Eltern können Kosten für 2-sprachigen Kindergarten abziehen

Kernproblem

Kinderbetreuungskosten werden steuerlich mit bis zu 4.000 EUR je Kind gefördert und sind nicht (wie das Eltern sonst oft vom Finanzamt zu hören bekommen) mit dem Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag abgegolten. Ab dem Jahr 2012 ist die Unterscheidung zwischen erwerbsbedingten und privaten Betreuungskosten entfallen und ein Abzug nur noch als Sonderausgaben möglich. Schon immer Bestand hatte die Einschränkung, dass Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen nicht gefördert werden. In einem Verwaltungserlass nennt die Finanzverwaltung Schulgeld, Nachhilfe oder Fremdsprachenunterricht als negative Beispiele. Werden Kinder in einem mehrsprachig geführten Kindergarten betreut, kann es schon einmal Abgrenzungsprobleme geben.

Sachverhalt

Eltern ließen ihre Kinder in einem städtischen Kindergarten betreuen, der neben deutschen Erzieherinnen auch französische Sprachassistentinnen beschäftigte. Die Methodik sah vor, dass die Erzieherinnen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich (ohne Lehrplan) französisch sprachen. In Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben arbeiteten die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen. Während die Erzieherinnen bei der Stadt angestellt waren, wurden die Sprachassistentinnen von einem Verein zur Förderung der französischen Sprache und Kultur gestellt, an den die Eltern eine gesonderte Vergütung zahlten. Mit Begründung auf die Nichtabziehbarkeit von Unterrichtskosten versagte das Finanzamt den Abzug der an den Verein geleisteten Aufwendungen.

Entscheidung

Wie das Finanzgericht entschied auch der Bundesfinanzhof zugunsten der Eltern. Der Begriff der Kinderbetreuung sei weit zu verstehen und umfasse nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindere den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht. Etwas anders gelte dann, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfänden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rücke.

Konsequenz

Die bilinguale Kita liegt voll im Trend und kann mit Steuervorteilen für die Eltern werben (zumindest solange es „unorganisiert und ohne Konzept“ zugeht).

 

BFH-Urteil vom 19.04.2012 – III R 29/11

Pressemeldung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 70:

“Berufstätige Eltern konnten auch schon vor 2009 zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4000 EUR je Kind, für die Unterbringung ihrer Kinder in einem zweisprachig geführten Kindergarten nach § 4f bzw. § 9 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der vor 2009 geltenden Fassung (EStG a.F.) wie Betriebsausgaben oder wie Werbungskosten einkommensteuermindernd geltend machen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 19. April 2012 III R 29/11 entschieden.

In dem betreffenden Kindergarten wurden neben deutschen Erzieherinnen auch französische “Sprachassistentinnen” eingesetzt. Die Erzieherinnen sprachen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Ein Lehrplan existierte nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.

Das Finanzamt versagte den Abzug der streitigen Aufwendungen mit der Begründung, dass es sich hierbei nicht um nach § 4f Satz 1 EStG a.F. abziehbare Kinderbetreuungskosten, sondern um nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht abziehbare Unterrichtskosten gehandelt habe.

Dem folgte der BFH ebenso wie schon das Finanzgericht nicht. Er wies darauf hin, dass der Begriff der Kinderbetreuung weit zu verstehen sei. Er umfasse nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das körperliche, seelische und geistige Wohl des Kindes. Letzteres schließe auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit ein. Nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fertigkeiten hätten nur dann vorgelegen, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattgefunden hätten und die von der Lehrperson während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund getreten wäre. Davon könne jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.”

Bundesfinanzhof (BFH)

 

Abgrenzung zwischen Kinderbetreuungskosten und nicht abziehbaren Unterrichtsaufwendungen

 Leitsatz

1. Der Begriff der Kinderbetreuung i.S. der §§ 4f und 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091 ) ist weit zu fassen. Er umfasst nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht.

2. Nach § 4f Satz 3 EStG nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen nur dann vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rückt.

 Gesetze

EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 4f
EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 9 Abs. 5 Satz 1

 Instanzenzug

Sächsisches FG vom 6. April 2011 2 K 1522/10 BFH III R 29/11

 Gründe

I.

1  Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater zweier Kinder, die in den Streitjahren 2006 und 2007 die deutsch-französische Gruppe eines städtischen Kindergartens besuchten. Die mit dem Kläger zusammenlebende Mutter der Kinder war wie dieser in den Streitjahren berufstätig.

