Im Einzelnen gilt daneben zur lohnsteuerlichen Behandlung von Gehaltsoptimierungsmodellen das Folgende:
1. Allgemeines
Generell ist für die steuerliche Anerkennung einer Gehaltsumwandlung zunächst Voraussetzung, dass die Vereinbarungen vor der Entstehung des Vergütungsanspruchs zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen werden muss. Dies ist regelmäßig vor der Fälligkeit der entsprechenden Lohnzahlungen der Fall (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2001, BStBl 2001 II S. 601). Soweit danach Sachbezüge vorliegen, sind die durch den BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze (BFH-Urteile vom 11.11.2010, VI R 21/09, BStBl 2011 II S. 383; VI R 27/09, BStBl 2011 II S. 386 und VI R 41/10, BStBl 2011 II S. 389) zur Abgrenzung zwischen Barlohn und Sachlohn zu beachten. D. h. der nunmehr vorliegende Sachlohn darf nicht in einer Barleistung erfüllbar sein. Verzichtet der Arbeitnehmer also unter Änderung des Anstellungs-/Arbeitsvertrags auf einen Teil seines Barlohns und gewährt ihm der Arbeitgeber statt dessen Sachlohn (z. B. in Form eines Nutzungsvorteils), ist der verbliebene Barlohn mit dem Nennwert und der Sachlohn mit den Werten des § 8 Abs. 2 und 3 EStG anzusetzen (BFH-Beschluss v. 20.08.1997, BStBl 1997 II S. 667; vgl. auch H 8.1 (1–4) „Geldleistung oder Sachbezug” LStH 2013und H 8.1 (7) „Essenmarken und Gehaltsumwandlung” erster Spiegelstrich „Änderung des Arbeitsvertrags” LStH 2013). Zu beachten bleibt, dass der bisherige Bruttobarlohn nicht mehr in der Lohn-/Gehaltsabrechnung aufgeführt werden darf, sondern nur noch der verminderte Bruttobarlohn (Hinweis auf die Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 11/2013 vom 16.08.2013).
Bei den v. g. Vergütungsbestandteilen sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
Fallgruppe 1
|
Fallgruppe 2
|
Vergütungsbestandteile müssen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden
|
Vergütungsbestandteile brauchen nicht zusätzlich
zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden |
2. Fallgruppe 1: Fälle mit Zusätzlichkeitsvoraussetzung
Vergütungsbestandteile, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu erbringen sind, z. B.:
- steuerfreie Kindergartenzuschüsse (§ 3 Nr. 33 EStG)
- Zuschüsse zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung (§ 3 Nr. 34 EStG)
- pauschal zu versteuernde Barzuschüsse zu Fahrtkosten für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG)
- pauschal zu versteuernde Beträge für die Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten samt Zubehör und Zuschüsse für die Internetnutzung (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG)
Die Vergütungsbestandteile dieser Fallgruppe werden nur dann steuerlich begünstigt, wenn sie tatsächlich zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet (R 3.33 Abs. 5 Satz 1 LStR 2015).
Nach dem BMF-Schreiben vom 22.05.2013, BStBl 2013 I S. 728 gilt hierzu ergänzend Folgendes:
Die Verwaltung sieht die Zusätzlichkeitsvoraussetzung abweichend von der neuen BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 19.09.2012, VI R 54/11 und VI R 55/11) als erfüllt an, wenn die zweckbestimmte Leistung zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet (vgl. R 3.33 Abs. 5 Satz 1 LStR). Nur Gehaltsumwandlungen sind danach schädlich.
Kommt die zweckbestimmte Leistung zu dem Arbeitslohn hinzu, den der Arbeitgeber (vor der Gewährung dieser Leistung) schuldet, ist das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn” auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung hat.
Lösung:
Der Kindergartenzuschuss ist steuerfrei, da der Arbeitgeber den Zuschuss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn leistet. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber einen Nachweis über die Kindergartenbeiträge im Original auszuhändigen (Lohnkonto!)
Schädlich sind sog. Rückfallklauseln, wonach ab dem Wegfall der Voraussetzungen für die Ersatzvergütung diese nicht ersatzlos wegfällt, sondern dem Arbeitnehmer nun wieder automatisch ein Anspruch auf den ursprünglichen Bruttoarbeitslohn zusteht.
Lösung:
Mit der o. g. arbeitsvertraglichen Vereinbarung hätte der Arbeitnehmer automatisch ab September 01 einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf den vormaligen Arbeitslohn vor der Herabsetzung. Die Vereinbarung ist daher von Anfang an nicht anzuerkennen.
