Das ändert sich im neuen Jahr: Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht ab 01.01.2017

1. Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende

a) Neue Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Ab dem 1. Januar 2017 gelten neue Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der vergleichbaren Regelbedarfsstufen (RBS) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch:

  • für alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte: 409 Euro (RBS 1)
  • für zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils: 368 Euro (RBS 2)
  • für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für erwachsene Leistungsberechtige unter 25 Jahren, die ohne Zusicherung des Jobcenters umziehen: 327 Euro (RBS 3)
  • für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre: 311 Euro (RBS 4)
  • für Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 291 Euro (RBS 5)
  • für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres: 237 Euro (RBS 6)

b) Verbesserung des Arbeitslosenversicherungsschutzes für Pflegepersonen

Zum 1. Januar 2017 wird die soziale Sicherung von Pflegepersonen in der Arbeitslosenversicherung auf der Grundlage einer weitreichenden Versicherungspflicht neu geregelt. Versicherungspflichtig sind danach Personen in der Zeit, in der sie als Pflegeperson einen Pflegebedürftigen mit mindestens „Pflegegrad 2“ in einem zeitlichen Umfang von mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche pflegen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson unmittelbar vor Aufnahme der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig zur Arbeitsförderung war oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung, in erster Linie also Arbeitslosengeld, hatte. Die Beiträge werden allein von den Pflegekassen gezahlt.

Mit der Neuregelung entfallen die bis Ende des Jahres 2016 geltenden Regelungen zur Versicherungspflicht von Pflegezeiten nach dem Pflegezeitgesetz sowie zu einer freiwilligen Weiterversicherung bei Pflegetätigkeit. Eine Übergangsregelung stellt jedoch sicher, dass die bisher versicherten Pflegepersonen bei unverändertem Sachverhalt in die ab 1. Januar 2017 bestehende Versicherungspflicht überführt werden.

Mit der Neuregelung der Versicherungspflicht für Pflegepersonen wird der Arbeitslosenversicherungsschutz für Übergänge am Arbeitsmarkt weiter verbessert. Die Betroffenen sind damit für den Fall der Arbeitslosigkeit nach dem Ende einer Pflegetätigkeit in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen, d. h. sie haben bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen Anspruch auf Arbeitslosengeld und können Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zur Unterstützung einer schnellen beruflichen Wiedereingliederung erhalten.

c) Wegfall des Arbeitgeberbeitrags zur Arbeitslosenversicherung bei Beschäftigten nach der Regelaltersgrenze

Zum 1. Januar 2017 entfällt der bisher anfallende Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte, die die Regelaltersgrenze erreicht haben und somit versicherungsfrei sind. Damit soll ein Beitrag zur Steigerung der Attraktivität der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen geleistet werden. Die Regelung gilt befristet bis 31. Dezember 2021.

d) Ausweitung der Weiterbildungsförderung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in kleinen Unternehmen

Zum 1. Januar 2017 entfällt bei einer Weiterbildungsförderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Bundesagentur für Arbeit in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten das Erfordernis einer Kofinanzierung der Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber, um den Anreiz für die berufliche Weiterbildung in Kleinstunternehmen zu erhöhen.

e) Änderung der Pflicht zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrenten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Erwerbsfähige) werden künftig nicht mehr zum Eintritt in eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen verpflichtet, wenn die Höhe dieser Rente zur Bedürftigkeit, also zum Bezug von Grundsicherungsleistungen im Alter führen würde. Eine Altersrente muss danach nur noch dann vorzeitig beantragt werden, wenn sie trotz dieser vorzeitigen Inanspruchnahme und der damit verbundenen Abschläge bedarfsdeckend ist.

f) Änderungen aufgrund des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Rechtsvereinfachung) sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Für Leistungsberechtigte, die eine einmalige Einnahme, mit der der Lebensunterhalt bestritten werden sollte, bereits vorzeitig verbraucht haben und deshalb ergänzender Leistungen bedürfen, wird ein Anspruch auf ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhalts eingeführt. Personen, die neben Arbeitslosengeld auch Arbeitslosengeld II beziehen, erhalten zukünftig Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik von den Agenturen für Arbeit.

g) Insolvenzgeld

Der Umlagesatz für das Insolvenzgeld wird im Jahr 2017 von bisher 0,12 Prozent auf 0,09 Prozent gesenkt. Dies regelt die Insolvenzgeldumlagesatzverordnung 2017, die am 1. Januar 2017 in Kraft tritt. Der Umlagesatz von 0,09 Prozent gilt für das Kalenderjahr 2017.