2  In dem Kindergarten kamen neben deutschen Erzieherinnen auch sogenannte französische Sprachassistentinnen zum Einsatz, die von dem Verein X e.V. (im Folgenden: Verein) bezahlt wurden. Zweck des Vereins ist unter anderem die sozialpädagogische Betreuung von Kindern unter besonderer Vermittlung der französischen Sprache und Kultur. Zwischen der Stadt A —Jugendamt— als dem Kindergartenträger und dem Verein bestand in den Streitjahren eine Kooperationsvereinbarung, wonach das Jugendamt und der Verein partnerschaftlich die konzeptionelle Entwicklung des in der Kindertagesstätte (Kita) eingerichteten Teilbereichs deutsch-französischer Kindergarten fördern sollten. Aufgrund dieser Vereinbarung wurden im deutsch-französischen Kitabereich neben den bei der Stadt angestellten Erzieherinnen die beim Verein beschäftigten französischsprachigen Sprachassistentinnen eingesetzt. Die Fachaufsicht über die Sprachassistentinnen lag bei der Kindergartenleitung bzw. dem Jugendamt. Die Kinder wurden im zweisprachigen Kindergarten nach der sogenannten Immersionsmethode betreut, d.h. die Erzieherinnen sprechen ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Letztere unterstützen ihre Aussagen mit Gestik und Mimik, ohne Übersetzungen vorzunehmen. Ein Lehrplan existiert nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, der Durchführung und der Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.

3  Den Zahlungen des Klägers lag ein gesonderter Leistungsvertrag zugrunde, in dem er sich aufgrund des Kooperationsvertrages zwischen Jugendamt und Verein verpflichtete, für den Einsatz der Sprachassistentinnen die jeweils festgesetzten Leistungsvergütungen an den Verein zu zahlen.

4  Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte den Abzug der in den Streitjahren an den Verein gezahlten Leistungsvergütungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten im Sinne des in den Streitjahren geltenden § 4f Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Während der Einspruch erfolglos blieb, entsprach das Finanzgericht (FG) mit dem angegriffenen Urteil dem Begehren des Klägers.

5  Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe das Tatbestandsmerkmal „Dienstleistungen zur Betreuung” in § 4f Satz 1 EStG und das Tatbestandsmerkmal „Unterricht” in § 4f Satz 3 EStG verkannt. Betreuung sei die behütende oder beaufsichtigende Betreuung, d.h. die persönliche Fürsorge für das Kind müsse der Dienstleistung erkennbar zugrunde liegen. Bei den gemäß § 4f Satz 3 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen für Unterricht u.ä. handele es sich um Kosten, die durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bereits abgegolten seien. Die Abgrenzung richte sich danach, ob der Betreuungszweck wesentlicher Bestandteil der Dienstleistung sei. Wenn dies bejaht werden könne, dann seien weitere Motive für die Inanspruchnahme der Betreuungseinrichtung unschädlich. Das FG habe verkannt, dass der Betreuungszweck durch den Einsatz der französischen Sprachassistentinnen nicht den überwiegenden Bestandteil der zu erbringenden Leistung darstelle. Aus der Konzeption der Kita und der Kooperationsvereinbarung mit dem Verein ergebe sich das Ziel des Erlernens einer Zweitsprache. Dies sei der überwiegende Bestandteil der zu erbringenden Leistung der Sprachassistentinnen. Dass nebenbei auch Betreuungsleistungen erbracht würden, sei nicht von der Hand zu weisen, aber nicht rechtserheblich. Denn jeder Musik- oder Sportlehrer erbringe neben seiner hauptsächlichen Unterrichtsleistung zwangsläufig auch eine Betreuung der Kinder im Sinne einer behütenden Aufsicht. Auch wenn im Streitfall die Vermittlung der französischen Sprache nicht unterrichtsmäßig erfolge, was angesichts des Alters der Kinder nicht funktionieren könne, so falle sie doch in den Bereich des § 4f Satz 3 EStG . Es gehe nämlich um die Vermittlung besonderer Fähigkeiten im Sinne dieser Vorschrift. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. Januar 2007 IV C 4 -S 2221- 2/07 (BStBl I 2007, 184) sei von einer Aufteilung in Betreuungs- und andere Leistungen abzusehen.

6  Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

7  Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

8  Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an den Verein geleisteten Zahlungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen sind.

9  1. a) Nach § 4f Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes i.S. des § 32 Abs. 1 EStG , die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, unter anderem bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden. Nach § 4f Satz 3 EStG sind Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen nicht begünstigt. Für den Bereich der Überschusseinkunftsarten gelten diese Regelungen sinngemäß (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG ), so dass erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen sind.

