Nicht abgeführte Lohnsteuer kann auch angerechnet werden

Nicht abgeführte Lohnsteuer kann auch angerechnet werden

Kernproblem

Auf die Einkommensteuer wird neben den Vorauszahlungen auch die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer angerechnet, soweit sie auf die bei Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt. Gängigstes Beispiel des so genannten Korrespondenzprinzips ist die Anrechnung der Lohnsteuer bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber weist die Beträge in einer für den Arbeitnehmer bestimmten kalenderjahrbezogenen Lohnsteuerbescheinigung aus und meldet zugleich die Besteuerungsgrundlagen elektronisch an das Finanzamt. Damit liegen bei der Arbeitnehmer-Veranlagung i. d. R. alle für die Besteuerung relevanten Daten vor. Die eigentlich wesentliche Pflicht des Arbeitgebers besteht aber darin, die Lohnsteuern der Arbeitnehmer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Kann der Arbeitgeber Gehalt und Lohnsteuer nicht (komplett) zahlen, stellt sich die Frage nach der Konsequenz für den Arbeitnehmer.

Sachverhalt

Der Leiter des Rechnungswesens eine Unternehmens sollte eine Abfindung von brutto 92.612 EUR erhalten. Nach der Lohnabrechnung ergab sich hieraus nach Steuerabzug von 33.972 EUR ein Nettobetrag von 58.640 EUR. Der Arbeitgeber musste jedoch Insolvenz anmelden, so dass der frühere Leiter nur einen Nettobetrag von 33.000 EUR vereinnahmen konnte. Der Restbetrag fiel aus. In seiner Einkommensteuererklärung deklarierte der Gebeutelte Einkünfte in Höhe des erhaltenen Nettobetrages und der Steuerabzugsbeträge von insgesamt 66.972 EUR. Die rechnerisch auf die gesamte Abfindung entfallenden Steuerabzugsbeträge wollte das Finanzamt aber nicht komplett anrechnen und berief sich auf das Korrespondenzprinzip, das die Anrechnung nur insoweit zulasse, als die Steuerabzugsbeträge anteilig auf die Abfindung entfallen. Zudem sei die Lohnsteuer nur anteilig vom Arbeitgeber abgeführt worden. So musste das Finanzgericht Münster die Klage entscheiden.

Entscheidung

Das Gericht ließ die komplette Anrechnung der Steuerabzugsbeträge zu. Die Richter urteilten, dass zwar keine Bindung an die in der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen Beträge bestehe. Das Finanzamt habe sich jedoch durch Ansatz des höheren Lohnsteuerbetrags als steuerpflichtigen Vorteil im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auch hinsichtlich der Anrechnungsfrage festgelegt und gebunden. Dagegen sei die nicht vollständige Abführung der Lohnsteuer unerheblich, weil der Arbeitnehmer mit der Duldung des Einbehalts der Lohnsteuer und der entsprechenden Minderung des Arbeitslohns seine Zahlungspflicht grundsätzlich erfüllt habe.

Konsequenz

Weil zu der streitigen Rechtsfrage bisher überwiegend Entscheidungen im Zusammenhang mit der Anrechnung in Schätzungsbescheiden ergangen sind, wurde die Revision zugelassen. Diese ist bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.