Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig?

Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig?

Rechtslage

Fristlose Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses sind nur dann zulässig, wenn einer der Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich ist bei der arbeitgeberseitigen Zumutbarkeitsprognose auch darauf abzustellen, wie sich der Arbeitnehmer künftig verhalten wird. Ist das Arbeitsverhältnis bereits beendet und befindet sich der Kläger in der Freistellung, fällt diese Zumutbarkeitsprognose regelmäßig gegen eine fristlose Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat nunmehr zu den Voraussetzungen entschieden, unter denen auch in der Freistellung eine fristlose Kündigung zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Kreditinstitut beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war durch Aufhebungsvertrag beendet. An seinem letzten Arbeitstag versandte der Kläger Unterlagen und Dokumente, die dem Bankgeheimnis unterlagen, an seine private Email-Adresse. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber in der Freistellungsphase und kündigte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, er habe die Unterlagen und Dokumente nicht an Dritte weitergeben wollen, unterlag aber vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht sah den Verstoß gegen das Bankgeheimnis als solch gravierende Pflichtverletzung arbeitsvertraglicher Pflichten an, dass es eine firstlose Kündigung in der Freistellung für zulässig erachtete. Zwar sei nicht damit zu rechnen, dass sich die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung wiederhole, die Schwere des Vertrauensbruchs, die mit einer Straftat zu Lasten des Arbeitgebers vergleichbar sei, ermögliche hier aber eine fristlose Beendigung des nicht mehr in Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnisses.

Konsequenz

Dem Grunde nach ist auch in der Freistellungsphase eines beendeten Arbeitsverhältnisses eine fristlose Kündigung (noch) möglich. Allerdings wird der Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers eine Schwere haben müssen, die mit einer nicht nur geringfügigen Straftat gegen den Arbeitgeber gleichzusetzen ist.

Semestergebühren sind als Mehraufwendungen abziehbar

Semestergebühren sind als Mehraufwendungen abziehbar

Kernproblem

Die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld sind im Einkommensteuergesetz geregelt. Ob den Eltern Kindergeld zusteht, entscheidet jedoch nicht das Finanzamt, sondern die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (bei Angehörigen im öffentlichen Dienst der Arbeitgeber). Zur Entscheidungsfindung bedienen sich die Familienkassen der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs. Wollen die Eltern zu ihren Gunsten von einer dort zitierten Verwaltungsauffassung abweichen, erfordert es meist den Gang vor ein Gericht, um sich sein Recht zu erkämpfen. So erging es auch einem Vater, dem die Familienkasse wegen des Überschreitens der Einkunftsgrenze das Kindergeld verwehrte. Alles hing an der Behandlung der Semestergebühren von ca. 240 EUR.

Sachverhalt

Der Vater begehrte für seinen studierenden Sohn Kindergeld. Die Familienkasse lehnte dies ab, weil die vom Sohn erzielten Einkünfte den unschädlichen Betrag von 7.680 EUR um etwa 136 EUR überschritten. Dabei ließ die Familienkasse die vom Sohn bezahlten Semestergebühren mit Hinweis auf die Dienstanweisung nicht zum Abzug zu, weil die Aufwendungen kein ausbildungsbedingter Mehrbedarf seien, sondern Mischkosten. Der in den Gebühren enthaltene Anteil für ein Semesterticket sei durch die bereits berücksichtigte Entfernungspauschale abgegolten, während der enthaltene Beitrag des Studentenwerks Sozialaufwand darstelle. Der Vater bekam zunächst vor dem Finanzgericht Recht, doch die Familienkasse zog mit dem Fall bis vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung

Der BFH teilte ebenfalls die Ansicht des Klägers und lehnte die Anwendung der Verwaltungsauffassung, die lediglich einen Abzug für getrennt ausgewiesene Einzelpositionen der Semestergebühr zulässt, ab. So stellten die Gebühren nach Auffassung des Senats insgesamt ausbildungsbedingte Mehraufwendungen dar, weil der Studierende diese Gebühren zwingend entrichten müsse, wenn er ein Studium aufnehmen oder fortsetzen wolle. Da der Student auch nicht frei über den Erwerb von mit der Semestergebühr entgoltenen Leistungen entscheiden könne, liege auch keine schädliche private Mitveranlassung vor. Zudem stehe dem Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr enthaltenes Semesterticket auch nicht die abgeltungswirkende Berücksichtigung der Entfernungspauschale entgegen, weil die Aufwendungen nicht durch die Fahrten zwischen Wohnung und Universität veranlasst seien.