10  b) Der vom Gesetz nicht definierte Begriff der Kinderbetreuung ist weit zu fassen. Aus dem Wortlaut —das Verb betreuen stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet so viel wie schützen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch)— und dem Zusammenhang mit der Altersgrenze von 14 Jahren ergibt sich zunächst, dass mit der in § 4f Satz 1 EStG enthaltenen Formulierung „Betreuung eines Kindes” jedenfalls die behütende und beaufsichtigende Betreuung im Sinne eines Schutzes vor Gefahren, Verletzungen und Schäden erfasst werden soll (das sogenannte „Aufpassen” auf das Kind). Darüber hinausgehend ist Betreuung aber grundsätzlich als Personensorge i.S. des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 28. November 1986 III R 1/86 , BFHE 149, 211 , BStBl II 1987, 490) und erfasst daher —mit Ausnahme der durch das Kindergeld oder die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bereits abgegoltenen Verpflegung des Kindes— auch die Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das geistige, seelische und körperliche Wohl des Kindes. Da es nicht in dem so verstandenen fürsorgerischen Interesse des Kindes liegt, lediglich „verwahrt” zu werden, umfasst der Betreuungsbegriff daher insbesondere auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der im Kindergarten und in ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Dass der Gesetzgeber keinen auf die Beaufsichtigung und die Behütung beschränkten Betreuungsbegriff vertreten hat, zeigt sich auch an dem zeitgleich mit § 4f EStG eingeführten subsidiären Sonderausgabentatbestand in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG . Mit der dort im Hinblick auf drei- bis sechsjährige Kinder vorgesehenen Abzugsmöglichkeit wollte der Gesetzgeber —wiederum unter Ausschluss von Aufwendungen für Unterrichtsdienstleistungen und ähnliches (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG )— vor allem den Abzug der Kindergartengebühren sicherstellen (BTDrucks 16/643, S. 9; BTDrucks 16/974, S. 6). Es spricht nichts dafür, dass dem Gesetzgeber hierbei nicht das Bild eines modernen Kindergartens, wie es in § 22 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gezeichnet wird, vor Augen stand. Tageseinrichtungen für Kinder haben danach einen Förderauftrag. Dieser umfasst nach § 22 Abs. 3 SGB VIII Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Werden dem Kind im Rahmen einer so verstandenen Betreuung und Erziehung beim Basteln und Werken, beim gemeinsamen Singen und Musizieren, beim Einüben eines fremdsprachigen Weihnachts- oder Kinderliedes oder beim Ballspiel erste handwerkliche, musische, sprachliche oder sportliche Fähigkeiten, also frühkindliche Bildung, vermittelt, dann steht dies einer Berücksichtigung der geleisteten Aufwendungen nach § 4f Satz 1 EStG nicht entgegen, unabhängig davon, ob es sich bei den genannten Fähigkeiten um allgemeine oder besondere im Sinne des Satzes 3 des § 4f EStG handeln sollte. Denn die Vermittlung besonderer Fähigkeiten steht hier nicht im Vordergrund, sondern ist unselbständiger Bestandteil der Betreuung. Danach werden von § 4f Satz 1 EStG insbesondere Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes in Kindergärten, Kitas und ähnlichen Einrichtungen begünstigt (so schon BFH-Urteil vom 6. November 1997 III R 27/91 , BFHE 184, 493 , BStBl II 1998, 187, zu § 33c EStG a.F.). Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht (gleicher Auffassung z.B. Hey, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 2001 ; Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4f EStG Rz 10; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4f EStG Rz B 27).

11  c) Nach § 4f Satz 3 EStG nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen demnach nur vor, wenn, wie die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele des Musikunterrichts oder des Computerkurses zeigen (BTDrucks 16/643, S. 9), die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die —behütende— Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rückt.

12  2. Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht die angegriffene Entscheidung. Nach der auf tatsächlichem Gebiet liegenden und damit grundsätzlich bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO ) Würdigung des FG hinsichtlich Konzeption und praktischer Verwirklichung des deutsch-französischen Kindergartenprojekts haben die deutschen Erzieherinnen und die französischen Sprachassistentinnen die Kinder des Klägers in den deutsch-französischen Gruppen partnerschaftlich betreut und beim Spielen, Singen und ähnlichen kindergartentypischen Aktivitäten neben der damit einhergehenden Erlernung erster französischer Wörter und Sätze sicherlich auch zur Verbesserung der noch ausbaufähigen Kenntnisse der deutschen Sprache beigetragen. Die kindergartentypische Betreuung der Kinder stand hierbei jedoch im Vordergrund. Darin lag auch der Hauptzweck des Einsatzes der französischen Sprachassistentinnen. Diese sollten den Kindern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den deutschen Erzieherinnen eine bilinguale und interkulturelle Erziehung ermöglichen. Das FG hat zusätzlich in für den Senat bindender Weise festgestellt, dass der Kläger —abgesehen vom spielerischen Spracherwerb— gerade auch das Ziel einer allgemein besseren Betreuung durch Einsatz eines zusätzlichen Betreuers verfolgt hat. Kosten, die aufgewandt werden, um in den Genuss eines günstigeren Betreuungsschlüssels zu kommen, werden aber unproblematisch von § 4f Satz 1 EStG erfasst. Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für eine solche Betreuung und Erziehung seiner Kinder tätigt, unterfallen dem Anwendungsbereich des § 4f Satz 1 EStG . Dass die Zahlungen nicht an die Stadt A als Kindergartenträger, sondern an deren Kooperationspartner, den Verein, geleistet wurden, ist unschädlich.

