Durch die Abschalteinrichtung sei unschwer erkennbar die Betriebserlaubnis der Fahrzeuge bedroht gewesen. Die Gefährdung sei auch nicht lediglich eine zufällige Begleiterscheinung des Handelns gewesen. Die Beklagte habe davon profitiert, dass es sich bei einem Auto um einen Alltagsgegenstand handele, bei dem das Zustandekommen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen und der diesen zugrunde liegenden Messwerte vom angesprochenen Publikum regelmäßig nicht hinterfragt würden.

Der Kläger habe auch einen Schaden erlitten. „Unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des erworbenen Fahrzeugs wurde (er) durch die Verpflichtung zur Auszahlung des Kaufpreises belastet und sollte dafür ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erhalten, … die die Zulassungsfähigkeit von Anfang an in Frage stellte“, konstatiert das OLG. Da für den Schadenseintritt der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs maßgeblich sei, sei der Schaden auch nicht später durch das Aufspielen des Software-Updates entfallen.

Die Vorschriften über die Typgenehmigung hätten eine marktsteuernde Zielrichtung, so dass der Makel der Typgenehmigung auf die zivilrechtlich geschlossenen Verträge durchschlage. Die Erwerber unterfielen damit dem Schutzbereich dieser Vorschriften. Die Beklagte habe auch nicht auf einen glücklichen Ausgang in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit vertrauen können, sodass vorsätzliches Handeln gegeben sei. Hierbei müsse sich die Beklagte das Handeln ihrer Vorstandsmitglieder zurechnen lassen.

Der Kläger könne damit grundsätzlich den gezahlten Kaufpreis zurückverlangen gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Höhe nach sei die Sache allerdings noch nicht entscheidungsreif. Aufgrund des schadensrechtlichenBereicherungsverbots müsse sich der Käufer die Vorteile, die er durch den Besitz des Fahrzeugs gehabt hat, anrechnen lassen. Hier habe er jedenfalls Aufwendungen in Form des Wertverlusts, den er ansonsten bei einem alternativ angeschafften Fahrzeug erlitten hätte, erspart. Die Höhe des anzurechnenden Wertverlusts eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Abschalteinrichtung während der hier maßgeblichen Laufleistung von über 135.000 km sei von einem Sachverständigen zu ermitteln.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Erläuterungen:

§ 826 BGB Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Quelle: OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 25.09.2019 zum Beschluss 17 U 45/19 vom 25.09.2019

Pflege: Angehörige sollen entlastet werden

Die Bundesregierung will Kinder von pflegebedürftigen Eltern finanziell entlasten. Dazu hat sie einen entsprechenden Gesetzentwurf ( 19/13399 ) vorgelegt, der vorsieht, Kinder und Eltern, die gegenüber Beziehern von Sozialhilfe (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII) unterhaltsverpflichtet sind, zu entlasten. Der Entwurf sieht vor, die Unterhaltsheranziehung von Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen von bis zu einschließlich 100.000 Euro in der Sozialhilfe auszuschließen. Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die die sog. Hilfe zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe ab 100.000 Euro zurückgegriffen werden kann. Umgekehrt soll dies auch für Eltern mit volljährigen, pflegebedürftigen Kindern gelten. Damit werde ein Signal gesetzt, dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen, zum Beispiel bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen, anerkennt und eine solidarische Entlastung erfolgt, schreibt die Regierung. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit erheblich eingeschränkt. Gleichzeitig wird die Beschränkung des Unterhaltsrückgriffs auch auf die anderen Leistungen des SGB XII ausgedehnt, soweit keine minderjährigen Kinder betroffen sind.

Die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs soll ferner auch in der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) durch einen Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern gelten. So soll vermieden werden, dass die aus dem SBG XII herausgelöste neue Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gegenüber Leistungen der Sozialhilfe schlechtergestellt wird.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf weitere Vorgaben, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Diese sollen, sofern sie im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sind, künftig auch einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten. Damit wird eine Rechtssprechung der Sozialgerichte nachvollzogen. Außerdem soll die Projektförderung für eine unabhängige Teilhabeberatung dauerhaft sichergestellt werden. Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, sollen künftig mit einem Budget für Ausbildung gefördert werden, wenn sie eine nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder nach dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) anerkannte Berufsausbildung erwerben wollen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 25.09.2019

Leitfaden für Anwendung der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern

Die EU-Kommission hat am 25.09.2019 einen Leitfaden für die korrekte Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern veröffentlicht. Damit sollen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und nationale Behörden dabei unterstützt werden, die eigenen Rechte besser zu kennen und die Vorschriften konsequent anzuwenden. In einem ebenfalls am 25.09.2019 veröffentlichten Bericht zur Durchsetzung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern zieht die Kommission eine insgesamt positive Bilanz. Die entsprechende Richtlinie trat 2014 in Kraft und musste bis 2016 in nationales Recht umgesetzt werden.

