Aufrechnung im Insolvenzverfahren

BFH ändert seine Rechtsprechung zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren

“Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oftmals nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu; sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung – InsO -). Das war nach der bisherigen, langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall – eine Aufrechnung also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt mit Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 diese bisher durch die dem Steuerrecht eigentümliche besondere Verknüpfung von Umsatzsteuerfestsetzung und Umsatzsteuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes – UStG -) gerechtfertigte Rechtsprechung aufgegeben: Eine Aufrechnung sei nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.

Im Streitfall wurde jedoch eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmers) ebenfalls in Insolvenz geraten, das von diesem geschuldete Leistungsentgelt also uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers darf das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen.

In einem weiteren Urteil vom gleichen Tag (VII R 44/10) hat der BFH erkannt, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteil vom 24. November 2011 V R 13/111 ) gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung gemäß § 16 UStG). Hier seien die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.”

BFH-Urteil vom 25.07.2012 – VII R 44/10
BFH-Urteil vom 25.07.2012 – VII R 29/11

Pressemitteilung Nr. 73 des Bundesfinanzhofs (BFH)

  1. Vgl. dazu: “Weitere Entscheidungen des BFH (14.12.2011)“.

Pokergewinne sind steuerpflichtig

“Das Finanzgericht Köln hat heute entschieden, dass die Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers der Einkommensteuer unterliegen.

In dem Verfahren (Az.: 12 K 1136/11) hat ein Flugkapitän geklagt, der seit vielen Jahren an Pokerturnieren teilnimmt und in den letzten Jahren Preisgelder im sechsstelligen Bereich erzielt hat. Diese hat das Finanzamt in dem angefochtenen Steuerbescheid als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert. Es steht auf dem Standpunkt, dass Gewinne aus Pokerspielen nur bei einem Hobbyspieler steuerfrei seien. Betreibe ein Steuerpflichtiger das Pokerspiel dagegen berufsmäßig, so erziele er sowohl mit seinen Spielgewinnen als auch mit seinen Fernseh- und Werbegeldern steuerpflichtige Einkünfte.

In der mündlichen Verhandlung stritten die Beteiligten insbesondere darum, ob beim Pokern das Glück oder das Geschick überwiegt. Der Vertreter der Finanzverwaltung verglich das Pokerspiel mit einer sportlichen Auseinandersetzung, bei der derjenige mit den besten analytischen und psychologischen Fähigkeiten gewinne. Demgegenüber sagte der Kläger: “Jeder kann ein Pokerturnier gewinnen. Gerade die großen Turniere werden immer wieder von Anfängern gewonnen. Letztendlich entscheidet das Kartenglück”.

Der 12. Senat des Finanzgerichts ließ sich von den Argumenten des Klägers nicht überzeugen. Er wies die Klage mit der Begründung ab, dass Gewinne eines Pokerspielers jedenfalls dann der Einkommensteuer unterliegen, wenn er regelmäßig über Jahre hinweg erfolgreich an namhaften, mit hohen Preisen dotierten Turnieren teilnimmt. Es komme für die Beurteilung der Steuerpflicht nicht darauf an, ob der Erfolg beim Pokerspiel für einen Durchschnittsspieler oder bezogen auf ein einzelnes Blatt auf Zufallsergebnissen beruhe. Maßgebend sei, ob der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit guten Erfolgsaussichten an renommierten Pokerturnieren teilnehmen könne und wiederholt Gewinne erziele.

Der 12. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten demnächst zugestellt und auf der Homepage des Finanzgerichts Köln (www.FG-Koeln.NRW.de) veröffentlicht werden.”

 

FG Köln Urteil vom 31.10.2012 – 12 K 1136/11

 

Pressemitteilung des Gerichts: Finanzgericht Köln

Geldwerter Vorteil bei Dienstwagen eines GmbH-Geschäftsführers

Geldwerter Vorteil bei Dienstwagen eines GmbH-Geschäftsführers

Kernaussage

Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der steuerlichen Einkunftsarten zufließen. Für die private Nutzung eines betrieblichen Pkw zu privaten Fahrten ist für jeden Monat 1 % des Bruttolistenpreises anzusetzen. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht sich dieser Wert um 0,03 % des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer.