2. Arbeitsrecht und Arbeitsschutz

a) Gesetzlicher Mindestlohn

Ab dem 1. Januar 2017 beträgt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn brutto 8,84 Euro je Zeitstunde. Die Anhebung des Mindestlohns beruht auf dem Beschluss der Mindestlohn-Kommission vom 28. Juni 2016. Die Kommission hatte mit dem Mindestlohngesetz den Auftrag erhalten, erstmals zum 1. Januar 2017 über die Anpassung des Mindestlohns zu entscheiden und der Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Sie wird dies nun alle zwei Jahre tun.

3. Sozialversicherung, Rentenversicherung und Sozialgesetzbuch

a) Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung

Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 2017 beträgt weiterhin 18,7 Prozent in der allgemeinen Rentenversicherung und 24,8 Prozent in der knappschaftlichen Rentenversicherung.

b) Anhebung der Altersgrenzen: Rente mit 67

Im Jahr 2012 startete für Neurentner die Rente mit 67 und damit die schrittweise Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Zuge der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung („Rente mit 67“) steigen die Altersgrenzen um einen weiteren Monat. Versicherte, die 1952 geboren sind und für die keine Vertrauensschutzregelungen gelten, erreichen die Regelaltersgrenze mit 65 Jahren und sechs Monaten.

Für die folgenden Geburtsjahrgänge erhöht sich die Regelaltersgrenze zunächst um je einen weiteren Monat; später wird in Stufen von zwei Monaten pro Jahrgang angehoben. Erst für die Jahrgänge 1964 und jünger wird die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren liegen.

Ab 1. Januar 2017 sind auch Bezieher einer vorzeitigen Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie neben dem Bezug einer solchen Vollrente weiterhin arbeiten. Bezieher einer Vollrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze sind ab Januar 2017 zwar weiterhin versicherungsfrei, wenn sie parallel zum Rentenbezug weiter arbeiten; sie können aber auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Für diesen Fall müssen sie auch Rentenversicherungsbeiträge zahlen, erwerben hierdurch aber zusätzliche Rentenanwartschaften.

c) Künstlersozialversicherung

Der Abgabesatz der Künstlersozialabgabe wird ab 1. Januar 2017 von 5,2 auf 4,8 Prozent abgesenkt.

d) Sozialversicherungsrechengrößen

Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2017 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im vergangenen Jahr (2015) turnusgemäß angepasst. Das Verordnungsverfahren und die Festlegung der Werte erfolgen in sich jährlich wiederholender Routine auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen.

Rechengrößen der Sozialversicherung 2017

e) Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung

Der Mindestbeitrag zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 2017 beträgt weiterhin 84,15 Euro monatlich.

f) Alterssicherung der Landwirte

Der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte wird für das Kalenderjahr 2017 monatlich 241 Euro (West) bzw. 216 Euro (Ost) betragen.

g) Gleitzonenfaktor 2017

Ab dem 1. Januar 2017 gilt für Beschäftigte in der Gleitzone (450,01 Euro bis 850,00 Euro Entgelt im Monat) der neue Gleitzonenfaktor 0,7509.

h) Sachbezugswerte 2017

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat jährlich den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus anzupassen und dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Die Werte für Verpflegung und Unterkunft werden daher jährlich an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst. Der Verbraucherpreisindex ist im maßgeblichen Zeitraum von Juni 2015 bis Juni 2016 um 1,9 Prozentpunkte gestiegen. Auf dieser Grundlage wurde der Wert für Verpflegung von 236 Euro auf 241 Euro (Frühstück auf 51 Euro, Mittag- und Abendessen auf jeweils 95 Euro) angehoben. Der Wert für Mieten und Unterkunft hat sich gegenüber dem Vorjahr nicht verändert.

