Steuervermeidung: BEPS in aller Munde – Sind deutsche KMU betroffen?

Im Jahre 2012 baten die G20-Regierungschefs die OECD um Vorschläge, wie der Steuervermeidung durch „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) entgegen gewirkt werden kann. Ausschlaggebend war die anhaltende Debatte um Steuervermeidungsstrategien multinational tätiger Konzerne. Im Oktober dieses Jahres stellte die OECD die finalen Abschlussberichte zum Aktionsplan gegen BEPS vor. Den Regierungschefs der G20 wurde der Bericht bei Ihrem Jahrestreffen am 15./16. November vorgelegt und von ihnen gebilligt. Damit ist das Thema in Deutschland angekommen und wird seitdem intensiv erörtert.

In Berlin fanden kürzlich gleich zwei Veranstaltungen zu dem Thema BEPS und deren aktueller Entwicklung statt. So wurde ein Symposium am 27.11.2015 im Bundesministerium der Finanzen (BMF) sowie am 30.11.2015 ein Symposium des DWS-Instituts veranstaltet.

Noch nie zuvor gab es in der internationalen Steuerpolitik eine derart enge Verständigung über internationale Besteuerungsstandards. Die Verbindlichkeit der erarbeiteten Ergebnisse reichen von (verbindlichen) „Mindeststandards“ über eine „gemeinsame steuerpolitische Gesamtausrichtung“ hin zu bloßen „best-practice“-Empfehlungen.

Deutlich ist, der Aktionsplan gegen BEPS hat nicht nur Auswirkungen für Großkonzerne. Auch für kleinere- und mittelständische Unternehmen (KMU) kann der Aktionsplan überraschende Neuerungen bringen.

Absenkung der Betriebsstätten-Schwelle

Die Kriterien für die Begründung einer Betriebsstätte sollen sinken, um derzeitige Gestaltungsmöglichkeiten zu minimieren. Diese Neuerung bei der Definition der Betriebsstätte, mit der zwar vornehmlich mögliche steuervermeidende Gestaltungen verhindert werden sollen, kann zu einer unerwarteten Begründung einer Betriebsstätte führen. Auch KMUs können hier betroffen sein.

Durch die Anpassung des Betriebsstättenbegriffs soll unter anderem vermieden werden, dass durch die Wahl geschickt formulierter Vertragsgestaltungen das Entstehen einer Betriebsstätte umgangen werden kann.

Eine Neuerung betrifft sog. Vertreterbetriebsstätten. Es ist derzeit möglich, Waren mittels Kommissionären – die in eigenem Namen für Rechnung des beauftragenden Unternehmens arbeiten – in einem Land zu verkaufen, ohne dass das Unternehmen dadurch eine Betriebsstätte in diesem Land begründet. Eine Änderung des Betriebsstättenbegriffs wird wie folgt angedacht:

Wenn eine Person in einem Vertragsstaat im Auftrag des Unternehmens gewöhnlich Verträge schließt oder gewöhnlich die wesentliche Rolle zum Abschluss von Verträgen innehat, die dann regelmäßig ohne materielle Änderungen vom Unternehmen geschlossen werden, und die Verträge

  • im Namen des Unternehmens geschlossen werden oder
  • den Austausch von Waren oder Nutzungsrechten des Unternehmens oder
  • Dienstleistungen des Unternehmens zum Inhalt haben,

soll grundsätzlich eine Betriebsstätte begründet werden.

So können nun auch Geschäfte erfasst werden, die der Kommissionär in eigenem Namen schließt. Bisherige Gestaltungsmöglichkeiten werden somit deutlich eingeschränkt. Bestehende Vertriebsverträge sollten daher überprüft werden, um sicher zu gehen, dass eine Betriebsstätte nicht unerkannt bleibt.

Als weiteres Schlupfloch zur Steuervermeidung wird darüber hinaus der derzeit normierte Katalog ausgemacht, der die für eine Begründung einer Betriebsstätte unschädlichen Tätigkeiten beinhaltet. Dieser umfasst zum Beispiel Einrichtungen, die zur Lagerung oder Auslieferung von Gütern benutzt werden. Künftig soll der Katalog insofern eine Einschränkung erfahren, als dass die Ausnahmen für die Begründung einer Betriebsstätte nur vorliegen, wenn es sich um eine vorbereitende oder um eine Hilfstätigkeit handelt. Insbesondere für KMUs in Grenznähe, die regelmäßig Warenlager im Ausland unterhalten, gilt hier zu prüfen, ob es sich bei den Einrichtungen um solche handelt, die nur vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausüben. Das Risiko, eine Betriebsstätte zu begründen, steigt durch die Einschränkung zumindest deutlich an.

Die geplante Regelung zur Betriebsstätte versucht außerdem Gestaltungen im Bereich der Bauausführung und Montage entgegenzuwirken. Bislang begründen Bauausführungen oder Montagen nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer länger als zwölf Monate beträgt. Durch die künstliche Aufspaltung der Leistungen in Verträge mit kürzeren Laufzeiten und der Verteilung der Aufträge auf verbundene Unternehmen kam es zu unerwünschter Steuergestaltung. Es ist angedacht, hier künftig einen sog. Principal Purpose Test (PPT) durchzuführen. Der Test verbietet im Ergebnis dann einen steuerlichen Vorteil aus einem Doppelbesteuerungsabkommen, wenn vertretbare Gründe dafür vorliegen, dass die Vereinbarung bzw. Durchführung nur um dieses Vorteils willen durchgeführt wurde. Außerdem soll eine Klarstellung dahingehend erfolgen, dass in die Berechnung der Zwölf-Monats-Frist Zeiten unterschiedlicher Verträge addiert werden, wenn dies der tatsächlichen Sachlage entspricht. Daher wäre es künftig geboten, bestehende Verträge im Bereich der Bauausführung und Montage genau zu überprüfen. Insbesondere bei mehreren Verträgen für das gleiche Projekt besteht das Risiko für die Begründung einer Betriebsstätte.