Sachverhalt

Der Klägerin stand als Gesellschafter-Geschäftsführerin nach ihrem Anstellungsvertrag ein Firmen-Pkw zur Verfügung, welcher nur für Geschäftszwecke verwendet werden durfte; Privatfahrten waren nach dem Vertrag untersagt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines dienstlich überlassenen Pkws zu versteuern sei. Es wurde weder ein Fahrtenbuch geführt, noch wurde das Verbot der Nutzung des Pkws für Privatfahrten ernstlich überwacht. Damit, so das Finanzamt, gelte der aus der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitete Anscheinsbeweis, dass der überlassene Pkw auch für Privatfahrten genutzt werde. Gegen die Versteuerung des geldwerten Vorteils klagte die Klägerin und gewann vor dem Finanzgericht.

Entscheidung

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) greift der Anscheinsbeweis dann nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung ausdrücklich untersagt. Eine unbefugte Privatnutzung hat dagegen keinen Lohncharakter. Die aktuelle BFH-Rechtsprechung bezieht sich auf Angestellte, die mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund einer Missachtung des arbeitsvertraglichen Nutzungsverbots rechnen müssen. Da es im vorliegenden Fall an einer bewussten Überlassung des Dienstwagens für Privatfahrten an die Klägerin fehlte, wurde ihr auch kein Vorteil gewährt.

Konsequenz

Der geschilderte Fall ist mittlerweile beim BFH anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob die angewendete neuere BFH-Rechtsprechung auch für Gesellschafter-Geschäftsführer gilt, da in diesem Fall eine ernstliche (Selbst-)Kontrolle des Nutzungsverbots nicht möglich ist und die Wahrscheinlichkeit von arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund der Missachtung des Nutzungsverbots unwahrscheinlich ist.

GmbH-Geschäftsführer haftet dem Fiskus für Lohnsteuer

GmbH-Geschäftsführer haftet dem Fiskus für Lohnsteuer

Kernaussage

Die verbreitete Ansicht, dass eine GmbH nur mit ihrem eigenen Vermögen haftet und die Gesellschafter und Geschäftsführer nicht angegriffen werden können, ist leider so nicht richtig. Der Geschäftsführer einer GmbH vertritt diese kraft Gesetzes. Missachtet er bei Erledigung der Gesellschaftsangelegenheiten pflichtwidrig die ihm obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, haftet er der GmbH für den dadurch entstehenden Schaden persönlich. Ein wichtiger Fall ist z. B. die schuldhafte Verletzung der Pflicht, die Steuern der GmbH aus den verwalteten Mitteln zu entrichten. So muss die Lohnsteuer – als Fremdgeld – stets in voller Höhe beglichen werden, während hinsichtlich der übrigen Steuern lediglich der Grundsatz der verhältnismäßigen Tilgung zu beachten ist. Beachtet der Geschäftsführer dies nicht, droht ihm die persönliche Inanspruchnahme.

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die sich seit Oktober 2007 in einer schweren finanziellen Krise befand. Trotzdem hatte der Geschäftsführer die Gehälter der Arbeitnehmer für Oktober 2007 und Januar bis März 2008 ungekürzt ausgezahlt. Im Mai wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Daraufhin nahm das beklagte Finanzamt den Geschäftsführer wegen rückständiger Lohnsteuerverbindlichkeiten persönlich in Regress mit der Begründung, er habe die Gehälter lediglich gekürzt auszahlen dürfen und mit den restlichen Geldmitteln für die fristgerechte Entrichtung der Steuern sorgen müssen. Dies habe er grob fahrlässig versäumt. Der Geschäftsführer argumentierte, es habe sich in dem fraglichen Zeitraum nur um eine vorübergehende Zahlungsstockung gehandelt; mit seiner Klage gegen den Haftungsbescheid unterlag er vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter hatte der Geschäftsführer grob fahrlässig gehandelt, als er es unterließ, die Lohnsteuern fristgerecht an den Fiskus zu zahlen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können finanzielle Schwierigkeiten der GmbH den für die Abführung von Lohnsteuer verantwortlichen Geschäftsführer nicht ohne Weiteres entlasten. Er darf vielmehr, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen kann.