„Die Durchsetzung der Entsendevorschriften ist für den Schutz der Arbeitnehmer und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts von wesentlicher Bedeutung. Es ist eine sehr gute Nachricht, dass alle Mitgliedstaaten jetzt die Regeln anwenden und zunehmend die vorhandenen Instrumente nutzen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern“, sagte die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikation und Arbeitsmobilität zuständige EU-Kommissarin Marianne Thyssen.

Die Entsenderichtlinie sieht verschiedene Instrumente zur Bekämpfung von Betrug und Missbrauch sowie zur Verbesserung der administrativen Zusammenarbeit zwischen den nationalen, für Entsendungsfragen zuständigen Behörden vor.

Im Jahr 2017 wurden 2,8 Millionen Arbeitnehmer in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsendet, wo sie im Durchschnitt weniger als vier Monate blieben. Zwischen 2010 und 2017 ist die Anzahl entsandter Arbeitnehmer in der EU um 83 Prozent gestiegen, wobei fast die Hälfte im Bausektor tätig waren.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für eine Reform der Richtlinie besteht. Die Kommission wird weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Richtlinie vollständig und korrekt umgesetzt und in ganz Europa angewendet wird.

Die Europäische Arbeitsbehörde, die voraussichtlich im Oktober ihre Arbeit aufnehmen wird, wird bei der Bekämpfung des Missbrauchs in diesem Bereich eine Schlüsselrolle spielen und alle beteiligten Akteure unterstützen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 25.09.2019

Klage gegen BMW wegen vermeintlicher Abgasmanipulation abgewiesen

Abgasskandal

Viele Halter von Dieselfahrzeugen beschreiten derzeit den Klageweg, weil sie bei ihrem Fahrzeug verbotene Manipulationen an der Abgasreinigung vermuten. Das Landgericht Osnabrück hat jedoch in einer aktuellen Entscheidung deutlich gemacht, dass bei Klagen gegen einen Fahrzeughersteller in jedem Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für die angeblichen Manipulationen an der Abgasreinigung des Fahrzeugs dargelegt werden müssen.

Die 8. Zivilkammer hatte in ihrem Urteil vom 28. August 2019 (Az. 8 O 1209/19) über eine Klage gegen den Hersteller BMW zu entscheiden. Der aus Hilter stammende Eigentümer eines BMW X3 verlangte vom Hersteller den Kaufpreis von annähernd 50.000 Euro zurück, den er 2011 für das Fahrzeug gezahlt hatte. Im Gegenzug bot er an, das Fahrzeug an BMW herauszugeben.

Der Kläger machte geltend, alle Fahrzeuge des Herstellers aus den Jahren 2006 bis 2017/18 seien manipuliert, was die Abgaswerte angehe. Die Abgasreinigung sei gezielt für Prüfstandtests optimiert. Der beklagte Hersteller verteidigte sich gegen die Klage. Er verwies darauf, dass in dem maßgeblichen Zeitraum für die Einhaltung der Abgasgrenzwerte nun einmal die Prüfstandwerte maßgeblich gewesen seien. Dies habe u. a. die EU-Kommission ausdrücklich bestätigt. Verbotene Mittel seien bei der Optimierung der Abgasreinigung nicht zum Einsatz gekommen.

In ihrer nun ergangenen Entscheidung folgte die 8. Zivilkammer der Argumentation des Herstellers. Der Kläger habe keinerlei substanzielle Argumente nennen können, weshalb bei seinem Fahrzeug eine verbotene Manipulation der Abgasreinigung vorliegen sollte. So habe er zunächst behauptet, die Zuleitung von Harnstoff (AdBlue) zur Abgasbehandlung in seinem Fahrzeug werde im Realbetrieb abgeschaltet. Er habe dann aber zugeben müssen, dass bei seinem Fahrzeug überhaupt kein AdBlue-System verbaut sei. Weiter habe er geltend gemacht, dass im aktuellen X3-Modell ein deutlich aufwändigeres System zur Abgasreinigung zum Einsatz komme als in seinem Fahrzeug. Das lasse aber, so die 8. Zivilkammer, keinen Rückschluss auf Manipulationen bei älteren Fahrzeugen zu. Denn das neue Modell müsse auch deutlich strengeren gesetzlichen Vorschriften genügen. Den Behauptungen des Klägers stehe außerdem entgegen, dass bei dem konkreten Modell weder das Kraftfahrtbundesamt noch die Staatsanwaltschaft München I eine Manipulation festgestellt hätten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger hat die Möglichkeit, dagegen mit der Berufung zum Oberlandesgericht Oldenburg vorzugehen.

