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Teilnahme an Betriebsveranstaltung als steuerpflichtiger Lohn

In zwei neuen Entscheidungen (Urteile vom 16.05.2013 VI R 94/10 und VI R 7/11) hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zu der Frage fortentwickelt, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen bei Arbeitnehmern zu einem steuerbaren Lohnzufluss führt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Zuwendungen eines Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung erst bei Überschreiten einer Freigrenze (von 110 Euro/Person) als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren. Der Wert der den Arbeitnehmern zugewandten Leistungen kann anhand der Kosten geschätzt werden, die der Arbeitgeber dafür seinerseits aufgewendet hat. Diese Kosten sind grundsätzlich zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen (s. BFH-Urteil vom 12.12.2012 VI R 79/10, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; PM vom 20.02.2013 Nr. 11/13).

2. Eine weitere Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslohn ist in diesen Fällen, dass die Teilnehmer durch die Leistungen objektiv bereichert sind. Dies hat der BFH nun durch Urteil vom 16.05.2013 (VI R 94/10) entschieden und seine bisher gegenteilige Rechtsprechung geändert. Zu einer objektiven Bereicherung führen dabei nur solche Leistungen, die von den teilnehmenden Arbeitnehmern unmittelbar konsumiert werden können, also vor allem Speisen, Getränke und Musikdarbietungen. Aufwendungen des Arbeitgebers, die die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung betreffen (z. B. Mieten und Kosten für die Beauftragung eines Eventveranstalters) bereichern die Teilnehmer hingegen nicht und bleiben deshalb bei der Ermittlung der maßgeblichen Kosten unberücksichtigt.

Im Streitfall (VI R 94/10) hatte der Arbeitgeber anlässlich eines Firmenjubiläums seine Arbeitnehmer zu einer Veranstaltung in ein Fußballstadion eingeladen. Die Kosten hierfür betrafen vor allem Künstler, Eventveranstalter, Stadionmiete und Catering. Das Finanzamt (FA) hatte bei der Ermittlung der Freigrenze sämtliche Kosten berücksichtigt. Die Freigrenze war danach überschritten. Das Finanzgericht (FG) war dem gefolgt. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Zwar habe das FG die Freigrenze zu Recht mit 110 Euro bemessen. Die Kosten für den äußeren Rahmen der Veranstaltung hätten jedoch nicht berücksichtigt werden dürfen. Bleibe allein die Stadionmiete unberücksichtigt, sei die Freigrenze nicht überschritten.

3. In einem weiteren Urteil vom 16.05.2013 (VI R 7/11) hat der BFH entschieden, dass die Kosten der Veranstaltung nicht nur auf die Arbeitnehmer, sondern auf alle Teilnehmer (z. B. auch Familienangehörige) zu verteilen sind. Der danach auf Begleitpersonen entfallende Anteil der Kosten wird, so der BFH ebenfalls entgegen seiner früheren Auffassung, den Arbeitnehmern bei der Berechnung der Freigrenze auch nicht als eigener Vorteil zugerechnet.

In diesem Fall (VI R 7/11) hatten nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Familienangehörige und sonstige Begleitpersonen der Arbeitnehmer an einer Betriebsveranstaltung teilgenommen. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich nach den Feststellungen des FA auf ca. 68 Euro pro Teilnehmer. Da das FA die auf einen Familienangehörigen entfallenden Kosten dem Arbeitnehmer zurechnete, ergab sich in einzelnen Fällen eine Überschreitung der Freigrenze. Das FG hatte der Klage nur teilweise stattgegeben. Der BFH hat die Entscheidung des FG aufgehoben und der Klage insgesamt stattgegeben.

BFH, Pressemitteilung Nr. 68/13 vom 09.10.2013 zu den Urteilen VI R 94/10 und VI R 7/11 vom 16.05.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.5.2013, VI R 94/10

Zuwendungen aus Anlass einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn

Leitsätze

1. Zuwendungen eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze als Arbeitslohn zu beurteilen.

 

2. Der Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zugewandten Leistungen ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bestimmen. Er kann anhand der Kosten geschätzt werden, die dem Arbeitgeber dafür erwachsen sind. In die Schätzungsgrundlage sind jedoch nur solche Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Das sind nur solche Leistungen, die die Teilnehmer unmittelbar konsumieren können.

