Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011

Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011: Um­sätze auf dem Höchst­stand

WIESBADEN – Im Jahr 2011 gaben rund 3,2 Millionen Unternehmen eine Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einem voraussichtlichen Nettoumsatz in Höhe von 5,7 Billionen Euro ab. Sowohl bei der Zahl der Unternehmen als auch bei den absoluten Umsatzwerten wurden damit die seit der Wiedervereinigung erzielten bisherigen Höchststände aus dem Jahr 2008 übertroffen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stieg der Wert der Lieferungen und Leistungen (Umsatz ohne Umsatzsteuer) gegenüber 2010 mit + 8,5 % stark an, während sich die Zahl der Steuerpflichtigen nur leicht um 1,6 % erhöhte.

Ein Blick auf die Wirtschaftsabschnitte zeigt durchweg Umsatzzuwächse gegenüber dem Vorjahr.
Die mit Abstand höchsten Umsätze erzielten das Verarbeitende Gewerbe (2,0 Billionen Euro) und der Handel einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (1,8 Billionen Euro). Somit erzielten diese beiden Bereiche gemeinsam über zwei Drittel des Gesamtumsatzes.

Im Jahr 2011 gab es 492 Unternehmen in Deutschland mit Umsätzen von mehr als 1 Milliarde Euro, das waren 46 Unternehmen mehr als 2010. Zusammen kamen die Umsatzmilliardäre auf Lieferungen und Leistungen im Wert von 1,9 Billionen Euro, dies entspricht 32,9 % der Umsätze aller steuerpflichtigen Unternehmen. Die übrigen rund 10 700 Großunternehmen (Jahresumsatz über 50 Millionen Euro) erzielten einen Umsatzanteil von 30,3 %. Weitere 28,2 % des gesamten Umsatzes erwirtschafteten die 341 000 mittelständischen Unternehmen (Jahresumsatz zwischen 1 und 50 Millionen Euro). Die verbleibenden 2,9 Millionen Kleinunternehmen kamen auf einen Umsatzanteil von 8,6  %.

Über die Hälfte (54,8 %) des gesamten Umsatzes wurde 2011 von 509 000 Kapitalgesellschaften erwirtschaftet. Weitere 27,2 % des Umsatzes entfielen auf 420 000 Personengesellschaften. Die 2,3 Millionen Unternehmen mit einer anderen Unternehmensform erwirtschafteten die übrigen 18,0 % des Umsatzes 2011.

Nicht erfasst werden in dieser Umsatzsteuerstatistik unter anderem Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro und solche, die vorwiegend steuerfreie Umsätze tätigen.

Steuerpflichtige und deren Lieferungen und Leistungen 2011 nach Wirtschaftsabschnitten
Wirtschaftsabschnitt Steuer-pflichtige Veränderung zum Vorjahr
in %
Lieferungen und Leistungen
in Millionen Euro
Veränderung zum Vorjahr
in %
1 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ08).
2 Umsätze der Unternehmen, ohne Umsatzsteuer.
Wirtschaftszweige insgesamt 3 215 095 1,6 5 687 179 8,5
A Land-  und Forstwirtschaft, Fischerei 86 154 6,8 34 892 11,9
B Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 2 024 – 1,7 24 442 12,2
C Verarbeitendes Gewerbe 239 397 – 0,2  2 040 082 11,1
D Energieversorgung 55 228 26,4 281 843 5,7
E Wasserversorgung, Abwasser-und Abfallentsorgung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen 11 602 – 0,9 46 161 15,1
F Baugewerbe 358 173 1,7 244 067 8,4
G Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 641 376 – 0,8 1 795 659 8,7
H Verkehr und Lagerei 110 627 – 0,1 209 744 2,3
I Gastgewerbe 227 175 – 1,5 66 086 5,0
J Information und Kommunikation 124 341 1,3 189 285 3,0
K Erbringung von Finanz-  und Versicherungsdienst-leistungen 25 311 1,0 72 187 4,4
L Grundstücks- und Wohnungswesen 286 052 2,0 152 139 5,7
M Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 466 022 3,6 221 902 5,1
N Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 168 760 6,9 134 739 7,2
P Erziehung und Unterricht 43 865 2,9 9 677 6,0
Q Gesundheits-und Sozialwesen 46 951 2,4 79 454 7,9
R Kunst, Unterhaltung und Erholung 99 458 1,6 33 737 4,9
S Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 222 579 – 0,9 51 083 0,9

Detaillierte Angaben über die steuerpflichtigen Unternehmen und deren Umsätze nach einzelnen Wirtschaftszweigen sind unter Publikationen, Thematische Veröffentlichungen erhältlich. Dort sind auch aktuelle Ergebnisse der Umsatzsteuerstatistik auf Basis der Veranlagungen, die auch die Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro enthält, abrufbar.

Umsatzsteuerstatistik 2011: Umsätze auf dem Höchststand (PDF, 73KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Pressemitteilung Nr. 129 vom 04.04.2013:

Steuererklärungsfristen 2012

Abgabefrist für Steuererklärungen

Für das Kalenderjahr 2012 sind folgende Erklärungen bis zum 31.5.2013 bei den Finanzämtern abzugeben: die Erklärungen zur Einkommensteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten sowie zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Ferner die Erklärungen zur Körperschaftsteuer, einschließlich der Erklärungen zu gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen sind, sowie für die Zerlegung der Körperschaftsteuer. Ebenfalls bis zu diesem Datum abzugeben sind die Erklärungen zur Gewerbesteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungsvortrags sowie für die Zerlegung des Steuermessbetrags. Schließlich auch die Erklärungen zur Umsatzsteuer sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes.

Sonderfrist

Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des fünften Monats, der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 2012/2013 folgt.

Fristverlängerung

Sofern die vorbezeichneten Steuererklärungen durch Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG angefertigt werden, wird die Frist allgemein bis zum 31.12.2013 verlängert. Bei Steuererklärungen für Steuerpflichtige, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, tritt an die Stelle des 31.12.2013 der 31.5.2014. Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht abgegeben wurden. Ferner dann, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden oder sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat. Des Weiteren soll von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet werden oder für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Erklärungen laufend fertig gestellt und unverzüglich eingereicht werden. Aufgrund begründeter Einzelanträge kann die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 28.2.2014 bzw. in den Fällen, in denen die vorbezeichnete Sonderfrist gilt, bis zum 31.7.2014 verlängert werden. Eine weitergehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die allgemeine Fristverlängerung gilt nicht für Anträge auf Steuervergütungen. Sie gilt auch nicht für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit mit Ablauf des 31.12.2012 endete. Hat die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor dem 31.12.2012 geendet, ist die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr einen Monat nach Beendigung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit abzugeben.

 

Abgabenrechtliche Wirkungen einer Umsatzsteuererklärung

Eine Umsatzsteuererklärung ist eine Steueranmeldung i.S. des § 167 AO, die, wenn sie nicht zu einer Herabsetzung der zu entrichtenden Steuer führt, sondern eine Zahllast aufweist, gemäß § 168 Satz 1 AO kraft Gesetzes mit dem Zugang (Tag des Eingangs beim Finanzamt) der Erklärung beim Finanzamt ohne Weiteres einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht.

 

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 6.9.2012, V B 14/12

Abgabenrechtliche Wirkungen einer Umsatzsteuererklärung

Gründe

1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, „ob eine Umsatzsteuerfestsetzung des Finanzamtes kraft Gesetzes gemäß § 18 UStG i.V.m. § 168 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht“, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 24. August 2011 I B 1/11, BFH/NV 2011, 2044 II.1.; vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850 II.1.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es darüber hinaus, wenn die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, juris II.1.; vom 24. August 2011 VI B 18/11, BFH/NV 2011, 2062, m.w.N.).
3
Beides ist hier der Fall. Die Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2002 ist eine Steueranmeldung i.S. des § 167 der Abgabenordnung (AO). Da sie weder „zu einer Herabsetzung der zu entrichtenden Steuer“ noch „zu einer Steuervergütung“ (§ 168 Satz 2 AO) führte, sondern eine Zahllast aufwies, stand sie gemäß § 168 Satz 1 AO kraft Gesetzes mit dem Zugang der Erklärung beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) ohne weiteres einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2008 V R 24/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2009, 817 II.1.b aa). Diese Wirkung kam der am 30. September 2003 beim FA eingegangenen Jahreserklärung für das Streitjahr 2002 nach § 18 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 168 Satz 1 AO bereits am Tag ihres Eingangs beim FA zu, ohne dass es hierfür einer gesonderten Zustimmung des FA bedurft hätte (vgl. BFH-Urteil in HFR 2009, 817). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers steht die Frage, ob ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, in keinem Zusammenhang mit seiner Unanfechtbarkeit, also der Frage, ob er noch mit einem Einspruch wirksam angefochten werden kann (zur Einspruchsfrist, nach deren Ablauf Unanfechtbarkeit eintritt, vgl. § 355 AO).
4
2. Da es aus den o.g. Gründen an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt, ist auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
5
3. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel ist weder hinreichend dargelegt noch liegt er vor; das FG hat weder Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) noch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt.
6
a) Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, fehlt es schon an der ordnungsgemäßen Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) des Zulassungsgrundes. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, so ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, die genauen Fundstellen, in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170  2.; vom 24. Juli 2002 V B 25/02, BFHE 199, 85, und vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125, m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht; insbesondere liegt darin, dass das FG den Ausführungen des Klägers nicht folgt, keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht.
7
b) Davon abgesehen hat das FG seine Sachaufklärungspflicht auch nicht verletzt. Im Streit befinden sich noch nicht berücksichtigte Vorsteuern aus Handykosten in Höhe von 12,96 EUR sowie weitere Vorsteuern in Höhe von 1.563,53 EUR. Der Steuerpflichtige –hier der Kläger– trägt die Darlegungslast der Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG (BFH-Beschlüsse 7. Mai 2009 XI B 111/08, BFH/NV 2009, 1472 1.a; vom 3. August 2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368 II.1.). Diese setzt u.a. die Vorlage der Rechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, voraus. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger trotz Aufforderung weder über die noch streitigen Handykosten in Höhe von 12,96 EUR noch über die weiteren von ihm geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von 1.563,53 EUR Rechnungen vorgelegt. Da der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen ist, bleibt für eine Sachaufklärungspflichtverletzung des FG kein Raum, weil der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt wird (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 170  2.).

Umsatzsteuerbefreiung ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 UStG

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 26 Buchstabe b Umsatzsteuergesetz (UStG);
Angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis

Nach § 4 Nummer 26 UStG ist die ehrenamtliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird (§ 4 Nummer 26 Buchstabe a UStG) oder wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht (§ 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG).

Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alle Tätigkeiten, die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicher Weise als ehren-amtlich bezeichnet oder die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden; dieser setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus (BFH-Urteil vom 14. Mai 2008, XI R 70/07, BStBl II S. 912, zuletzt BFH-Urteil vom 20. August 2009, V R 32/08, BStBl 2010 II S. 88).

Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor bzw. wird der Ein-satz nicht für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung erbracht, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet.

Mit BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012 – IV D 3 – S 7185/09/10001 (2011/1016375), BStBl I S. 59, wurden im Interesse einer Erleichterung für die Praxis durch die Einführung von Betragsgrenzen Anhaltspunkte vorgegeben, bis zu welcher Höhe nach Ansicht der Finanzverwaltung im Sinne des § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG von einem noch angemessenen Entgelt bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann, bei dem im Ergebnis die Steuerbefreiung zur Anwendung kommt. Damit ist für die Betroffenen insoweit Rechtssicherheit gegeben. Da es sich bei den genannten Grenzen um so genannte Nichtbeanstandungsgrenzen handelt, bis zu deren Höhe seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine Angemessenheitsprüfung der Entschädigungen verzichtet wird, ist die Möglichkeit der Einzelfallüberprüfung für Beträge, die über diese Grenzen hinaus gehen, nach wie vor gegeben. Die Frage nach der Angemessenheit der Entschädigung für Zeitversäumnis ist hierbei an dem vom BFH ausgelegten Begriff des „Ehrenamt“ in § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG auszurichten und nicht nach dem Marktwert der jeweiligen Leistung. Der ehrenamtlich Tätige hat keinen Anspruch auf eine Bezahlung, sondern allenfalls auf eine Entschädigung besonderer Art, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen und den beruflich-privaten Interessen schaffen soll.
Nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird daher Abschnitt 4.26.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 26. März 2013 – IV D 2 – S 7127/07/10002:010 (2013/0286981), BStBl I S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. In Absatz 1 werden nach Satz 5 die folgenden neuen Sätze 6 bis 8 angefügt:
„6Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor bzw. wird der Einsatz nicht für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung erbracht, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden. 7Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. 8Ein Entgelt, das nicht lediglich im Sinne einer Entschädigung für Zeitversäumnis oder eines Verdienstausfalls gezahlt wird, sondern sich an der Qualifikation des Tätigen und seiner Leistung orientiert, steht dem Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit entgegen.“

2. In Absatz 4 werden die bisherigen Sätze 2 bis 4 durch die folgenden Sätze 2 bis 5 ersetzt:
„2Was als angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis anzusehen ist, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden; dabei ist eine Entschädigung in Höhe bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde regelmäßig als angemessen anzusehen, sofern die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sinne des § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG den Betrag von 17 500 €im Jahr nicht übersteigt. 3Zur Ermittlung der Grenze von 17 500 € ist auf die tatsächliche Höhe der Aufwandsentschädigung im Vorjahr sowie die voraussichtliche Höhe der Aufwandsentschädigung im laufenden Jahr abzustellen. 4Ein (echter) Auslagenersatz, der für die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen der ehrenamtlichen Tätigkeit vergütet wird, bleibt bei der Berechnung der Betragsgrenzen unberücksichtigt. 5Als Auslagenersatz im Sinne des Satzes 4 werden beispielsweise auch ein Fahrtkostenersatz nach den pauschalen Kilometersätzen oder auch Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt, sofern sie lohnsteuerlich ihrer Höhe nach als Reisekosten angesetzt werden könnten (vgl. R 9.4 Absatz 1 LStR 2011).“

3. Nach Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5 angefügt:
„(5) 1Eine vom tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige z. B. laufend gezahlte pauschale bzw. monatli-che oder jährlich laufend gezahlte pauschale Vergütung sowie ein gesondert gezahltes Urlaubs-, Weihnachts- bzw. Krankheitsgeld stehen dem Charakter einer Entschädigung für Zeitversäumnis entgegen und führen zur Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift mit der Folge, dass sämtliche für diese Tätigkeit gezahlten Vergütungen – auch soweit sie daneben in Auslagenersatz oder einer Entschädigung für Zeitaufwand bestehen – der Umsatzsteuer unterliegen. 2Dies gilt für eine pauschal gezahlte Aufwandsentschädigung nicht, wenn der Vertrag, die Satzung oder der Beschluss eines laut Satzung hierzu befugten Gremiums zwar eine Pauschale vorsieht, aber zugleich festgehalten ist, dass der ehren-amtlich Tätige durchschnittlich eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche/Monat/Jahr für die fremdnützig bestimmte Einrichtung tätig ist und die in Absatz 4 genannten Betragsgrenzen nicht überschritten werden. 3Der tatsächliche Zeitaufwand ist glaubhaft zu machen. 4Aus Vereinfachungsgründen kann die Steuerbefreiung auch ohne weitere Prüfung gewährt werden, wenn der Jahresge-samtbetrag der Entschädigungen den Freibetrag nach § 3 Nummer 26 EStG nicht übersteigt. 5In die-sen Fällen bedarf es lediglich der Angabe der Tätigkeiten und zur Höhe der dabei enthaltenen Entschädigungen.