Bedrohung eines Vorgesetzen ist fristloser Kündigungsgrund

Bedrohung eines Vorgesetzen ist fristloser Kündigungsgrund

Kernfrage

Eine fristlose Kündigung langjährig beschäftigter Arbeitnehmer ist schwierig. In der Regel rechtfertigt die lange Betriebszugehörigkeit eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers mit der Folge, dass bei Bestehen eines Kündigungsgrundes lediglich eine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich ist. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hatte nunmehr darüber zu befinden, ob und unter welchen Voraussetzung eine Bedrohung dieses Kriterium erfüllt.

Sachverhalt

Der Kläger war 25 Jahre beim Arbeitgeber als Straßenbauer beschäftigt. Während der Arbeit bedrohte er, obwohl bereits einmal einschlägig abgemahnt, einen Vorgesetzten mit den Worten: „Ich hau Dir in die Fresse, ich nehme es in Kauf, gekündigt zu werden, der kriegt von mir eine Schönheitsoperation, wenn ich dann die Kündigung kriege, ist mir das egal.“ Darauf sprach der Arbeitgeber, eine Kommune, die fristlose Kündigung aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Die gegenüber dem Vorgesetzten ausgesprochene Bedrohung erfülle den strafrechtliche Tatbestand der Bedrohung. Eine (weitere) Abmahnung sei nicht mehr erforderlich gewesen; entscheidend sei die Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestands. Hinzu komme, dass der Kläger nicht habe beweisen können, zuvor massiv provoziert worden zu sein.

Konsequenz

Auch wenn es das Gericht durch die bereits bestehende einschlägige Abmahnung im konkreten Fall vergleichsweise einfach hatte, zeigt die Entscheidung, dass eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung weiterhin die Erfüllung eines Straftatbestands durch den Arbeitnehmer voraussetzt.

Brennpunkt – Facebook im Arbeitsrecht

Brennpunkt – Facebook im Arbeitsrecht

Kernfrage

Soziale Netzwerke sind aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Allerdings stellen diese Netzwerke keinen rechtfreien Raum dar. Beleidigungen und ehrverletzende Äußerungen in sozialen Netzwerken sind schnell geschrieben, wirken aber nach. Gerade im Arbeitsrecht stellen solche Äußerungen zunehmend den Ausgangspunkt für Rechtsstreiten dar, die in der Regel darüber geführt werden, ob Äußerungen bei Facebook zur Kündigung führen können. 2 jüngere, nur Tage auseinanderliegende Entscheidungen des Arbeitsgerichts Duisburg einerseits und des Landesarbeitsgerichts Hamm andererseits zeigen, wie unterschiedlich die Gericht mit Facebook umgehen bzw. wie unklar die Rahmenbedingungen noch sind.

Sachverhalte

In dem vom Arbeitsgericht Duisburg zu entscheidenden Fall wurde der Kläger, der eine Vielzahl von Kollegen als Facebook-Freunde hatte, von Kollegen beim Arbeitgeber zu Unrecht denunziert. Diese Kollegen bezeichnete er auf seiner Facebook-Seite ohne namentliche Nennung als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. In dem beim Landesarbeitsgericht Hamm anhängigen Fall trug ein 26jähriger Auszubildender in einem Medienunternehmen auf seinem Facebook-Profil unter der Rubrik „Arbeitgeber“ Folgendes ein: „Menschenschinder und Ausbeuter, Leibeigener Bochum, daemliche Scheiße fuer Mindestlohn -20 %“. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis fristlos.

Entscheidungen

Das Arbeitsgericht Duisburg hielt die Kündigung im ersten Fall für unwirksam. Zur Begründung führte es an, die Beleidigungen „Speckrolle“ und „Klugscheißer“ seien im Affekt vor dem Hintergrund der falschen Denunziation erfolgt. Zudem habe der Kläger keinen Kollegen namentlich genannt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hielt die fristlose Kündigung des Auszubildenden im zweiten Fall auch ohne vorherige Abmahnung für zulässig. Da die Äußerungen einer Vielzahl von Personen im Internet zugänglich gewesen seien, habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass diese keine Auswirkungen auf das Ausbildungsverhältnis haben würden. Auch die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stünden einer fristlosen Kündigung nicht entgegen, da der 26jährige Kläger seine Äußerungen ausreichend hätte reflektieren können.

