Rechtsprechungsänderung zum Ausfall eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab im Juli dieses Jahres seine langjährige Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung ausgefallener eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen auf (Urteil v. 11.07.2017, IX R 36/15). Der Begriff der Anschaffungskosten einer Beteiligung i. S. d. § 17 EStG wurde bis dato vor dem Hintergrund der §§ 32a, 32b GmbHG a. F. normspezifisch ausgelegt. Infolgedessen führten Aufwendungen bzw. Verluste aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen regelmäßig zu nachträglichen Anschaffungskosten. Mit Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2008 sei, so der BFH, die gesetzliche Grundlage für die bis dahin gängige normspezifische Auslegung entfallen. Nachträgliche Anschaffungskosten seien daher nur nach der Maßgabe des Anschaffungskostenbegriffs nach § 255 HGB anzuerkennen. Der Deutsche Steuerberaterverband gibt einen Überblick, was in der Praxis beachtet werden sollte:

Was soll künftig gelten?

Nach den Ausführungen des BFH führen Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen, wie beispielsweise der Ausfall eines vormals „krisenbedingten“, „krisenbestimmten“ oder „in der Krise stehen gelassenen“ Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung, grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der Beteiligung. Grundsätzlich sollen nur noch offene oder verdeckte Einlagen nachträgliche Anschaffungskosten begründen.

Etwas anderes könne sich nach dem BFH aber ergeben, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund vertraglicher Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar sei. Dies könne bei einem Gesellschafterdarlehen der Fall sein, dessen Rückzahlung aufgrund getroffener Vereinbarungen im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliege wie die Rückzahlung von Eigenkapital. Dies sei bei der Vereinbarung eines Rangrücktritts i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG anzunehmen. Hier käme dem Darlehen auch bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zu.

Um das Abzugsvolumen in Fällen der Veräußerung nach § 17 EStG zu erhöhen, empfiehlt es sich demnach, Kapitalgesellschaften bei einer sich anbahnenden Krisensituation mit Eigenkapital statt mit Fremdkapital auszustatten.

Ab wann gelten die neuen Grundsätze?

Der BFH hat aus Vertrauensschutzgründen einen Anwendungszeitpunkt vorgegeben: Die neuen Grundsätze sollen erst nach Veröffentlichung des oben genannten Urteils, somit ab 28.09.2017, gelten. Bis dahin geleistete eigenkapitalersetzende oder eigenkapitalersetzend gewordene Finanzierungshilfen des Gesellschafters seien nach den bisherigen Grundsätzen zu beurteilen.

Die OFD Niedersachsen hat in diesem Zusammenhang eine Verfügung in Bezugnahme auf die Rechtsprechungsänderung des BFH erlassen (Verfügung vom 09.10.2017, S-2244 – 118 – St 244). Fälle, in denen nachträgliche Anschaffungskosten im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen der Veräußerungsgewinnermittlung geltend gemacht werden, seien nicht abschließend zu bearbeiten. Auf Ebene der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder seien noch Abstimmungen erforderlich, deren Ergebnisse abgewartet werden müssten.

Weitere Rechtsfragen ungeklärt: Barzuschüsse in Kapitalrücklage

Eigenkapital könnte beispielsweise durch Barzuschüsse in die Kapitalrücklage gebildet werden. Dadurch entstehen grundsätzlich nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts der hingegebenen Mittel.

Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Das FG Düsseldorf entschied im Falle einer „Gesellschaftereinlage in letzter Minute“: Falls eine Zuführung in die Kapitalrücklage wirtschaftlich betrachtet zur Ablösung einer gegenüber einer Bank gewährten Sicherheit diene, lägen jedenfalls dann keine nachträglichen Anschaffungskosten vor, wenn die abgelösten Finanzierungshilfen keinen eigenkapitalersetzenden Charakter hätten (FG Düsseldorf, Urteil v. 18.12.2014, 11 K 3614/13 E). Das Verfahren ist beim BFH anhängig (Az. IX R 6/15).

Der BFH hat nun das Bundesministerium der Finanzen aufgefordert, dem Verfahren beizutreten (BFH, Beschluss v. 11.10.2017, IX R 5/15). Es soll zu der Frage Stellung nehmen, ob Zuzahlungen, die ein Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind, in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen. Es ist zu klären, ob hierin ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO vorliegen könnte. Bis zur abschließenden Entscheidung des BFH sind zumindest Einlagen in letzter Minute nicht risikofrei.

 Quelle: DStV, Mitteilung vom 07.12.2017