Beispiel 1:
1Ein ehrenamtlich Tätiger, der für seine Ehrenamtstätigkeit (1 Stunde / Woche) eine pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 120 € monatlich und zusätzlich für eine weitere ehren-amtliche Tätigkeit (ca. 20 Stunden / Jahr) eine jährliche Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 500 € erhält, kann die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG – auch ohne zusätzliche Nachweise – in Anspruch nehmen, da der Jahresgesamtbetrag seiner Entschädigungen (1 940 €) den Freibetrag nach § 3 Nummer 26 EStG nicht übersteigt. 2Ein daneben gezahlter Auslagenersatz für tatsächlich entstandene Aufwendungen bleibt bei der Berechnung der Betragsgrenzen unberücksichtigt.

Beispiel 2:
1Ein ehrenamtlich Tätiger, der für seine ehrenamtliche Tätigkeit (7 Stunden / Woche) eine pauschale monatliche Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 1 200 € erhält und in acht Wochen im Jahr seine Tätigkeit auf Grund Urlaub / Krankheit nicht ausübt, hat einen durchschnittlichen Stundensatz in Höhe von rund 46 € (44Wochen je 7 Stunden, Gesamtvergütung 14 400 €). 2Eine weitere ehrenamtliche Tätigkeit wird durch ihn nicht ausgeübt. 3Die Steuerbefreiung kann gewährt werden, da die Vergütung nicht mehr als 50 € je Tätigkeitsstunde beträgt und die Grenze von 17 500 € nicht übersteigt.“
Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2012 ausgeführt werden. Für die Anwendung von Abschnitt 4.26.1 Absatz 5 Satz 2 UStAE ist es ausreichend, wenn der Vertrag, die Satzung oder der Beschluss bis zum 31. März 2014 entsprechend angepasst wird.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Herunterladen bereit.

Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Datum von gestern (03.04.2013) veröffentlicht:

– FG Düsseldorf Urteil vom 20.11.2012 – 13 K 180/11 E: Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an einer GmbH

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Bürgschaftsinanspruchnahme eines GmbH-Gesellschafters zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung führt. Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer Bauträger-GmbH und musste im Jahr 1999 gegenüber der finanzierenden Bank eine unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung der Verbindlichkeiten der GmbH übernehmen. Nachdem er aus der Bürgschaft in Höhe von rund 700.000 € in Anspruch genommen und die Gesellschaft im Jahr 2008 im Handelsregister gelöscht worden war, begehrte er, den Auflösungsverlust um diesen Betrag zu erhöhen. Das beklagte Finanzamt verweigerte den Abzug.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat den erforderlichen eigenkapitalersetzenden Charakter der Bürgschaft bejaht und der Klage stattgegeben. Es handele sich um eine sog. Krisenbürgschaft. Zwar reiche es nicht aus, wenn die Gesellschaft einen Bankkredit zu marktüblichen Konditionen routinemäßig nur unter der Bedingung erhalte, dass sich der Gesellschafter hierfür persönlich verbürge. Kreditunwürdigkeit sei aber gegeben, wenn – wie im Streitfall – die Gesellschaft selbst nicht über ausreichende Sicherheiten verfüge, um sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Dabei sei eine objektive Betrachtungsweise geboten.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

– FG Düsseldorf Urteil vom 20.12.2012 – 14 K 1455/11 E: Betreuungskosten für unter dreijährige Kinder

Die Beteiligten stritten um die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2008 machten die Kläger für ihre 2004, 2006 und 2007 geborenen Kinder Betreuungskosten in Höhe von insgesamt 6.828,52 € (Beiträge für den Kindergarten und Au-pair-Kosten) geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte nur die Kindergartenbeiträge für das erstgeborene und das zweitgeborene Kind sowie 1/3 der Au-pair-Kosten (insgesamt 4.267,17 €) dem Grunde nach als Kinderbetreuungskosten an und gewährte einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 2.845 €.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Ein Abzug als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten des Klägers scheide aus, da die Klägerin im Streitjahr nicht erwerbstätig gewesen sei. Ebenso wenig komme ein weiterer Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Betracht. Zwar sei der Kläger im Streitjahr erwerbstätig gewesen, die Klägerin habe sich aber weder in Ausbildung befunden noch sei sie behindert oder krank gewesen. Bei der Schwangerschaft und Stillzeit handele es sich nicht um eine Krankheit. Schließlich erlaube § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG einen Abzug nur für drei- bis fünfjährige Kinder.

Der beschränkte Abzug von Kinderbetreuungskosten verstoße auch nicht gegen verfassungsrechtliche Anforderungen. Eine “größere Zahl von Kindern”, die die steuerliche Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten bei Erwerbstätigkeit des einen Elternteils nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geboten erscheinen lassen könnte, sei bei drei Kindern noch nicht gegeben.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat auch hier die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

– FG Düsseldorf Urteil vom 20.02.2013 – 15 K 2052/12 E: Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung

Im Streitfall hatte der Kläger zivilgerichtlich einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung geltend gemacht und einen Vergleich (Schadensersatz in Höhe von 275.000 €) erzielt. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben. Im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung begehrte der Kläger, die angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von rund 16.000 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, was das beklagte Finanzamt ablehnte.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und dabei auf die – von der Finanzverwaltung mit einem sog. Nichtanwendungserlass belegte – neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abgestellt, wonach die Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen könnten. Voraussetzung für den Abzug sei, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Im Streitfall habe eine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Auf die Umstände der Beendigung des Prozesses und die Kostenverteilung komme es nicht an.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat wiederum die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Weitere aktuelle Entscheidungen

– FG Düsseldorf Urteil vom 25.01.2011 – 6 K 2991/08 K,G,F (Teilwertabschreibung auf Darlehen als verdeckte Gewinnausschüttung);

– FG Düsseldorf Beschluss vom 13.02.2013 – 7 V 235/13 A(E) (Kapitaleinkünfte aus der Beteiligung an einer US-Corporation);

– FG Düsseldorf Urteil vom 19.02.2013 – 10 K 829/11 E (Räumlichkeit bei einem Kunden keine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO);

– FG Düsseldorf Urteil vom 19.02.2013 – 10 K 2392/12 E (Kosten eines Ehescheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastung);

– FG Düsseldorf Urteil vom 14.01.2013 – 11 K 1633/12 E (Kosten eines Verwaltungsprozesses zur Erlangung eines Studienplatzes als außergewöhnliche Belastung);

– FG Düsseldorf Urteil vom 30.08.2011 – 13 K 856/09 G (Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit (EDV-Berater));

– FG Düsseldorf Urteil vom 26.02.2013 – 13 K 4455/11 E (Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung).

Finanzgericht Düsseldorf

Arbeitszimmer bei mehreren Tätigkeiten


Die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG greift bei einem Steuerpflichtigen, der mehrere Tätigkeiten ausübt, nur ein, wenn der inhaltliche/qualitative Schwerpunkt der Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit, nicht nur lediglich einer der Tätigkeiten, in dem häuslichen Arbeitszimmer liegt.

Wer nachweisen kann, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstellt, kann die Kosten als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben absetzen.  Wie kann man aber die Kosten absetzen, wenn man mehreren Tätigkeiten nachgeht. Dann ist der volle Kostenabzug nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz nur zu gewähren, wenn das häusliche Arbeitszimmer für jede der Tätigkeiten den Tätigkeitsmittelpunkt bildet. |

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom: 17.01.2012
Aktenzeichen: 2 K 1726/10
Rechtsgebiet: EStG
Vorschriften: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Eingestellt am: 14.03.2013

Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 17.01.2012

2 K 1726 / 10

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für einen im selbstgenutzten Einfamilienhaus gelegenen Raum unbegrenzt oder nach den Regelungen für die Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmerkosten und in diesem Rahmen nur begrenzt als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Die Klägerin war im Streitjahr als Musikpädagogin und Konzertpianistin freiberuflich tätig. Ihre hieraus erzielten Gewinne ermittelte sie im Wege der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Daneben ist sie ehrenamtliche Organistin des protestantischen Dekanats.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 hatte sie angegeben, Honorare für „pianistische Tätigkeiten” bzw. für Konzerte in Höhe von 5.952,00 € sowie für Unterricht an der Kreismusikschule in Höhe von 7.155,80 € und für die Unterrichtung von Privatschülern in Höhe von 15.570,78 € erzielt zu haben.

Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Raumkosten für ein Arbeitszimmer in dem von ihr bewohnten Einfamilienhaus in Höhe von 2.492,29 € sowie Kosten für verschiedene Geschäftsreisen (Konzertreisen nach K vom 13. Juni bis 15. Juni 2008, nach C vom 25. Mai bis 26. Mai 2008 und nach Dänemark vom 11. März bis 14. März 2008 sowie eine Reise nach M vom 8. März bis 9. März 2008) und für im Mai, Juli, September und Dezember 2008 stattgefundene, jeweils mehrtägige Fortbildungsreisen, u.a. nach England , geltend.

Auf die im Zuge des Veranlagungsverfahrens vom Finanzamt geäußerte Auffassung, die Raumkosten könnten nicht berücksichtigt werden, da der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers liege, ließ die Klägerin wissen, in Vorbereitung ihrer Konzerte übe sie ca. 3 Stunden am Tag ausschließlich in ihrem Arbeitszimmer. 99 % der Arbeit an einem Konzert sei die Vorbereitung. Das tägliche Üben sei auch notwendig, damit sie ihr hohes Niveau als Instrumentallehrerin für hochbegabte Schüler halten könne. Im Arbeitszimmer bereite sie auch ihren Unterricht vor, dort ständen ihre Instrumente und Noten und dort fänden – ebenfalls zur Konzertvorbereitung – auch Proben mit anderen Musikern statt. Das Zimmer werde nicht privat genutzt. Sie unterrichte lediglich eine kleine Anzahl von Schülern außer Haus. Den absolut überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit verbringe sie in dem Arbeitszimmer. Ihr Fall sei mit dem von Lehrern vergleichbar, für die das Arbeitszimmer ebenso notwendig sei, die jedoch garantiert einen größeren Zeitanteil außerhalb des Arbeitszimmers verbrächten.

Hierzu legte die Klägerin eine Aufstellung über die „typische Nutzung des Arbeitszimmers” vor, wonach sie sich von Montag bis Sonntag jeweils 3 bis 6 Stunden zur Unterrichts- und Konzertvorbereitung und von Dienstag bis Freitag für 1,5 Stunden (Dienstag) bzw. je 4,25 Stunden (Mittwoch und Donnerstag) bzw. 0,25 Stunden (Freitag) für Unterrichtszwecke in diesem Raum aufgehalten haben will. Darüber hinaus habe sie montags nachmittags 4 ½ Stunden und dienstags nachmittags 3 Stunden Unterricht außer Haus gegeben.

(Wegen des Wortlautes der Zusammenstellung wird auf Bl. 9 ESt-Akten 2008 Bezug genommen.)

Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Dezember 2009 versagte das Finanzamt die Berücksichtigung der Raumkosten zur Gänze, da sich dort nicht der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befinde.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, mit dem sie einwendete, das Finanzamt ignoriere, dass die Unterrichtstätigkeit, mit der die Klägerin den größten Teil ihres Einkommens erziele, zum überwiegenden Teil im Arbeitszimmer stattfinde. Was das Unterrichten und seine Vorbereitung betreffe, bilde das Zimmer den Mittelpunkt der Tätigkeit.

Später ließ sie vortragen, im Streitfall handele es sich nicht um ein Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG, sondern um eine häusliche Betriebsstätte. Aber auch dann, wenn der streitbefangene Raum ein Arbeitszimmer darstellen sollte, seien die angefallenen Kosten uneingeschränkt anzuerkennen.

Im Januar 2010 nahm der Ermittlungsbeamte den streitbefangenen Raum in Augenschein. Er stellte fest, dass von Außen nicht erkennbar sei, dass dort Musikunterricht stattfinde. In dem Raum befänden sich ein Klavier und ein Klavierflügel. Auf ersterem werde unterrichtet.

Wegen der vom Ermittlungsbeamten angefertigten Fotografien wird auf Bl. 24 bis 31 und wegen des Plans des Wohnhauses der Klägerin auf Bl. 42 und 43 Rb-Akten verwiesen.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt – noch auf der Grundlage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 – aus, ein Kostenabzug für ein Arbeitszimmer sei nur noch dann möglich, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde. Dies sei hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die heimischen Aktivitäten zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeiten vorbereitend erforderlich seien, genüge hierfür nicht. Bei einer freiberuflichen Konzertpianistin und Klavierpädagogin mit Unterrichtstätigkeiten außerhalb des häuslichen Musikzimmers liege der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit außer Hause. Die Tätigkeit als Konzertpianistin werde durch die künstlerische Darbietung auf der Bühne geprägt. Der Mittelpunkt der außerhäuslichen Lehrtätigkeit befinde sich am Unterrichtsort, auch wenn hierfür vorbereitende Arbeiten im Arbeitszimmer nötig seien. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehe, dass der außerhäusliche Unterricht nur untergeordneten Charakter gehabt habe, könne dennoch nicht festgestellt werden, dass der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit der Klägerin im häuslichen Arbeitszimmer gelegen habe.

Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt die Klägerin vor, bei dem streitbefangenen Raum handele es sich um einen innerhalb des Hauses abgeteilten Schulungsbereich für Musik bzw. um ein Musikstudio. Er verfüge über alle Einrichtungserfordernisse einer Musikschule, d.h. einen vom Wohnhaus getrennten Eingangsbereich mit Vorraum als Garderobe, ein Umkleidebad mit Dusche und Toilette und den über 35 qm großen Übungsraum. Bereits Anfang 2007 habe die Anzahl ihrer Privatschüler schnell zugenommen. Parallel hierzu sei die Klägerin auf Grund eines Honorarvertrages mit der Kreismusikschule mit der Gruppenunterrichtung von Kindern und Jugendlichen betraut gewesen. Das Unterrichtskonzept und dessen Durchführung lägen in ihrer selbständigen Verantwortung. Hierfür stelle die Musikschule zwar grundsätzlich einen Raum mit einem Klavier zur Verfügung, der Unterricht finde jedoch insbesondere bei Schwerpunktthemen und Wettbewerbsvorbereitungen im Schulungsraum der Klägerin statt. Daneben gebe sie gelegentlich als Solistin Konzerte am Klavier. Dies tue sie nur fallweise und auf Einladung hin und nur, soweit es ihr Unterrichtsbetrieb zulasse. Diese Auftritte dienten der Festigung ihres Renommees, was als Werbung für die Musikschule von Bedeutung sei, sowie der Festigung und Weiterentwicklung ihres Selbstverständnisses. Demgegenüber träten wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Hintergrund. So stammten denn auch nur 20 % der in 2008 erzielten Honorare aus ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin. Deren wirtschaftliche Bedeutung liege noch darunter, weil damit hohe Aufwendungen verbunden seien.

Der Beklagte habe, ohne konkrete Feststellungen hierzu zu treffen, einen Teil der Unterrichtstätigkeit als außerhäusige Tätigkeit angesehen. Der weitaus größte Teil der Schüler werde jedoch in den Räumlichkeiten der Klägerin unterrichtet. Dabei handele es sich nicht selten auch um Schüler der Kreismusikschule. Wettbewerbsvorbereitungen mit einem Hochleistungsinstrument, wie es der Klägerin zur Verfügung stehe, könne die Musikschule anderenorts gar nicht durchführen lassen.

Im Übrigen seien die Arbeitszimmer-Grundsätze hier gar nicht einschlägig. Die Klägerin habe kein Arbeitszimmer, sondern sie habe Räume ihres Wohnhauses von vornherein zu einer musikalischen Unterrichtszwecken dienenden Gesamteinheit ausgestaltet und nutze diese auch nur so. Die Räume seien von Anfang an keine Wohnräume gewesen, sondern insoweit zu vergleichen mit denen einer Anwalts- oder Steuerberatungskanzlei etc. im eigenen Hause. In den Räumlichkeiten finde ein normaler Schulungsbetrieb statt. Der vorliegende Fall sei damit nicht dem „Konzertpianisten-Urteil” des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein vergleichbar, sondern vielmehr dem, der dem Urteil des BFH vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, zu Grunde gelegen habe und zu dem der BFH festgestellt habe, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgehe, auch dann den Betätigungsmittelpunkt bilden könne, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht darin liege.

Unter dem 2. März 2011 änderte der Beklagte unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das rückwirkend auch für das Streitjahr geltende Jahressteuergesetz 2010 die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung dergestalt, dass er Raumaufwendungen der Klägerin im Umfang von 1.250,00 € zum Abzug brachte.

Die Klägerin beantragt daher noch,

den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 2. März 2011 dahin zu ändern, dass weitere Raumaufwendungen in Höhe von 1.242,29 € (= 2.492,29 € geltend gemachte Kosten abzgl. 1.250,00 € bereits anerkannte Aufwendungen) als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und das BMF-Schreiben vom 3. April 2007, BStBl 2007 I S. 442 und bemerkt ergänzend, vor Ort sei keine nach außen erkennbare Widmung der streitbefangenen Räumlichkeit für den Publikumsverkehr ersichtlich. Die Klägerin habe nicht überzeugend dargelegt, dass der Raum mit einer Arztpraxis, einer Anwaltskanzlei etc. vergleichbar sei. Es handele sich vielmehr um ein häusliches Musikzimmer einer freiberuflich tätigen Konzertpianistin, in dem diese auch Musikunterricht erteile. Im Streitfall seien mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt worden, nämlich die Erteilung von Klavierunterricht zu Hause, die Erteilung von Klavierunterricht außer Haus, die Erteilung von Unterricht an der Kreismusikschule und die Tätigkeit als Konzertpianistin und Kammermusikerin. Nach den Gesamtumständen habe nicht festgestellt werden können, dass der qualitative Schwerpunkt sämtlicher Tätigkeiten in dem als Musikzimmer genutzten Raum bzw. den Räumen im Hause der Klägerin gelegen habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

 

Gründe

Die Klage, über die der Senat nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Abzug weiterer Raumaufwendungen zu Recht versagt.

Kosten, die in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 EStG stehen, sind nach § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich steuerlich abzugsfähig. Dies gilt gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 1 EStG jedoch nicht betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und dessen Ausstattung. Solche Aufwendungen sind nur dann, und zwar grundsätzlich mit höchstens 1.250,00 €, zu berücksichtigen, wenn für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 2 EStG in der nach Art. 1 des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwendenden Fassung. Ein darüber hinaus gehender unbeschränkter Abzug kommt nur dann in Frage, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Gesamtbetätigung des Steuerpflichtigen bildet, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3 i.d. o.g. Fassung.

Unter einem Arbeitszimmer i.S.d. o.g. Vorschrift ist nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. bereits des Urteil des BFH vom 20. November 2003, IV R 3/02, BStBl 2005 II S. 203 m.w.N.) ein Raum zu verstehen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Raum zugleich als eine bzw. als die Betriebsstätte eines Unternehmens i.S.d. § 12 AO anzusehen ist.

Nicht unter die Abzugsbeschränkung fallen solche Räumlichkeiten, die für andere als die o.g. Zwecke, z.B. als Werkstatt, Lagerraum oder Tonstudio etc., genutzt werden. Voraussetzung ist dann allerdings, dass die Widmung für diese andersartigen Zwecke nach außen erkennbar und die entsprechende Nutzung intensiv und dauerhaft ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243) und die entsprechenden technischen und ähnlichen Einrichtungen dem Raum das Gepräge geben.

Der typische Fall eines häuslichen Arbeitszimmers ist das häusliche Büro. Die büromäßige Ausstattung bzw. die Nutzung als Büro ist jedoch nicht als Ausschließlichkeitskriterium zu verstehen, denn ansonsten hätte sich die Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG eben ausdrücklich auf häusliche Büros beschränkt. Dies tut sie aber gerade nicht. Der Gesetzgeber verwendet vielmehr den Typusbegriff des Arbeitszimmers.

Zum Verständnis des Begriffes des Arbeitszimmers als eines Typusbegriffes ist auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zurückzugreifen und sodann wertend abzuwägen, ob der konkret zu beurteilende Raum hierunter zu fassen ist. Durch die Abzugsbeschränkung wird in typisierender und generalisierender Art und Weise der Abzug von Aufwendungen für Räume zum Ausnahmefall erklärt, um den sich aus der Verflechtung mit der steuerlich unbeachtlichen privaten Lebenssphäre ergebenden Nachweisproblemen und Missbrauchsgefahren zu begegnen. Ein Abzug wird deshalb nur dann (begrenzt oder – unter weiteren Voraussetzungen – unbegrenzt) gewährt, wenn die Nähe zum Privatbereich vernachlässigt werden kann. Entscheidend ist das sich aus einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände ergebende Bild.

Voraussetzung für einen, wenn auch eventuell lediglich beschränkten Abzug von Raumaufwendungen ist zudem stets, dass es sich um ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend tatsächlich betrieblich bzw. beruflich genutzte Räume handelt, bei denen eine private Mitbenutzung nahezu ausgeschlossen ist. Andernfalls liegen sog. Mischkosten vor, die mangels eines sinnvollen Aufteilungsmaßstabes gem. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und daher steuerlich irrelevant sind.

Für die Umstände, die dazu führen, dass ein Raum nicht unter die Abzugsbeschränkung fällt, trägt der sich hierauf zu seinen Gunsten berufende Steuerpflichtige die Feststellungslast.

Der vorliegend zu beurteilende Raum stellt sich danach als Arbeitszimmer und nicht als ein anderer, nicht unter die Begrenzungsvorschrift fallender Raum dar. Er ist räumlich nicht von der privaten Sphäre der Klägerin zu trennen. Nach den vorliegenden Plänen (Bl. 42 und 43 Rechtsbehelfsakten) lässt er sich nur über den (einzigen) Hauseingang und den gemeinsamen Eingangsbereich/die Eingangsdiele des Einfamilienhauses der Klägerin betreten.

Die Nutzung des Zimmers durch die Klägerin kommt nach deren eigener Beschreibung in allen wesentlichen Punkten der Nutzung eines häuslichen Büros durch einen Steuerpflichtigen, der eine Bürotätigkeit ausübt, gleich.

Es ist zweifelhaft, ob die hier auszulegende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf die vom BFH gefundene Definition des Arbeitszimmers, die sich auf gedankliche/schriftliche Arbeiten konzentriert, beschränkt werden kann. Es wird auch die nach Dafürhalten des Senates zutreffende Auffassung vertreten, dass alle Räume, in denen der Steuerpflichtige mit Hilfe seines berufstypischen „Handwerkszeugs” zur Einkunftserzielung tätig ist, unter den Begriff des Arbeitszimmers fallen (vgl. z.B. Wendt, BFH-PR 2004, 44).

Aber auch dann, wenn man weiterhin die o.g. Definition zugrunde legt, ist vorliegend von einem häuslichen Arbeitszimmer der Klägerin auszugehen. Das Einstudieren und Einüben von Musikstücken lässt sich nicht lediglich als mehr oder weniger mechanische technische oder handwerkliche Tätigkeit begreifen. Das Produkt des Einstudierens und des Einübens ist Kunst. Diese erfordert eine gedankliche Beschäftigung mit dem Musikstück, mit seinem musikhistorischen Hintergrund, dem Komponisten etc. sowie die gedankliche Ausarbeitung der eigenen, individuellen Interpretation durch den Musizierenden. Dementsprechend ist der Raum – wie die von dem Ermittlungsbeamten des Beklagten gefertigten Fotografien zeigen – auch mit Schränken und Kommoden ausgestattet, in denen Bücher, Noten und andere schriftliche Unterlagen (wohl fachspezifischer Natur) aufbewahrt werden. Auch dies zeigt, dass sich die Tätigkeit der Klägerin eben nicht auf Aktivitäten beschränkt, die das Musikzimmer quasi als Werkraum erscheinen lassen könnten.

Schallschutzmaßnahmen wurden nicht getroffen. Sonstige technische Einrichtungen, die in Richtung eines Tonstudios weisen könnten, sind nicht vorhanden.

Die gedankliche Beschäftigung mit den Musikstücken dient sowohl der Vorbereitung von Konzerten als auch der Vorbereitung des von der Klägerin außer Haus in der Schule und auch des im Haus abgehaltenen Musikunterrichtes. Hinsichtlich der Lehrtätigkeit der Klägerin besteht kein wesensmäßiger Unterschied zu anderen Pädagogen. Hier wie dort hat sich der Lehrer, da ihm in der Schule in der Regel ein hierfür geeigneter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht, zu Hause auf den Unterricht vorzubereiten.

Die Klägerin scheitert auch mit ihrem Versuch, die häusliche Unterrichtstätigkeit als Schulbetrieb im herkömmlichen Sinne mit einem entsprechenden Umfang und einer entsprechenden Frequenzierung und mit der Folge darzustellen, dass der Raum als Unterrichtsraum statt als Arbeitszimmer anzusehen wäre. Wie sie selbst in ihrer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens eingereichten Aufstellung der „typischen Nutzung des Arbeitszimmers” einräumt, findet dort lediglich dienstags bis donnerstags (freitags nur in gänzlich zu vernachlässigendem Umfang) Unterricht von wöchentlich insgesamt 10 Stunden statt. Für etwaigen Gruppenunterricht ist nichts dargetan oder sonst ersichtlich, so dass davon auszugehen ist, dass sie, wie dies üblich ist, Einzelunterricht erteilt.

Die Klägerin hat zwar nichts beigebracht, was ihre o.g. Angaben belegen könnte oder nachprüfbar machte, etwa Quittungen über Barzahlungen von Schülern oder entsprechende Rechnungen, aus denen sich der Umfang der Nutzung des Raumes für Unterrichtszwecke ersehen ließe. Selbst wenn man jedoch ihre Angaben als wahr unterstellt, vermag dies dem streitbefangenen Raum nicht das Gepräge eines Schulungsraumes zu geben, der nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG fiele.

Räume stellen – wie oben ausgeführt – dann begrifflich keine häuslichen Arbeitszimmer dar, wenn sie nach außen erkennbar für den Publikumsverkehr gewidmet und für das Publikum (hier: die Schüler sowie die Musiker, mit denen die Klägerin probt) leicht zugänglich sind. Daran fehlt es laut Rechtsprechung des BFH (vgl. den Beschluss vom 15. Juni 2007, XI B 93/06, BFH/NV 2007, 1650, m.w.N.) dann, wenn diese Personen erst einen den Privatbereich betreffenden Teil der Wohnung durchqueren müssen. Auch bei nicht unwesentlichem Publikumsverkehr handelt es sich in einem solchen Fall um ein der Abzugsbeschränkung unterliegendes Zimmer. Mit anderen Worten: Publikums- bzw. Kunden- bzw. Schülerverkehr schließt die Einordnung eines Raumes als Arbeitszimmer nur dann aus, wenn er sich als intensiv und dauerhaft darstellt, so dass dieser Aspekt der Nutzung gegenüber den dort verrichteten gedanklichen Arbeiten in den Vordergrund tritt und prägend ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243).

