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Vorauszahlung von Zahnbehandlungskosten als Gestaltungsmissbrauch

Vorauszahlung von Zahnbehandlungskosten als Gestaltungsmissbrauch

Die Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung zum Zwecke des Abzugs der Gesamtkosten im Zahlungsjahr als außergewöhnliche Belastung kann gestaltungsmissbräuchlich sein.

Hintergrund
Streitig war, ob im Streitjahr 2009 vorausbezahlte Kosten einer Zahnbehandlung in Höhe von 45.000 EUR in diesem Jahr als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. Die Behandlung erstreckte sich über 2 Jahre. Die Zahlung erfolgt nicht aufgrund einer Festkostenvereinbarung, sondern als Vorauszahlung auf die anfallenden Gesamtkosten, bevor der größte Teil der Behandlung sowie die erforderlichen prothetischen Maßnahmen durchgeführt wurden. Der Steuerpflichtige erhielt im Streitjahr von seinem früheren Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 250.000 EUR für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008.

Das Finanzamt sah in der Geltendmachung des vorausgezahlten Betrags einen Gestaltungsmissbrauch und berücksichtigte im Schätzwege lediglich die Kosten, die in 2009 auf bereits angefallene Zahnbehandlungen entfielen.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage des Steuerpflichtigen ab. Zwangsläufig entstandene Krankheitskosten sind grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Verausgabung, vermindert um zu erwartende Ermäßigungen, zu berücksichtigen. Ein zum Abzug im Jahr der Verausgabung in voller Höhe berechtigender Zahlungsabfluss liegt jedoch dann nicht vor, wenn zum Steuerabzug berechtigende Kosten ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt werden, weil die Vorauszahlung in diesem Fall einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt.

Im Streitfall lag kein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund dafür vor, dass der Steuerpflichtige die gesamten Kosten der sich über einen Zeitraum von fast 2 Jahren erstreckenden Zahnbehandlung bereits bei Beginn der Behandlung im Dezember 2009 vorausbezahlt hat. Einzig verbleibender Grund für die Vorauszahlung im Dezember 2009 war daher die Erzielung eines maximalen Steuervorteils, der sich vor allem daraus ergab, dass der Steuerpflichtige wegen der im Streitjahr erhaltenen Abfindung in Höhe von 250.000 EUR einer hohen Steuerprogression unterlag. Entsprechend war daher als außergewöhnliche Belastung nur der Teil der Kosten der Zahnbehandlung im Streitjahr abzugsfähig ist, der im Fall einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre.

Kurzfristige Geldeinlage auf betrieblichem Konto kann Gestaltungsmissbrauch sein

Kurzfristige Geldeinlage auf betrieblichem Konto kann Gestaltungsmissbrauch sein

Kernaussage

Nach den einkommensteuergesetzlichen Vorschriften wird der Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt worden ist (Überentnahmen). Schuldzinsen werden, soweit sie auf Überentnahmen beruhen, pauschal dem Gewinn wieder hinzugerechnet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hierzu entschieden, dass die kurzfristige Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellt, wenn sie allein dazu dienen soll, die Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen zu vermeiden.

Sachverhalt

Die klagenden Eheleute wollten die Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen dadurch vermeiden, dass sie jeweils zum Ende des Jahres und nur für wenige Tage hohe Geldbeträge auf ein betriebliches Konto einzahlten. Das Geld wurde jeweils kurzfristig darlehensweise von der Bank gewährt. Die Einzahlungen sollten als Einlagen den für die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen maßgeblichen Überentnahmesaldo vermindern. Im Rahmen einer durchgeführten Außenprüfung blieben diese Ein- und Auszahlungen bei der Berechnung der Überentnahmen jedoch unberücksichtigt; es ergaben sich höhere nicht abziehbare Schuldzinsen. Hiergegen wehrten sich die Eheleute und unterlagen in allen Instanzen.

Entscheidung

Die Richter urteilten, dass die Einzahlungen zwar Einlagen sind, sie jedoch einen Gestaltungsmissbrauch darstellen und deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Ein solcher Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die der – zwar grundsätzlich erlaubten – Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Hier waren zum einen die Einlagen für den Betrieb wirtschaftlich ohne Bedeutung und sollten allein dazu dienen, die persönliche Steuer zu mindern. Zum anderen könnte auf dem von den Eheleuten eingeschlagenen Weg der Zweck der einkommensteuerlichen Vorschrift, den Schuldzinsenabzug effektiv zu begrenzen, vollständig unterlaufen werden. Dies wird durch die Anwendung der Regelung zum Gestaltungsmissbrauch vermieden.

Konsequenz

Die Eheleute hatten nicht vorgetragen, die streitigen Einzahlungen hätten die Stärkung des freiberuflichen Betriebskapitals bezweckt. Insofern ist der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs zuzustimmen. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der staatliche Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Hier entsteht der Steueranspruch daher so, wie wenn die Einlagen unterblieben wären.

Kein zwangsläufiger Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung

Kein zwangsläufiger Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung

Kernaussage

Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liegt nicht zwangsläufig vor, wenn anlässlich einer unentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung ausschließlich zugunsten des ausscheidenden Gesellschafters erfolgt.

Sachverhalt

Die Klägerin hielt eine Beteiligung von 40 % am Stammkapital einer GmbH. Im September 2000 übertrug sie ihren Geschäftsanteil unentgeltlich auf ihren Mitgesellschafter. In der gleichen notariellen Urkunde wurde eine Satzungsänderung dahingehend beschlossen, dass durch Beschluss eine von der Höhe der Beteiligungen abweichende Gewinnverteilung erfolgen kann. Sodann wurde ausgehend von einem in der Vergangenheit thesaurierten Gewinn der GmbH eine Gewinnausschüttung ausschließlich zugunsten der Klägerin in Höhe von 1,1 Mio. EUR beschlossen. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der GmbH vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, es handele sich um eine inkongruente Gewinnausschüttung, die sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstelle. Die Anteilsübertragung sei eine entgeltliche Übertragung, so dass sich bei der Klägerin ein Veräußerungsgewinn realisiere. Die Klägerin meinte hingegen, dass unter wirtschaftlicher Betrachtung der auf sie entfallende Teil der offenen Rücklagen mit ausgeschüttet worden sei.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die GmbH hat an die Klägerin Gewinne ausgeschüttet, die von der Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern sind. Ein Missbrauch von Gestaltungsmitteln liegt nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zu Grunde liegen, der Steuerumgehung dient, ansonsten aber nicht. Die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung war weder in ihren einzelnen Schritten noch insgesamt als unangemessen zu beurteilen. Die Gesellschafterversammlung hatte gesellschaftsrechtlich zulässig eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung beschlossen. Die Ausschüttung erfolgte der Höhe nach entsprechend der Beteiligung an den thesaurierten Gewinnen der Vergangenheit, so dass die Ausschüttung allenfalls zeitlich inkongruent sein konnte.

Konsequenz

Jeder Steuerpflichtige hat das Recht, seine Angelegenheiten steueroptimal zu gestalten. Das Recht wird durch die Regelungen der Abgabenordnung (AO) und die weitgehende Auslegung der Finanzverwaltung erheblich eingeschränkt, so dass diese Entscheidung zu begrüßen ist. Aufgrund der anhängigen Revision bleibt nun die Entscheidung des Bundesfinanzhofs abzuwarten.