Konsequenz

Die Entscheidung ist nicht mehr von allzu großer Tragweite, weil die Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen ab dem Jahr 2012 nicht mehr von der Höhe eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes abhängig ist.

Umzug in Etappen: Wie weit geht die berufliche Veranlassung?

Umzug in Etappen: Wie weit geht die berufliche Veranlassung?

Kernproblem

Der Abzug von Umzugskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass private Gründe eine untergeordnete Rolle spielen. Arbeitsplatzwechsel oder eine erhebliche Zeitersparnis für die Fahrten zur Arbeit (lt. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: etwa 1 Stunde täglich) sind typische Anzeichen für eine berufliche Veranlassung. Bei einem Umzug in Etappen – zunächst in eine „Zwischenlösung“ und später in die endgültige Bleibe – stellt sich die Frage, ob der zweite Umzug privat oder auch noch beruflich veranlasst ist.

Sachverhalt

Ein Mathematiker lebte ursprünglich mit seiner Familie zusammen und zog beruflich veranlasst alleine an den über 130 km entfernt liegenden Arbeitsort. An den Wochenenden kehrte er zunächst regelmäßig zu seiner Familie zurück und begründete einen doppelten Haushalt. Im darauffolgenden Jahr übernahm er über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren Aufgaben im Ausland. Die Zweitwohnung wurde beibehalten. Weil es mit der Ehefrau zum Zerwürfnis kam, lebte er mit ihr innerhalb der Familienwohnung getrennt, nutze jedoch später überwiegend die Zweitwohnung. Nach Scheidung und Rückkehr des Mathematikers ins Inland mietete er eine neue Wohnung in Arbeitgebernähe an. In der früheren Familienwohnung, die nach Scheidung der Ehefrau zugesprochen wurde, befanden sich noch persönliche Sachen, für deren Transport Umzugskosten von 2.700 EUR anfielen. Den begehrten Werbungskostenabzug hierfür lehnte das Finanzamt wegen privater Veranlassung ab, so dass der Fall durch Klage beim Finanzgericht Köln anhängig wurde.

Entscheidung

Das Gericht ist zu der Entscheidung gelangt, dass der erste Umzug in das Einzugsgebiet des Arbeitgebers unstreitig beruflich veranlasst war. Hiermit ende jedoch auch der berufliche Zusammenhang. Bei einem Umzug in Etappen sei der zweite Umzug regelmäßig privat veranlasst. Eine daneben in Betracht kommende Berücksichtigung der Kosten aus einer Beendigung der doppelten Haushaltsführung scheide im Streitfall aus, weil der doppelte Haushalt bereits viel früher (spätestens nach der Scheidung) beendet war.

Konsequenz

Im rechtskräftig gewordenen Urteil konnte das Finanzgericht wohl schlecht zu einem anderen Ergebnis kommen. Wesentlich kulanter beurteilt der Bundesfinanzhof die Rechtslage bei dem beruflich veranlassten Umzug eines Ehegatten und späterer Familienzusammenführung. In solchen Fällen hat er im letzten Jahr sogar doppelte Mietaufwendungen als Umzugskosten anerkannt, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag (der Familie) und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag (der Familie), längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen

Besuchsfahrten sind nicht immer außergewöhnliche Belastungen

Besuchsfahrten sind nicht immer außergewöhnliche Belastungen

Kernproblem

Aufwendungen des nicht sorgeberechtigten Elternteils für den Umgang mit seinem Kind hat der Gesetzgeber üblicherweise den typischen Aufwendungen der Lebensführung zugeordnet, die durch Kinderfreibetrag oder das Kindergeld abgegolten sind. Ob Aufwendungen für die Besuchsfahrten zu einem bei der Mutter lebenden Kind auch außergewöhnliche Belastungen darstellen können, wollte ein Vater beim Finanzgericht austesten. Sein Argument: Bezieher von Hartz-IV-Leistungen bekommen die notwendigen Kosten solcher Besuchsfahrten zum Teil finanziert.