Nach ihrer eigenen Einlassung nutzte die Klägerin den Raum zeitlich überwiegend zur Vorbereitung auf Konzerte und zum Halten des Niveaus ihres Spiels als Grundlage ihrer Lehrertätigkeit sowie zur Unterrichtsvorbereitung. Dabei sind die Konzerte und damit auch die Vorbereitung darauf nach dem eigenen Selbstverständnis der Klägerin als Künstlerin und ausgehend von der von ihr hierfür aufgewendeten Zeit und den Kosten (Reisen, Flüge) von besonderem Gewicht – nicht zuletzt auch, weil dies für ihren Ruf als Pianistin und damit in der Folge auch für ihre Lehrertätigkeit von herausragender Bedeutung ist.

Demgegenüber findet der häusliche Unterricht lediglich mit einzelnen Schülern und nach Vereinbarung statt. Von einem regen Publikumsverkehr, bei dem das Haus der Klägerin quasi für jedermann offen steht, kann daher keine Rede sein. Im Übrigen müssen die Schüler nach den o.g. Plänen den privaten Eingangsbereich durchqueren, um zu dem „Schulungsraum” zu gelangen. Dies und der Umstand, dass Unterricht nur nach Vereinbarung stattfindet, führt dazu, dass der Publikumsverkehr durch Schüler den Anforderungen, die nach der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, an eine leichte Zugänglichkeit und damit an ein Herausfallen des Raumes aus dem Typusbegriff des Arbeitszimmers gestellt werden, nicht gerecht wird.

Aus Sicht eines außen stehenden Dritten wird – auch ausgehend von den Angaben der Klägerin zur zeitlichen Nutzung – der Charakter des Raumes, wenn nicht überwiegend, so doch mindestens in gleicher Weise durch die Konzert- und Unterrichtsvorbereitung, mithin durch die gedanklichen Tätigkeiten bestimmt wie von dem häuslichen Unterricht.

In die Betrachtung hat zudem einzufließen, dass – wie bereits gesagt – die Angaben der Klägerin zum zeitlichen Umfang der Nutzung durch nichts belegt sind und die tatsächliche Nutzung des Zimmers sich einer Nachprüfung durch außen stehende Dritte entzieht. So ist es nach Dafürhalten des Senates nicht glaubhaft, dass die Klägerin, eine leidenschaftliche Musikerin, ihren Flügel und damit das Musikzimmer nicht auch privat zum Musizieren oder auch zur Vorbereitung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Organistin nutzt.

Damit stellt sich der vorliegende Fall aber gerade als Paradebeispiel für die Situation dar, für die die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG geschaffen wurde: Ein Teil der Privatwohnung wird betrieblich/beruflich genutzt, ohne dass sich hinreichend sicher überprüfen ließe, in welchem Umfang und mit welcher Intensität dies geschieht.

Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wie sich der Streitfall von dem des Regelfalles des häuslichen Arbeitszimmers, nämlich dem des häuslichen Büros, unterscheiden sollte und die Klägerin gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die in einem häuslichen Arbeitszimmer ein Teil ihrer Bürotätigkeit verrichten, bevorzugt werden könnte.

Die Klägerin kann den unbeschränkten Raumkostenabzug auch nicht über die Mittelpunkt- (Ausnahme-) Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3, 2. Halbsatz EStG erreichen.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bildet, kommt es auf den inhaltlichen, d.h. qualitativen Schwerpunkt an, der im Wege der Wertung der Gesamttätigkeit festzustellen ist.

Ein häusliches Arbeitszimmer kann danach nur dann Mittelpunkt sein, wenn dort diejenigen Handlungen vorgenommen bzw. Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf bzw. das konkret ausgeübte Gewerbe wesentlich und prägend sind (BFH, Urteil vom 06. Juli 2005, XI R 87/03, BStBl. II BStBl 2003 II S. 2006, BStBl 2003 II S. 18). Das gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der streitbefangenen Vorschrift auch dann, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt. Zeitliche oder sonstige quantitative, sich z.B. am Umsatz oder den Einnahmen orientierende Aspekte sind danach zur Begründung des Tätigkeitsmittelpunktes untauglich. Ihnen kommt lediglich indizielle Bedeutung zu (BFH, Urteil vom 23. März 2005, III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537).

Geht der Steuerpflichtige – wie hier – mehreren Tätigkeiten nach, ist der Mittelpunkt anhand einer Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. In diesem Rahmen verbietet sich eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigungen, denn es geht gerade darum, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln ( Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 31. März 2005 , 12 K 1745/03, abgedruckt in juris). Nach BFH (vgl. das Urteil vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, BStBl. II 2004, 771) ist dabei wie folgt zu unterscheiden:

Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Gesamtmittelpunkt. Bilden dagegen die außerhäuslichen Tätigkeiten den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich die Einzeltätigkeiten keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.

Stellt das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt einer oder mehrerer der Einzeltätigkeiten, nicht jedoch aller Einzeltätigkeiten dar, so ist anhand einer Gesamtschau der Einzelfallumstände wertend zu entscheiden, ob dennoch von einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt auszugehen ist und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf die Verkehrsanschauung und nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen abzustellen. Lässt sich bei mehreren Einzeltätigkeiten eine Haupttätigkeit feststellen, so initiiert deren Mittelpunkt den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit. Ist der Steuerpflichtige – wie hier die Klägerin – nicht in Vollzeit nichtselbständig beschäftigt, so müssen zur Bestimmung der Haupttätigkeit die jeweils erzielten Einnahmen, der auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallende Zeitaufwand und das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht in Betracht gezogen werden.

Im Streitfall vermag der Senat keinen Tätigkeitsmittelpunkt, auch nicht anhand des Mittelpunktes einer Haupttätigkeit, festzustellen. Dies gereicht der insoweit feststellungsbelasteten Klägerin zum Nachteil.

Die Tätigkeit der Klägerin als Konzertpianistin wird von ihren Auftritten geprägt, auch wenn der zeitliche Aufwand hierfür gegenüber der Vorbereitung in dem Musikzimmer zurücktritt. Ein Konzertpianist erweist sich nur im Konzert selbst als solcher.

Die Tätigkeit als Lehrerin hat ihren qualitativen Schwerpunkt dort, wo die Schüler unterrichtet werden, mithin außer Haus in der Musikschule oder im häuslichen Musikzimmer.

Dabei wird nicht verkannt, dass die jeweils im streitbefangenen Raum stattfindenden Vorbereitungen, Übungen, etc. notwendig sind. Auch notwendige Vor- und Nachleistungen bleiben inhaltlich im Verhältnis zur Haupttätigkeit vor Ort lediglich flankierende, nicht wesensbestimmende Maßnahmen.

Indes kann im Streitfall nicht festgestellt werden, welche der o.g. Tätigkeiten den Schwerpunkt, die Haupttätigkeit der Klägerin, bildet. Die Verkehrsanschauung hilft hier nicht weiter. Es existiert kein nach der Verkehrsauffassung der einzelnen Tätigkeit zukommendes Gewicht, mit dem sie gegenüber der anderen Tätigkeit abgegrenzt werden könnte.

Auch geben weder der zeitliche Aufwand noch die damit jeweils zusammenhängenden Einnahmen hinreichend sicher Aufschluss über eine Haupttätigkeit. Zur Anzahl der Auftritte als Konzertpianistin und die hierfür aufgewendete Zeit macht die Klägerin keine Angaben. Aus ihrer Gewinnermittlung geht lediglich hervor, dass sie im Streitjahr drei Klavierabende für ein Honorar von rund 3.200,00 € bestritten und darüber hinaus Honorare i.H.v. rund 2.800,00 € (insgesamt rund 20 % ihrer Einnahmen) für weitere Auftritte eingenommen hatte. Der außerhäusliche Musikunterricht nimmt laut nicht näher belegter und daher nicht überprüfbarer Darlegung der Klägerin „typischerweise” 7,5 Stunden pro Woche ein. Die – ebenfalls nicht nachgewiesenen – Einnahmen hieraus betrugen laut Klägerin rund 25 % der Gesamteinnahmen.

Für den häuslichen Musikunterricht will die Klägerin – wiederum weder belegt noch sonst nachprüfbar – „typischerweise” wöchentlich etwa 10 Stunden bei einem Einnahmeanteil von rund 54 % an den Gesamteinnahmen aufgewendet haben.

In die Betrachtung der für außerhäusliche Tätigkeiten aufgewendeten Zeit sind im Übrigen die von der Klägerin aus betrieblichen, jedoch nicht näher bezeichneten Gründen im Streitjahr durchgeführten Fahrten mit dem privaten Pkw von rund 9.800 km sowie die – jeweils nur ganz knapp erläuterten – Geschäftsreisen nach K, C, Dänemark und M, die sich über insgesamt 11 Tage erstreckten und bei denen zum Teil unklar ist, welcher von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit sie zuzuordnen sind.

Damit bleibt der zeitliche Umfang der jeweiligen außerhäuslichen und häuslichen Betätigung im Ergebnis ebenso unklar wie mangels Vorliegens entsprechender Abrechnungen/Quittungen etc. die Verteilung der Einnahmen auf die Tätigkeiten als Pianistin, als Lehrerin an der Musikschule und als Lehrerin, die zuhause Musikunterricht erteilt.

Aber auch wenn man den obigen Ausführungen zum jeweiligen Mittelpunkt jeder Einzeltätigkeit der Klägerin nicht folgen wollte und selbst wenn man die vagen Angaben der Klägerin zum jeweiligen zeitlichen Aufwand und die Angaben zu den Einnahmen als wahr unterstellen wollte, ließe sich kein Mittelpunkt in dem Musikzimmer feststellen. Die außerhäuslichen Betätigungen können wegen ihrer Bedeutung für sämtliche Einnahmen (über die Konzerte und den außerhäuslichen Unterricht in der Schule werden nicht nur unmittelbar Einnahmen generiert, sondern werden auch Schüler für den häuslichen Unterricht geworben und gewonnen) weder als untergeordnete Nebenleistung bewertet noch auf eine unmaßgebliche, nicht ins Gewicht fallende Begleitmaßnahme reduziert werden.

Ist jedoch ein Tätigkeitsmittelpunkt nicht eindeutig erkennbar, so hat es bei dem beschränkten Kostenabzug, wie er vom Finanzamt vorgenommen wurde, zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steuererklärung: Aufwendungen vergessen?

Das Nachholen von Aufwendungen in der Steuererklärung ist nur selten möglich. Wer vergessen hat, z.B. die Unterhaltsaufwendungen für die geschiedenen Ehegatten in seiner Steuererklärung anzugeben, kann die Angaben bei einem bestandskräftigen Steuerbescheid nur dann nachholen, wenn es sich bei dem Fehler um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.

Finanzgericht Münster, 12 K 1948/11 E

Datum: 05.09.2012
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 12. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 12 K 1948/11 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:2Der Kläger (Kl) und seine Ehefrau leben seit März 2002 dauernd getrennt. Der Kl leistet an seine Ehefrau seitdem Barunterhalt und machte die Zahlungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)) geltend. Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte die Zahlungen in den Vorjahren als Sonderausgaben.

3Die Ehefrau hatte dem Realsplittung zugestimmt, zuletzt mit einer am 30. Dezember 2009 unterzeichneten Anlage U. Die Zustimmungserklärung war durch die Ehefrau nicht widerrufen worden.

4Der steuerlich beratene Kl reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 im März 2010 elektronisch (ELSTER-Verfahren) ein. Dabei wurden mit den elektronisch übermittelten Daten keine Unterhaltszahlungen geltend gemacht. Die dem Bekl postalisch übersandten Unterlagen enthielten keine Anlage U.

5Der Bekl setzte die Einkommensteuer 2007 mit formell bestandskräftigem Bescheid vom 20. April 2010 auf X EUR ohne Ansatz der Unterhaltszahlungen fest. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigtem gegenüber bekannt gegeben.

6Ende August 2010 machte der Kl die Unterhaltszahlungen gegenüber dem Bekl geltend und begehrte die Änderung der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) oder § 129 AO.

7Der Bekl lehnte eine Änderung ab. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos.

8Mit seiner Klage begehrte der Kl weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheids. Die Einkommensteuererklärung sei mit dem Einkommensteuerprogramm für 2007 der DATEV (Version 11.3) erstellt und elektronisch übermittelt worden. In der Bildschirmansicht der bei der Datenübernahme aus 2006 in 2007 erstellten Daten sei der Unterhaltsbetrag von X EUR in der Anlage U im Feld „Barleistungen“ angezeigt worden. Die fertig gestellte Erklärung habe weder im Zeitpunkt der Erstellung noch bei Übermittlung an die Finanzverwaltung Anlass zu einer Überprüfung gegeben, ob die übermittelten Daten von den angezeigten Daten abwichen.

9Eine Änderung sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Der Antrag sei nicht fristgebunden. Er könne auch nach Bestandskraft gestellt werden. Durch den Antrag und die Zustimmung ändere sich der Rechtscharakter der Zahlungen. Aus der Rechtsprechung des BFH folge nicht, dass der Antrag nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn auch die Zustimmung erst nachträglich, nach Bestandskraft, erteilt werde.

10Eine Änderung sei auch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Ein grobes Verschulden liege nicht vor. Ein Abgleich der durch die Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Daten mit den bei elektronischer Abgabe der Steuererklärung übermittelten Daten habe keinerlei Abweichungen erkennen lassen. Eine abschließende Kontrolle erfolge heutzutage elektronisch durch Bildschirmansicht. Ein ausgedrucktes Exemplar der Steuererklärung existiere in vielen Fällen nicht mehr. Erst auf Nachfrage bei der DATEV bei Erstellung der Erklärung für 2008 sei das DATEV-Dokument 1015067 bekannt geworden, in dem auf den Fehler hingewiesen worden sei. Die Datenbank enthalte mehrere tausend Dokumente. Keinem Berater sei die Kenntnis einer derartigen Datenbank zuzumuten.

11Der Kl beantragt,

12unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2011 den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. April 2010 abzuändern und Sonderausgaben i. H. v. X EUR zu berücksichtigen,

13hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

14die Revision zuzulassen.

15Der Bekl beantragt,

16die Klage abzuweisen,

17hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

18die Revision zuzulassen.