 

3. Kosten für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung –insbesondere Mietkosten und Kosten für die organisatorischen Tätigkeiten eines Eventveranstalters– sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Abweichung vom Senatsurteil vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655).

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), inzwischen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, firmierte in den Streitjahren (2003 bis 2006) als A-AG. Die Firmen X, Y und Z sind Tochtergesellschaften der Klägerin.
2
Im Jahr 2005 feierte die Klägerin das 125-jährige Firmenjubiläum der gesamten Firmengruppe. Zur Feier des Firmenjubiläums fanden am 2. und am 4. September 2005 (Sonntag) Veranstaltungen im Fußballstadion in B statt. Zum Termin am 2. September 2005 waren 684 (lt. Einladungsliste) Gäste aus Wirtschaft und Politik geladen. Es handelte sich um ein sogenanntes „VIP-Event“.
3
Für den 4. September 2005 wurde hingegen die gesamte Belegschaft der Firmengruppe, insgesamt 20 604 Personen, zur Teilnahme aufgefordert. Bis zum 17. Juni 2005 ließen sich 18 589 Mitarbeiter als Teilnehmer registrieren.
4
Mit der Gesamtorganisation wurde ein Eventveranstalter, die C-GmbH, beauftragt. Von einer ursprünglich angedachten zusätzlichen Einladung aller Pensionäre der Firmengruppe war wegen des organisatorischen und logistischen Aufwandes Abstand genommen worden. Die Versammlungsgenehmigung wurde, noch ausgehend von einer Einladung der Pensionäre, für 26 809 Personen beantragt. Es standen Anreisekapazitäten für 23 129 Personen bereit (153 Busse, 9 Sonderzüge und 4 000 Parkplätze). Der Stadionmietvertrag wurde am 7. Juli 2005 für den Zeitraum vom 29. August bis zum 8. September 2005 abgeschlossen. Darin war für den Termin am 4. September 2005 von voraussichtlich ca. 15 000 teilnehmenden Personen die Rede.
5
Nach Auffassung der Klägerin beliefen sich die Kosten für die Veranstaltung am 4. September 2005 auf 1.812.822,51 EUR. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Kosten für Künstler, Eventveranstalter, Stadionmiete und Catering. Der Lohnsteueraußenprüfer des Finanzamts D ermittelte dagegen Kosten für die Veranstaltung am 4. September 2005 in Höhe von 2.095.235,04 EUR. Die Differenzen erklären sich vor allem durch die unterschiedliche Zuordnung und Aufteilung von Kosten zu den Veranstaltungen am 2. bzw. 4. September 2005.
6
Nach Auffassung des Lohnsteueraußenprüfers hat, ausgehend von einer (geschätzten) Teilnehmerzahl von 15 000 Personen, der Aufwand der Klägerin mehr als 110 EUR pro Person betragen. Damit sei die in R 72 Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 2005 genannte Grenze, bis zu der von einer Annehmlichkeit und nicht von einem geldwerten Vorteil auszugehen sei, überschritten und eine Lohnversteuerung durchzuführen. Die Klägerin habe deshalb zusätzlich Lohn in Höhe von 1.990.052 EUR zu versteuern. Dies entspräche einem Anteil von 94,98 % der insgesamt durch die Veranstaltung am 4. September 2005 den Arbeitnehmern vermittelten Vorteile.
7
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) schloss sich der Meinung des Prüfers an und forderte im Bescheid vom 11. Dezember 2007 gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Lohnsteuer in Höhe von 497.513 EUR nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern nach.
8
Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) sind die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu bejahen. Bei der Jubiläumsfeier am 4. September 2005 habe es sich um eine übliche Betriebsveranstaltung gehandelt. Die danach zu beachtende Freigrenze habe auch im Jahr 2005  110 EUR betragen. Die bei der Ermittlung der Freigrenze zugrunde zu legenden Gesamtkosten der Firmengruppe hätten sich auf 1.795.868 EUR belaufen. Die Teilnehmerzahl werde auf 15 000 bis 16 000 Personen geschätzt. Der Aufwand pro Teilnehmer habe daher 112,24 EUR betragen. Im Übrigen müsse der geldwerte Vorteil noch um die von der Klägerin verauslagten Reiseaufwendungen der Arbeitnehmer in Höhe von insgesamt 581.820 EUR erhöht werden. Das Gericht sehe sich jedoch verfahrensrechtlich an einer Verböserung gehindert.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
10
Sie beantragt, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Nachforderungsbescheid aufzuheben, soweit die Kosten des Firmenjubiläums im Streit sind.
11
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
12
Das Bundesministerium der Finanzen hat den Beitritt zum Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt. Es hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
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1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind (Senatsurteil vom 30. April 2009 VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726).
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Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Maßgeblich ist insoweit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
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2. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.
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a) Arbeitslohn liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers zwar bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt (Senatsurteile vom 22. Oktober 1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99; vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vom 21. Januar 2010 VI R 2/08, BFHE 228, 80, BStBl II 2010, 639; VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700, jeweils m.w.N.; s. auch Drenseck in Festschrift für Lang, Köln 2010, 477, 482; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 19 Rz 55 ff.; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 19 Rz 64 ff.; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 225 ff.).