Konsequenz

Die Entscheidungen zeigen, wie unterschiedlich die Rechtsprechung noch mit sozialen Netzwerken umgeht. Fest steht insoweit lediglich, dass Äußerungen in solchen Netzwerken über Äußerungen im Kollegenkreis hinaus gehen, weil sie einer Vielzahl von außenstehenden Personen zugänglich sind. Deshalb sind grobe Beleidigungen auch geeignet, Kündigungen – auch fristlose – zu rechtfertigen.

Steuerneutrale Generationennachfolge bei Personengesellschaften

Steuerneutrale Generationennachfolge bei Personengesellschaften

Kernproblem

Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Mitunternehmeranteil steuerneutral auf ein Kind übertragen, wenn er neben dem Gesellschaftsanteil auch die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens mit überträgt. Ebenfalls steht es dem Gesellschafter frei, die Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens bei einer Personengesellschaft steuerneutral in das Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft zu übertragen. Streitig war bislang, ob die unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils auf die nachfolgende Generation auch dann steuerneutral möglich ist, wenn vorher bzw. zeitgleich wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens ihrerseits steuerneutral übertragen wurden.

Sachverhalt

Der Vater war alleiniger Kommanditist einer Spedition in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gewesen und hatte der KG das in seinem Eigentum stehende Betriebsgrundstück, welches unzweifelhaft wesentliches Sonderbetriebsvermögen darstellte, vermietet. Im Oktober 2002 schenkte der Vater seiner Tochter zunächst 80 % seiner Anteile an der KG sowie die gesamten Anteile an der Komplementär-GmbH. Anschließend gründete der Vater eine zweite GmbH & Co. KG, auf die er dann im Dezember 2002 das Betriebsgrundstückstück übertrug. Zeitgleich wurden auch die restlichen KG-Anteile auf die Tochter übertragen. Nach Auffassung des Finanzamts konnte lediglich die Übertragung des Grundstücks steuerneutral erfolgen, nicht aber die Übertragungen an die Tochter. Hiergegen richtete sich die Klage der Spedition GmbH & Co. KG.

Entscheidung

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) sieht das Einkommensteuergesetz für alle vorgenommenen Übertragungen für sich genommen die Steuerneutralität vor. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung geht die Steuerneutralität auch nicht verloren, wenn mehrere Übertragungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden. Die anderslautende Verwaltungsanweisung, wonach die Ausgliederung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögen in eine anderes Betriebsvermögen bewirke, dass der Gesellschaftsanteil mit dem evtl. noch verbliebenen weiteren Sonderbetriebsvermögen nicht mehr zum Buchwert übertragen werden könne, sei abzulehnen.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil des BFH ist überraschend, aus Sicht der Steuerpflichtigen jedoch zu begrüßen, öffnet es doch weitere Möglichkeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Übertragung des Sonderbetriebsvermögen selbst nicht steuerneutral möglich ist (z. B. durch Entnahme ins Privatvermögen) oder das Sonderbetriebsvermögen veräußert wird. Hier hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, ob eine steuerneutrale Übertragung des Mitunternehmeranteils möglich ist.

Steuerfreie Veräußerung nach vorheriger Teilwertabschreibung

Steuerfreie Veräußerung nach vorheriger Teilwertabschreibung

Kernproblem

Ein bei einer Kapitalgesellschaft durch die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen entstehender Gewinn ist grundsätzlich zu 95 % steuerbefreit. Die Steuerbefreiung greift jedoch ausnahmsweise nicht, wenn und soweit die Beteiligung an der zu veräußernden Kapitalgesellschaft zuvor steuerwirksam abgeschrieben wurde. Die frühere Abschreibung wird somit bis zur Höhe des Veräußerungspreises de facto gewinnerhöhend berücksichtigt. Zur Vermeidung dieser steuerpflichtigen „Zuschreibung“ wurden in der Praxis diverse Gestaltungsmodelle diskutiert, von denen nunmehr eine einer erstmaligen finanzgerichtlichen Prüfung unterlag.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die im Streitjahr 2001 jeweils alleiniger Gesellschafter von 2 weiteren GmbHs (GmbH 1 und GmbH 2) war. Auf die Beteiligung an der GmbH 1 wurden in den Vorjahren insgesamt Abschreibungen von fast 17 Mio. EUR steuerwirksam vorgenommen. Mit Wirkung zum 31.12.2001 wurde GmbH 1 steuerneutral auf GmbH 2 verschmolzen. Anschließend veräußerte die Klägerin die Anteile an der übernehmenden GmbH 2. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung unter Hinweis auf das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) die Auffassung, dass in Höhe der früher vorgenommenen steuerwirksamen Abschreibung ein steuerpflichtige Hinzurechnung bei der Klägerin vorzunehmen sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte die GmbH Klage beim Finanzgericht (FG) Münster ein.