Sachverhalt

Ein in Rheinland-Pfalz lebender Vater beantragte den Abzug außergewöhnlicher Belastungen für monatlich durchgeführte Besuchsfahrten zu der bei der Mutter in Norddeutschland lebenden Tochter. So waren Aufwendungen von fast 8.700 EUR angefallen, deren Berücksichtigung das Finanzamt jedoch ablehnte. Vor dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz berief sich der Vater auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, denn während mittellose Väter staatliche Unterstützung von fast 3.600 EUR bekämen, würde Vätern mit Einkommen ein Steuerabzug versagt. Ob ihm hierbei ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz auch auf steuerlicher Seite beistand? Dieses hatte nämlich entschieden, dass der Träger der Grundsicherung die Umgangskosten eines Vaters übernehmen müsse, dessen Kind seinen Wohnsitz in den USA habe.

Entscheidung

Das FG lehnte den Antrag ab und beließ es bei der Abgeltungswirkung durch den Familienleistungsausgleich. Die Entscheidung des Gesetzgebers liege im Rahmen des gesetzgeberischen Regelungsspielraums. Wegen unterschiedlicher Sachverhalte könne auch keine Ungleichbehandlung daraus hergeleitet werden, dass einem Bezieher von Hartz-IV-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch das LSG Rheinland-Pfalz ein Sonderbedarf für seine in den USA lebende Tochter zugestanden worden sei. Damit sieht sich das FG auch durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestärkt; denn dieser habe dem Gesetzgeber bereits in vergleichbaren Fällen zugestanden, im Bereich des subjektiven Nettoprinzips generalisierende und pauschalierende Regelungen treffen zu dürfen, ohne wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.

Konsequenz

Die Verfolgung weiterer Rechtsmittel erscheint aussichtslos, weil das Bundesverfassungsgericht die in diesem Zusammenhang eingelegten Verfassungsbeschwerden bisher nicht zur Entscheidung angenommen hat. Der Vater hat dennoch Beschwerde gegen die vom Finanzgericht nicht zugelassene Revision beim BFH eingelegt.

Alleinerziehende: Anspruch auf Entlastungsbetrag bis zur Eheschließung

Alleinerziehende: Anspruch auf Entlastungsbetrag bis zur Eheschließung

Kernproblem

„Echte“ allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag von 1.308 EUR im Kalenderjahr bei Ermittlung ihrer Einkommensteuer abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das der Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Das Gesetz setzt voraus, dass keine Haushaltsgemeinschaft mit anderen volljährigen Personen besteht, außer wenn diese noch selbst als „steuerliches Kind“ gelten. Die Prüfung der Haushaltsgemeinschaft führt häufig zum Streit mit dem Finanzamt, denn nicht nur der Lebensgefährte im Haushalt führt zur Versagung des Freibetrags, sondern auch Oma, Opa oder ältere Geschwister (nur bei Pflegebedürftigkeit hat das Finanzamt ein Einsehen). Zudem wird vorausgesetzt, dass der Splittingtarif nicht zur Anwendung kommen kann. Genau hierum ging es bei einem Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Sachverhalt

Eine zu Beginn des Jahres 2004 „echte“ allein stehende Mutter heiratete im November und zog zu Beginn des darauffolgenden Jahres mit ihrem Ehemann zusammen. Die Voraussetzungen für den Erhalt des Entlastungsbetrags lagen bis zur Heirat unstreitig vor. Zudem wählte die Mutter im Jahr 2004 die Möglichkeit der besonderen Veranlagung, so dass sie wie eine Unverheiratete zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Weil die Mutter jedoch auch die Ehegattenbesteuerung und damit die Anwendung des Splittingtarifs hätte wählen können, verweigerte das Finanzamt die Anerkennung des Entlastungsbetrags für das gesamte Streitjahr 2004. Die Mutter dagegen sah wegen der gewählten Veranlagungsart die Voraussetzungen für das gesamte Jahr als erfüllt an, zumindest aber für 11 Monate bis November. Eine nicht leichte Entscheidung des Finanzgerichts stand bevor.