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b) Nach ständiger Rechtsprechung können auch Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen. Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht. Das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung solcher Veranstaltungen ist in der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander und in der Verbesserung des Betriebsklimas zu sehen. Insbesondere zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung hat der BFH jedoch typisierend festgelegt, ab wann den teilnehmenden Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von solchem Eigengewicht zugewendet werden, dass von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann. Danach sind bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 EUR die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 79/10, BFHE 240, 44, m.w.N.).
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c) Die Bewertung der Leistungen bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Bei diesem Wert, der im Schätzungsweg ermittelt werden kann, handelt es sich um den Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss. Rechtsprechung und Verwaltung (R 72 Abs. 4 LStR für die Streitjahre) beanstanden es jedoch grundsätzlich nicht, den Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen anhand der Kosten zu schätzen, die dem Arbeitgeber dafür seinerseits erwachsen sind. Denn es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Veranstaltung hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Bestimmung beruft, muss er grundsätzlich konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der Veranstaltung nicht entspricht (Senatsurteil in BFHE 240, 44, m.w.N.).
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In die Schätzungsgrundlage zur Bemessung des dem Arbeitnehmer zugewandten Vorteils sind jedoch nur solche Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Dem entsprechend hat der Senat Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist, nicht als Lohn beurteilt und folglich auch nicht bei der Prüfung, ob die Freigrenze überschritten ist, einbezogen; so hat er etwa Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines Eventmanagers ausgenommen (Senatsurteil in BFHE 240, 44, m.w.N.). Dies gründet darin, dass Arbeitgeber, insbesondere, wenn sie mit mehreren Hundert Besuchern rechnen, häufig nicht in der Lage sind, selbst eine Betriebsveranstaltung auszurichten; sie müssen sich daher der Hilfe eines Eventmanagers bedienen, der diese gestaltet. Die Organisation einer Betriebsfeier durch ein fremdes Unternehmen erhöht zwar die Kosten des Arbeitgebers hierfür, nicht aber den Vorteil, der dem Arbeitnehmer zufließt und der allein Gegenstand der Einkommensbesteuerung ist.
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Gleiches gilt im Grundsatz für Mietkosten. Ein Unternehmen, das eine übliche Betriebsfeier veranstaltet oder sein Firmenjubiläum mit den eigenen Arbeitnehmern und –wie die Klägerin im Streitfall– den Arbeitnehmern von Tochterunternehmen begeht, wird regelmäßig auf eigenem Firmengelände nicht über ausreichende Raumkapazitäten verfügen, sodass es eine Örtlichkeit mieten muss, in der sämtliche Arbeitnehmer Platz finden. Allein das Abhalten einer Betriebsveranstaltung in gemieteten statt in eigenen Räumen des Arbeitgebers begründet jedoch für sich betrachtet regelmäßig noch keinen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers. Nur wenn hierbei Leistungen an die Arbeitnehmer erbracht werden, die einen marktgängigen Wert haben, kann bei den Arbeitnehmern eine objektive Bereicherung und damit Arbeitslohn angenommen werden. Zu einer objektiven Bereicherung führen typischerweise nur solche Leistungen, die die teilnehmenden Arbeitnehmer unmittelbar konsumieren können, also vor allem Speisen, Getränke und Musikdarbietungen. Aufwendungen des Arbeitgebers, die die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung selbst betreffen, etwa Mietkosten und Kosten für die organisatorischen Tätigkeiten eines Eventveranstalters, bewirken bei den Teilnehmern dagegen keinen unmittelbaren Wertzugang; sie bleiben daher bei der angesprochenen Gesamtkostenermittlung grundsätzlich außer Betracht.
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Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 25. Mai 1992 VI R 85/90 (BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655) die Auffassung vertreten, dass auch Ausgaben für den „äußeren Rahmen“ von Betriebsveranstaltungen zu berücksichtigen seien (s. aber dagegen Senatsurteile vom 7. Juli 1961 VI 176/60 S, BFHE 73, 485, BStBl III 1961, 443; vom 26. August 1966 VI 248/65, BFHE 86, 783, BStBl III 1966, 659). Soweit dies jedoch so verstanden werden konnte, dass sämtliche Aufwendungen eines Arbeitgebers für eine Betriebsveranstaltung im Rahmen der Gesamtkostenermittlung zu berücksichtigen und auf die teilnehmenden Arbeitnehmer umzulegen seien, hält der Senat daran nicht mehr fest. Denn Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer durch die Leistung des Arbeitgebers einen unmittelbaren geldwerten Vorteil erlangt.
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3. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Zwar hat die Vorinstanz die Freigrenze zu Recht mit 110 EUR bemessen (s. dazu Senatsentscheidung in BFHE 240, 44). Sie hat jedoch bei der Ermittlung der Gesamtkosten der Veranstaltung am 4. September 2005 zu Unrecht auch die Kosten des äußeren Rahmens (u.a. Eventveranstalter, Mietkosten) berücksichtigt.
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Die Sache ist entscheidungsreif. Denn auf der Grundlage der Feststellungen des FG führt bereits die Nichtberücksichtigung der Stadionmiete in Höhe von 121.299,93 EUR zu einem Unterschreiten der Freigrenze:
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Gesamtaufwand lt. FG
1.795.868,00 EUR
./. Stadionmiete
121.299,93 EUR
Verbleibender Gesamtaufwand
1.674.568,07 EUR
Dividiert durch die Teilnehmerzahl
16 000
Aufwand je Teilnehmer
104,66 EUR
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Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die Reisekosten zu Recht nicht in die Berechnung einbezogen. Die Arbeitnehmer waren durch die von der Klägerin verauslagten Reiseaufwendungen nicht bereichert. Da die Teilnahme an der Veranstaltung beruflich veranlasst war, handelte es sich bei den Reisekosten um steuerfreien Werbungskostenersatz gemäß § 3 Nr. 16 EStG.