Zudem schädlich ist, wenn dem Arbeitnehmer einseitig einKündigungsrecht mit Anspruch auf Rückkehr zum ursprünglichen Bruttoarbeitslohn eingeräumt wird, d. h. der Arbeitnehmer kann jederzeit nach eigenem Entschluss von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen und zum ursprünglichen Barlohn zurückkehren.
2.1 Befristete Arbeitsverträge
Sofern beim Auslaufen befristeter Arbeitsverträge in neuen Arbeitsverträgen entsprechende Regelungen getroffen werden, ist das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn” grundsätzlich erfüllt, sofern keine Rückfallklauseln vereinbart wurden.
2.2 Geänderte Arbeitsverträge/Änderungskündigungen bei unbefristeten Arbeitsverträgen
Das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn” ist hier im Hinblick auf die Regelung des R 3.33 Abs. 5 Satz 2 LStR 2015 nicht erfüllt, da durch die im gegenseitigen Einvernehmen abgeschlossenen Änderungsverträge arbeitsrechtlich geschuldeter Arbeitslohn lediglich umgewandelt wird.
Lösung:
Der ab April 01 gezahlte Kindergartenzuschuss ist nicht steuerfrei, da er nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten, sondern durch Umwandlung von geschuldetem Bruttoarbeitslohn erbracht wird. Der steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn beträgt daher auch ab April 01 unverändert 3.000 Euro monatlich.
3. Fallgruppe 2: Fälle ohne Zusätzlichkeitsvoraussetzung
Vergütungsbestandteile ohne Zusätzlichkeitserfordernis, z. B.:
- Zahlung von steuerfreiem Verpflegungsmehraufwand (§ 3 Nr. 16 EStG)
- Heimarbeitszuschlag (§ 3 Nr. 30 und 50 EStG, R 9.13 Abs. 2 LStR 2015)
- Überlassung betrieblicher Datenverarbeitungsgeräte und Telekommunikationsgeräte sowie deren Zubehör aus zur privaten Nutzung überlassenen System- und Anwendungsprogrammen, die der Arbeitgeber auch in seinem Betrieb einsetzt und aus den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen (§ 3 Nr. 45 EStG)
- Regelmäßige pauschale Barablösungen für (nachgewiesene) Reinigungskosten für vom Arbeitgeber gestellte typische Berufskleidung (§ 3 Nr. 50 EStG)
- Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge, Zuschläge zur Rufbereitschaft (§ 3b EStG)
- Firmenwagengestellung (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 – 5 EStG, R 8.1 Abs. 9 LStR 2015)
- Warengutscheine i. R. der sog. 44-Euro-Freigrenze (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG)
- Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 EStG, R 8.2 LStR 2015)
- Barzuschüsse in Form von z. B. Restaurantschecks für unentgeltlich oder verbilligt abgegebene Mahlzeiten (R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 LStR 2015)
- Fehlgeldentschädigung (R 19.3 Abs. 1 Nr. 4 LStR 2015)
- Werbung auf Fahrzeugen (§ 22 Nr. 3 EStG)
- Pauschalierung von unentgeltlich oder verbilligt abgegebenen arbeitstäglichen Mahlzeiten (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 EStG)
- Pauschalierung von Erholungsbeihilfen (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 EStG)
Durch die Umwandlung entstehen je nach neuem Vergütungsbestandteil entwedersteuerfreie oder pauschal zu besteuernde Lohnbestandteile.
In analoger Anwendung von Rz. 295 des BMF-Schreibens vom 24.07.2013 ( BStBl 2013 I S. 1022; unter Berücksichtigung der Änderungen durch BMF-Schreiben vom 13.01.2014, BStBl 2014 I S. 97 und vom 13.03.2014, BStBl 2014 I S. 554) hindert es die Annahme einer Entgeltumwandlungin diesen Fällen auch dann nicht, wenn der bisherige ungekürzte Arbeitslohn weiterhin Bemessungsgrundlage für künftige Erhöhungen des Arbeitslohns oder andere Arbeitgeberleistungen (z. B. Weihnachtsgeld) ist, die Gehaltsminderung zeitlich begrenzt oder vereinbart wird, dass der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sie einseitig ändern kann. Entscheidend ist lediglich, dass gemäß der vorgelegten Verträge im Vorhinein auf künftig fälligen Arbeitslohn verzichtet wird.
OFD Nordrhein-Westfalen v. 09.07.2015 – Kurzinfo LSt 05/2015