Quelle: LG Osnabrück, Pressemitteilung vom 25.09.2019 zum Urteil 8 O 1209/19 vom 28.08.2019 (nrkr)

Keine Anwaltskosten bei unterlassener Verzinsung

Keine Anwaltskosten bei unterlassener Verzinsung. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil vom 17.06.2019 entschieden (Az. L 20 SO 479/17).

Nachdem der Kläger erfolgreich von dem beklagten SGB XII-Träger die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten erstritten hatte, legte er gegen den Umsetzungsbescheid Widerspruch ein, weil der ausgewiesene Nachzahlungsbetrag nicht verzinst war. Hilfsweise beantragte er die Verzinsung nach § 44 SGB I.

Später erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem er Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag bewilligte. Der Kläger wies darauf hin, dass dieser Bescheid eine vollständige Abhilfe im Widerspruchsverfahren darstelle. Er beantragte daher, eine Kostenentscheidung zu treffen sowie über die Notwendigkeit der Hinzuziehung seines Bevollmächtigten zu entscheiden.

Wie schon der Beklagte und das Sozialgericht Dortmund hat das LSG einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X verneint. Fehle es bereits an einer (konkludenten) Zinsentscheidung, sei der gegen die nur vermeintliche Ablehnungsentscheidung erhobene Widerspruch unzulässig. Damit sei er eben nicht erfolgreich gewesen, sodass eine Kostenerstattung ausscheide.

Ob eine Entscheidung zu den Zinsen getroffen (und damit ein anfechtbarer Verwaltungsakt erlassen) worden sei, hänge allein von der Auslegung der Verwaltungsverlautbarung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles ab. Der Umsetzungsbescheid enthalte hier keine ausdrückliche Entscheidung über eine Verzinsung. Ihm könne auch ein entsprechender Erklärungsinhalt nicht durch Auslegung beigemessen werden. Ein verständiger, mit den Umständen des Falls vertrauter Empfänger, der insbesondere das tatsächliche Geschehen bis zum Erlass des Bescheides gekannt hätte, habe das Unterbleiben einer ausdrücklichen Zinsentscheidung nicht als konkludente Ablehnung des Verzinsungsanspruchs verstehen müssen.

Gegen die Entscheidung ist Revision beim BSG eingelegt worden (Az. B 8 SO 5/19 R).

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 25.09.2019 zum Urteil L 20 SO 479/17 vom 17.06.2019

Aufstiegs-BAföG: Mehr Geld für berufliche Fortbildungen

Wer sich zum Handwerks- oder Industriemeister, zum Techniker, Betriebswirt oder staatlich geprüften Erzieher fortbilden will, wird ab August 2020 noch besser unterstützt. Das sieht der Gesetzentwurf zur Reform des Aufstiegs-BAföG vor, den das Kabinett am 25.09.2019 verabschiedet hat.

Lehrgänge, Prüfungen, Materialien, Lebensunterhalt – der Kostenaufwand von beruflichen Fort- und Weiterbildungen ist nicht zu unterschätzen. Finanzielle Unterstützung bieten Bund und Länder: Seit 1996 gibt es das sog. Aufstiegs-BAföG für den Aufstieg im dualen System der beruflichen Bildung. Anspruchsberechtigt sind alle, die sich mit einem Lehrgang oder an einer Fachschule auf eine anspruchsvolle berufliche Fortbildungsprüfung in Voll- oder Teilzeit vorbereiten – unabhängig vom Alter.

Gut 650 Millionen Euro von Bund und Ländern

Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG, auch „Aufstiegs-BAföG“, früher „Meister-BAföG“ genannt) unterstützt die Vorbereitung auf inzwischen mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse. Die Förderung wird teilweise als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss, teilweise als zinsgünstiges Darlehen gewährt. Die Kosten des Aufstiegs-BAföG tragen zu 78 Prozent der Bund und zu 22 Prozent die Länder. 2018 wurden im Rahmen des Aufstiegs-BAföG 666 Millionen Euro bewilligt.