Entscheidung

Das Gericht hat der Mutter den Entlastungsbetrag zumindest zeitanteilig für 11 Monate zugestanden. Die Richter wollten sich jedoch nicht dazu durchringen, auch für den Dezember die geforderte Entlastung zu gewähren, weil ihrer Auffassung nach ab dem Folgemonat nach dem Heiratstermin eine zeitanteilige Gewährung nicht mehr möglich sei. Für den Fall der besonderen Veranlagung sehe das Gesetz keine Sonderregelung im Hinblick auf die Gewährung des Entlastungsbetrags vor. Wegen der Monatsbetrachtung dürfe aber auch keine Versagung für das ganze Jahr erfolgen.

Konsequenz

Weil die Mutter ihr Ziel fast erreicht hat, ist es nicht verwunderlich, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist. Durch Wegfall der besonderen Veranlagung ab 2012 ist es auch fraglich, ob der Zusammenhang mit dem Entlastungsbetrag noch einmal höchstrichterlich geklärt wird. In der Fachliteratur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass sich besondere Veranlagung und der Entlastungsbetrag nicht ausschließen.

Erbschaft nach einem Elternteil ist kein kindergeldrechtlicher Bezug

Erbschaft nach einem Elternteil ist kein kindergeldrechtlicher Bezug

Kernproblem

Der Bezug von Kindergeld setzt nach der bis einschließlich zum Jahr 2011 geltenden Gesetzesfassung voraus, dass das Kind über nicht mehr als 8.004 EUR Einkünfte oder Bezüge im Kalenderjahr verfügt. Während sich der Begriff der Einkünfte an den 7 Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) orientiert, kann streitig sein, ob anrechenbare Bezüge vorliegen. Nach der Definition sind Bezüge alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden (z. B. ein Teil der steuerfreien Einnahmen). Eine Anrechnung setzt jedoch voraus, dass die Bezüge zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Ob eine Erbschaft hierzu gehört, musste der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entscheiden.

Sachverhalt

Ein Vater kämpfte mit der Familienkasse um das Kindergeld seiner in Ausbildung befindlichen Söhne, die den Tod der Mutter zu verkraften hatten. Diese hinterließ den Kindern als Miterben Eigentumswohnungen, Girokonten, Sparbücher, Aktiendepots und Lebensversicherungen. Nachdem die Familienkasse Aktien und Wertpapiere als anrechenbar gewertet hatte, musste das Kindergeld wegen Überschreitens der Einkunftsgrenze zurückgezahlt werden. An dieser Auffassung zweifelte bereits das Finanzgericht, zumal in der eigenen Dienstanweisung der Familienkassen geschrieben steht, dass gesetzliche und auch freiwillig geleistete Unterhaltsleistungen der Eltern ohne Einfluss auf die Kindergeldberechtigung bleiben. Dennoch zog man bis zum BFH.

Entscheidung

Die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt nach Auffassung des BFH nicht zu einem Bezug des Kindes. Allein Zuflüsse „von außen“ seien anzusetzen, sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind. Im Erbfall nach einem Elternteil liege kein Zufluss von dritter Seite vor. Dieses Ergebnis vermeide zudem rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten könnten, wenn der Nachlass keine bzw. geringe liquide Mittel enthielte. Ansonsten müsse geprüft werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen oder ob die Verpflichtung bestehe, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten.

Konsequenz

Wegen einer Änderung der Vorschriften zum Kindergeld und Kinderfreibetrag durch das Steuervereinfachungsgesetz kommt es ab dem Jahr 2012 nicht mehr auf die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes an.

Erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung von zusammenlebenden Geschwistern und Lebenspartnern?

Erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung von zusammenlebenden Geschwistern und Lebenspartnern?

