Kirche kann Arbeitnehmer wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft kündigen

Kirche kann Arbeitnehmer wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft kündigen

Rechtslage

Das deutsche Arbeitsrecht ermöglicht es sogenannten Tendenzbetrieben (das sind insbesondere die Kirchen und Religionsgemeinschaften in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber), sich eigene Richtlinien zu geben, die für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer Gesetzescharakter erlangen. Regelmäßig sehen diese Richtlinien (vereinfachte) Kündigungsmöglichkeiten für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer einer anderen Religionsgemeinschaft angehört bzw. sich illoyal zum Arbeitgeber verhält. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte nunmehr über die Zulässigkeit dieser Privilegien für Tendenzbetriebe zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war seit 1997 als Erzieherin in einer evangelischen Kindertagesstätte tätig. Nach dem Arbeitsvertrag waren auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsrechtsregelungen für Mitarbeiter der evangelischen Landeskirche anwendbar. Diese enthalten auch eine Bestimmung, wonach die Mitarbeiter zur Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche verpflichtet sind und ihnen eine Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Organisationen untersagt ist, deren Grundauffassung oder Tätigkeit im Widerspruch zum Auftrag der Kirche stehen. 1998 wurde der Arbeitgeber anonym über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in einer anderen Religionsgemeinschaft, der „Universalen Kirche/Bruderschaft der Menschheit“ informiert sowie darüber, dass die Arbeitnehmerin für diese Gemeinschaft Einführungskurse in deren Lehre anbot. Nach Befragung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Nach erfolgloser Klage vor den deutschen Arbeitsgerichten, rief die Arbeitnehmerin den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an und unterlag auch dort.

Entscheidung

Die Arbeitnehmerin sei nicht in ihrer Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verletzt. Die arbeitsrechtlichen Regelungen, die in Deutschland Tendenzbetriebe privilegieren, indem sie ihnen insbesondere Kündigungen erleichtern, seien mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Dies jedenfalls dann, wenn die staatlichen Kontrollmechanismen einen ausreichenden Schutz gewährten und die nationalen Arbeitsgerichte alle Aspekte des Falls gewürdigt hätten. Im konkreten Fall komme die Kündigung einer notwendigen Maßnahme gleich, um die Glaubwürdigkeit der Kirche zu wahren.

Konsequenz

Mit der Entscheidung sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze in Deutschland, die Tendenzbetriebe schützen, im Kern bestätigt worden; jedenfalls so lange die Rechtsfolgen im Einzelfall angemessen bleiben.