Konsequenz

Das Finanzgericht stellte klar, dass die Pflichtverletzung der nicht rechtzeitigen Tilgung einer Steuerschuld auch dann ursächlich für den eingetretenen Schaden des Fiskus sein kann, wenn der Geschäftsführer verspätet zahlt. Eine solche Ursächlichkeit liegt dann vor, wenn die verspätete Zahlung in einen Zeitraum fällt, in dem sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter angefochten werden kann.

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

Kernaussage

Die Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung erfordert ein Verschulden. Hierfür genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife der Gesellschaft; dieser Umstand wird zulasten des Geschäftsführers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Für den Nachweis hat der Geschäftsführer die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und für eine Organisation zu sorgen, die ihm jederzeit die erforderliche Übersicht ermöglicht.

Sachverhalt 

Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er behauptet, die GmbH sei bereits Ende 2003 überschuldet gewesen und verlangt vom Beklagten die Rückerstattung von Zahlungen, die im Jahr 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Der Kläger hatte schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.

Entscheidung 

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach dem Gesetz zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Der Geschäftsführer hat die Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens und nähere Überprüfungspflichten im Falle krisenhafter Anzeichen. Er hat die Vermutung der schuldhaften Verletzung dieser Pflichten zu widerlegen und die Gründe darzulegen, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife zu erkennen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm die Übersicht über die Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. Die Vorjahresbilanz und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen schließen eine Erkennbarkeit einer mögliche Überschuldung nicht von vornherein aus.

Konsequenz

Der BGH hat mit dem vorliegenden Urteil erneut klargestellt, in welch weitem Umfang der GmbH-Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung haftet. Zur Haftungsvermeidung sollte ein Geschäftsführer sowohl die Zahlungsfähigkeit als auch die gesamte Vermögenssituation der Gesellschaft kontinuierlich beobachten.

Rückwirkende Säumniszuschläge bei Scheinselbstständigkeit

Rückwirkende Säumniszuschläge bei Scheinselbstständigkeit

Kernaussage 

Die Tätigkeit eines freiberuflichen Kraftfahrers ohne eigenes Fahrzeug begründet in der Regel eine abhängige Beschäftigung und unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Hierzu entschied das Landessozialgericht Bayern kürzlich, dass für gegebenenfalls rückständige Beiträge zudem Säumniszuschläge zu zahlen sind. Denn ein Arbeitgeber kann unschwer erkennen, dass zwischen der Tätigkeit der angestellten Fahrer und der des Selbstständigen kein wesentlicher Unterschied besteht.

Sachverhalt 

Der Kläger betrieb eine Spedition und beschäftigte eigene Arbeitnehmer. Daneben hatte er von einem weiteren Kraftfahrer 4 Fernfahrten mit seinem Speditions-Lkw durchführen lassen. Der Kraftfahrer stellte seine Leistungen mit Umsatzsteuer in Rechnung. Er meldete bereits im Jahr 2008 ein Gewerbe des internationalen Transportunternehmens an. Für die von ihm durchgeführten Auftragsarbeiten leaste er zunächst einen Lkw, den er wegen schlechter Auftragslage zurückgab. Sodann erweiterte er die Gewerbeanmeldung um die Tätigkeit eines freiberuflichen Kraftfahrers ohne eigenes Fahrzeug. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei dem Kläger wurde die Tätigkeit des Kraftfahrers als sozialversicherungspflichtig qualifiziert. Gegen die Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung wandte sich der Kläger und verlor in allen Instanzen.

Entscheidung 

Nach Ansicht der Richter sprach für eine abhängige Beschäftigung, dass dem Kraftfahrer die wesentlichen Arbeitsmittel gestellt wurden, die Kosten der Arbeitsmittel sowie deren Unterhaltung und Wartung vom Kläger allein getragen wurden, die Routen vom Kläger vorgegeben waren und sich die Tätigkeit des Kraftfahrers von der Tätigkeit der angestellten Fahrer nicht wesentlich unterschied. Demgegenüber traten die Elemente, die für eine Selbstständigkeit des Kraftfahrers sprachen, im Rahmen der Gesamtabwägung zurück. Dies waren neben der fallweisen Tätigkeit, der Haftung für unrechtmäßiges Verhalten, das Fehlen der Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall auch die Anmeldung eines Transportgewerbes.