19Der Bekl macht geltend, die Zustimmung der Ehefrau habe seit 2004 vorgelegen. Eine Änderung nach § 175 AO scheide aus. Der Antrag entfalte keine Rückwirkung. Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolge in Fällen der nachträglich erstrittenen Zustimmung. Ein solcher Fall sei nicht gegeben.

20Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stehe ein grobes Verschulden entgegen. Unterhaltszahlungen seien bereits seit 2004 geltend gemacht worden. Insoweit hätte bei routinemäßiger Überprüfung des Steuerbescheids auffallen können und müssen, dass anstelle eines Unterhaltsbetrags von X EUR nur der Sonderausgaben-Pauschbetrag i. H. v. 36 EUR angesetzt worden sei. Zudem obliege es dem steuerlichen Berater, die verwendete Software regelmäßig auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit zu prüfen. Auch hätte dem Kl selbst beim Unterschreiben der Steuererklärung auffallen können, dass eine Eintragung zu den Unterhaltsleistungen nicht erfolgt sei. Unterschreibe ein Steuerpflichtiger die von seinem Steuerberater erstellte Steuererklärung ohne angemessene Prüfung der gemachten Angaben, handele er grob schuldhaft.

21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

22Der Senat hat in der Sache am 5. September 2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

23Entscheidungsgründe:

24Die Klage ist unbegründet. Der Kl hatte keinen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Festsetzung der ESt 2007 unter Ansatz von Unterhaltszahlungen als Sonder-ausgaben.

251. Änderung nach § 129 AO

26Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 129 AO kommt nicht in Betracht.

27Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.

28Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso „mechanisch“, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, und vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711, m.w.N.).

29Nach der Rechtsprechung des BFH, liegt grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor, wenn sie für den zuständigen Sachbearbeiter des FA nur erkennbar gewesen wäre, wenn er die Steuererklärung eines Vorjahres bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Soweit die Finanzbehörde auf Akten des Vorjahres zurückgreifen muss, liegt eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen hat das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550); sie schließt vielmehr in der Regel eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil in BFHE 146, 350, 355, BStBl II 1986, 541, 544).

30Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann in dem Nichtansatz von Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben keine offenbare Unrichtigkeit gesehen werden. Die Unrichtigkeit wurde durch einen Übermittlungsfehler verursacht, welcher dazu führte, dass weder der von dem Bekl verarbeitete Datensatz Unterhaltszahlungen enthielt noch der ausgedruckten und übersandten Steuererklärung eine Anlage U mit entsprechenden Angaben beigefügt war. Der Fehler ist – gleich ob er bei der Erfassung oder Übermittlung der Daten erfolgt ist – dem Verantwortungsbereich des Kl oder des von ihm beauftragten Steuerberaters zuzurechnen und nicht der Sphäre des Bekl. Ob der Umstand, dass der Kl in den Vorjahren ebenfalls Barunterhalt i. H. v. X EUR als Sonderausgaben geltend gemacht hat, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Bekl zu begründen vermag, kann dahin gestellt bleiben, da sich die Unrichtigkeit nicht aus den elektronisch übermittelten Daten oder der im Nachgang übersandten unterschriebenen Steuererklärung ergab. Eine Anlage U, welche eine Unstimmigkeit zwischen den elektronisch übermittelten Daten und den angefallenen und zum Abzug geltend zu machenden Aufwendungen offenbar hätte werden lassen können, ist dem Bekl unstreitig nicht zugegangen. Die Unrichtigkeit hätte erst unter Einbeziehung der Steuerakten der Vorjahre offenbar werden können, was für eine Anwendung des § 129 AO nicht ausreicht (vgl. BFH-Urteile vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550M; Seer, in Tipke/Kruse, § 129 AO Rnm. 14 m. w. N.)

312. Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

32Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

33Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich nach Ergehen eines Steuerbescheids der rechtserhebliche Sachverhalt in der Weise ändert, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b der Gründe). Ob ein Ereignis ausnahmsweise in die Vergangenheit zurückwirkt, richtet sich nach den Normen des materiellen Steuerrechts (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.c der Gründe; BFH-Urteile vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957; vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690).

34Nach dem BFH-Urteil vom 12. Juli 1989 (X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957) ist ein Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn erst nach Eintritt der Bestandskraft sowohl die Zustimmung zur Anwendung des Realsplitting erteilt als auch der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird. Der X. Senat des BFH führte zur Begründung aus, der Antrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sei nicht nur Verfahrenshandlung, sondern –in sachlich untrennbarem Zusammenhang mit der Zustimmung des Unterhaltsempfängers– selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. Er wirke rechtsgestaltend auf die Steuerschuld ein, weil er die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Unterhaltsleistungen verändere; Unterhaltsleistungen, die nach § 12 Nr. 2 EStG –vom Ausnahmefall der §§ 33a, 33 EStG abgesehen– unbeachtlich seien, würden bis zu der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstgrenze zu abziehbaren Sonderausgaben. Der Antrag wirke nachträglich auf die Steuerschuld ein, weil er der objektiven Tatbestandsverwirklichung –der Leistungsbewirkung an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten– zeitlich notwendigerweise nachfolge. Die Rückwirkung des rechtsgestaltenden Antrags nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in die Vergangenheit ergebe sich aus der Erwägung, dass die in dieser Vorschrift geforderte Zustimmung des Leistungsempfängers in typischen Fällen erst nachträglich erteilt werde. Das Gesetz sehe für den Antrag keine Frist vor und eine solche ergebe sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen. Da sich die Erlangung der für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Zustimmung schwierig gestalten könne, würde es eine unzumutbare Schwächung der Position der Unterhaltsleistenden bedeuten, wenn man ihn zur Wahrung der Abzugsmöglichkeit darauf verweisen wollte, einen nicht zurücknehmbaren Antrag (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) beim FA zu stellen, ohne dass die Zustimmung des Empfängers vorliege. Es reiche nicht aus, den Steuerpflichtigen zur Wahrung seiner Rechte darauf zu verweisen, eine teilweise vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) zu beantragen.

35Der XI. Senat des BFH urteilte am 28. Juni 2006 (XI R 32/05, BFHE 214, 314, BStBl II 2007, 5), dass nach Bestandskraft auch ein erweiterter Antrag möglich sei, welcher in Verbindung mit einer erweiterten Zustimmungserklärung der Ehefrau ein rückwirkendes Ereignis darstelle. Dabei berief sich der XI. Senat auch für den Fall der nachträglichen (betragsmäßigen) Erweiterung auf die Erwägungen des X. Senats, da sich die rechtsgestaltende Wirkung des Antrag und der Zustimmung zuvor nur auf einen Teilbetrag erstreckt hätten. Nach Ansicht des XI. Senats sei die Rechtsprechung des X. Senat auch nicht durch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (Wohnungsbauförderungsgesetz) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) überholt. Danach bleibt die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen –mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1  der Zivilprozessordnung als erteilt geltenden– bis auf Widerruf wirksam; der Widerruf muss nach Satz 4 vor Beginn des Kalenderjahrs gegenüber dem FA erklärt werden. Zwar habe der Gesetzgeber dadurch die Position des Unterhaltsleistenden verbessert, der sich bei Vorliegen einer Zustimmungserklärung nicht jedes Jahr erneut um die Zustimmung bemühen müsse. Jedoch bleibe die Lage eines Unterhaltsleistenden ohne Zustimmungserklärung davon unberührt.

36In der Literatur wird unter Berufung auf die vorgenannten Entscheidungen teilweise vertreten, dass ein nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei (Hutter, in Blümich, § 10 EStG Rn. 76; Söhn, in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.). Dies gelte auch in dem hier vorliegenden Fall, dass die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers bereits vorlag und nicht nachträglich erwirkt werden musste (Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.; ebenso FG Köln Urteil vom 27. April 1995 2 K 3854/94, EFG 1995, 893 für die Frage der Änderbarkeit der bestandskräftigen Festsetzung beim Unterhaltsempfänger nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).

37Dagegen wird eingewandt, dass das entscheidende Element der nachträglichen Umgestaltung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht der Antrag als Verfahrenshandlung, sondern die Zustimmungserklärung des unterhaltsberechtigten Ehegatten sei, welche in den vom BFH entschiedenen Fällen erst nachträglich erteilt worden sei (von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 Anm. 65 a. E.).

38Der Senat sieht in Fällen einer in der Vergangenheit erteilten und für den Veranlagungszeitraum fortgeltenden Zustimmungserklärung kein Bedürfnis für eine Rückwirkung des erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrags.

39Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antrag ebenso wie die Zustimmung zum Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nur, den Antrag wie die Zustimmung als Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren, ohne die Frage zu beantworten, in welchen Fällen der Antrag als Verfahrenshandlung (Wahlrechtsausübung) steuerliche Rückwirkung entfalten kann und in welchen nicht.

40Der BFH hat in seinen beiden Entscheidungen das aus dem materiellen Recht abzuleitende Bedürfnis für eine Rückwirkung im Wesentlichen aus der Situation eines Unterhaltsverpflichteten bei noch fehlender Zustimmungserklärung abgeleitet, da dieser einen Antrag ohne Anerkennung der Rückwirkung vor Erteilung der Zustimmung des Empfängers hätte stellen müssen. Dies sah der BFH aufgrund der Bindungswirkung zu Recht als nicht zumutbar an und verwarf auch die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen auf einen Antrag auf teilweise vorläufige Festsetzung zu verweisen.

41Bei Vorliegen einer wirksamen Zustimmungserklärung kann das Bedürfnis für eine Rückwirkung des Antrags nach der Gesetzesänderung seit dem Jahr 1990 jedoch nicht mit der zutreffenden Argumentation des BFH in Fällen der fehlenden Zustimmungserklärung begründet werden. Vielmehr hat es der Steuerpflichtige bei erteilter Zustimmung selbst in der Hand, die Antragstellung vor Eintritt der Bestandskraft zu bewirken, sei es, dass er den Antrag mit der Steuererklärung stellt oder –sollte dies aus welchen Gründen auch immer nicht geschehen sein– dass er diesen Antrag entweder im Rahmen eines Einspruchsverfahrens oder durch schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst a AO nachholt. Die Notwendigkeit einer Antragstellung vor Bestandskraft der Festsetzung der Einkommensteuer des betreffenden Jahres stellt insbesondere keine unzumutbare Belastung des Unterhaltsverpflichteten dar.

42Wird der Antrag nicht vor Bestandskraft gestellt, besteht nach materiellem Recht kein Bedürfnis für eine Rückwirkung. Der Umstand, dass Unterhaltszahlungen geleistet wurden, welche bei Antragstellung auch als Sonderausgaben hätten abgesetzt werden müssen, rechtfertig bei wertender Betrachtung keine Rückwirkung des Antrags zur Durchbrechung der Bestandskraft. Bei der wertenden Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Stellung des Unterhaltsleistenden durch die Fortwirkung der einmal erteilten Zustimmung für die Folgejahre entscheidend verbessert hat, so dass es nur noch auf dessen Antrag ankommt. Versäumt er dies, rechtfertigt dies keine heilende Rückwirkung der zuvor versäumten Antragstellung.

433. Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

44Zuletzt kommt eine Änderung auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

45Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

46Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheitert bereits daran, dass es sich bei dem Antrag als Tatbestandselement des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache handelt, sondern um eine nachträglich entstandene Tatsache.

47Im Übrigen ist dem Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der geleisteten Unterhaltszahlungen als nachträglich bekannt gewordene Tatsache entgegen zu halten.

48Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Ein grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt (BFH-Urteile in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2, und vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693). Das Verschulden eines steuerlichen Beraters ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 641; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 AO Rn. 125).

49Bei der Prüfung der Frage, ob den Steuerpflichtigen oder seinen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass dem FA Tatsachen i.S. des § 173 Abs.1 Nr. 2 AO erst nachträglich bekanntgeworden sind, ist auch der Zeitraum mit einzubeziehen, in dem ein Einkommensteuerbescheid oder ein den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebender Steuerbescheid noch anfechtbar, die Bestandskraft bzw. Rechtskraft des Bescheides also noch nicht eingetreten ist.

50Insoweit kann dahin stehen, ob der Umstand, dass –bei unterstellter korrekter Bedienung der DATEV-Software bei der Datenübernahme aus 2006– die Unterhaltsaufwendungen durch die Software nicht korrekt erfasst oder übermittelt wurden und ob darin nur ein leichtes Verschulden des Steuerberaters gesehen werden kann. Jedenfalls hätte sich bei der von einem Steuerberater zu erwartenden sorgfältigen Prüfung des Steuerbescheids aufdrängen müssen, dass die –bereits in den Vorjahren geltend gemachten– Unterhaltsaufwendungen nicht berücksichtigt wurden.

51Nicht gefolgt werden kann dem Prozessbevollmächtigten, dass eine Prüfung der elek-tronisch bereit gestellten Daten ausreicht, so dass eine unterbliebene Prüfung des Steuerbescheids selbst kein grobes Verschulden begründet. Solange die Festsetzung durch einen Steuerbescheid in Papierform erfolgt und nicht durch einen elektronischen Steuerbescheid, ist auch der Steuerbescheid in Papierform und die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Vorliegend hätte ohne Detailprüfung auffallen können und müssen, dass anstelle der bereits in den Vorjahren geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Maximalbetrags nur der Sonderausgaben-Pausbetrag angesetzt worden war.

52

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

53

  1. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage einer Rückwirkung eines nach Bestandskraft gestellten Antrags auf Realsplittung bei zuvor bereits vorliegender Zustimmungserklärung des Ehegatten zuzulassen.

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Investitionsabzugsbetrag: Nachweis der Investitionsabsicht bei Betriebseröffnung

Zum Nachweis der Investitionsabsicht bei Betriebseröffnung für Zwecke der Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG (Urteil vom 15. August 2012, Az. 12 K 4601/11 F)

Finanzgericht Münster, 12 K 4601/11 F

Datum: 15.08.2012
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 12. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 12 K 4601/11 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d2Es ist zu entscheiden, ob die Anforderungen an die Konkretisierung einer „voraussichtlichen“ Investition erfüllt sind (§ 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Absatz 7 Einkommensteuergesetz – EStG).3Die Klägerin (Klin) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.12.2010 gegründet. Am 07.01.2011 wurde sie im Handelsregister eingetragen. Ihr Gesellschaftszweck ist die Verwaltung eigenen Vermögens und der Betrieb von Photovoltaikanlagen. Ihr persönlich haftender Gesellschafter ist die Firma E Beteiligungs UG (haftungsbeschränkt), die keine Einlage zu leisten hat. Ihr Kommanditist ist R (R) mit einer noch nicht erbrachten Einlage in Höhe von X €. Die Klin ermittelt ihren Gewinn durch Vermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG.