Aufstiegs-BAföG in Zahlen: Entwicklung 2013 bis 2018 der Geförderten sowie der Fördersumme von Bund und Ländern

Die wichtigsten geplanten Neuerungen

Nun will die Bundesregierung das Aufstiegs-BAföG noch attraktiver machen und baut die Förderleistungen aus. Demnach bekommt – wer sich nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung weiterbildet – künftig nicht nur mehr Geld. Der Einzelne kann auch mehrfach vom Aufstiegs-BAföG profitieren.

Die wichtigsten geplanten Verbesserungen:

  • Der einkommensabhängige Zuschuss zum Unterhalt wird zu einem Vollzuschuss ausgebaut (bisher 50 Prozent).
  • Der Unterhaltsbeitrag pro Kind und Ehepartner (je 235 Euro) wird zu 100 Prozent als Zuschuss gewährt (bisher zu 45 beziehungsweise 50 Prozent als Darlehen).
  • Der Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende wird von 130 auf 150 Euro pro Monat erhöht. Zudem steigt das Höchstalter für die Berücksichtigung von betreuungsbedürftigen Kindern von zehn auf 14 Jahre.
  • Lehrgangs- und Prüfungskosten werden künftig zu 50 Prozent vom Staat bezuschusst (bisher 40 Prozent), der Rest als Darlehen gewährt.
  • Die Stundungs- und Erlassmöglichkeiten zur Rückzahlung werden ausgeweitet.
  • Aufstieg Schritt für Schritt: Einzelne können künftig auch mehrfach von der Förderung profitieren, nämlich auf allen drei Fortbildungsstufen (zum Beispiel vom Gesellen zum Techniker, vom Techniker zum Meister, vom Meister zum Betriebswirt).

Karliczek: Weiterbildung im Fokus

Bundesbildungsministerin AnjaKarliczek betonte, man habe damit ein Paket geschnürt, mit dem die Bedingungen des beruflichen Aufstiegs deutlich verbessert würden. „Es ist das Signal, dass man sich selbständig machen kann. Wir wollen einen schuldenfreien Start in die Selbständigkeit möglich machen. Durch die Maßnahmen wird die Weiterbildung familienfreundlicher.“

Es sei auch das „klare Signal, die Weiterbildung im Fokus zu haben“, so die Ministerin. Insgesamt nehme die Bundesregierung dafür in dieser Legislaturperiode 350 Millionen Euro in die Hand

Mit der Reform setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen zur Stärkung der beruflichen Bildung. Gleichzeitig unterstreicht sie die Gleichwertigkeit der Bildungswege von beruflicher und akademischer Bildung.

Das Gesetz soll im August 2020 in Kraft treten.

2018 wurden rund 167.000 Menschen mit insgesamt 641 Millionen Euro gefördert. Dabei variiert die Höhe der Förderung und ist abhängig von der jeweiligen Lebenssituation (Familienstand, Kinderzahl, eigenes Einkommen und Einkommen des Ehegatten). Seit Bestehen des Aufstiegs-BAföG konnten bis heute durch das AFBG mehr als 2,8 Millionen berufliche Aufstiege ermöglicht werden. Sie wurden mit insgesamt 9,2 Milliarden Euro gefördert.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 25.09.2019

Nachjustieren beim Baukindergeld

Die Bundesregierung will durch das Nachjustieren von Bedingungen für das Baukindergeld Mitnahmeeffekte einschränken. Seit dem Frühjahr erhalten Familien die Förderung nicht, wenn sie Wohneigentum zwischen „Verwandten in gerader Linie“ erwerben. So sollten der Förderzweck des Programms sichergestellt und bloße Mitnahmeeffekte vermieden werden, erklärt die Bundesregierung in der Antwort ( 19/13036 ) auf eine Kleine Anfrage ( 19/12564 ) der AfD-Fraktion. Der Bundesregierung liegen eigenen Angaben zufolge keine Informationen darüber vor, in wie vielen Fällen vorher Baukindergeld gewährt wurde, obwohl es um den Erwerb von Eigentum direkter Verwandter ging. Die Öffentlichkeit sei über die Änderungen hinreichend informiert worden, heißt es weiter.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 27.09.2019