Konsequenz

In der Praxis werden häufig Selbstständige für weisungsgebundene Tätigkeiten ohne eigenständige Verantwortung oder Einsatz von eigenen Betriebsmitteln eingesetzt. Das vorliegende Urteil verdeutlicht erneut, dass richtigerweise ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt. Die Einordnung als Selbstständiger oder Arbeitnehmer ist somit sorgsam vorzunehmen, da der Arbeitgeber bei Scheinselbstständigen die Beiträge zur Sozialversicherung für die letzten 4 zurückliegenden Jahre zu zahlen hat. Dieses kann sogar zur Existenzbedrohung für den Arbeitgeber führen.

Haftung des Eigentümers nach der AO auch bzgl. grundstücksgleicher Rechte

Haftung des Eigentümers nach der AO auch bzgl. grundstücksgleicher Rechte

Kernaussage

Eine verschuldensunabhängige Ausfallhaftung des Eigentümers von Gegenständen für Steuern des Unternehmens kann sich bei einer wesentlichen Beteiligung ergeben, wenn diese Gegenstände dem Betrieb dienen. Dies legt die Abgabenordnung (AO) so fest. Haftungsgrund ist der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die Bereitstellung von Gegenständen für die Führung des Unternehmens leistet. Gegenstände sind auch Wirtschaftsgüter immaterieller Art, wie z. B. das Erbbaurecht. Die Haftung kann auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer Kommanditgesellschaft (KG) steht.

Sachverhalt 

Der Kläger und eine weitere Person waren zu je 50 % als Kommanditisten an einer GmbH & Co. KG und zugleich auch zu je 50 % an deren Komplementär-GmbH beteiligt. Diese wiederum hielt keine Kapitalbeteiligung an der GmbH & Co. KG. Die GmbH & Co. KG, deren Gesamthandvermögen nur aus einem Erbbaurecht bestand, überließ das Grundstück mit Gebäude pachtweise einer weiteren GmbH & Co. KG, an der der Kläger als Kommanditist auch zu 50 % beteiligt war. Im Januar 2002 wurde über das Vermögen dieser weiteren GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen rückständiger Umsatzsteuer für die Jahre 2000 und 2001 erließ das beklagte Finanzamt gegen den Kläger zwei Haftungsbescheide, beschränkt auf das Erbbaurecht am Grundstück. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Die Haftung des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen, die er diesem Unternehmen überlässt, erstreckt sich auch auf ein überlassenes Erbbaurecht, das dem Unternehmen als Betriebsgrundlage dient. Diese Haftung ist nicht nur auf körperliche Gegenstände beschränkt, sondern umfasst auch Rechte und Forderungen, obwohl nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nur körperliche Sachen von der Haftung erfasst werden. Eine Differenzierung ist aber dann nicht sachgerecht, wenn in immaterielles Vermögen vollstreckt werden kann. Denn in beiden Fällen wird dem Unternehmen ein Wirtschaftsgut überlassen, das die Aufnahme oder die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs ermöglicht und das einer Verwertung im Rahmen der Zwangsvollstreckung zugänglich ist. Die Haftung war vorliegend auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Erbbaurecht nicht dem Kläger, sondern der GmbH & Co. KG zustand, denn aufgrund der gesellschaftsrechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse war der Kläger jedenfalls wirtschaftlich Eigentümer.

Konsequenz

Die Haftung des Eigentümers ist sowohl zeitlich als auch gegenständlich beschränkt. Sie wird für die Dauer der wesentlichen Beteiligung und durch die Dauer begrenzt, für welche die Gegenstände dem Betrieb dienen. Zudem wird nur mit den Gegenständen gehaftet, die dem Unternehmen tatsächlich gedient haben.

Rechtsbehelfsbelehrung braucht nicht auf Einspruch per Mail hinweisen

Kernaussage 

Die Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheids ist nicht deshalb unrichtig, weil sie nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit hinweist, dass der Einspruch auch per E-Mail erhoben werden kann. Es gilt daher die normale einmonatige Einspruchsfrist und nicht die wegen unvollständiger Belehrung verlängerte Jahresfrist.