i) Neue Informationspflichten für Anbieter von Riester- und Basisrentenverträgen

Ab dem 1. Januar 2017 sind Anbieter von Riester- und Basisrentenverträgen dazu verpflichtet, ihre Kunden vor Abschluss des Vertrages mit einem neuen Produktinformationsblatt zu informieren. Das Blatt dient der Erhöhung der Transparenz gegenüber dem Verbraucher und enthält wichtige Informationen zu wesentlichen Merkmalen der Produkte, insbesondere zu deren Chancen und Risiken sowie zu deren Kosten. Kosten, die in dem Produktinformationsblatt nicht ausgewiesen sind, muss der Kunde nicht übernehmen. Kostenänderungen sind vom Anbieter anzuzeigen.

4. Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen und Belange behinderter Menschen

a) Neue Regelbedarfe in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch

Ab dem 1. Januar 2017 gelten neue Regelbedarfe in der Sozialhilfe:

  • Regelbedarfsstufe 1 (alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte): 409 Euro
  • Regelbedarfsstufe 2 (jeweils für zwei in einer Wohnung zusammenlebende Partner): 368 Euro
  • Regelbedarfsstufe 3 (erwachsene Leistungsberechtigte, die in einer stationären Einrichtung leben): 327 Euro
  • Regelbedarfsstufe 4 (Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahre): 311 Euro
  • Regelbedarfsstufe 5 (Kinder von 6 bis unter 14 Jahre): 291 Euro
  • Regelbedarfsstufe 6 (Kinder von 0 bis unter 6 Jahre): 237 Euro

b) Neue Regelungen im SGB II und SGB XII für ausländische Personen

Neue Regelungen schaffen mehr Klarheit beim Zugang ausländischer Personen zu Sozialleistungen. Grundsätzlich gilt Folgendes: Unionsbürgerinnen und -bürger sind im Zweiten und Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs von Leistungen der Grundsicherung und der Sozialhilfe ausgeschlossen, wenn sie nicht arbeiten oder aufgrund vorheriger Arbeit Ansprüche auf Grundsicherung für Arbeitsuchende haben, Familienangehörige von solchen Erwerbstätigen sind oder ein Daueraufenthaltsrecht besitzen. Zur Sicherung des Existenzminimums der von den Leistungen ausgeschlossenen Personen wird zukünftig ein Anspruch auf einmalige Überbrückungsleistungen der Sozialhilfe eingeführt. Dieser ist in der Regel auf einen Monat befristet. Nach fünf Jahren, wenn sich der Aufenthalt verfestigt hat, haben Unionsbürgerinnen und -bürger, auch wenn sie hier nicht arbeiten, einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II und Sozialhilfe. Damit unterliegen sie zugleich dem Grundsatz des Förderns und Forderns und sind zur Integration in den Arbeitsmarkt verpflichtet.

c) Neue Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz im Rahmen des Integrationsgesetzes

Am 1. Januar 2017 tritt der im Rahmen des Integrationsgesetzes neu geregelte § 5b Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Kraft. Diese Regelung führt für bestimmte Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG eine – sanktionsbewehrte – Verpflichtungsmöglichkeit zur Teilnahme an Integrationskursen nach § 43 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ein. Diese Integrationskurse werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführt und sind im Aufenthaltsgesetz und in der Integrationskursverordnung näher geregelt.

d) Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Im Zuge der Umsetzung des BTHG wird begonnen, die Leistungen für Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe haben, aus dem bisherigen Fürsorgesystem der Sozialhilfe herauszuführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Die Leistungen der „neuen Eingliederungshilfe“ werden sich nach vollständiger Umsetzung am persönlichen Bedarf orientieren und entsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt werden.

Die neue Eingliederungshilfe wird in Teil zwei eines neuen, in drei Teile unterteilten SGB IX geregelt. Sie wird von einem überwiegend einrichtungszentrierten zu einem personenzentrierten Leistungssystem gewandelt.

Durch die mit dem BTHG einhergehenden Veränderungen wird die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen ab dem Jahr 2017 deutlich verbessert. Wenn alle gesetzlichen Verbesserungen bis zum Jahr 2020 in Kraft getreten sind, stellt der Bund jährlich ca. 766 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Großteil der Mehrausgaben wird für die Verbesserungen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen in der Eingliederungshilfe und der Förderung mit dem Budget für Arbeit bereitgestellt. Aber auch Menschen, die nicht am ersten Arbeitsmarkt tätig sein können, werden durch eine Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes in den Werkstätten und einen höheren Vermögensschonbetrag in der Sozialhilfe spürbar bessergestellt.

Im Rahmen der ersten von drei Reformstufen werden am Tag nach der Verkündung des Bundesteilhabegesetzes bzw. am 1. Januar 2017 folgende Änderungen in Kraft treten:

Schwerbehindertenrecht – Recht der Schwerbehindertenvertretungen

Die Arbeitsmöglichkeiten der ehrenamtlich tätigen Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben und Dienststellen werden durch folgende Änderungen verbessert:

  • Der Schwellenwert für die Freistellung der Vertrauensperson wird von derzeit 200 schwerbehinderte Menschen im Betrieb auf 100 abgesenkt.
  • Die Schwellenwerte für die Heranziehung der Stellvertreter werden nach oben gestaffelt, sodass dann die Vertrauenspersonen in größeren Betrieben mehr Stellvertreter heranziehen können als die derzeit maximal möglichen zwei.
  • Bei der Fortbildung entfällt die heutige Einschränkung, dass ein Stellvertreter nur bei ständiger Heranziehung, häufiger Vertretung der Vertrauensperson auf längere Zeit oder absehbarem Nachrücken in das Amt einen Anspruch hat.
  • Der Arbeitgeber übernimmt künftig auch die Kosten einer Bürokraft für die Schwerbehindertenvertretung in erforderlichem Umfang.
  • Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist künftig unwirksam.
  • Es wird ein Übergangsmandat bei Betriebsübergang für Schwerbehindertenvertretungen in der gewerblichen Wirtschaft geschaffen, wie es für den Betriebsrat in § 21a Betriebsverfassungsgesetz geregelt ist.
  • Der Inklusionsgedanke wird im Betriebsverfassungsgesetz stärker verankert (ausdrückliche Aufnahme der Inklusion behinderter Menschen in den Katalog möglicher Themen für eine Betriebsvereinbarung und bei der Personalplanung).
  • Der Begriff der „Integrationsvereinbarung“ im Neunten Buch Sozialgesetzbuch wird durch „Inklusionsvereinbarung“ ersetzt.

Werkstätten für behinderte Menschen – die Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen werden wie folgt verbessert

  • Der Werkstattrat bestand bisher aus höchstens sieben Mitgliedern. Künftig besteht der Werkstattrat in größeren Einrichtungen
    • bei bis zu 700 Wahlberechtigten wie bisher aus bis zu sieben Mitgliedern,
    • bei 701 bis 1.000 Wahlberechtigten aus neun Mitgliedern,
    • bei 1.001 bis 1.500 Wahlberechtigten aus elf Mitgliedern Personen und
    • bei mehr als 1.500 Beschäftigten aus 13 Mitgliedern.
  • Künftig wird zwischen einem Mitwirkungs- und einem Mitbestimmungsrecht in besonders wichtigen Angelegenheiten unterschieden. Die Mitbestimmung betrifft:
    • Ordnung und Verhalten der Werkstattbeschäftigten einschließlich Aufstellung und Änderung einer Werkstattordnung,
    • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausen, Zeiten für die arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und die damit zusammenhängende Regelung des Fahrdienstes, vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der üblichen Arbeitszeit,
    • Arbeitsentgelte, insbesondere Aufstellung und Änderung von Lohngruppen, Zeit, Ort und Art der Auszahlung,
    • den Urlaubsplan für die Werkstattbeschäftigten,
    • die Verpflegung,
    • die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Werkstattbeschäftigten,
    • Fort- und Weiterbildung und
    • soziale Aktivitäten der Werkstattbeschäftigten

Der Unterschied zwischen Mitwirkung und Mitbestimmung zeigt sich im Konfliktfall, wenn die Vermittlungsstelle angerufen wird. Bei der Mitwirkung gibt die Vermittlungsstelle nur ein Votum ab. Es entscheidet aber die Werkstatt abschließend. Bei der Mitbestimmung entscheidet die Vermittlungsstelle abschließend.