4Am 31.12.2010 vereinbarte sie als Auftraggeberin mit N (N) als Auftragnehmer eine verbindliche Bestellung von Photovoltaikanlagen. In der Vereinbarung heißt es:

5„…Der Auftragnehmer plant, baut und bringt Photovoltaikanlagen an das jeweilige öffentliche Versorgernetz. Diese sogenannten „schlüsselfertigen Photovoltaikanlagen“ werden in Deutschland auf für den Auftraggeber langfristig angepachteten Dachflächen errichtet. Der Auftragnehmer macht dieses in vielen Bereichen nicht höchst selbst, sondern bedient sich Subunternehmern, die wiederum für ihn tätig sind.

6Die Bauausführung und Installation dieser Photovoltaikanlagen ist in Einzelgewerke aufgeteilt. Die Anlagenplanung, Flächenauswahl und rechtliche Sicherung der Dachfläche(n), die ingenieurtechnische Vorplanung und die Ertragsberechnung für die jeweilige Anlage sind dabei der erste Ausführungsschritt.

7Der obige Auftraggeber bestellt und beauftragt hiermit den dies annehmenden Auftragnehmer, eines oder mehrere Photovoltaikprojekte gemäß den nachfolgenden Eckdaten, schlüsselfertig zu errichten.

8Der nachfolgende Vertrag ist gültig unter nachfolgenden Voraussetzungen:

9-               Die Abnahmeverpflichtung besteht nur, wenn der Auftragnehmer bis zum Lieferzeitpunkt, aber spätestens am 31.12.2013 einen geeigneten Standort für die Module durch Nachweis eines entsprechenden Pachtvertrages über geeignete Flächen (Dächer oder Freiflächen) besorgt, hierbei gehen die Parteien davon aus, dass, sofern dies von der refinanzierenden Bank gewünscht ist, auch eine erstrangige Grundschuld für den Betrieb einer Photovoltaikanlage in Abteilung II des Grundbuches auf Kosten des Auftraggebers erfolgen kann.

10-                Eine Wirtschaftlichkeit der Investition derart nachgewiesen werden kann, dass ein Einkaufsfaktor von maximal zehn auf den anfänglichen speziellen Jahresertrag nach üblicher, konservativer Berechnung (z.B. mit dem Programm PV Sol) erzielt wird; dies bedeutet, dass das in nachfolgendem Abschnitt Nr. 1 spezifizierte Einkaufsvolumen einen anfänglichen Jahresertrag von mindestens € X erbringen muss.

11-               Finanzierende Banken gehen bei Photovoltaikprojekten grundsätzlich von der Eintragung von Grunddienstbarkeiten zur Sicherung der Nutzungsrechte des Anlagenbetreibers und zur Sicherheit der finanzierenden Bank aus. Die Eintragung dieser Grunddienstbarkeit, bzw. bei öffentlichen Körperschaften (Gemeinden etc.) einer vergleichbaren Sicherheit, ist die Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages, sofern dieses von der Bank gewünscht wird.

12-               Wesentlicher Vermögenswert der UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG ist die gezeichnete Kommanditeinlage. Diese wird aber vom Kommanditisten zunächst nicht eingezahlt, dieser ist aber bereit, für die Refinanzierung der Photovoltaikanlage/der Photovoltaikanlagen persönlich zu haften. Der Auftragnehmer kennt die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers in Eckdaten. Auf Basis dieser Erkenntnisse geht er davon aus, eine Finanzierung unter persönlicher Mithaft beschaffen zu können. Die Beschaffung einer solchen Finanzierung zu marktüblichen Konditionen ohne die Stellung weiterer dinglicher Sicherheiten über die persönliche Haftung hinaus ist Voraussetzung für die Abnahmeverpflichtung. Diese Regelung dient beiderseitigen Interessen, da der Auftraggeber nicht in der Situation sein möchte, Gegenstände abzunehmen, die gerade zu dem Zeitpunkt nicht beglichen werden können und der Auftragnehmer natürlich nur liefern möchte, wenn die Bezahlung sichergestellt ist.

131. Investitionsvolumen

14Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer, eine oder mehrere Photovoltaikanlagen mit einem Investitionsvolumen von € X zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer zu errichten.

15Der Investitionspreis ist schlüsselfertig kalkuliert incl. Netzanschlüssen. Das Grundstück muss eine äußere Erschließung an öffentliche Verkehrswege und Medien/Telekommunikation haben.

16…“

17Am 29.04.2011 reichte die Klin zusammen mit ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2010 die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (F-Erklärung) für das Streitjahr 2010 ein. Darin erklärte sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. X €, der in vollem Umfang auf ihren Kommanditisten, den Beigeladenen R, entfiel. In einer Anlage zu der F-Erklärung nahm sie Investitionsabzugsbeträge in Höhe von X € für voraussichtliche Anschaffungskosten von Photovoltaikanlagen in Höhe von X € in Anspruch. Im F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 stellte der Beklagte (Bekl) einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. X € fest, den er in vollem Umfang dem Kommanditisten Beigeladenen zurechnete. Der Bekl berücksichtigte keinen Investitionsabzugsbetrag, weil dessen Inanspruchnahme in Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung voraussetze, dass die Investitionsentscheidungen hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert seien. In diesem Fall sei es darüber hinaus erforderlich, dass das entsprechende Wirtschaftsgut bis zum Ende des Jahres, in dem der Abzug vorgenommen werde, verbindlich bestellt worden sei (BFH, Urteil vom 19.04.2007 – IV 28/05 – BStBl. II 2007, 704; BFH, Urteil vom 25.04.2002 – IV R 30/00 – BStBl. II 2004, 182; BMF, Schreiben vom 08.05.2009, BStBl. I 2009, 633, Rz. 29). An diesen Voraussetzungen fehle es im Streitfall. In der Vereinbarung vom 31.12.2010 habe die Klin lediglich ihre Absicht dargelegt, bis zum 31.12.2013 eine oder mehrere Photovoltaikanlagen zu errichten.

18Dementsprechend setzte der Bekl in dem Gewerbesteuer (GewSt)-Messbescheid für das Streitjahr 2010 einen Verlust der Klin i. H. v. ./. X € fest und stellte in dem Bescheid auf den 31.12.2010 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (F-Bescheid vortragsfähiger Gewerbeverlust) vom 14.10.2011 den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf X € fest.

19Nachdem der Bekl den Antrag der Klin vom 15.05.2011, im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen F-Bescheids für 2010 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von X € anzuerkennen, mit Bescheid vom 16.05.2011 abgelehnt hatte, wies der erkennende Senat einen entsprechenden bei dem Finanzgericht gestellten Antrag auf AdV mit Beschluss vom 07.11.2011 – 12 V 1818/11 F – zurück.

20Der Bekl hat die Einsprüche der Klin gegen den F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 und gegen den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 vom 14.10.2011 in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 01.12.2011 als unbegründet zurückgewiesen.

21Im Klageverfahren verfolgt die Klin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, sie habe ihre Investitionsabsicht i.S. des § 7 g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG mit der verbindlichen Bestellung von Photovoltaikanlagen vom 31.12.2010 nachgewiesen. Ihr könne sich die Klin nicht entziehen. Wenn der Vertragspartner die vertraglichen Voraussetzungen schaffe, sei die Klin zur Abnahme verpflichtet. Dass der Standort der Photovoltaikanlage noch nicht feststehe, sei angesichts der bestehenden Stromabnahmeverpflichtung unerheblich. Von Bedeutung sei lediglich, dass der Preis der Anlage in einem vernünftigen Verhältnis zum Strompreis stehe.

22Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG Nürnberg, Urteil vom 28. Juli 2011 – 7 K 655/10 – EFG 2011, 1964, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 42/11; Niedersächsisches FG, Urteil vom 03. Mai 2011 – 13 K 12121/10 – EFG 2011, 1601, Rev. eingel., Az. des BFH – III R 37/11; FG München, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 2 K 655/10 – EFG 2011, 521, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 20/11) könne die Investitionsabsicht in den Fällen der Betriebseröffnung aber auch anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen nachgewiesen werden.

23Der Investitionsabzugsbetrag sei allerdings auch ohne abgeschlossene Betriebsgründung und ohne verbindliche Bestellung zulässig. Zum einen bestehe nach der Neufassung des § 7 g EStG keine Missbrauchsgefahr mehr. Bei Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages sei dieser im Jahr des Abzugs rückgängig zu machen. Der Stundungseffekt, der sich nach der Altfassung des § 7 g EStG habe ergeben können, sei nicht mehr möglich. Vielmehr habe der Steuerpflichtige in diesem Fall den nicht in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag zu verzinsen.

24Zum andern habe der Gesetzgeber aus wirtschaftspolitischen Gründen entschieden, Investitionen steuerlich zu begünstigen. Es stelle sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob nur der Steuerpflichtige gefördert werden solle, der bereits endgültig zur Investition entschlossen sei. Dann würde der Zweck der Norm verfehlt, weitere Investitionen anzuregen. Auch die noch schwankenden Steuerpflichtigen hätten eine Investitionsabsicht. Sie erhielten jedoch keine Förderung. Diese Auslegung sei Sinn und Zweck der Fördernorm nicht vereinbar.

25Nach Ablauf der Investitionsfrist könne die Realisierung der Investitionsabsicht im Übrigen objektiv überprüft werden.

26Der im Streitfall vertraglich vereinbarte Finanzierungsvorbehalt ändere an der Förderfähigkeit der geplanten Investitionen nichts. Auch die Investition unter Nutzung von Fremdkapital sei steuerlich förderfähig. Um dem Förderzweck gerecht zu werden, dürften auch die Investitionen, deren Finanzierung nicht bereits verbindlich feststehe, nicht von der Förderung ausgeschlossen werden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Schriftsatz vom 15.08.2012 verwiesen.

27Die Klin beantragt,

28den Gewinn aus Gewerbebetrieb in dem F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 und in dem F-Bescheid vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 vom 14.10.2011 in Gestalt der EE vom 01.12.2011 in Höhe eines Investitionsabzugsbetrags in Höhe von X € zu mindern,

29hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

30Der Bekl beantragt,

31die Klage abzuweisen,

32hilfsweise, im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten verwiesen.

34Der Berichterstatter hat den Kommanditisten R mit Beschluss vom 29.06.2012 zum Verfahren beigeladen. Der Senat hat in dieser Sache am 15.08.2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

36Die Klage ist nicht begründet.

37Der Bekl hat zu Recht in den beiden angefochtenen F-Bescheiden vom 13.05.2011 und vom 14.10.2011 den Gewinn der Klin aus Gewerbebetrieb nicht in Höhe des begehrten Investitionsabzugsbetrags von X € gemindert.

38Nach § 7 g Abs. 1 Satz 1 EStG können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 v.H. der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abgezogen werden (sogenannter Investitionsabzugsbetrag). Dieser Abzugsbetrag kann nach Satz 2 der Regelung nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet (Nr. 1), der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen (Nr. 2 Buchstabe a) und in bestimmter Weise betrieblich zu nutzen (Nr. 2 Buchstabe b) und der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (Nr. 3).

39Im anhängigen Verfahren richtet sich der Streit auf die Frage, welche Anforderungen an die Konkretisierung der Investitionsentscheidung zu stellen sind.

40Nach § 7 g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung setzt die Inanspruchnahme des Investitionsabzuges die Absicht zum voraussichtlichen Erwerb des begünstigten Wirtschaftsgutes innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraumes voraus. Das macht eine Prognoseentscheidung über die künftige Investition erforderlich (BFH, Urteil vom 08. Juni 2011, I R 90/10, BFH/NV 2011, 1594; s.a. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucks. 16/4841, S. 52).

41Die von der gesetzlichen Neuregelung ab 2007 erstmals ausdrücklich geforderte Investitionsabsicht zwingt dazu, insbesondere in den Fällen der Betriebseröffnung auch weiterhin einen Nachweis der Investitionsabsicht zu verlangen.

42Bei Betrieben, deren Eröffnung  im Jahr des Investitionsabzugs noch nicht beendet ist, stellte der Bundesfinanzhof bereits vor der gesetzlichen Neuregelung strengere Anforderungen an die Glaubwürdigkeit der Absicht zu voraussichtlichen Investitionen, weil die Plausibilität der Investition nicht anhand eines erprobten Betriebskonzeptes nachvollziehbar ist. Er forderte in ständiger Rechtsprechung zu § 7 g Abs. 1 EStG a.F., dass die Investitionsentscheidung hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch eine im Abzugsjahr erfolgte verbindliche Bestellung ausreichend konkretisiert ist (BFH, Urteil vom 15. September 2010 X R 16/08, BFH/NV 2011, 33 m.w.N.). Dieses Konkretisierungserfordernis diente dazu, einem Investitionsabzug ins Blaue hinein vorzubeugen. Erst die verbindliche Bestellung seiner wesentlichen Wirtschaftsgüter qualifiziert ein im Aufbau befindliches Unternehmen zu einem Betrieb, der berechtigt ist, den Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g EStG  in Anspruch zu nehmen (BFH, Urteil vom 15. September 2010 X R 16/08, BFH/NV 2011, 33 m.w.N.).

431) Im Streitfall ist die Investitionsabsicht der Klin nicht durch eine verbindliche Bestellung der Photovoltaikanlage(n) als wesentliche Betriebsgrundlagen des Unternehmens ausreichend konkretisiert.

44a) Die Eröffnung des Betriebes der am 30.12.2010 gegründeten Klin war im Streitjahr 2010, dem Jahr des Investitionsabzugs, noch nicht beendet. Der Gesellschaftsvertrag bezeichnet die Verwaltung eigenen Vermögens und den Betrieb von Photovoltaikanlagen als ihren Unternehmensgegenstand. Ausweislich der Bilanz zum 31.12.2010 hatte sie diesen Zwecken dienende wesentliche Betriebsgrundlagen, zu denen insbesondere Photovoltaikanlagen rechnen, noch nicht angeschafft. Für diesen Fall der Betriebseröffnung ist die Investitionsabsicht der Klin nicht durch eine verbindliche Bestellung geführt. Der unter dem 31.12.2010 zwischen der Klin und Herrn N geschlossene Vertrag über die Investition in eine oder mehrere Photovoltaikanlage(n) mit einem Investitionsvolumen von X € ist nach dem Willen der Vertragsparteien nur unter Geltung bestimmter vereinbarter Voraussetzungen gültig. Solange die in der Präambel genannten Voraussetzungen nicht insgesamt erfüllt sind, liegt nach dem Willen der Parteien kein gültiger Vertrag und damit keine verbindliche Bestellung vor.