Entscheidung

Nach Auffassung der Richter ist die Klage begründet, so dass eine Hinzurechnung bei der Mutter-GmbH zu unterbleiben hat. Die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung sei durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Auch im Wege einer extensiven Auslegung sei keine andere Interpretation möglich. Vielmehr stände eine solcher Auslegung das Verbot der steuerverschärfenden Analogie entgegen.

Konsequenz

Das Urteil erging noch zum alten Umwandlungssteuergesetz, dass nur noch für Übertragungen, die vor dem 13.12.2006 erfolgt sind, gilt. Die Verschmelzung einer Verlustgesellschaft auf eine Schwestergesellschaft ist seitdem steuerlich deutlich nachteiliger, da Verlustvorträge der übertragenen Gesellschaft grundsätzlich untergehen. Entsprechende Gestaltungen dürften daher neuerdings an Attraktivität verloren haben. Auch ist das letzte Wort im Streitfall noch nicht gesprochen, da die Richter die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen haben.

Steuerfreie Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen

Steuerfreie Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen

Kernproblem

Überlässt der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser Wirtschaftsgüter zur Nutzung (z. B. Grundstücke), stellen die Wirtschaftsgüter regelmäßig Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft dar. Überträgt er diese Wirtschaftsgüter unentgeltlich und/oder gegen Gewährung von Gesellschafterrechten auf die Gesellschaft, so ist der Vorgang zwingend zu Buchwerten durchzuführen. Bei einer entgeltlichen Veräußerung hingegen sind die stillen Reserven vollumfänglich aufzudecken. Unklar war bislang, wie die teilentgeltliche Veräußerung, bei der das gezahlte Entgelt unterhalb des Verkehrswerts liegt, steuerlich zu beurteilen ist.

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr als Kommanditist zu 70 % an einer gewerblichen GmbH & Co. KG beteiligt. Das der GmbH & Co. KG vermietete bebaute Grundstück stellte unzweifelhaft Sonderbetriebsvermögen dar (Buchwert in der Sonderbilanz: ca. 1,0 Mio. EUR). Im Streitjahr übertrug der Kläger das Grundstück, das einen Verkehrswert von rund 1,5 Mio. EUR und somit stille Reserven von 0,5 Mio. EUR hatte, auf die GmbH & Co. KG. Diese übernahm im Gegenzug die auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeit von 0,3 Mio. EUR. Im Verhältnis zum Verkehrswert machte die übernommene Verbindlichkeit somit 20 % aus. Nach Auffassung des Finanzamts waren stille Reserven im Umfang von 20 % (0,1 Mio. EUR) in der Sonderbilanz des Klägers aufzudecken. Einspruch und Klage des Kommanditisten hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab schließlich doch dem Kläger Recht. Nach Auffassung der Richter ist bei der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen von einer Gewinnrealisierung abzusehen, wenn das Entgelt hinter dem Buchwert zurückbleibt. Eine anteilige Gewinnrealisierung komme nicht in Betracht. Auch sei eine steuerpflichtige Entnahme abzulehnen, da bei Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen das übertragene Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen der Personengesellschaft zu keinem Zeitpunkt verlasse.

Konsequenz

Die Entscheidung des BFH stellt eine konsequente Fortsetzung der jüngst angelegten Rechtsprechung des zuständigen Senats dar. Das Gericht widerspricht dabei explizit der Auffassung des im Dezember 2011 veröffentlichten BMF-Schreibens. Steuerpflichtige können somit zukünftig Wirtschaftsgüter ihres Sonderbetriebsvermögens auch bei teilentgeltlichen Rechtsgeschäften steuerneutral auf die Personengesellschaft übertragen, wenn und soweit das Entgelt unterhalb des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsguts liegt.

Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

Kernaussage

Führt das Verschweigen der Zahlungsunfähigkeit einer Aktiengesellschaft (AG) dazu, dass sich ein Anleger zum Erwerb objektiv wertloser Aktien entscheidet, kann eine sittenwidrige Schädigung vorliegen. Für eine Beteiligung an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bedarf es einer konkreten Feststellung der Kenntnis der Tatumstände. Eine Vermutung der Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, kommt nicht in Betracht.