Rechtslage

Nahe Angehörige fallen erbschaftsteuerlich in die Steuerklasse I. Damit verbunden sind nicht nur vergleichsweise hohe persönliche Freibeträge, sondern auch günstigere Steuersätze. In den Anwendungsbereich der Steuerklasse I fallen aber nur die engsten Familienangehörigen (in der Regel (Stief-)Kinder, Ehegatten, Enkel, ggfls. Eltern). Der Anwendungsbereich entspricht also dem verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Ehe, wobei gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gleichgestellt sind. Entferntere nahe Angehörige fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich der Steuerklasse I. Das Finanzgericht (FG) Köln hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies bei Geschwistern anders sein könne, wenn diese zusammen leben.

Sachverhalt

Die Kläger hatten ihr gesamtes Leben gemeinsam mit dem Erblasser, ihrem Bruder, zusammen „unter einem Dach“ gelebt; beide hatten sich wechselseitig zu Erben eingesetzt. Nach dem Tode des Erblassers wurden die Kläger in Steuerklasse II zur Erbschaftsteuer herangezogen. Hiergegen richtet sich ihre Klage mit der Begründung, ihr geschwisterliches Lebenskonzept weiche nicht von dem einer Ehe oder Lebenspartnerschaft, die auf gegenseitige Versorgung gerichtet sei, ab, so dass sie nach Steuerklasse I der Erbschaftsteuer unterworfen werden müsse.

Entscheidung

Das Finanzgericht Köln wies die Klage ab. Die erbschaftsteuerliche Ungleichbehandlung von Geschwistern im Vergleich zu Ehen oder Lebenspartnerschaften sei gerechtfertigt. Dies gelte auch, wenn die Geschwister in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gelebt hätten. Diesen seltenen Ausnahmefall habe der Gesetzgeber nicht gesondert regeln müssen. Vielmehr sei es dem Gesetzgeber gestattet gewesen, typisierend die Steuerklassen festzulegen und Geschwister erbschaftschaftsteuerlich anders zu behandeln als Personen, die zur verfassungsrechtlich geschützten Kleinfamilie gehören. Ungeachtet dessen ist die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen worden, weil Bestandteil des Rechtsstreites auch war, inwieweit die Geschwister trotz des in 2009 erfolgten Erbfalls in den Genuss der günstigeren Steuersätze gelangen könnten, die seit dem 1.1.2010 gelten.

Konsequenz

Bedeutung erlangt die Entscheidung wegen des zur Revision zugelassenen Teils. Das FG Köln sieht es als zulässig an, dass es nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform am 1.1.2009 für Erbfälle des Jahres 2009 (Eingangssteuersatz = 30 %) und Erbfälle ab dem 1.1.2010 (Eingangssteuersatz = 15 %) 2 unterschiedliche Steuersatzsysteme für Erwerbe in der Steuerklasse II gab, lässt aber insoweit die Überprüfung zu.

Doppelter Haushalt: Wohnen am Beschäftigungsort trotz Strecke 141 km?

Doppelter Haushalt: Wohnen am Beschäftigungsort trotz Strecke 141 km?

Kernproblem

Aufwendungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung sind als Werbungskosten abzugsfähig. Eine zum Abzug berechtigende doppelte Haushaltsführung liegt nach dem Gesetz nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch „am Beschäftigungsort“ wohnt. Aber was heißt Beschäftigungsort? Innerhalb der politischen Gemeinde, auch das Einzugsgebiet und in welchem Umfang? Bei einer Entfernung von 141 km dürften sich Zweifel ergeben. Umso mehr überrascht ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf.

Sachverhalt

Die als kaufmännische Angestellte tätige Ehefrau hatte bereits seit dem Jahr 2000 einen beruflich veranlassten doppelten Haushalt am Beschäftigungsort begründet. Die Zweitwohnung wurde auch beibehalten, nachdem der Arbeitgeber seinen Firmensitz 2007 in eine andere Großstadt verlegt hatte. In dem darauffolgenden Streitjahr 2008 betrug die Entfernung vom Arbeitsort zum regelmäßig am Wochenende aufgesuchten Familienhaushalt 267 km. Von der jetzt 141 km vom Arbeitsort entfernt liegenden Zweitwohnung pendelte die Ehefrau dank schneller und komfortabler Zugverbindung täglich zum Arbeitgeber (Zeitaufwand mit dem ICE ca. 1 Stunde, ohne Zeiten von „Tür zu Tür“). Das Finanzamt ging bei dieser Entfernung nicht mehr von einem Wohnen am Beschäftigungsort aus und stützte seine Auffassung auf einen früheren Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hatte sich zwar grundsätzlich zu einer großzügigen Auslegung entschlossen, aber im damaligen Fall eine Entfernung von 62 km als zu weit angesehen. Das versprach vor dem Finanzgericht nichts Gutes.

Entscheidung

Das FG hat trotz der großen Entfernung und des Auseinanderfallens von Zweitwohnung und Arbeitsstätte in verschiedenen Großstadtgemeinden ein Wohnen „am Beschäftigungsort“ angenommen und die Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung zum Abzug zugelassen. Die Richter führten aus, dass es im Zeitalter steigender Mobilitätsanforderungen durchaus üblich sei, dass ein Arbeitnehmer größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kauf nehme, wenn die Arbeitsstätte mit dem ICE verkehrsgünstig zu erreichen sei. Positiv trug auch der Umstand bei, dass die Entfernung dadurch mitverursacht sei, dass der Arbeitgeber seinen Firmensitz vom Ort der Zweitwohnung wegverlegt habe.

Konsequenz

Ob es bei dem Ergebnis bleibt, muss abgewartet werden, denn die Revision beim BFH ist bereits anhängig. Vergleichbare Fälle sollten durch Einspruch offen gehalten werden.

Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosem Bewerber kann diskriminierend sein

Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosem Bewerber kann diskriminierend sein

Kernfrage

Diskriminierend abgelehnte Bewerber haben gegen den diskriminierenden Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG und den zugrunde liegenden Europäischen Diskriminierungs-Schutz-Richtlinien). Allerdings ist es für einen angelehnten Bewerber oft schwer, dem Arbeitgeber die Diskriminierung nachzuweisen. Meist fehlen ihm die für eine hinreichende Substantiierung seines Vortrags erforderlichen Informationen. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer genügend Indizien für eine Diskriminierung vorträgt; der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast für deren Nichtvorliegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob abgelehnte Bewerber einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber haben; ein kodifizierter Anspruch fehlt nämlich im Gesetz. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat daraufhin seine Rechtsansicht im Verfahren geäußert.

Sachverhalt

Die aus Russland stammende Klägerin hatte sich zweimal auf eine identische Stellenanzeige bei einem deutschen Arbeitgeber beworben. Sie war beide Male nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden, ohne dass die Ablehnung begründet wurde. Zwar fehlte ihr ein deutscher Studienabschluss; allerdings war ihr russischer Abschluss einem deutschen gleichgestellt. Daraufhin klagte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber ein (Diskriminierung wegen Abstammung, Geschlecht und Alter) und machte gleichzeitig Auskunftsansprüche geltend, mit denen sie Aufklärung über die eingestellten Personen und deren Qualifikation verlangte. Das BAG legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob abgelehnte Bewerber bei Nichtberücksichtigung einen Auskunftsanspruch haben, ob und wenn ja, welcher Bewerber eingestellt wurde. Ferner sollte bei Bejahung der ersten Frage geklärt werden, ob die Nichterteilung der Auskunft ein hinreichendes Indiz einer Diskriminierung sei?

Die Auffassung des Generalanwalts

Der Generalanwalt sieht keinen generellen Auskunftsanspruch; und zwar selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer darlegen kann, selber die Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle zu erfüllen. Ein kodifizierter Anspruch fehle insoweit. Allerdings könne die Nichterteilung der Information in verschiedenen Fallgestaltungen bereits für sich genommen ein hinreichendes Indiz für eine Diskriminierung sein. Dies sei aber Wertungsfrage des jeweiligen Gerichts. Dieses solle bei der Bewertung, ob eine Informationsverweigerung ein hinreichendes Indiz darstelle, mit berücksichtigen, ob der Bewerber die erforderliche Qualifikation besaß und ob er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Ferner sei zu berücksichtigen, ob (wie im Falle der Klägerin) eine zweite Bewerbungsrunde durchgeführt worden sei, in der der Bewerber wieder nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.