45b) Auch wenn es der Senat für eine verbindliche Bestellung genügen lässt, dass der Eintritt der Bedingungen durch den Besteller nicht zu beeinflussen ist und die vereinbarten ersten drei Voraussetzungen für die Gültigkeit des Vertrages zwischen Herrn N. und der Klin vom 31.12.2010 nach der Marktlage für den Auftragnehmer nachweisbar waren, könnte von einer verbindlichen Bestellung mit Blick auf die vierte, im Vertrag genannte Gültigkeitsvoraussetzung nicht ausgegangen werden. Die Klin ist nicht mit liquiden Mitteln ausgestattet, die die Finanzierung der Investition ermöglichen. Obwohl der Gesellschaftsvertrag eine Einlage in Höhe von X € – das entspricht der geplanten Investitionssumme – vorsieht, hat der beigeladene Kommanditist R sie nicht in das Gesellschaftsvermögen geleistet. Darüber hinaus verfügt die Klin über keine weiteren Vermögenswerte. Vor diesem Hintergrund hängt die Erfüllung der vierten Voraussetzung für die Gültigkeit des Vertrages, die Finanzierung zu marktüblichen Konditionen ohne die Stellung weiterer dinglicher Sicherheiten über die persönliche Haftung des Kommanditisten hinaus von der Vermögenslage des Kommanditisten zu dem Zeitpunkt ab, zu dem auch die Voraussetzungen 1 bis 3 erfüllt sind. Dass von einer entsprechenden Vermögenslage des Kommanditisten ausgegangen werden kann, hat die Klin nicht vorgetragen. Auch nach der Aktenlage ist diese Annahme nicht belegbar. Die fehlende Kommanditeinlage  und der ausdrückliche Hinweis auf den Sinn der Regelung in der „Verbindlichen Bestellung von Photovoltaikanlagen“ vom 31.12.2010

46- die Klin. möchte nicht in eine Situation geraten, die sie zur Abnahme einer Anlage verpflichte, die sie im Moment nicht bezahlen könne –

47deuten vielmehr darauf hin, dass die Klin weder der Einlageleistung des Kommanditisten noch seiner entsprechenden Haftungsqualität sicher sein kann.

482. Die Investitionsabsicht ist auch nicht aufgrund anderer Indizien hinreichend konkret feststellbar.

49Angesichts der geringeren Gestaltungsmöglichkeiten bei § 7 g EStG n.F. hält es der Senat mit der einhelligen finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG Nürnberg, Urteil vom 28. Juli 2011 – 7 K 655/10 – EFG 2011, 1964, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 42/11; Niedersächsisches FG, Urteil vom 03. Mai 2011 – 13 K 12121/10 – EFG 2011, 1601, Rev. eingel., Az. des BFH – III R 37/11; FG München, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 2 K 655/10 – EFG 2011, 521, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 20/11; s. auch Schmidt/Kulosa EStG § 7 g Rz 14) für ausreichend, wenn der Nachweis der Investitionsabsicht bei noch zu eröffnenden Betrieben anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen geführt wird.

50Wie der Nachweis der Investitionsabsicht in solchen Fällen geführt werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die dargelegten und nachgewiesenen Umstände des Einzelfalls müssen die Feststellung erlauben, dass der Steuerpflichtige in dem Jahr, in dem er den Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird, ernsthaft und endgültig zur Anschaffung des Investitionsgutes entschlossen war.

51Im Streitfall liegen derart qualifizierte Umstände nicht vor. Die Klin verfügt vielmehr nicht über ausreichende finanzielle Mittel, die vorgetragene Investition durchzuführen. Sie hat ihre Möglichkeiten zur Beschaffung eigener finanzieller Mittel nicht ausgeschöpft und die Kommanditeinlage von dem Beigeladenen nicht eingefordert. Statt dessen will der Beigeladene lediglich persönlich für die Refinanzierung der Photovoltaikanlage(n) haften, jedoch darüber hinaus keine weiteren dinglichen Sicherheiten stellen. Nutzt die Klin, die über die ausstehende Kommanditeinlage hinaus keine weiteren Aktiva in der Bilanz ausweist, die eigenen Möglichkeiten nicht, die zur Finanzierung der vorgetragenen Investition erforderlichen finanziellen Mittel im Wege der Einforderung der Kommanditeinlage zu beschaffen, hat sie als Gesellschaft, deren Eröffnung noch nicht abgeschlossen ist, nicht hinreichend konkret deutlich gemacht, dass sie die vorgetragene Investition ernsthaft durchzuführen beabsichtigt und sie bei der gegebenen Ausgangssituation tatsächlich in der Lage ist, sie auch zu finanzieren. Der darauf zu stützende Vorhalt fehlenden Nachweises der Investitionsabsicht gilt im Streitfall zumal vor dem Hintergrund, dass die Abmachung über die „Verbindliche Bestellung von Photovoltaikanlagen“ vom 31.12.2010 im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht verbindlich getroffen ist, sondern die Bindung an die Lieferabreden vom Eintritt vertraglich bezeichneter aufschiebender Bedingungen abhängig macht.

52Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO.

53Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Kindergeld: Nicht wegen Kinderfreibetrag auf Kindergeld verzichten

Wenn Eltern glauben, sie könnten auf die Beantragung von Kindergeld verzichten, weil der Kinderfreibetrag ohnehin steuerlich besser für sie ist, wird es böse überrascht werden: Denn der Anspruch auf Kindergeld ist laut Bundesfinanzhof schon ausreichend für die Anrechnung auf den Freibetrag. Es ist nicht entscheidend, ob das Kindergeld auch ausgezahlt wurde. Sie droht also ein Schaden in Höhe des Kindergeldes!

https://www.steuerschroeder.de/…/iii-b-179-16-kindergeld-fuer-behindertes- kind/
14. Febr. 2018  BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 27.11.2017, III B 179/16. ECLI:DE:BFH: 2017:B.271117.IIIB179.16.0. Kindergeld für behindertes Kind.
www.steuerschroeder.de/einkommensteuererklaerung_Kinder.html
Wie Sie Kinder in der Einkommenteuererklärung absetzen: Kinderfreibetrag,Kindergeld, Unterhalt an Kinder, Ausbildungskosten, Schulgeld usw.
Steuerlexikon von A-Z Kindergeld – BKGG
www.steuerschroeder.de/steuerlexikon/…/Kindergeld%20-%20BKGG
Die Kindergeld-Leistungen sind grundsätzlich in das EStG übernommen worden (vgl. §§ 62 – 77 EStG). Das Existenzminimum eines Kindes wird ab 1996 …
https://www.steuerschroeder.de/…/studium-zum-sparkassenfachwirt-kann- zum-anspruch-auf-kindergeld-fuehren/
18. Juni 2018  III B 179/16 – Kindergeld für behindertes Kind – Steuerberater … … III B 88/08 – Rückforderung von Kindergeld – falsches Datum als …
https://www.steuerschroeder.de/Steuerrechner/Kindergeld.html
Berechnen Sie die Höhe, die Auszahlung + wie lange Anspruch auf Kindergeld besteht + Antrag.
https://www.steuerschroeder.de/steuerlexikon/154319/Kindergeld
Ab 01.01.2010 erfolgt eine Anhebung des Kindergeldes auf 184 EUR für das erste und zweite Kind, auf 190 EUR für das dritte Kind und auf 215 EUR …
https://www.steuerschroeder.de/…/iii-b-88-08-rueckforderung-von- kindergeld-falsches-datum-als-verfahrensfehler/
8. Dez. 2012  I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte im November 2004 Kindergeld für seine 1989 geborene Stieftochter. Dieses wurde mit …
https://www.steuerschroeder.de/…/vi-r-65-11-kindergeld-regelmaessige- arbeitsstaette/
VI R 65/11 – Kindergeld; regelmäßige Arbeitsstätte. 10. März 2013 admin. BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.9.2012, VI R 65/11. Kindergeld; regelmäßige  …
https://www.steuerschroeder.de/…/vi-b-147-11-kindergeld-rueckforderung- vertrauensschutz/
5. Dez. 2012  a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ). Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für …
Steuerlexikon von A-Z Kindergeld – Ausländer – Anspruch
www.steuerschroeder.de/…/Kindergeld%20-%20Ausländer%20- %20Anspruch
Ein Ausländer hat nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder Aufenthaltserlaubnis ist. (§ 62 Abs. 2 EStG) Auslä …

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.9.2012, V R 59/10

Zur Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG – Verfassungsmäßigkeit des § 31 Satz 4 EStG

Leitsätze

Für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG ist allein entscheidend, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Ob Kindergeld tatsächlich gezahlt worden ist, ist ohne Bedeutung.

Tatbestand

1
I. Streitig ist die Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645). Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
2
Der geänderte Einkommensteuerbescheid 2004 vom 1. April 2008 enthielt eine Hinzurechnung von Kindergeld von insgesamt 4.774 EUR, hiervon für den am 19. April 2000 geborenen Sohn S in Höhe von 1.848 EUR und für die am 9. Juni 2004 geborene Tochter T in Höhe von 1.078 EUR. Den hiergegen eingelegten Einspruch, den die Kläger nicht begründet hatten, wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) als unbegründet zurück.
3
Mit der Klage machten die Kläger geltend, die Hinzurechnung eines  Kindergeldanspruchs für die Kinder S und T (insgesamt 2.926 EUR) sei zu Unrecht vorgenommen worden. Für beide Kinder sei –anders als für die Tochter J aus erster Ehe– weder ein Kindergeld beantragt noch Kindergeld bezogen worden. Im Veranlagungs- bzw. Einspruchsverfahren seien Verzichte auf das Kindergeld für beide Kinder erklärt worden. Zudem seien die Ansprüche mittlerweile verjährt.
4
Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ 2010, 650 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, das FA habe zu Recht nach § 31 Satz 4 EStG auf die nach Abzug der Kinderfreibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer das Kindergeld in Höhe von insgesamt 2.926 EUR hinzugerechnet. § 31 EStG verknüpfe das Kindergeld mit dem tariflichen Kinderfreibetrag gemäß § 32 EStG in der Weise, dass von Amts wegen die für den Steuerpflichtigen günstigere Lösung gewählt werde. Die gesetzliche Neufassung stelle jedoch in Abkehr von der bis zum Jahr 2003 geltenden Gesetzesfassung für die Hinzurechnung nicht mehr auf die Festsetzung und tatsächliche Zahlung des Kindergeldes, sondern entscheidend auf den Anspruch auf Kindergeld ab. Deshalb komme es nicht mehr darauf an, ob Kindergeld beantragt wird, in welcher Höhe, wann und an wen es gezahlt worden sei, ob es zurückgeführt werde und ob der Anspruch verfahrensrechtlich noch durchgesetzt werden könne.
5
Der Hinzurechnung stehe auch nicht entgegen, dass für den Kindergeldanspruch im Laufe des Klageverfahrens Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil nach der Neuregelung durch das StÄndG 2003 die Festsetzungsverjährung für den konkreten Kindergeldanspruch für das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Kindergeld im Rahmen des § 31 Satz 4 EStG ohne Bedeutung sei. Für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG sei allein der im einkommensteuerlichen Veranlagungszeitraum zeitgleich abstrakt bestehende Kindergeldanspruch maßgeblich. Der gesetzgeberische Zweck der Verwaltungsvereinfachung werde unterlaufen, wenn nach Ablauf des Veranlagungszeitraums den Kindergeldanspruch ausschließende Tatsachen wie die –im Streitfall zudem bewusst abgewartete– Festsetzungsverjährung bzw. vorausgehend die Erklärung, Kindergeld nicht beantragen zu wollen, die Hinzurechnung ausschließen könnten.
6
Dem stehe das grundgesetzlich verankerte Gebot der Sicherung des Familienexistenzminimums und zwangsläufiger kindbedingter Aufwendungen nicht entgegen. Denn dem Steuerpflichtigen stehe im Hinblick auf die vierjährige Festsetzungsfrist ein ausreichender Zeitraum zur Realisierung seiner Kindergeldansprüche zur Verfügung und der Gesetzgeber sei im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung zu Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Kindergeld auch geltend gemacht werde.
7
Mit der Revision machen die Kläger geltend, das FG-Urteil beruhe auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG habe § 31 EStG unzutreffend ausgelegt, weil es den aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) resultierenden Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt. Komme es –wie im Streitfall– nicht zu einer Auszahlung von Kindergeld, stelle sich die Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um den Kindergeldanspruch wirtschaftlich nicht als Rückzahlung des ungünstigeren und deshalb nicht beanspruchten Kindergeldes dar, sondern als eine zusätzliche Zahlung von Einkommensteuer, die den durch den Familienleistungsausgleich gewünschten Effekt reduziere. Sie komme einer bloßen Einkommensteuererhöhung gleich, die nicht an eine besondere Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anknüpfe und darüber hinaus gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil derjenige, der es unterlasse, die Auszahlung von Kindergeld zu beantragen, mit einer höheren Einkommensteuerlast belegt werde, als derjenige, der bei ansonsten identischen steuerlichen Verhältnissen einen entsprechenden Antrag stelle. Damit würden gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich behandelt. Die Verwaltungsvereinfachung stelle keinen ausreichenden sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung dar.
8
Da § 31 EStG keine Ausnahmeregelung im Hinblick auf die Hinzurechnung des Kindergeldanspruches für Fälle enthalte, in denen von einer Antragstellung nach § 67 EStG abgesehen werde, müsse diese im Wege einer teleologischen Reduktion herbeigeführt werden. Im Übrigen bestehe der Kindergeldanspruch lediglich bis zu dessen Verjährung. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe der (abstrakte) Kindergeldanspruch für das Jahr 2004 nicht mehr bestanden, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt eine Hinzurechnung habe unterbleiben müssen.
9
Schließlich werde der Steuerpflichtige durch eine unnötige Pflicht zur Beantragung von Kindergeld in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Die Beantragung von Kindergeld sei im vorliegenden Fall eine bloße Förmelei.
10
Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 1. April 2008 dahingehend zu ändern, dass die Hinzurechnung des Kindergeldes für die Kinder S und T in Höhe von insgesamt 2.926 EUR aufgehoben wird.

