E-Commerce: Neue EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie bringt Belastungen für den Einzelhandel

Der digitale Handel boomt. Was vor allem für Online-Händler gut ist, sorgt insbesondere bei vielen kleineren Einzelhändlern für einen größeren Wettbewerbsdruck. Deswegen erschließen auch viele Unternehmen der Branche neue Märkte. Der EU-Binnenmarkt bietet hierfür zahlreiche Chancen. Vorgaben der EU-Kommission beim Verbraucherschutz und bei den Steuern erschweren grenzüberschreitende Geschäfte der Einzelhändler innerhalb der Europäischen Union allerdings erheblich. Dabei soll das „E-Commerce-Paket“ der Kommission offiziell Vereinfachungen bei der Mehrwertsteuer bringen und für einen fairen Wettbewerb sorgen. Gut gemeint ist aber noch nicht gut gemacht. Mit der neuen „Versandhandelsregelung“ werden jedenfalls gerade die kleinen und mittelgroßen Händler eher belastet.

 

Einheitlicher Schwellenwert mit abschreckender Wirkung

Bislang können Unternehmen aus einem EU-Staat heraus Waren an Endkunden in andere EU-Länder verkaufen, ohne sich dort umsatzsteuerlich zu registrieren – vorausgesetzt, der Umsatz übersteigt nicht die „Lieferschwelle“ von rund 35.000 Euro. Das gilt für jedes Land, in das geliefert wird. Abgeführt wird die Umsatzsteuer jeweils im Heimatstaat. Die EU-Kommission will die genannte Grenze auf 10.000 Euro senken – und zwar bezogen auf den Gesamtumsatz in der EU! Wird diese neue Grenze überschritten, müssen die Einzelhändler alle Umsätze in den entsprechenden Bestimmungsländern versteuern. Das soll auch dann gelten, wenn dort nur ein oder zwei Produkte verkauft wurden.

Beispiel: Ein Unternehmer macht heute insgesamt 50.000 Euro Umsatz im Ausland, davon 36.000 Euro in Frankreich, der Rest verteilt sich mit Werten zwischen 5 und 1.000 Euro auf 21 andere EU-Mitgliedstaaten. Nach derzeitigem Recht müsste er sich nur in Frankreich registrieren und dort Steuern abführen, da dort die Lieferschwelle von 35.000 Euro überschritten wird. Künftig wäre dieser Händler auch in den 21 anderen Mitgliedstaaten steuerpflichtig!

Umsatzsteuer-Know-how trotz One-Stop-Shops erforderlich

Bei der Meldung der ausländischen Umsätze und den anfallenden Steuerzahlungen soll ein One-Stop-Shop (OSS) helfen. Er soll es ermöglichen, die Umsatzsteuer-Voranmeldung und die Erklärung für andere EU-Länder im Heimatstaat abzugeben und die Umsatzsteuer dort zu entrichten. Ein solcher OSS ist im Rahmen des Bestimmungslandprinzips enorm wichtig. Denn damit lässt sich die bürokratische Belastung für die Unternehmen erheblich reduzieren. Allerdings muss sich der Unternehmer nach der neuen Regelung auch bei Nutzung des OSS mit dem Umsatzsteuerrecht sämtlicher Staaten auseinandersetzen, in denen er steuerpflichtig ist. Im obigen Beispiel wären insgesamt 22 ausländische Rechtsordnungen zu prüfen! Das klingt nicht gerade nach Entlastung.

Rechtssichere Informationen notwendig

Wirksam entlastet werden können KMU nur mit verlässlichen Informationen zum jeweiligen ausländischen Recht. Das fängt schon damit an, dass fast jedes Land unterschiedliche Mehrwertsteuersätze hat. 7 Prozent, 19 Prozent – das sind beispielsweise die deutschen MwSt-Sätze, die rechtssicher angewendet werden müssen. Selbst für Lieferungen innerhalb Deutschlands ist das derzeit schwierig. Innerhalb der EU-27 wird es nicht einfacher!

Schwellenwerte pro Land beibehalten!

Für viele kleine und mittelständische Einzelhändler sind das keine verlockenden Rahmenbedingungen, um ihre Waren und Dienstleistungen EU-weit zu verkaufen. Sinnvoller wäre es, auch zukünftig einen Schwellenwert pro EU-Land beizubehalten. Die geplante Regelung führt sonst dazu, dass gerade kleine und mittelgroße Händler die Chancen des Binnenmarktes kaum nutzen können.

Quelle: DIHK, Mitteilung vom 23.11.2017