Betriebsveranstaltung

Anhebung der 110-EUR-Freigrenze: Bund der Steuerzahler hakt nach

Sekt oder Selters: Bei Überschreiten der 110-EUR-Freigrenze feiert das Finanzamt mit

Seit 2002 wurde die Freigrenze für Betriebsveranstaltungen nicht mehr angepasst. Nun legte der Bundesfinanzhof in einem Urteil (VI R 79/10) dar, dass der steuerfreie Höchstbetrag „alsbald“ auf der Grundlage von Erfahrungswerten angepasst werden sollte.

Damit „alsbald“ möglichst schnell bedeutet, fragte der Bund der Steuerzahler (BdSt) beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach, wann die Freigrenze überprüft werden soll.

Bisher gilt eine Freigrenze von 110 EUR je Betriebsveranstaltung. Das heißt, bis zu diesem Betrag liegt für den Arbeitnehmer kein lohnsteuerpflichtiger Vorteil vor. Diese Grenze liegt seit mehr als 10 Jahren der Besteuerung zugrunde. Eine Anpassung an die Preisentwicklung ist mehr als überfällig. Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen und um eine schnelle Überprüfung durch das BMF zu erreichen, hat der BdSt nachgefragt, wann eine Überprüfung stattfinden soll.

Weiterhin regte der BdSt an, dass die Freigrenzen und Höchstbeträge grundsätzlich einer regelmäßigen Prüfung unterzogen und gegebenenfalls an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden sollen.

 

BFH, Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFH/NV 2012 S. 637

Kosten einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn

Leitsatz
1. Kosten eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze in vollem Umfang als Arbeitslohn zu werten. Die Freigrenze beträgt auch im Jahr 2007 noch 110 €.
2. Eine Anpassung der Freigrenze an die Geldentwertung ist nicht Aufgabe der Gerichte.
3. In die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, sind die den Arbeitgeber treffenden Gesamtkosten der Veranstaltung einzubeziehen und zu gleichen Teilen sämtlichen teilnehmenden Arbeitnehmern zuzurechnen, sofern die entsprechenden Leistungen Lohncharakter haben und nicht individualisierbar sind.
Gesetze
EStG § 8 Abs. 2 Satz 1
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

Instanzenzug
Hessisches FG vom 1. September 2010 10 K 381/08 (EFG 2011, 443) BFH VI R 79/10
Gründe
I.
1 Streitig ist, ob Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Betriebsveranstaltung zu Arbeitslohn führen.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Niederlassungen in A, B und C. Sie veranstaltet jährlich für ihre Mitarbeiter am Standort A ein Sommerfest und in der Adventszeit eine Weihnachtsfeier. Für das Sommerfest im Streitjahr (2007) mietete sie…entsprechende Räumlichkeiten, organisierte Speisen, Getränke und Live-Musik sowie die An- und Abreise der Teilnehmer. Laut Teilnehmerliste nahmen 302 Personen an der Veranstaltung teil. Es handelte sich dabei um 252 Arbeitnehmer der Klägerin, 44 Partner bzw. Gäste oder sog. Externe sowie 6 Mitarbeiter einer mit der Klägerin assoziierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 52.877 €, je Teilnehmer auf durchschnittlich 175 €.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, dass die Zuwendungen anlässlich des Sommerfestes lohnsteuerpflichtig seien. Das FA erhob daher mit Bescheid vom 9. Januar 2008 entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal Lohnsteuer in Höhe von 11.005 € nach.
4 Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 443 veröffentlichten Gründen ab.
5 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
6 Sie beantragt, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Nachforderungsbescheid aufzuheben.
7 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 Das Bundesministerium der Finanzen hat den Beitritt zum Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt.
II.
9 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ).
10 Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Leistungen der Klägerin anlässlich der Betriebsveranstaltung in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Allerdings hat das FG zutreffend entschieden, dass die Freigrenze auch im Streitjahr 110 € beträgt.
11 1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 30. April 2009 VI R 55/07 , BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726).
12 Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Maßgeblich ist insoweit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG .
13 2. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal „für” ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann (BFH-Urteile vom 21. Januar 2010 VI R 2/08 , BFHE 228, 80 , BStBl II 2010, 639; vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; vom 21. Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406).
14 a) Arbeitslohn liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt (BFH-Urteile vom 22. Oktober 1976 VI R 26/74 , BFHE 120, 379 , BStBl II 1977, 99; vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13 , BStBl II 1983, 39; in BFHE 228, 80 , BStBl II 2010 , 639 ; vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85 , BStBl II 2010, 700; jeweils m.w.N.; s. auch Drenseck in Festschrift für Lang, Köln 2010, 477, 482; Schmidt/Krüger, EStG , 31. Aufl., § 19 Rz 30 ff.; Eisgruber in Kirchhof, EStG , 11. Aufl., § 19 Rz 64 ff.; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 225 ff.).
15 b) Ebenfalls in ständiger Rechtsprechung bejaht der Senat bei Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers, sofern er die Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern (BFH-Urteile in BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; in BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406; vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; vom 6. Dezember 1996 VI R 48/94, BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; vom 16. November 2005 VI R 68/00, BFHE 212, 51 , BStBl II 2006, 440; VI R 151/99, BFHE 211, 321 , BStBl II 2006, 439; VI R 157/98, BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; VI R 118/01, BFHE 212, 55 , BStBl II 2006, 444; VI R 151/00, BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; vom 15. Januar 2009 VI R 22/06, BFHE 224, 136 , BStBl II 2009, 476; in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726). Maßgebend für diese Beurteilung ist, dass die fraglichen Zuwendungen der Belegschaft als ganzer angeboten und dass die Vorteile unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Stellung und Leistung im Betrieb gewährt werden. In diesem Fall fehlt es regelmäßig an einer Beziehung der Arbeitgeberleistung zur individuellen Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer und damit an der Entlohnung (BFH-Urteil in BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406).
16 c) Geldwerte Vorteile, die den Arbeitnehmern bei Betriebsveranstaltungen zufließen, können allerdings dann als Ertrag ihrer individuellen Dienstleistung angesehen werden, wenn eine Betriebsveranstaltung lediglich zum Anlass genommen wird, die Arbeitnehmer zusätzlich zu entgelten. Nach der früheren Rechtsprechung des Senats war dies der Fall, wenn bei solchen Veranstaltungen der „übliche Rahmen von Aufwendungen” der Höhe nach überschritten wird (BFH-Urteile in BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; vom 22. März 1985 VI R 82/83, BFHE 143, 550 , BStBl II 1985, 532).
17 d) Später hat der Senat die lohnsteuerrechtliche Wertung derartiger Zuwendungen nicht mehr davon abhängig gemacht, ob die Vorteilsgewährung der Höhe nach üblich ist, sondern er hat eine Freigrenze angenommen, bei deren Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; in BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; in BFHE 212, 51 , BStBl II 2006, 440; in BFHE 211, 321 , BStBl II 2006, 439; in BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; in BFHE 212, 55 , BStBl II 2006, 444; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; in BFHE 224, 136 , BStBl II 2009, 476; in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726; s. auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2012, Stichwort Betriebsveranstaltung, Rz 3). Der Senat ging bisher davon aus, dass er mit der Festlegung der Freigrenze die Befugnisse richterlicher Rechtsanwendung nicht überschritten hat (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442).
18 e) Für die Jahre 1983 bis 1992 hatte der BFH die Freigrenze auf 150 DM beziffert. Die Finanzverwaltung hatte bald nach dem Ergehen des Senatsurteils in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655 mit Wirkung ab 1993 die Freigrenze auf 200 DM heraufgesetzt. Ab Veranlagungszeitraum 2002 legt die Finanzverwaltung eine Freigrenze von 110 € je Veranstaltung zugrunde (BFH-Urteil in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; s. für das Streitjahr R 72 Abs. 4 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien —LStR— 2005). Der BFH hatte seinerseits für die Jahre 1996 und 1997 die Freigrenze auf 200 DM festgelegt (BFH-Urteil in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; zum Jahr 2001 s. BFH-Urteil in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726).
19 In die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, sind grundsätzlich die den Arbeitgeber treffenden Gesamtkosten der Veranstaltung einzubeziehen und zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655 mit Hinweis auf Abschn. 72 Abs. 4 LStR 1990 ; in BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; in BFHE 212, 55 , BStBl II 2006 , 444 ). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Bei diesem Wert, der im Schätzungsweg zu ermitteln ist, handelt es sich um den Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss. Nach Auffassung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen anhand der Kosten zu schätzen, die der Arbeitgeber dafür seinerseits aufgewendet hat. Denn es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Veranstaltung hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der Veranstaltung nicht entspricht (BFH-Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03 , BFHE 210, 420 , BStBl II 2006, 30, zur Zuwendung einer Reise).
20 3. Die Festlegung einer höheren Freigrenze für das Streitjahr durch den Senat kommt nicht in Betracht.
21 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind Finanzgerichte im Steuerrecht zur Typisierung befugt, sofern es sich dabei um Gesetzesauslegung handelt (Entscheidungen des BVerfG vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83 , BVerfGE 78, 214; vom 4. Februar 2005 2 BvR 1572/01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 352 ; s. auch BFH-Urteile vom 21. September 2011 I R 7/11 , BFHE 235, 273 , BFH/NV 2012, 310 ; vom 27. Januar 2010 IX R 31/09, BFHE 229, 90 , BStBl II 2011, 28; vom 15. März 2005 X R 39/03, BFHE 209, 320 , BStBl II 2005, 817; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 1 FGO Rz 144; Kanzler, Finanz-Rundschau 2009, 527 ; Pahlke, Beiheft zum Deutschen Steuerrecht, Heft 31/2011, 66).
22 Es kann hier dahinstehen, ob an der, wie erwähnt, bisher vom Senat vertretenen Auffassung, dass sich die Rechtsprechung mit der Bildung der genannten Freigrenze noch im Rahmen ihrer Ermächtigung zur typisierenden Gesetzesauslegung bewegt, zukünftig uneingeschränkt festgehalten werden kann. Denn der Senat ist der Meinung, dass zumindest eine ständige Anpassung des Höchstbetrags an die Geldentwicklung nicht Aufgabe des Gerichts ist, zumal auch der Gesetz- und Verordnungsgeber Pauschbeträge nicht laufend, sondern allenfalls von Zeit zu Zeit korrigiert (BFH-Urteile in BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442). Der Senat hält auch zur Gewährleistung von Rechtsanwendungsgleichheit und Rechtssicherheit für den streitigen Zeitraum an dem Höchstbetrag von 110 € fest, zumal nach seiner Einschätzung der Betrag noch ausreicht, um im Rahmen einer Betriebsveranstaltung den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern (gl.A. Zimmermann, EFG 2011, 446 ). Er ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die Finanzverwaltung erwägen sollte, alsbald den Höchstbetrag, ab dem Zuwendungen des Arbeitgebers bei Betriebsveranstaltungen beim teilnehmenden Arbeitnehmer in vollem Umfang als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind, neu und auf der Grundlage von Erfahrungswissen zu bemessen. Im Übrigen behält sich der Senat vor, ggf. seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit typisierender Gesetzesauslegung im hier fraglichen Bereich zu überprüfen.
23 4. Hält der Senat danach zunächst an der Bedeutung und Wirksamkeit einer Freigrenze prinzipiell fest, besteht jedoch Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
24 Es muss sich bei den Kosten des Arbeitgebers, die in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einbezogen werden, um Arbeitslohn aus Anlass einer Betriebsveranstaltung handeln. Nach der Rechtsprechung des BFH sind nur solche Leistungen des Arbeitgebers, die den Rahmen und das Programm der Betriebsveranstaltung betreffen, zu berücksichtigen. Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist (s. dazu BFH-Urteil vom 14. November 2012 VI R 56/11 , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), sind kein Lohn und daher weder in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einzubeziehen noch gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 58/04 , BFHE 215, 249 , BStBl II 2007, 128). Entsprechendes gilt für Aufwendungen des Arbeitgebers, die nicht direkt der Betriebsveranstaltung zuzuordnen sind (z.B. Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines „Event-Managers”). Zudem ist zu beachten, dass eine Betriebsveranstaltung Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung enthalten kann, die nicht zur Lohnzuwendung führt (BFH-Urteil in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726, m.w.N.).
25 In die angesprochene Gesamtkostenermittlung dürfen im Übrigen nur solche Kosten des Arbeitgebers einfließen, die untrennbar Kosten der Betriebsveranstaltung sind. Individualisierbare und als Arbeitslohn zu berücksichtigende Leistungen sind gesondert zu erfassen, ggf. unter Beachtung von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG .
26 5. Die Sache ist nicht spruchreif.
27 Das FG hat zwar festgestellt, dass sich die Gesamtkosten der Veranstaltung auf 52.877 € beliefen. Dem Urteil lassen sich jedoch keine Angaben zur Struktur der Kosten entnehmen. Insbesondere steht nicht fest, ob, nach Maßgabe der genannten Grundsätze, die entsprechenden Leistungen insgesamt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung standen und deshalb Lohncharakter anzunehmen ist. Auch ist nicht geklärt, welche Leistungen untrennbare Teile der Betriebsveranstaltung sind und welche einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können. Soweit sich etwa den Unterlagen entnehmen lässt, dass auch Kosten für Fahrten mit Taxen angesetzt wurden, weist der Senat daraufhin, dass es sich dabei allenfalls um Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer handeln kann.
28 Das FG wird demnach im zweiten Rechtsgang nach den genannten Grundsätzen die Ermittlung der als Arbeitslohn zu beurteilenden Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung und die Aufteilung des Gesamtbetrags auf die Arbeitnehmer der Klägerin, soweit sie teilgenommen haben, erneut vornehmen. Nur wenn das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Höchstbetrag von 110 € überschritten wurde, sind die Gesamtkosten in vollem Umfang als Arbeitslohn zu werten und können gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal versteuert werden.

Kosten einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 EUR Arbeitslohn

Arbeitslohn nach Überschreiten der Freigrenze von 110 EUR (2007)

Zuwendungen des Arbeitgebers sind nicht als Arbeitslohn zu versteuern, wenn sie nicht der Entlohnung des Arbeitnehmers dienen. Dies kann bei Leistungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen der Fall sein, wenn diese Veranstaltungen der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander dienlich sind. Die lohnsteuerrechtliche Wertung derartiger Zuwendungen hängt nicht davon ab, ob die Vorteilsgewährung im Einzelfall üblich ist. Der BFH hat vielmehr in seiner bisherigen Rechtsprechung in typisierender Gesetzesauslegung eine Freigrenze angenommen, bei deren Überschreitung erst die Zuwendungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Die Finanzverwaltung legt ab Veranlagungszeitraum 2002 eine Freigrenze von 110 EUR je Veranstaltung zugrunde.

Der BFH hat mit Urteil v. 12.12.2012, VI R 79/10 entschieden, dass eine ständige Anpassung des Höchstbetrags (Freigrenze) an die Geldentwertung nicht Aufgabe des Gerichts sei. Nach seiner Auffassung ist zumindest für das Jahr 2007 noch an der Freigrenze i. H. v. 110 EUR festzuhalten. Der BFH fordert jedoch die Finanzverwaltung auf, „alsbald“ den Höchstbetrag auf der Grundlage von Erfahrungswissen neu zu bemessen. Er behält sich im Übrigen vor, seine bisherige Rechtsprechung zur Bestimmung einer Freigrenze als Ausfluss typisierender Gesetzesauslegung zu überprüfen.

Im Streitfall hatten sich die Kosten einer im Jahr 2007 durchgeführten Betriebsveranstaltung nach den Feststellungen des FG je Teilnehmer auf 175 EUR belaufen. Das Finanzamt hatte deshalb die dem Arbeitgeber entstandenen Kosten insgesamt als lohnsteuerpflichtig behandelt. Das FG war dem gefolgt. Die Klägerin hatte im Revisionsverfahren die Auffassung vertreten, dass die Freigrenze durch den BFH an die Preisentwicklung anzupassen sei. Das hat der BFH abgelehnt. Er weist jedoch in der Entscheidung daraufhin, dass nur solche Kosten des Arbeitgebers in die Freigrenze einbezogen werden dürfen, die Lohncharakter haben.

BFH, Urteil v. 12.12.2012, VI R 79/10, veröffentlicht am 20.2.2013

BFH, Pressemitteilung Nr. 11/2013 v. 20.2.2013