Keine ermäßigte Besteuerung von Stadtrundfahrten mit Schiffen ohne Zwischenhaltestellen

Mit Urteil vom 18. Juli 2017 (Aktenzeichen 4 K 34/16) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass eine Stadtrundfahrt mit Schiffen, bei der ein Wechsel der Fahrgäste aufgrund fehlender Zwischenhaltestellen regelmäßig nur an zwei Anlegern zu Beginn und am Ende der Rundfahrt stattfindet, keinen ermäßigt besteuerten Linienverkehr i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG darstellt.

Der Kläger führte im Streitjahr 2012 mit zwei Schiffen in der Hauptsaison täglich von 10-18 Uhr in halbstündigem Rhythmus Stadtrundfahrten durch, die etwa eine Stunde dauerten. Die Fahrgäste erhielten während der Fahrt Informationen zu Geschichte, Kultur und Architektur der Stadt. Das Beförderungsentgelt betrug im Streitjahr für Erwachsene einheitlich 9 Euro. Eine Ermäßigung für Teilstrecken wurde nicht gewährt. Im Beförderungsentgelt waren weder die Teilnahme an Führungen noch Eintritte zu Sehenswürdigkeiten enthalten. Ausgangspunkt der Stadtrundfahrten war ein auf der Uferseite zur Altstadt belegener Anleger. Weitere Fahrgäste wurden am 500 m entfernten Anleger auf der anderen Uferseite aufgenommen. Bei diesen Fahrgästen handelte es sich um Reisegruppen, die mit dem Bus angereist waren, und um Einzelpersonen, die auf dem nahegelegenen Parkplatz ihre Fahrzeuge abgestellt hatten. Nach Abschluss der Rundfahrt konnten die Fahrgäste nach ihrer Wahl an einem der beiden Anleger unabhängig davon aussteigen, ob sie dort auch zugestiegen waren. Neben den Stadtrundfahrten führte der Kläger Schiffsfahrten zu Zielen in der näheren Umgebung und Charterfahrten durch. Die Beförderungsstrecken betrugen für alle Schiffsfahrten weniger als 50 km. Eine gesonderte Genehmigung für die Schiffsfahrten ist nach dem Landesrecht Schleswig-Holsteins nicht erforderlich.

Der Kläger behandelte die Umsätze aus den Stadtrundfahrten und den übrigen Schiffsfahrten als steuerpflichtige Umsätze zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt besteuerte die gesamten Umsätze mit dem Regelsteuersatz. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.

Das Finanzgericht wies die Klage ab, da es sich bei den vom Kläger durchgeführten Stadtrundfahrten nicht um die Beförderung von Personen im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG handelte. Die Stadtrundfahrten waren als Beförderung von Personen mit Schiffen anzusehen, da sich die Beförderungsleistung auch im Hinblick auf die während der Stadtrundfahrten erbrachten touristischen Zusatzleistungen als Hauptleistung darstellte. Der in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG geregelte Genehmigungsvorbehalt war im Streitfall erfüllt, da eine Genehmigung für die Beförderung von Personen im Linienverkehr mit Schiffen nach dem insoweit maßgeblichen Landesrecht Schleswig-Holsteins nicht vorgesehen ist. Das Finanzgericht hatte mangels Tatbestandswirkung einer solchen Genehmigung eigenständig zu prüfen, ob die Stadtrundfahrten im Linienverkehr durchgeführt wurden.

Die Auslegung des Merkmals des Linienverkehrs mit Schiffen in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG richtet sich nach der verkehrsrechtlichen Bedeutung des Linienverkehrs, die sich aus den Vorschriften des für die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen geltenden PBefG ergibt. Die vom Kläger durchgeführten Stadtrundfahrten erfüllten bei gesonderter Betrachtung sowohl die in § 42 PBefG geregelten Merkmale des begünstigten Linienverkehrs als auch die Merkmale des dem Regelsteuersatz unterliegenden Ausflugsverkehrs nach § 48 Abs. 1 PBefG. Die Abgrenzung beider Verkehrsarten ist nach Auffassung des Finanzgerichts danach vorzunehmen, ob das für den Linienverkehr prägende Merkmal der Fahrgastfreiheit oder das für den Ausflugsverkehr prägende Merkmal des gemeinsamen Ausflugszwecks im Vordergrund stand. Beide Merkmale schließen sich insoweit aus, als der ständige Wechsel von Fahrgästen der Annahme eines gemeinsamen Ausflugszwecks entgegensteht. Das Finanzgericht kam nach einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass bei den Stadtrundfahrten aufgrund der auf touristische Belange abgestellten Streckenführung, des einheitlichen Fahrpreises und der Tatsache, dass ein Wechsel der Fahrgäste nur zu Beginn und zum Ende der Stadtrundfahrt auf der kurzen Strecke von 500 m zwischen den beiden Anlegern stattfand, der gemeinsame Ausflugszweck im Vordergrund stand.

Im Hinblick auf die übrigen Schiffsfahrten war nach Auffassung des Finanzgerichts die Annahme eines begünstigten Linienverkehrs bereits dadurch ausgeschlossen, dass es an dem Merkmal der regelmäßigen Verkehrsverbindung fehlte, da die Durchführung dieser Fahrten von der konkreten Nachfrage abhängig war.

Gegen das Urteil ist Revision beim BFH eingelegt worden. Das Revisionsverfahren wird unter dem Aktenzeichen XI R 27/17 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 22.12.2017 zum Urteil 4 K 34/16 vom 18.07.2017 (nrkr – BFH-Az.: XI R 27/17)