  • Der Anspruch der Werkstatträte auf Freistellung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen wird von zehn auf 15 Tage pro Amtszeit. Für neue Werkstatträte bleibt es wie bisher bei 20 Tagen.
  • Neben der oder dem Vorsitzenden des Werkstattrats hat in Werkstätten mit mehr als 700 Wahlberechtigten künftig auch die Stellvertretung einen Anspruch auf Freistellung.
  • Die dem Werkstattrat zur Seite zu stellende Vertrauensperson muss künftig nicht mehr aus dem Fachpersonal der Werkstatt stammen. Sie kann auch von außerhalb kommen.
  • Die Finanzierung der überregionalen Interessenvertretungen der Werkstatträte auf Bundes- und auf Landesebene erfolgt künftig über die Kostensätze der Werkstätten.
  • In Werkstätten für behinderte Menschen wird es künftig Frauenbeauftragte geben. Diese sollen den weiblichen Werkstattbeschäftigten als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stellen und sie dabei unterstützen, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Die Regelungen für die Frauenbeauftragte und ihre Stellvertretung entsprechend im Wesentlichen den Regelungen für die Werkstatträte.
  • Der Freibetrag bei der Anrechnung des Arbeitsentgeltes auf die ergänzenden Leistungen der Grundsicherung wird erhöht, das Arbeitsentgelt aus der Werkstattbeschäftigung wird künftig in einem geringeren Umfang auf die Leistungen der Grundsicherung angerechnet als bisher. Die Werkstattbeschäftigten haben dadurch mehr Einkommen zur Verfügung.
  • Das Arbeitsförderungsgeld für Werkstattbeschäftigte wird von bisher 26 Euro auf künftig 52 Euro im Monat verdoppelt. Das erhöht zusätzlich das Einkommen der Werkstattbeschäftigten.

Schwerbehindertenausweis

  • Im Zusammenhang mit der Benutzung von Behindertenparkplätzen wird klargestellt, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“) nicht nur aufgrund von orthopädischen, sondern beispielsweise auch wegen schwerer Beeinträchtigung innerer Organe vorliegen kann. Schwerbehinderte Menschen, deren mobilitätsbezogene Teilhabeeinschränkung nicht im orthopädischen Bereich liegt, erhalten dadurch künftig leichter den ihnen zustehenden Nachteilsausgleich.
  • Im Schwerbehindertenausweis ist künftig das Merkzeichen „Tb“ für „taubblind“ einzutragen, wenn bei einem schwerbehinderten Menschen wegen einer Störung der Hörfunktion ein Grad der Behinderung von mindestens 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt ist.
  • Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu allen versorgungsärztlichen Angelegenheiten. Er bereitet insbesondere die Fortentwicklung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vor, die unter anderem für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung maßgeblich sind. In dem Beirat werden künftig zwei sachkundige Personen mitberatend tätig sein, die von den Betroffenenverbänden benannt worden sind. Damit wird die wichtige Perspektive der Betroffenen und deren Sichtweise auf die Teilhabebeeinträchtigungen besser berücksichtigt.

Einkommen und Vermögen – die Anrechnung von Einkommen und Vermögen wird durch die folgenden Änderungen verbessert:

Für Bezieher von Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege wird ein neuer Freibetrag für Erwerbseinkommen eingeführt. Dieser beträgt 40 Prozent des unbereinigten Bruttoeinkommens gedeckelt auf 65 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (derzeit rund 260 Euro monatlich).

Der Vermögensfreibetrag für Bezieher von Eingliederungshilfe wird von 2.600 Euro auf zunächst 27.600 Euro erhöht. In der Hilfe zur Pflege greift der erhöhte Vermögensfreibetrag nur für Vermögen aus Erwerbstätigkeit.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 19.12.2016