Sachverhalt 

Das Finanzamt hatte gegenüber der Antragstellerin einen Steuerabzug in Höhe eines gewissen Prozentsatzes der Vergütungen aus einem Grundstückskaufvertrag mit einer ausländischen Gesellschaft angesetzt. Der als Vordruck gestaltete Bescheid enthielt keinen Hinweis auf eine E-Mailadresse des Finanzamts und enthielt die Rechtsbelehrung, dass der Einspruch schriftlich beim Finanzamt einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären ist. Am 12.10.2011 ging der Bescheid zu. Nachdem über das Vermögen der ausländischen Verkäuferin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.4.2012 Einspruch gegen den Bescheid ein, der wegen Fristversäumnis zurückgewiesen wurde. Hiergegen richten sich die Klage und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Die Klägerin meint, die Einspruchsfrist sei noch nicht abgelaufen, da die Rechtsbehelfsbelehrung falsch sei, denn sie enthielte keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung per E-Mail. Der Aussetzungsantrag wurde abgelehnt.

Entscheidung 

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, wenn die gesetzlich vorgegebenen Angaben nicht vollständig bzw. unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich wiedergegeben sind, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit der Fristwahrung gefährdet erscheint. Enthält die Belehrung noch andere Angaben, müssen auch diese richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail wäre bereits problematisch, da diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Zudem wäre der Inhalt dieser Form, insbesondere ob die einfache E-Mail genügt, rechtlich zweifelhaft. Die erweiterte Form führt zudem zu einer überfrachteten Rechtsbehelfsbelehrung, die statt Klarheit Verwirrung schafft. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht Münster die Revision gegen das Urteil zugelassen.

Konsequenz 

Das niedersächsische Finanzgericht vertrat in einem anderen Fall die gegensätzliche Rechtsauffassung; das Verfahren ist bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH zu dieser Rechtsfrage entscheiden wird.

Verpflegungsmehraufwand bei Studium im Ausland

Verpflegungsmehraufwand bei Studium im Ausland

Kernproblem

Studenten macht es der Fiskus nicht einfach, die Studienkosten als Werbungskosten steuerlich geltend zu machen. Das gilt zumindest für ein Erststudium ohne vorherige Ausbildung, denn hier bleibt lediglich ein Sonderausgabenabzug, der allerdings ins Leere läuft, wenn nicht im gleichem Jahr positive Einkünfte erzielt werden. Besser haben es da Studenten, die ein Studium nach abgeschlossener Berufsausbildung oder ein Zweitstudium beginnen. Hier besteht die Möglichkeit, die Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten feststellen zu lassen, um eine Verrechnung mit späteren Einnahmen zu ermöglichen. Steht dem Abzug grundsätzlich nichts entgegen, kommt der steuerlichen Einordnung der Universität als regelmäßige Arbeitsstätte (wie bei einem Arbeitnehmer) besondere Bedeutung zu. Bei Vermeidung dieser Rechtsfolge lassen sich wesentlich mehr Aufwendungen als Reisekosten geltend machen. Das lohnt sich im Ausland wegen meist höherer Verpflegungspauschalen allemal.

Sachverhalt

Der nach einem Bachelor Studium zunächst angestellte Akademiker begann ein einjähriges Master Studium, das im Erstsemester einen Aufenthalt an einer Universität in Mexiko vorsah. Das Zweitsemester in Deutschland endete mit der erfolgreich abgeschlossenen Masterarbeit. Der Ledige war während des Aufenthalts in Mexiko bei seinen Eltern gemeldet und bezog nach seiner Rückkehr eine eigene Wohnung. Für die Zeit in Mexiko machte der Master of Science Verpflegungsmehraufwendungen für 144 Tage zu 36 EUR als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt sah die Studienkosten zwar grundsätzlich als abzugsfähig an, den Aufenthalt in Mexiko jedoch nicht als Auswärtstätigkeit, weil sich dort angesichts der Aufenthaltsdauer die regelmäßige Arbeitsstätte befunden habe. Nach erfolglosem Einspruch traf man sich vor dem Finanzgericht Köln wieder.