Konsequenz

Die Auffassung des Generalanwalts zeigt die Reichweite der Beweislastregelungen im Diskriminierungsschutz. Es bedarf dann nicht eines selbstständigen Auskunftsanspruchs, wenn bereits die Nichtbegründung der Ablehnung ausreicht, um den Entschädigungsanspruch darzulegen und den Arbeitgeber zum Gegenbeweis zu verpflichten. Die Auskunftserteilung erfolgt dann im Entschädigungsprozess. Sollte sich der EuGH dieser Auffassung anschließen, droht eine Klagewelle, wenn Arbeitgeber ihre Ablehnung nicht begründen.

Übernommene Pflegekosten einer Tante als außergewöhnliche Belastungen nach vorweggenommener Erbfolge

Übernommene Pflegekosten einer Tante als außergewöhnliche Belastungen nach vorweggenommener Erbfolge

Kernproblem

Werden Kosten für die Unterbringung eines bedürftigen Familienangehörigen in einem Altenheim übernommen, liegen typische Unterhaltsaufwendungen vor, die als außergewöhnliche Belastungen mit bis zu 8.004 EUR (ggf. unter Berücksichtigung eigener Einkünfte der unterstützten Person) abzugsfähig sind. Dagegen begründen die Kosten wegen ständiger Pflegebedürftigkeit außergewöhnliche Belastungen, die unter Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung abzugsfähig sind. Das gilt auch für einen unterhaltsverpflichteten Dritten, der die Aufwendungen übernimmt. Daneben können auch aus sittlicher Verpflichtung heraus Aufwendungen erwachsen, z. B. wenn der Neffe die Aufwendungen der Tante trägt. So war es auch in einem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall. Hier bestand aber die Besonderheit, dass sich die Tante mittelbar selbst in die Lage gebracht hatte, auf die Unterstützung des Neffen angewiesen zu sein.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte der Neffe von seiner damals 77-jährigen Tante ein Mietwohngrundstück in vorweggenommener Erbfolge übertragen bekommen. Die Tante behielt jedoch den Nießbrauch an dem Objekt und konnte mit den Mieteinnahmen zunächst ihren Unterhalt aufbringen. Viele Jahre später, als die Tante auf die 90 zuging, machte der Neffe Kosten für die Heimunterbringung seiner Tante als außergewöhnliche Belastung geltend. Diese war mittlerweile pflegebedürftig und konnte aus den Mieteinnahmen die Pflegekosten nicht mehr decken. Hierzu hatten auch Mietrückstände und Reparaturen beigetragen. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen ab, weil das Nießbrauchsrecht der Tante der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entgegenstehe. Zudem habe der Neffe die Unterstützungsbedürftigkeit seiner Tante dadurch adäquat mitverursacht, dass er sich deren Vermögen zuvor habe übertragen lassen.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Neffen Recht und sah die Kostenübernahme der Heimunterbringung als zwangsläufig an, weil die Einkünfte der Tante aus dem Vorbehaltsnießbrauch nicht ausreichend gewesen seien. Dem habe weder der geringe Wert des Nießbrauchsrecht entgegen gestanden, noch die vorherige Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Anders als das Finanzamt waren die Richter der Auffassung, dass die Unterstützungsbedürftigkeit in erster Linie auf die eingetretene Pflegebedürftigkeit der Tante sowie den Rückgang der Mieterträge zurückzuführen war, und nicht auf ein kausal mitverursachtes Verhalten des Neffen durch Annahme der Grundstücksübertragung.

Konsequenz

Das Urteil ist rechtskräftig geworden und gibt Anlass für zulässige steuerliche Gestaltungen, in denen aber außerhalb des Steuerrechts liegende persönliche Überlegungen nicht unberücksichtigt bleiben sollten.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin