Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines BMF-Schreibens zur Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 AO

Zu Abschnitt 2.1.2 und 2.1.5 – Aufzeichnungsumfang der Kundendaten

Abschnitt 2.1.2:„Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erfordern (…) nicht nur die Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners“.  

Abschnitt 2.1.5: „Branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten und Zumutbarkeitsgesichtspunkte sind zu berücksichtigen. Es wird z. B. nicht beanstandet, wenn in einem Einzelhandelsgeschäft oder einem vergleichbaren Dienstleistungsunternehmen mit hohem Anteil an Laufkundschaft die Mindestangaben zur Nachvollziehbarkeit des Geschäftsvorfalls (vgl. AEAO zu § 146, Nr. 2.1.3) einzeln aufgezeichnet werden, nicht jedoch die Kundendaten, da diese im Regelfall im typischen Einzelhandel nicht zur Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit des Geschäftsvorfalls benötigt werden“.

Es ist zu begrüßen, dass branchenübliche Aufzeichnungspflichten und Zumutbarkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden und bei Geschäften des täglichen Lebens der Name des Kunden weder beim Einsatz eines elektronischen Aufzeichnungssystems noch einer offenen Ladenkasse aufzuzeichnen ist. Damit wurde eine Forderung der Bundessteuerberaterkammer umgesetzt.

Nach unserer Auffassung sollte eine Anpassung der Formulierung vorgenommen werden, da die Begrifflichkeit „branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten“ sehr unbestimmt ist und nur ein Beispiel aus dem Einzelhandel gewählt wurde. Es sollte deutlich werden, dass die Kundendaten grundsätzlich nicht aufgezeichnet werden müssen, wenn sie nicht zur Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit des Geschäftsvorfalls und aufgrund anderer Vorschriften vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG (bei Rechnungen > 250,00 €) benötigt werden.

Zu Abschnitt 2.1.3 – Detailtiefe zur Aufzeichnung des einzelnen Geschäftsvorfalls – Vereinfachungsregelung und Zusammenfassung in Warengruppen

Jeder der ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, unterliegt nach dem Gesetzeswortlaut der Einzelaufzeichnungspflicht und muss jeden einzelnen Geschäftsvorfall einzeln und vollständig erfassen. Ausnahmen gelten grundsätzlich nur für offene Ladenkassen und für die Aufzeichnung der Kundendaten. Nach den Ausführungen im Entwurfsschreiben müssen folgende Daten bei jeder Aufzeichnung erfasst werden:

  • eindeutig bezeichnete Artikel,
  • endgültiger Einzelverkaufspreis,
  • dazugehöriger Umsatzsteuersatz und -betrag,
  • vereinbarte Preisminderung,
  • Zahlungsart,
  • Datum und Zeitpunkt des Umsatzes sowie
  • verkaufte Menge und Anzahl.

Gleichzeitig wurde hier folgende Nichtbeanstandungsregelung getroffen:

Werden der Art nach gleiche Waren mit demselben Einzelverkaufspreis in einer Warengruppe zusammengefasst, wird dies nicht beanstandet, sofern die verkaufte Menge bzw. Anzahl ersichtlich bleibt. Dies gilt entsprechend für Dienstleistungen.

Die Vereinfachung in Bezug auf die Zusammenfassung in einer Warengruppe, greift kaum, da nur Waren mit demselben Einzelverkaufspreis in einer Warengruppe zusammengefasst werden können. Das bedeutet nunmehr, dass die Erfassung in das Kassensystem sicherstellen muss, dass der eindeutig bezeichnete Artikel erfasst wird. Für Unternehmen, die aufgrund ihrer Systeme, der technischen Ausstattung und der Verknüpfung mit Warenwirtschaftssystemen ohne Probleme solche Einzelaufzeichnungen führen können, sind die Vorgaben ohne weiteres umsetzbar.

Diese Aufzeichnungspflicht ist aber für viele kleine Unternehmen unzumutbar und überbordend. Insbesondere ist es gerade für kleine Ladengeschäfte (z. B. Tante Emma-Laden, Bäcker, Fleischer etc.) und Kioske unzumutbar, die einzelnen Geschäftsvorfälle detailliert insbesondere mit ihrer eindeutigen Artikelbezeichnung aufzuzeichnen. Sie müssten anstelle von der bisherigen Aufzeichnung einiger weniger Warengruppen (z. B. Süßwaren 7 % und Getränke 19 %, Tabak 19%) zur Unterscheidung der Umsatzsteuersätze i. S. v. § 22 UStG immensen Aufwand betreiben und neue Warengruppen programmieren, um jede Ware mit ihrer eindeutigen Artikelbezeichnung zu erfassen. Massenhafte Neuanschaffungen, Umprogrammierungen und überschießender Bürokratieaufwand bei kleinen Ladengeschäften wären die Folge. Zumindest käme es zu einer insgesamt erheblichen zeitlichen Verzögerung des Verkaufsvorgangs. Künftig müsse beim Kassiervorgang z. B. unterschieden werden, ob der Kunde ein Kürbiskernbrötchen oder Mehrkornbrötchen kauft.

Es sollte auch bedacht werden, dass die Betriebe zukünftig aufgrund des überbordenden organisatorischen Aufwandes von der Nutzung einer Registrierkasse absehen könnten und auf offene Ladenkassen umschwenken. Dies sollte nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer auf jeden Fall verhindert werden.

Der BFH hat in seiner Rechtsprechung die Zumutbarkeitsregelung nicht auf offene Ladenkassen eingeschränkt und lässt sie auch bei elektronischen Kassen gelten. [1]Bisher ist davon ausgegangen worden, dass diese Unternehmen aufgrund der GoBD insbesondere wegen der Zumutbarkeitsregelung (beim Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung) von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit sind. Mit dem BMF-Schreiben und der Gesetzesänderung der Abgabenordnung durch das Kassengesetz kommen neue Anforderungen auf die Unternehmen zu, die bisher nicht galten.

Daher sollte in den geschilderten Fällen die Bezeichnung der Warenlieferung/sonstigen Leistungen durch die Bildung von Warengruppen ausreichend sein. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass hier eine einheitliche Regelung mit den Vorgaben für einen Kassenbeleg getroffen werden sollte (§ 6 Satz 1 Nr. 1 der KassenSichV). Eine Bildung von Warenobergruppen bzw. Oberbezeichnungen von Dienstleistungen muss möglich sein. Das BMF-Schreiben sollte ggf. Beispiele dazu aufnehmen. Unseres Erachtens gibt es in Österreich sinnvolle Abgrenzungen. Beispiele für handelsübliche Warenbezeichnungen kann man auf der Webseite des österreichischen BMF finden. [2]

Zu Abschnitt – 2.1.6 Aufzeichnung bei Ausfall des elektronischen Aufzeichnungssystems

Die Klarstellungen in diesem Abschnitt sind grundsätzlich zu begrüßen. Es sollte in jedem Fall geklärt werden, wie die „Aufzeichnungen auf Papier“ geführt werden müssen. Sinnvoll wäre ein Verweis auf die Ausführungen zur offenen Ladenkasse. Die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht sollte in diesen Fällen ebenfalls greifen.

Zu Abschnitt 2.2.1 – Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht wegen Unzumutbarkeit und technisch, betriebswirtschaftlicher und praktischer Unmöglichkeit

Um die o. g. Belastungen insbesondere für kleine Unternehmen abzumildern, sind die Ausführungen im Abschnitt 2.2.1 grundsätzlich geeignet. Hiernach greift die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht, wenn die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist.

Im Entwurfsschreiben heißt es weiter, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch den Steuerpflichtigen nachzuweisen ist. Bei dieser Formulierung ist die Rechtsunsicherheit sehr groß, da nicht klar ist, wie und wann der Nachweis zu erfolgen hat und unter welchen Umständen der Nachweis gelingen kann.

Die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht sollte daher aus Vereinfachungsgründen greifen, wenn bestimmte Umsatz- oder Gewinngrenzen nicht überschritten sind. Ein Verweis auf § 141 AO wäre denkbar.

Zu Abschnitt 2.2.2 – Ausnahmen gelten nur für offene Ladenkassen – Begrenzung der Ausnahme entspricht nicht dem Gesetz

Abschnitt 2.2.2: „Wird hingegen ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, gilt die Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig davon, ob das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen nach § 146a Abs. 3 AO i. V. m. der KassenSichV mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung zu schützen sind“.

Abschnitt 2.2.6: „Die Zumutbarkeitsüberlegungen, die der Ausnahmeregelung nach § 146 Abs. 1 Satz 3 AO zugrunde liegen, sind grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Es wird vor diesem Hintergrund nicht beanstandet, wenn diese Ausnahmeregelung auf Dienstleistungen angewendet wird, die an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung erbracht werden (vgl. AEAO zu § 146, Nr. 2.2.5) und kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird.“

Das Gesetz sieht nur dann Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht vor, wenn keine Aufzeichnungsgeräte i. S. d. § 146a AO verwendet werden und ein „Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung“ (§ 146 Abs. 1 Satz 3 und 4 AO) erfolgt. Da der § 146a AO erst ab dem Kalenderjahr 2020 anzuwenden ist, gilt die Einschränkung zurzeit noch nicht. Ab diesem Zeitpunkt gilt diese auch dann nur für Geräte im Sinne der KassenSichV (§ 146a Abs. 3 AO). Die Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht gelten daher nach dem Gesetzeswortlaut auch für Fahrscheinautomaten, Fahrscheindrucker, elektronische Buchhaltungsprogramme, Waren und Dienstleistungsautomaten, Geldautomaten, Taxameter und Wegstreckenzähler sowie Geld- und Warenspielgeräte.

Die Ausweitung der Einschränkungen entspricht daher nicht dem Gesetz.

Der Versuch mittels des Anwendungserlasses über das Gesetz hinaus Regelungen zu treffen, ist nicht geeignet Rechtsicherheit zu schaffen und ist daher abzulehnen.

Zu Abschnitt 2.2.6 – Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht nur beschränkt auf Dienstleistungen anwendbar

Die Zumutbarkeitsüberlegungen, die der Ausnahmeregelung nach § 146 Abs. 1

Satz 3 AO zugrunde liegen, sind grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Es wird vor diesem Hintergrund nicht beanstandet, wenn diese Ausnahmeregelung auf Dienstleistungen angewendet wird, die an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung erbracht werden (vgl. AEAO zu § 146, Nr. 2.2.5) und kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird. Hierbei muss der Geschäftsbetrieb auf eine Vielzahl von Kundenkontakten ausgerichtet und der Kundenkontakt des Dienstleisters und seiner Angestellten im Wesentlichen auf die Bestellung und den kurzen Bezahlvorgang beschränkt sein.

Einzelaufzeichnungen sind dagegen zu führen, wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht und der Kunde auf die Ausübung der Dienstleistung üblicherweise individuell Einfluss nehmen kann.

Vorab möchten wir Sie darauf hinweisen, dass zum Ende des Abschnittes ein Absatz (versehentlich) doppelt enthalten ist. Wir bitten dies zu korrigieren.

Wie von der Bundessteuerberaterkammer in Ihrer o. g. Eingabe angeregt, wird die Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht nunmehr auch auf vergleichbare Dienstleistungen ausgedehnt. Die Erweiterung der Erleichterung auf Dienstleistungen ist prinzipiell zu begrüßen.

In der Folge wird dies jedoch wieder eingeschränkt. Einzelaufzeichnungen sollen dann wieder zu führen sein, wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht und der Kunde auf die Ausübung der Dienstleistung üblicherweise individuell Einfluss nehmen kann.

Diese Anforderungen wären typischerweise bei einem Friseur, Kosmetiker, Masseur etc. erfüllt, denn der Kundenkontakt dauert so lange, wie er die Haare bzw. den Körper des Kunden behandelt und die individuelle Einflussnahme des Kunden ist in diesem Bereich auch gewährleistet.

Folgende Anregungen möchten wir in diesem Zusammenhang geben:

  • Es sollte klargestellt werden, dass die Erleichterungen aus Abschnitt 2.1.5 (keine Aufzeichnung von Kundendaten) unter den Voraussetzungen von Abschnitt 2.1.5 uneingeschränkt auch bei Dienstleistungen gelten – auch wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht. Andernfalls stünde Abschnitt 2.1.5 und 2.2.6 im Widerspruch.
  • Im Rahmen des Anwendungserlasses müsste zudem klargestellt werden, dass der Begriff des „ Verkaufes von Waren“ nicht identisch ist mit dem Begriff der „Lieferung“ des § 3 UStG. Insbesondere sollten zumindest auch die sonstige Leistung eines Imbissbetreibers oder Gastwirtes von den Erleichterungen umfasst werden, die eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren“ (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017, Az. X-B-16/17) aufweist.

Zu Abschnitt 3.4 – tägliche Aufzeichnung von Kasseneinnahmen- und Ausgaben

Es sollte eine Klarstellung vorgenommen werden, dass sog. „Vertrauenskassen“ (Kassen ohne Verkaufspersonal) nicht täglich, sondern grundsätzlich erst bei der Leerung auszuzählen sind. Es handelt sich hier um Kassen auf Feldern (z. B. Blumen zum selber Schneiden, Kohl oder Kartoffeln zur Selbstentnahme, technisch einfache Milchautomaten). Derartige Kassen werden i. d. R. nicht täglich geleert, da es sich um Einnahmen von untergeordneter Bedeutung handelt. Der betriebsgewöhnliche Geschäftsablauf bestimmt die Frequenz der Kassenleerung, z. B. werden die Geldbehältnisse nur ein- bis zweimal pro Woche ausgeleert. Der BFH führte im Urteil vom 20. März 2017, BStBl. 2017, S. 992 zur bisherigen Fassung der Abgabenordnung aus, dass die tägliche Erfassung bei verschlossenen Behältern nicht notwendig sei, aber regelmäßig bei Ausleerung zu erfolgen habe. Soweit dies der zutreffende gewöhnliche Betriebsablauf für Kassen ohne Verkaufspersonal ist, sollte dies sachlich und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden sein. Dies gilt auch aus Gründen der Zumutbarkeit und zur Verminderung von Bürokratielasten für den Steuerpflichtigen.

Zu Abschnitt 3.5 – umsatzsteuerliche Aufzeichnungspflichten

In dem „Merkblatt zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung der OFD Niedersachsen für Angehörige der steuerberatenden Berufe“ wird erläutert, dass in der Regel eine Einzelaufzeichnung bei Warenverkauf mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen erforderlich ist (auch bei offener Ladenkasse und Verkauf von Waren an eine Vielzahl von unbekannten Personen). Dies ergibt sich aus § 22 UStG.

Im Anwendungserlass sollten Ausführungen aufgenommen werden, unter welchen Voraussetzungen bei Umsätzen mit verschiedenen Umsatzsteuersätzen eine summarische Aufzeichnung der Tageseinnahmen möglich ist. Ferner sollte auf die Möglichkeit des Antrags nach § 63 Abs. 4 UStDV hingewiesen werden.