Entscheidung

Die Richter haben die ausländische Universität nicht als regelmäßige, sondern ständig wechselnde Arbeitsstätte angesehen und damit den Abzug ermöglicht. Der Ansatz der Verpflegungsmehraufwendungen sei gerechtfertigt, weil der Lebensmittelpunkt in der elterlichen Wohnung beibehalten worden sei und demzufolge eine ganztägige Abwesenheit vorgelegen habe. Das gelte auch dann, wenn außer der Wohnung am auswärtigen Einsatzort keine weitere Wohnung (außer bei den Eltern) unterhalten werde. Das Gericht unterstellte schon allein wegen der polizeilichen Meldung während des Auslandsaufenthalts und der Rückkehr zur Fortsetzung des Studiums eine ausreichende persönliche Bindung zur elterlichen Wohnung. Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung war der Abzug jedoch auf die ersten 3 Monate beschränkt.

Konsequenz

Das Urteil überrascht nicht mehr, nachdem der Bundesfinanzhof vor kurzem seine Rechtsprechung dahingehend geändert hat, dass auch bei einem herkömmlichen (auf mehrere Jahre angelegten) Vollzeitstudium die Universität keine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt.

Insolvente GbR: sind Gesellschafter noch prozessführungsbefugt?

Insolvente GbR: sind Gesellschafter noch prozessführungsbefugt?

Kernaussage

Unter Prozessführungsbefugnis versteht man die Befugnis, einen Prozess über das behauptete Recht im eigenen Namen führen zu können. Das ist z. B. gegeben, wenn der Anspruchsteller selbst Rechtsinhaber ist. Bei einer in Insolvenz befindlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann das schon einmal schwierig sein: Hier hat der Bundesgerichtshof jüngst entschieden, dass dann die von einem Gesellschafter gegen einen Gesellschaftsgläubiger erhobene Klage auf Feststellung, diesem nicht persönlich für eine Verbindlichkeit der GbR zu haften, unzulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger war seit mehreren Jahre Gesellschafter einer GbR, über deren Vermögen Anfang 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte hatte der GbR in der Vergangenheit mehrere Darlehen gewährt und forderte daraus ende 2009 vom Kläger als GbR-Gesellschafter eine Summe von rd. 21.000 EUR zurück. Der Kläger meint, er sei der GbR nicht wirksam beigetreten und hatte seine Beteiligung gekündigt. Er möchte gegenüber dem Beklagten gerichtlich festgestellt wissen, dass er aus den Darlehen nicht persönlich zur Zahlung verpflichtet ist. Sämtliche Instanzen hielten die Klage mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers für unzulässig.

Entscheidung

Nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GbR die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der GbR während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Von dieser Regelung gehen die Sperr- und die Ermächtigungswirkung aus. Aufgrund der Sperrwirkung können die Gläubiger nicht mehr gegen persönlich haftende Gesellschafter vorgehen und diese können nicht mehr befreiend an die Gläubiger der GbR leisten. Die Ermächtigungswirkung verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der GbR die treuhänderische Befugnis, die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter gebündelt einzuziehen. Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem GbR-Gläubiger gegen einen Gesellschafter verfolgte Haftungsklage ist demnach nicht zulässig. Deshalb muss umgekehrt aber auch die hier vom Kläger gegen den Beklagten als Gesellschaftsgläubiger erhobene, eine Haftung leugnende, Feststellungsklage unzulässig sein. Ganz allgemein ist zur Prozessführung über Forderungen, die die Gesellschafterhaftung betreffen, nur der Insolvenzverwalter befugt. Ebenso wie der Gesellschaftsgläubiger gehindert ist, den Gesellschafter in Regress zu nehmen, fehlt umgekehrt dem Gesellschafter die Befugnis, sich durch die Klage gegen einen Gesellschaftsgläubiger seiner Haftung zu erwehren.

Konsequenz

Hätte die hier erhobene Feststellungsklage Erfolg, stünde rechtskräftig fest, dass der Beklagte den Kläger nicht als GbR-Gesellschafter in Anspruch nehmen kann. Damit würde jedoch dem Insolvenzverwalter die ihm kraft der Ermächtigungswirkung vorbehaltene Einziehungs- und Prozessführung entzogen.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin