Finanzamt darf bei Nachzahlungszinsen nicht übertreiben

Finanzamt darf bei Nachzahlungszinsen nicht übertreiben

Eheleute stehen immer wieder vor der Frage, wie sie ihre Einkünfte dem Finanzamt erklären sollen: in einer gemeinsamen oder einer getrennten Einkommensteuererklärung? Je nach Entwicklung der Einkommen sollten die Partner immer wieder prüfen, ob die gewählte Veranlagungsform noch die richtige ist. Insbesondere wenn beide gewerblich aktiv sind, empfiehlt sich eine genaue Prüfung, wie ein Streitfall vor dem Finanzgericht Münster zeigt.

Zum Hintergrund
Ein Ehepaar, das im Streitjahr 2006 mit einem Gewerbebetrieb sehr gut verdiente, hatte sich für eine getrennte Veranlagung entschieden. Dabei wies der Ehemann keine Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb aus und musste dem entsprechend auch wenig Steuern zahlen. Bei einer Betriebsprüfung im Jahr 2011 kam die Beteiligung jedoch ans Tageslicht mit der Folge, dass die Gewinnzuweisung zwischen den Eheleuten neu aufgeteilt und eine satte Steuernachzahlung von 328.000 EUR fällig wurde. Erschwerend kamen Nachzahlungszinsen von 80.000 EUR hinzu.

Um diese finanzielle Belastung zu reduzieren, beantragte das Ehepaar den Wechsel in die gemeinsame Veranlagung. Damit reduzierte sich die Einkommensteuernachzahlung auf 151.000 EUR. Dennoch verlangte das Finanzamt Nachzahlungszinsen in unveränderter Höhe.

Nachdem das Finanzamt den Antrag auf Halbierung der Nachzahlungszinsen abgelehnt hatte, zogen die Eheleute vor das Finanzgericht Münster mit der Begründung, dass nur auf die endgültig festgesetzte Steuer von 151.000 EUR Zinsen berechnet werden dürften.

Finanzgericht: Entscheidung des Finanzamts rechtswidrig
So sah es auch das Finanzgericht Münster. Die Begründung der Richter: Einen Teil der Zinsen nicht zu erlassen, sei ein Ermessensfehler und damit rechtswidrig. Zwar entspräche es der Gesetzeslage, dass die Nachzahlungszinsen auf Grundlage der ursprünglichen Steuernachforderung zu berechnen sind. Auch eine rückwirkende Umstellung auf eine Zusammenveranlagung habe keine Auswirkungen für bereits festgesetzte Zinsen. Diese Regelung könne im Einzelfall jedoch nicht angemessen sein.

Daher muss das Finanzamt über den Antrag der Kläger neu entscheiden. Hierbei müsse es bei der Berechnung der Zinsen deutlich machen, welchen Liquiditätsvorteil der Kläger gehabt habe. Des Weiteren müsse sich das Finanzamt mit der Frage auseinandersetzen, ob der Wechsel in eine andere Veranlagungsform eine Zinsfestsetzung erst ab der Kenntnis einer belastenden Feststellung auslöst.

Praxistipp
Die rechtlichen Grundlagen für Nachzahlungszinsen sind in § 233a der Abgabenordnung geregelt, der auch Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Er gilt als eine schwierigsten Bestimmungen der gesamten Abgabenordnung. Zwar ist der Ausgangsfall, dass die Nachverzinsung 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO), einsetzt, noch als relativ einfach anzusehen. Den richtigen Zinsbetrag zu ermitteln, wenn die Steuerfestsetzung später geändert wird so wie in diesem Fall, bereitet aber erhebliche Probleme.

Denn der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zufolge ist ein erstmaliger Antrag auf Zusammenveranlagung zwar als ein Ereignis mit Rückwirkung anzusehen, das aber nach der gesetzlichen Regelung in der Abgabeordnung keine Auswirkungen auf die Berechnung der Zinsnachzahlung haben kann. Zweck der Bestimmung ist es lediglich, die Zinsvorteile, die der Steuerzahler aufgrund der verspäteten Steuerzahlung hatte, abzuschöpfen oder auch Zinsnachteile zu beseitigen. Im Streitfall hatte der Kläger indes keinen Zinsvorteil erlangt, sodass die Festsetzung der Zinsen zumindest in der Höhe, wie sie vor dem Antrag auf Zusammenveranlagung berechnet wurde, dem Sinn des Gesetzes widersprach. Die Entscheidung des Finanzgerichts ist daher plausibel, die endgültige Berechnung aber weiterhin dem Finanzamt überlassen.