Sachverhalt

Eine AG betrieb Anlagenberatung und -vermittlung, deren Gegenstand im Wesentlichen Aktien zweier Firmen waren, die im September 2000 in Insolvenz fielen. Dies führte zum umfassenden Wertverlust sämtlicher von der AG gehandelten Fremdaktien. Da sie mit den von ihr vermittelten Erwerbern der Fremdaktien eine Ankaufsverpflichtung vereinbart hatte, hätte die AG ca. 40 Mio. DM aufbringen müssen. Hierfür reichten die Mittel nicht aus, weshalb das Kapital erhöht und neue Aktien der AG verkauft wurden. Dieses „Geschäftsmodell“ hatte der Vorstandsvorsitzende initiiert. Im Oktober 2000 stellte die Bank Insolvenzantrag gegen die AG. Einer der Beklagten wurde im März 2001 nach seiner Tätigkeit als Angestellter in den Vorstand der AG berufen. Ein weiterer Beklagter war seit Mai 2000 Mitglied des Aufsichtsrats und zugleich Rechtsanwalt, weshalb er die AG im Insolvenzverfahren vertrat. Ein dritter Beklagten war der Steuerberater der AG und erstellte einen Bericht über die Prüfung der Vermögenslage, der zur Rücknahme des Insolvenzantrags führte. Der Kläger erwarb ab 2001 Aktien, die heute wertlos sind, weshalb er die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen will.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache zunächst an die Unterinstanz zurück und führte folgendes aus: Die Haftung des beklagten Vorstandsmitglieds aufgrund gemeinschaftlicher vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit dem Vorstandsvorsitzenden scheitere daran, dass das Untergericht keine Feststellungen zu den subjektiven Erfordernissen einer Teilnahme getroffen habe. Ebenso seien keine Feststellungen zur Kenntnis des beklagten Aufsichtsratsmitglieds getroffen worden. Denn eine Vermutung für die Kenntnis des Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, komme nicht in Betracht. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Haftung des beklagten Steuerberaters. Dieser dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass die ihm mitgeteilten Zahlen zutreffend seien, es sei denn, es seien Umstände ersichtlich, die gegen die Richtigkeit sprächen.

Konsequenz

Wird ein sittenwidriges Handeln als solches erkannt, ist ein sofortiges Handeln, wie ggf. die Amtsniederlegung, zur Vermeidung einer Haftung erforderlich.

Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Kernaussage

Unternehmern, die nicht nachweisen können, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, wird die Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich versagt. Allerdings wird dem Unternehmer Vertrauensschutz gewährt, wenn er die Steuerbefreiung aufgrund unrichtiger Angaben seines Abnehmers beansprucht hat und er dies bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte.

Sachverhalt

In der Praxis scheitert die Gewährung des Vertrauensschutzes regelmäßig daran, dass die Lieferanten nicht die geforderte Sorgfalt beachten. Hier erwartet die Rechtsprechung zumindest, dass alle vom Umsatzsteuergesetz (UStG) bzw. von der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) geforderten Belege vorhanden sind und geprüft wurden. So kann der Vertrauensschutz z. B. schon daran scheitern, dass auf der Rechnung der Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung fehlt. Die Finanzverwaltung ist in der Regel diesbezüglich noch restriktiver als die Rechtsprechung, so dass sich die Beteiligten häufig vor dem Finanzgericht (FG) wiedersehen.

Entscheidung

Das Niedersächsische FG hatte jetzt über den Vertrauensschutz für die Lieferung von 2 Kfz zu urteilen. Das erste Kfz wurde von einem Bevollmächtigten des Abnehmers abgeholt. Dieser bestätigte schriftlich, dies in einen anderen Mitgliedstaat zu bringen. Das Finanzamt versagte den Vertrauensschutz, da die Unterschrift unter der Bestätigung von der auf dem Ausweis des Bevollmächtigten abwich. Dem widersprach das FG, da es einen Vergleich der Unterschriften für überzogen hält. Das zweite Kfz wurde durch einen Spediteur transportiert. Gemäß dem als Nachweis dienenden CMR Frachtbrief war das Kfz nach Frankreich gelangt, nach der Rechnung jedoch nach Italien. Aufgrund dieses Widerspruches verwehrte das Finanzamt den Vertrauensschutz, das FG folgte dieser Auffassung.

