Die Zukunft des § 8c KStG?

Die Uhr tickt für die Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte mit Beschluss vom 29.03.2017 (Az. 2 BvL 6/11) die Norm, nach der Verluste bei Anteilseignerwechsel einer Kapitalgesellschaft von mehr als 25 % bis einschließlich 50 % quotal untergehen, für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig hat das Gericht dem Gesetzgeber Hausaufgaben erteilt. Bis zum 31.12.2018 muss mit Wirkung ab dem 01.01.2008 die Verlustnutzung neu geregelt werden. Andernfalls kommt es rückwirkend zur Nichtigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Das kürzlich veröffentlichte BMF-Schreiben vom 28.11.2017 zu § 8c KStG stellt die Nichtanwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG bis zu einer gesetzlichen Neuordnung klar. Im Rahmen des 65. Berliner Steuergesprächs diskutierten die geladenen Gäste unter der Podiumsleitung von Michael Wendt (Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof) mögliche Zukunftsperspektiven der Norm.

Dr. Erik Röder (Wissenschaftlicher Referent des Max Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen) stellte die verschiedenen Aspekte des § 8c KStG vor, um die man sich Gedanken machen müsse. Das sei zum einen der bereits für den Zeitraum ab 01.01.2008 bis 31.12.2015 für verfassungswidrig erklärte § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Zum anderen sei dies für den gleichen Zeitraum aber auch die Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG. Nach dieser Vorschrift entfällt bei Erwerb von mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft der komplette Verlustvortrag. Zumindest das FG Hamburg ist von der Verfassungswidrigkeit auch dieser Regelung überzeugt und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei (Beschluss vom 29.08.2017, Az. 2 K 245/17; BVerfG-Az. 2 BvL 19/17). Darüber hinaus stelle sich die Frage, welche Auswirkungen die Einführung des § 8d KStG mit Wirkung zum 01.01.2016 auf sowohl § 8c Abs. 1 Satz 1 als auch auf § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG habe.

Erwerb von Minderheitsbeteiligungen rechtfertige alleine keinen Verlustuntergang

RDin Evelyn Hörhammer (Bundesministerium der Finanzen) zeigte im Rahmen eines Einführungsreferats auf, welche Alternativen der Gesetzgeber hat, auf den Beschluss des BVerfG zu reagieren. Neben der Streichung der Vorschrift käme es in Betracht, die Regelung neu zu konzipieren. So könnte ein Missbrauchstatbestand in Anlehnung an § 8 Abs. 4 KStG a.F., der für die Verlustnutzung unter anderem eine gleichbleibende wirtschaftliche Identität forderte, definiert werden. Denkbar wäre alternativ, eine Regelung in Anlehnung an den neuen § 8d KStG zu schaffen. Im Übrigen erachtete Hörhammer die Norm für Zeiträume ab 2016 (also mit Einführung des § 8d KStG) nicht als zwingend verfassungswidrig.

Die weiteren Podiumsgäste sprachen sich dafür aus, § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG für sämtliche Zeiträume ab 01.01.2008 ersatzlos zu streichen. Als Hauptargument nannte Röder in seinem Vortrag: Minderheitsbeteiligungen führten grundsätzlich nicht zu substanzieller Beteiligung am Kapital. Daher seien sie nicht geeignet, eine missbräuchliche Kontrolle durch den Erwerber zu begründen. Dr. Peter Brandis (Richter am Bundesfinanzhof) wies darauf hin, dass durch die Anknüpfung an Anteilseignerwechsel ab mehr als 25 % der Zweck der Norm, nämlich die Vermeidung missbräuchlicher Mantelkaufgestaltungen, verloren gegangen sei.

Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG?

Weniger Einigkeit bestand bei der Frage, wie die Zukunft des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG aussehen könnte.

Hörhammer nahm an, da anders als in Satz 1 nur Erwerbe von Mehrheitsbeteiligungen betroffen seien, keine zwingende Verfassungswidrigkeit vorläge. Röder zog in Betracht, dass zumindest seit Einführung des § 8d KStG der § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten könnte. RA/StB Dipl.-Volksw. Prof. Dr. Christian Dorenkamp (Leiter der Konzernsteuerabteilung der Deutschen Telekom AG) sah hingegen generell auch in der Regelung des Satzes 2 einen Verfassungsverstoß. Klarheit hierüber wird erst das zu dieser Rechtsfrage ausstehende Urteil des BVerfG bringen.

Überlegungen zur Neukonzeption der Verlustnutzung

Ungeachtet dessen zeigte die Podiumsdiskussion auf, welche Schwierigkeiten eine Neuregelung der Verlustnutzungsmöglichkeiten bei Anteilseignerwechsel mit sich bringt:

Die größte Herausforderung bestehe darin, die Missbrauchsfälle durch Mantelkaufgestaltungen, die man zu verhindern sucht, tatbestandlich zu definieren. Zum einen solle eine solche Missbrauchsverhinderungsvorschrift Umstrukturierungen für Unternehmen nicht behindern. Zum anderen solle sie für die Finanzverwaltung administrierbar und zu guter Letzt für den Steuerpflichtigen rechtssicher ausgestaltet sein.

Überlegungen zu einer Regelung wie die des früheren § 8 Abs. 4 KStG a. F., der für die Verlustnutzung an die wirtschaftliche Identität knüpfte, wurden dabei sehr kritisch gesehen. Röder bezeichnete dieses Vorgehen gar als wirtschaftlich kontraproduktiv. Wenn neues Betriebsvermögen dazu führen würde, dass die wirtschaftliche Identität nicht mehr als gegeben gilt und Verluste daher untergehen, bestrafe das insbesondere Sanierungsfälle.

Während quantifizierbare Tatbestände eine mögliche Neuregelung handhabbar machen, böten sie Raum für Gestaltungen. Die gesetzliche Implementierung unbestimmter Rechtsbegriffe zur Missbrauchsvermeidung würde Gestaltungsmöglichkeiten hingegen einschränken. Im Gegenzug würde sie jedoch für Rechtsunsicherheit sorgen. Wie so oft scheint die Quadratur des Kreises gefordert.

StB/WP Prof. Dr. Ulrich Prinz (Of Counsel WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH) hob ein ganz grundlegendes Problem hervor: Nach den derzeitigen Regelungen des § 8c und 8d KStG sei die Verlustvernichtung der Normalfall. Die Möglichkeit der Verlustnutzung bleibe lediglich die Ausnahme. Dieses Verhältnis müsse sich drehen.

Die lebhafte Diskussion zeigte mehr als deutlich, vor welch großer Herausforderung der Gesetzgeber steht.

 Quelle: DStV, Mitteilung vom 04.12.2017