Zur Umsetzung dieses Aktionspunkts mit sämtlichen Änderungen, was die Begründung einer Betriebsstätte betrifft, bedarf es grundsätzlich der Änderung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, soll ein sog. Multilateraler Vertrag erarbeitet werden, der bestehende Doppelbesteuerungsabkommen „überschreibt“ bzw. ergänzt. Ein konkreter Entwurf eines solchen Abkommens soll Ende 2016 vorliegen. Die USA zählen derzeit nicht zu den 90 Nationen, die an der Entwicklung des Multilateralen Vertrags mitwirken. Wie sich dieser Umstand auswirkt, bleibt abzuwarten.

Country-by-Country Reporting

In der öffentlichen Diskussion um BEPS steht als Abwehrmaßnahme maßgeblich das Country-by-Country Reporting im Fokus. Diese Maßnahme geht eng mit der Verrechnungspreisdokumentation multinational tätiger Unternehmen einher. Es ist vorgesehen, dass bestimmte standardisierte Konzernstammdaten, detaillierte landesspezifische Dokumentationen sowie ein Country-by-Country-Report (CbCR) übermittelt werden müssen. Konkret sind im CbCR beispielsweise Umsatz, Vorsteuerergebnis, gezahlte Steuern oder die Aufstellung der Geschäftstätigkeiten aller Geschäftseinheiten zu übermitteln. Daraus soll unter anderem eine Aufstellung der globalen Verteilung der Erträge und Steuern für die Finanzverwaltung ersichtlich werden. Wenngleich die Maßnahme nicht zu den erarbeiteten Mindeststandards zählt, haben sich alle OECD- und G20-Länder verpflichtet, diese Maßnahme umzusetzen. Allerdings ist der CbCR nur von Unternehmen mit einem jährlichen Konzernumsatz von mehr als 750 Mio. Euro zu erstellen. Somit sollten KMUs von diesen Überlegungen nicht betroffen sein.

Oftmals kritisiert wird aber die parallele Bestrebung seitens der EU, ein Country-by-Country Reporting für Unternehmen einzuführen, die mehr als 500 Mitarbeiter auf konsolidierter Basis beschäftigen und am Bilanzstichtag

  • entweder eine Bilanzsumme von höchstens 86 Mio. Euro oder
  • einen Nettoumsatz von höchstens 100 Mio. Euro auf konsolidierter Basis aufweisen.

Kritisch werden diese Überlegungen insbesondere deshalb gesehen, weil der Datenaustausch sich nicht auf die Übermittlung zwischen den Finanzbehörden beschränkt, sondern auch eine Veröffentlichung bestimmter Daten vorgesehen ist. Allerdings dürften KMUs angesichts der Größenmerkmale auch von der Umsetzung dieser Maßnahmen nicht betroffen sein.

Neue Offenlegungsregelungen zur Anzeige von Steuergestaltung

Im Rahmen der Maßnahmen gegen BEPS ist auch die Einführung von Offenlegungsregelungen für internationale Steuergestaltung vorgesehen. Diese Maßnahme ist zunächst seitens der OECD und der G 20 nur als „best-practice“-Empfehlung beschlossen worden. Aber unabhängig davon sind auch national solche Überlegungen immer wieder im Gespräch – wie beispielsweise im BMF-Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 2008 zur Einführung eines § 138a AO sowie eine Initiative des Bundesrats im Mai 2014. Die BEPS-Empfehlungen können dazu führen, dass entsprechende Überlegungen wieder an Fahrt aufnehmen. Länder wie beispielsweise Großbritannien, Irland oder die USA haben bereits heute entsprechende Regelungen.

Ziel solcher Regelungen ist in erster Linie die frühzeitige Information der Finanzverwaltung über modellhafte internationale Steuergestaltungen. Die zwar legalen, aber oftmals unerwünschten Gestaltungen könnten so seitens der Finanzverwaltung identifiziert und gesetzgeberische Maßnahmen angeregt werden. Etwaige Erhebungsdefizite, die auf nicht abgestimmten Steuerrechtsordnungen fußen, könnten vermieden werden. Die Herausforderung an den Gesetzgeber dürfte hier unter anderem darin bestehen, eine notwendige Normenklarheit festzulegen. Es besteht hier grundsätzlich ein Spannungsverhältnis zwischen Bestimmtheit der Norm und ihrer Effektivität. Je nach Ausgestaltung der Maßnahme könnte sich für KMUs der Beratungsaufwand erhöhen.

Anhand der beispielhaften Ausführungen wird deutlich, dass die Maßnahmen gegen BEPS nicht nur unternehmerische Global Player betreffen, sondern auch durchaus Auswirkungen auf KMUs haben können. Grundsätzlich sind die Bestrebungen der Bekämpfung von BEPS jedoch zu begrüßen. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, welche Maßnahmen gegen BEPS umgesetzt werden und in welcher konkreten Form sie Eingang ins Gesetz finden. Davon hängt es letztlich entscheidend ab, ob und inwiefern der Beratungsaufwand auch für KMUs zunimmt.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 07.12.2015