Konsequenz

Die Entscheidung betrifft Fälle, die typisch für die Praxis sind. Zwar ergeht das Urteil zur Rechtslage bis zum 31.12.2011, es wird aber auch für die Neuregelung ab 2012 Bedeutung haben, deren zentrales Element die Gelangensbestätigung ist. Zum einen lässt das Bundesfinanzministerium (BMF) den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen gemäß der alten Rechtslage voraussichtlich noch bis zum 30.6.2013 zu. Zum anderen hat das BMF aktuell einen neuen Entwurf zur Änderung der UStDV vorgelegt, der neben der Gelangensbestätigung auch andere Nachweise, z. B. den CMR-Frachtbrief, zulässt. Der Ausgang des mittlerweile beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Rechtsstreits wird daher zu beachten sein.

Schulessen und Umsatzsteuer

Schulessen und Umsatzsteuer

Kernaussage

Schulessen soll gut und günstig sein. Es stößt daher allgemein auf Unverständnis, wenn hierfür Umsatzsteuer abzuführen ist.

Auffassung des Bundesfinanzministeriums

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat aktuell in einer Pressemitteilung in groben Zügen dargestellt, unter welchen Bedingungen Schulessen steuerfrei bzw. zum ermäßigten Steuersatz (7 %) an die Schüler abgegeben werden kann. Steuerfrei ist das Schulessen, wenn die Abgabe der Speisen und Getränke durch eine gemeinnützige Einrichtung erfolgt, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen ist. Ferner kommt eine Steuerbefreiung für Personen und Einrichtungen in Betracht, die überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke aufnehmen. Es ist nicht erforderlich, dass den Jugendlichen Unterkunft und volle Verpflegung gewährt wird. Unter diese Befreiung fallen auch Schulen, allerdings muss die Verpflegungsleistung durch den Schulträger erfolgen. Erfolgt die Lieferung der Speisen durch eine gemeinnützige Körperschaft im Rahmen ihres Zweckbetriebes, unterliegt dies dem ermäßigten Steuersatz. Als Beispiel führt das BMF hier die Grundversorgung der Schüler mit Essen durch gemeinnützige Mensa- bzw. Schulfördervereine an. Wird das Essen allerdings durch Dritte, z. B. Cateringunternehmen, bereitgestellt, kommt eine Steuerbefreiung nicht in Betracht. Der ermäßigte Steuersatz greift dann nur, wenn der Caterer lediglich Lebensmittel liefert.

Konsequenzen

Es ist ersichtlich, dass die Umsatzbesteuerung des Schulessens wesentlich davon abhängt, von wem es angeboten wird. Ein und dasselbe Schulessen kann je nach Konstellation steuerfrei sein bzw. der Umsatzsteuer zu 7 % oder 19 % unterliegen. Ursächlich hierfür ist das im Bereich der Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen unsystematische und komplexe Umsatzsteuergesetz (UStG). Insgesamt vermittelt die Pressemitteilung den Eindruck, dass Schulessen regelmäßig begünstigt ist. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt. Soweit die Bereitstellung des Schulessen z. B. von Caterern übernommen wird, dürfte dies angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) fast immer dem Regelsteuersatz (19 %) unterliegen. Den Verantwortlichen einer Schule, die das Schulessen organisieren, kann daher nur geraten werden sich hier steuerlich beraten zu lassen, um nicht letztendlich selbst für Fehler gerade stehen zu müssen.

Markt- und Flexibilitätsprämie nach dem EEG in der Umsatzsteuer

Markt- und Flexibilitätsprämie nach dem EEG in der Umsatzsteuer

Rechtslage

Zum 1.1.2012 wurde das EEG (Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien) neu gefasst. U. a. wurden die Markt- sowie die Flexibilitätsprämie eingeführt. Die Marktprämie wird Anlagenbetreibern gewährt, die ihren Strom direkt vermarkten. Der Strom wird dabei nicht an den Netzbetreiber veräußert, sondern an andere Abnehmer. Die Flexibilitätsprämie kann von Betreibern von Biogasanlagen neben der Marktprämie in Anspruch genommen werden. Mit der Prämie soll ein Anreiz geschaffen werden, zusätzliche Kapazitäten bereit zu stellen, die jedoch nicht permanent abgerufen werden. Ziel der Prämie ist es, flexibler auf die stark schwankende Nachfrage nach Strom reagieren zu können.

Neue Verwaltungsanweisung

Nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) handelt es sich sowohl bei der Markt- als auch bei der Flexibilitätsprämie um echte nicht steuerbare Zuschüsse.

Konsequenz

Durch das Schreiben des BMF wird nun klargestellt, dass die Prämien nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Dies war in der Finanzverwaltung bisher nicht ganz unumstritten. So hatte die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen noch zu Beginn des Jahres die Prämien als steuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite qualifiziert. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass das BMF eine Übergangsregelung gewährt. So wird für Stromlieferungen, die vor dem 1.1.2013 erfolgen, der Vorsteuerabzug gewährt, wenn die Prämien mit Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet werden.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin