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FG Berlin-Brandenburg zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft

“Unternehmer, die grundsätzlich verpflichtet sind, die in ihren Lieferungen und Leistungen enthaltene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, können ihrerseits Umsatzsteuerbeträge, die sie an andere Unternehmer für Lieferungen oder Leistungen für ihr eigenes Unternehmen zu zahlen haben, als sog. Vorsteuern von der eigenen Umsatzsteuerzahllast abziehen. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte nun zu entscheiden, inwieweit dieser Vorsteuerabzug auch einer Holdinggesellschaft zusteht, die selbst kein operatives Geschäft betreibt, sondern administrative Leistungen an ihre Beteiligungsgesellschaften erbringt (Urteil vom 10. Mai 2012, Aktenzeichen 5 K 5264/09). Die klagende Holdinggesellschaft machte den Vorsteuerabzug aus Kapitalbeschaffungsleistungen geltend, die der Verbesserung der Handelbarkeit ihrer eigenen Anteile dienten. Das Finanzamt versagte dies mit dem Argument, die Aufwendungen für Kapitalbeschaffungsleistungen stünden in keinem Zusammenhang mit den eigenen steuerpflichtigen Leistungen der Gesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaften. Die Richter des Finanzgerichts gaben der Klägerin Recht. Bei den Kosten handelt es sich ihrer Auffassung nach um sog. Allgemeinkosten, die direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft zusammenhängen. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Aufwendungen für die Kapitalbeschaffungskosten im Verhältnis zu den durch die Beratung der Beteiligungsgesellschaften erzielten Dienstleistungsentgelten relativ hoch waren.

Die Finanzverwaltung hat bei dem Bundesfinanzhof in München Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil eingereicht, die dort unter dem Aktenzeichen V 73/12 anhängig ist.”

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Berlin-Brandenburg

 

Vorsteuerabzug einer – für die 100%-ige Tochter administrative Tätigkeiten ausführendeHolding aus Kapitalbeschaffungsleistungen

 Leitsatz

Bezieht eine Holdinggesellschaft für administrative Tätigkeiten von ihrer 100%-igen Tochter-GmbH, mit der eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht, eine monatliche Dienstleistungspauschale, so dass sie (eigene) ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, ist der uneingeschränkte Vorsteuerabzug der Aufwendungen für Dienstleistungen, die der Kapitalbeschaffung dienen, nicht dadurch ausgeschlossen, dass die – gegenüber der Dienstleistungspauschale deutlich höheren – Aufwendungen nicht allein der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit der Holding dienen, sondern im Besonderen der Kapitalausstattung der Tochter-Organgesellschaft und damit ggf. auch dem Bezug nicht steuerbarer Dividenden.

 Gesetze

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 2 Abs. 1

 Instanzenzug

BFH 19.10.2012 – V B 73/12

 Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Holdinggesellschaft, die mit Einbringungsvertrag vom 5.5.2006 sämtliche Anteile an der H…E…GmbH erwarb. Das operative Geschäft – die Entwicklung und Produktion von Anlagen im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie – betreibt die GmbH. Die Klägerin erbringt aufgrund Kooperationsvertrags vom 1.9.2006 administrative Tätigkeiten für die GmbH, die der Klägerin hierfür eine monatliche Dienstleistungspauschale von 11.000 EUR zahlt. Die Beteiligten gehen übereinstimmend von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus.

Im Zuge einer Betriebsprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über sog. Kapitalbeschaffungsleistungen in Anspruch genommen hatte. Diese laufenden wie auch einmaligen Leistungen dienten der Verbesserung der Handelbarkeit der Aktie. Das erworbene Kapitel wurde weitgehend an die GmbH durch Zuführung in die Kapitalrücklage weitergereicht. Der Beklagte versagte den Vorsteuerabzug – wie schon im Vorauszahlungsbescheid über Umsatzsteuer Juli 2007, in dem eine Vorsteuerkürzung von 3.562,50 EUR vorgenommen wurde – mit der Begründung, eine unternehmerische Veranlassung für diese Leistungen sei nicht erkennbar. Die Klägerin erziele als Holdinggesellschaft lediglich Erlöse aus Miete und überlassener Arbeitsleistung an die GmbH sowie Zinserträge. Mangels eines operativen Geschäfts könnten die Aufwendungen für Kapitalbeschaffung nicht zu Preisbestandteilen von Ausgangsumsätzen der Klägerin werden. Für das Streitjahr 2007 wurde eine Vorsteuerkürzung von 86.582,83 EUR errechnet, die mit Bescheid vom 13.1.2012 umgesetzt wurde. Auf Tz. 21 und 22 des Prüfungsberichts vom 19.8.2011 wird Bezug genommen. Den bereits gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Juli 2007 erhobenen Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2009 als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage geltend, die unternehmerische Veranlassung der streitigen Kosten sei gegeben, da bei allgemeinen Kosten niemals ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen bestehe. Zudem bestehe aufgrund der Organschaft mit der H… E…GmbH als Organgesellschaft ein Unternehmen, bei dem die Ausgangsleistungen der Organgesellschaft dem Organträger – also ihr, der Klägerin – zuzurechnen seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 13.1.2012 die Umsatzsteuer 2007 dahingehend neu festzusetzen, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 90.144,83 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Er macht geltend, die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aktie stünden weder in einem direkten Zusammenhang mit den Ausgangsumsätzen noch gehörten sie zu den Allgemeinkosten. Dies verdeutliche nicht zuletzt das Verhältnis der in Rede stehenden Aufwendungen zur Höhe der von der Klägerin erzielten Erlöse. Die Aufwendungen seien insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen. Auf das Urteil des BFH vom 9.2.2012 (V R 40/10 ; BFH/NV 2012, 681 ) werde verwiesen.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben den Verfahrensakten ein Band Umsatzsteuerakten, ein Aktenband „Berichte über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen”, ein Ordner „Arbeitsbogen Band II”, ein Aktenband „Gesellschaftsverträge” und eine Heftung „Rechtsbehelf” vorgelegen.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit Vorsteuern aus Kapitalbeschaffungsaufwendungen in Höhe von 90.144,83 EUR außer Ansatz gelassen worden sind.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14 , 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG , wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Aus diesem Regelungszusammenhang folgt zum Einen, dass die Klägerin als Holdinggesellschaft selbst Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein muss und zum Anderen, das diese Unternehmereigenschaft nicht erst durch ein Organschaftsverhältnis begründet werden kann, sondern bereits bestehen muss. Nach der Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Holding-Rechtsprechung des EuGH sind lediglich der Erwerb, das Halten oder der Verkauf von Aktien als solche nichtwirtschaftliche (nichtunternehmerische) Tätigkeiten, da sie Ausdruck der bloßen Eigentumsposition sind und nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten (Urteil des BFH vom 9.2.2012 V R 40/0 a.a.O. unter Hinweis auf Rechtsprechung des EuGH). Eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit setzt demgegenüber voraus, dass der Organträger eigene entgeltliche Leistungen erbringt, wobei Leistungen ausschließlich an die Organgesellschaft ausreichen (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG , § 2 Rz. 830 ff.; Stapperfend, UR 2006, 112 , jeweils unter Hinweis auf die Entscheidungen des EuGH vom 14.11.2000 C-142/99 – Floridienne, EuGHE 2000, I-9567 und vom 27.9.2001 C-16/00 – Cibo Participations, EuGHE 2001, I-6663 sowie des BFH vom 9.10.2002 V R 64/99 , BStBl II 2003, 375).

Die Klägerin hat aufgrund des Kooperationsvertrags vom 1.9.2006 unstreitig entgeltliche Leistungen in Form von dort näher bezeichneten administrativen Tätigkeiten ihrer Gesellschafter und Mitarbeiter an die H… E… GmbH erbracht. Nach der dargestellten Rechtsprechung ist sie somit unternehmerisch tätig mit der Folge, dass sie zum Vorsteuerabzug auch aus solchen Dienstleistungen berechtigt ist, die der Kapitalbeschaffung dienen. Entscheidend ist insoweit, dass die Dienstleistungen als allgemeine Kosten des Unternehmens direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers zusammenhängen (Urteil des BFH vom 1.7.2004 V R 32/00 , BStBl II 2004, 1022; Urteil des EuGH vom 27.9.2001 C-16/00 Cibo Participations a.a.O.). Der uneingeschränkte Vorsteuerabzug ist demnach entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dadurch ausgeschlossen, dass die aktienbezogenen Aufwendungen nicht allein der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit der Klägerin dienten, sondern im Besonderen der Kapitalausstattung der Organgesellschaft und damit ggf. auch dem Bezug nicht steuerbarer Dividenden.

Denn eine Zuordnung dieser Kosten zum nichtunternehmerischen Bereich kommt nach der zitierten Rechtsprechung von EuGH und BFH deshalb nicht in Betracht, weil es sich um Allgemeinkosten handelt, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhängen. Da die Klägerin nur steuerpflichtige und nicht auch steuerfreie Umsätze ausführte, ist der Vorsteuerabzug insgesamt zu gewähren (vgl. Urteil des BFH vom 1.7.2004 V R 32/00 , BStBl II 2004, 1022). Die von dem Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BFH vom 9.2.2012 (V R 40/10 a.a.O) lässt keine andere Beurteilung zu. Denn der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt liegt insoweit entscheidend anders als derjenige im Streitfall, als dort die Holdinggesellschaft an ca. 50 Gesellschaften beteiligt war, Umsätze aber lediglich aus Beratungsleistungen für zwei dieser Gesellschaften erzielte. Deshalb ist im Streitfall – anders als dort – auch für eine Aufteilung der Gesamttätigkeit in eine nichtwirtschaftliche Haupt- und eine wirtschaftliche Nebentätigkeit kein Raum. Allein das Verhältnis der Dienstleistungsentgelte zu den deutlich höheren Aufwendungen vermag eine Aufteilung – wie auch sonst – nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO – .

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des BFH beruht.