11
Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12
Das FA sieht seine Rechtsansicht durch das FG-Urteil bestätigt.

Entscheidungsgründe

13
II. Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
14
Das FG hat § 31 Satz 4 EStG zutreffend ausgelegt. Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG allein entscheidend, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Ob Kindergeld tatsächlich gezahlt worden ist, ist ohne Bedeutung.
15
1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG bewirkt. Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld (§ 31 Satz 4 EStG).
16
Die für das Streitjahr 2004 geltende Fassung des § 31 Satz 4 EStG geht zurück auf das StÄndG 2003. Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2003 waren nach § 31 Satz 4 EStG a.F. die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wurde; in diesem Fall war das gezahlte Kindergeld oder vergleichbare (gezahlte) Leistungen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG zu verrechnen. Aufgrund der Gesetzesänderung ist seit dem Veranlagungszeitraum 2004 bei der Prüfung der Frage, ob der Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG für den Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf das tatsächlich gezahlte, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen. Für die Änderung des § 31 EStG waren Gesichtspunkte der Verfahrensvereinfachung maßgebend. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten insbesondere Änderungen der Steuerfestsetzung aufgrund einer nachträglichen Gewährung von Kindergeld vermieden werden (BTDrucks 15/1798, S. 2 zu 4.). Bestätigt wird der Wille des Gesetzgebers, nicht mehr –wie bisher– auf das tatsächlich gezahlte Kindergeld, sondern auf den Kindergeldanspruch abzustellen, durch die Neuregelung in § 31 Satz 7 EStG. Stellte § 31 Satz 7 EStG a.F. noch darauf ab, ob ein höheres Kindergeld nach ausländischem Recht „gezahlt“ wurde, kommt es nach der Neuregelung darauf an, ob ein das inländische Kindergeld übersteigender Anspruch nach ausländischem Recht besteht.
17
Für die Hinzurechnung von Kindergeld ist somit der ursprüngliche, vor Erlöschen bestehende materiell-rechtliche Kindergeldanspruch maßgebend. Wegen der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Abkoppelung der Steuerfestsetzung von der Kindergeldzahlung ist unerheblich, ob der Anspruch tatsächlich durch Zahlung erfüllt worden ist. Der Kindergeldanspruch ist daher seit dem Veranlagungszeitraum 2004 unabhängig von der kindergeldrechtlichen Beurteilung durch die Familienkasse hinzuzurechnen, wenn die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG rechnerisch günstiger ist als der Kindergeldanspruch (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 15. März 2012 III R 82/09, BFH/NV 2012, 1228 II.2.; BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2006 VII B 7/06, BFH/NV 2007, 908 II.3.).
18
2. § 31 Satz 4 EStG verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch werden die Kläger in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beeinträchtigt.
19
a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt oder eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Belastung rechtfertigen können (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 4. Dezember 2002  2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, m.w.N.). Bei der gerichtlichen Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989  1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, 117 ff., BStBl II 1990, 479; BFH-Urteil vom 31. Mai 2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232 II.2.c bb (1)).
20
aa) Vorliegend ist der allgemeine Gleichheitssatz schon deshalb nicht verletzt, weil die Kläger die Ungleichbehandlung durch Stellung eines Kindergeldantrags selbst hätten vermeiden können. Es ist dem Verzicht auf Geltendmachung eines Anspruchs immanent, dass damit eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen, die –bei im Übrigen gleicher Sachverhaltsgestaltung– auf den Anspruch nicht verzichten, einhergeht. Darüber hinaus ist die mit der Änderung des § 31 Satz 4 EStG angestrebte Verwaltungsvereinfachung, mit der die Einkommensteuerfestsetzung von Detailfragen der Kindergeldfestsetzung –wie z.B. der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Kindergeld– freigehalten werden soll, ein nachvollziehbarer sachlicher Grund, auch wenn es im Einzelfall konkret nicht zu einer Verwaltungsvereinfachung führt.
21
bb) Außerdem hat das BVerfG im Beschluss vom 13. Oktober 2009  2 BvL 3/05 (BVerfGE 124, 282, BGBl I 2009, 3785) zum Veranlagungszeitraum 2001 entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die generalisierende Regelung in § 31 EStG a.F. bestehen, mit der die existenznotwendigen Mindestaufwendungen für Kindesunterhalt bei allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise in der steuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden und bei der eine individuelle Würdigung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und ihrer Minderung durch die zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes zwangsläufig einzusetzenden Mittel nicht stattfindet, wobei das dem Steuerpflichtigen zugeflossene Kindergeld zur Vermeidung doppelter Berücksichtigung des Kindesexistenzminimums zurückzugewähren sei (B.II.1.a). Dem einkommensteuerrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach individueller Leistungsfähigkeit werde durch § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 EStG a.F. hinreichend Rechnung getragen, wenn gezahltes Kindergeld der Einkommensteuer nur dann hinzugerechnet werde, wenn es dem Steuerpflichtigen zugeflossen sei, wobei ein Zufluss im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs ausreiche (B.II.1.a). Hieran ändert sich nichts, wenn dem Steuerpflichtigen die Obliegenheit übertragen wird, für den Zufluss selbst Sorge zu tragen, indem er einen bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer möglichen entsprechenden Antrag mit den für die Bewilligung des Kindergeldes erforderlichen Angaben stellt.
22
b) Entgegen der Auffassung der Kläger ist die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit nicht durch die Entscheidung des Gesetzgebers verletzt, die steuerliche Freistellung in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs in der Weise zu regeln, dass im laufenden Jahr Kindergeld als antragsabhängige monatliche Steuervergütung beansprucht werden kann und für den Fall, dass die gebotene steuerliche Freistellung für den gesamten Veranlagungszeitraum nicht bereits vollständig durch den Anspruch auf Kindergeld bewirkt wird, die unter Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den entsprechenden gesamten Veranlagungszeitraum zu erhöhen.
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aa) Die Änderung berücksichtigt, dass die nach § 66 Abs. 3 EStG a.F. geltende Ausschlussfrist für den Kindergeldantrag (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 68/00, BFH/NV 2002, 1293, m.w.N.), wonach Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt wurde, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, mit Wirkung ab 1. Januar 1998 entfallen war und der Kindergeldanspruch seither auch für zurückliegende Zeiträume bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer des entsprechenden Veranlagungszeitraums geltend gemacht werden kann. Da bis zu der im Streitfall maßgeblichen Änderung des § 31 Satz 4 EStG durch das StÄndG 2003 bei der Einkommensteuerveranlagung unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG nur das tatsächlich ausbezahlte Kindergeld hinzuzurechnen war, erforderte eine erst nach Festsetzung der Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum erfolgte Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld für diesen Veranlagungszeitraum, eine Änderung der entsprechenden Einkommensteuerfestsetzung. Durch die Anknüpfung an den Kindergeldanspruch –statt wie bisher an die Kindergeldzahlung– sollten Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung bei nachträglicher Gewährung von Kindergeld überflüssig werden. Des Weiteren sollte der in der Praxis (bei Eltern mit mehreren Kindern) fehlerträchtige Ermittlungsschritt beim Ausfüllen der Steuererklärungsvordrucke vermieden werden. Das Abstellen auf den Kindergeldanspruch anstelle der Kindergeldzahlung sollte zusätzlichen Verwaltungsaufwand seitens der Finanzämter vermeiden, weil das Kindergeld –sofern die Familienkasse nicht vom Antrag des Kindergeldberechtigten abweicht– in einer Summe gezahlt wird und nicht –wie es für die steuerliche Ermittlung des Kinderfreibetrages notwendig ist (hierzu BFH-Urteile vom 28. April 2010 III R 86/07, BFHE 230, 294, BStBl II 2011, 259, und vom 19. April 2012 III R 50/08, BFH/NV 2012, 1429)– kindbezogen nachzuweisen ist. Die Regelung sollte weiter die Angaben zur Höhe des Kindergeldanspruchs in der Regel –mit Ausnahme von Sonderfällen wie z.B. Leistungen für Kinder nach ausländischem Recht– in der Steuererklärung entbehrlich machen (BTDrucks 15/1945, S. 9 und BTDrucks 15/1798, S. 2).
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bb) Im Ergebnis hat die Anknüpfung an den Kindergeldanspruch (anstelle der Kindergeldzahlung) als Hinzurechnungsgröße bei Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG zur Folge, dass die kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG-Nichtannahmebeschluss vom 6. November 2003  2 BvR 1240/02, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2004, 260) im Umfang des Kindergeldanspruchs ausschließlich als Steuervergütung beansprucht werden kann und sich bei der Einkommensteuerveranlagung im Ergebnis nur noch die Differenz zwischen der Steuerminderung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und Kindergeldanspruch auswirken kann. Zwar konnte nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des StÄndG 2003 der Steuerpflichtige, weil nur gezahltes Kindergeld hinzuzurechnen war, letztlich wählen, ob er auf den Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld verzichtet und nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG geltend machen will. Dies ist nach der Neuregelung nicht mehr möglich. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf ein Wahlrecht zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag besteht nicht. Wie das BVerfG im Beschluss in HFR 2004, 260 (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Antragsfrist nach § 66 Abs. 3 EStG a.F.) ausgeführt hat, steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, die kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr stattdessen im Sozialrecht durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10. November 1998  2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 265, BStBl II 1999, 174; vom 29. Mai 1990  1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 84, BStBl II 1990, 653). Nachdem der Anspruch auf Kindergeld –anders als nach § 66 Abs. 3 EStG a.F.– nicht mehr durch die Antragsfrist von sechs Monaten begrenzt ist, sondern bis zur Grenze der Festsetzungsfrist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 III B 167/06, BFH/NV 2007, 865) geltend gemacht werden kann, begegnet die Kombination von Steuervergütung in Form eines Kindergeldanspruchs und der lediglich ergänzenden Berücksichtigung einer dadurch nicht vollständig bewirkten kindbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit durch die Freibeträge in § 32 Abs. 6 EStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Auch der Umstand, dass der Anspruch auf Auszahlung des monatlichen Kindergeldes nach § 67 EStG einen schriftlichen Antrag erfordert, berührt die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der Kläger nicht, denn ohne entsprechende Angaben des Steuerpflichtigen hat die Familienkasse –ebenso wie ohne Angaben des Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung das Finanzamt für die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen– keinen Anhaltspunkt für die Feststellung und Erfüllung des Kindergeldanspruchs. Ein Wahlrecht lässt sich § 67 EStG nicht entnehmen. Insbesondere besteht angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2004, 260) für diesen keine Verpflichtung zur Einräumung eines Wahlrechts zwischen dem monatlich zu erfüllenden Kindergeldanspruch und der Inanspruchnahme des Kinderfreibetrages nach Ablauf des betreffenden Veranlagungszeitraumes. Dass die Kläger für den Fall, dass die steuerliche Freistellung erkennbar nicht vollständig durch das monatlich zu zahlende Kindergeld bewirkt werden wird, eine andere Regelung bevorzugen würden, berührt die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit nicht.
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3. Der Zurückweisung der Revision steht auch nicht entgegen, dass vorliegend für die Kindergeldansprüche 2004 mit Ablauf des Jahres 2008 Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Das FG hat hierzu zu Recht entschieden, dass für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG allein der im einkommensteuerlichen Veranlagungszeitraum zeitgleich abstrakt bestehende Kindergeldanspruch maßgebend ist.

Rückzahlung von Anzahlungen und Vorsteuerkorrektur

Rückzahlung von Anzahlungen und Vorsteuerkorrektur

Einführung

Der Vorsteuerabzug aus Anzahlungsrechnungen ist erst mit deren Bezahlung möglich. Dies ist den meisten Unternehmen bekannt. Dagegen bereitet die Korrektur von Anzahlungen häufig genauso Schwierigkeiten wie wenn die den Anzahlungen zugrunde liegen Leistungen nicht erbracht werden.

Fall

Der Kläger bestellte Maschinen, die später weiter veräußert werden sollten. Hierauf leistete er Anzahlungen an seinen Lieferanten und zog hieraus Vorsteuern i. H. v. 116.736 EUR. Aufgrund von Streitigkeiten wurde später die Übernahme des Vertrages zwischen Lieferant und Kläger durch den Abnehmer vereinbart. Die Übernahme stand unter einer aufschiebenden, aber noch nicht eingetretenen Bedingung. Ferner wurde vereinbart, dass der Lieferant die Anzahlungen storniert und dem Kläger die entsprechende Umsatzsteuer erstattet, der Kläger hingegen verpflichtete sich dem Lieferanten die gezogene Vorsteuer zu erstatten. Der Lieferant erstattete daraufhin dem Kläger die Umsatzsteuer (116.736 EUR). Das Finanzamt behandelte diese Zahlung als anteilige Rückgewähr der Anzahlungen, rechnete die anteilige Umsatzsteuer heraus und korrigierte die Vorsteuer zu Ungunsten des Kläger um 18.638,52 EUR (= 19/119 von 116.736 EUR). Hiergegen wendete sich der Kläger. Er verwies darauf, dass die Erstattung alleine die Umsatzsteuer beinhalte, eine Korrektur jedoch nur möglich sei, sofern die Nettoentgelte erstattet würden.

Neues Urteil

Das Niedersächsische Finanzgericht wies die Klage ab. Zunächst komme es alleine darauf an, ob die Anzahlung, ggf. auch anteilig, zurückgezahlt wurde. Dies war nach Ansicht des Gerichtes der Fall, da der zurückgezahlte Betrag die Umsatzsteuer beinhalte.

Konsequenzen

Die Rückzahlung von Anzahlungen führt zu einer Korrektur der Umsatzsteuer. Dies ist unabhängig davon, ob zu erwarten ist, dass die zugehörige Leistung erbracht wird. Die Rückzahlung kann nicht auf die Umsatzsteuer beschränkt werden. Egal wie die Zahlung bezeichnet wird, betrifft sie sowohl anteilig das Nettoentgelt als auch die Umsatzsteuer. Dies ist bei vertraglichen Vereinbarungen zu beachten.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin