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Insolvenzverfahren: Wann ist eine Kündigung des Insolvenzverwalters wirksam?

Insolvenzverfahren: Wann ist eine Kündigung des Insolvenzverwalters wirksam?

 

Ein Insolvenzverwalter darf sich nicht darauf verlassen, dass eine Kündigung, die bereits ausgesprochen wurde, tatsächlich wirksam ist. Deshalb muss er nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erneut kündigen, um damit die Entstehung eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn als Neumasseverbindlichkeit zu verhindern.

 

Hintergrund

Die Arbeitnehmerin war als Filialleiterin bei einer Drogeriekette beschäftigt. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden war, kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis. Gleichzeitig stellte er sie von der Pflicht zur Arbeit frei. Danach zeigte der Insolvenzverwalter die drohende Massenunzulänglichkeit an, da die vorhandene Masse nicht ausreichte, um die Masseverbindlichkeiten und die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.

In einem Kündigungsschutzprozess wurde die Kündigung der Arbeitnehmerin für unwirksam erklärt. Das Arbeitsverhältnis endete erst nach einer weiteren Kündigung des Insolvenzverwalters. Von dem Insolvenzverwalter forderte sie die Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum zwischen dem frühestmöglichen Kündigungstermin und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Entscheidung

Vor dem Bundesarbeitsgericht bekam die Arbeitnehmerin recht. Ihr stand eine Annahmeverzugsvergütung trotz zuvor erfolgter Freistellung und streitiger Kündigung als Neumasseforderung zu.

Die Insolvenzordnung legt den Termin fest, bis zu dem der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis spätestens beendet haben muss, um Neumasseverbindlichkeiten zu vermeiden. Bei dem von der Arbeitnehmerin geltend gemachten Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem ihr der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, handelte es sich folglich um eine Neumasseverbindlichkeit.

Die Richter betonten, dass der Insolvenzverwalter das Risiko trägt, dass sich diese Kündigung als unwirksam erweist und damit Neumasseverbindlichkeiten begründet werden. Das Gleiche gilt, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigt und diese Kündigung unwirksam ist.

Insolvenzverfahren: Wann zurückliegende Leistungen angefochten werden können

Insolvenzverfahren: Wann zurückliegende Leistungen angefochten werden können

Wird ein Arbeitnehmer trotz vorhandener Arbeit freigestellt, gilt der Lohn als unentgeltliche Leistung des Schuldners. Die trotz Freistellung erfolgten Entgeltzahlungen sind deshalb vom Insolvenzverwalter anfechtbar.

Hintergrund

Die Ehefrau des Betriebsinhabers war von Herbst 2003 bis Oktober 2009 in dessen Firma angestellt. Nachdem sich die Eheleute getrennt hatten, wurde die Beklagte spätestens seit Anfang Januar 2005 von der Arbeitsleistung freigestellt. Sie erhielt fortan das vereinbarte Entgelt von 1.100 EUR brutto monatlich ohne Gegenleistung.

Über das Vermögen des Ehemanns wurde auf Antrag vom 9. Oktober 2009 im Januar 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter begehrte nun die Rückzahlung des zwischen Oktober 2005 und August 2009 gezahlten Nettoentgelts von 29.696,01 EUR.

Entscheidung

Zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat. Nach dem Urteil muss die Ex-Frau nun den “Lohn” zurückbezahlen. Durch die Freistellung wurde der Inhalt des Arbeitsverhältnisses geändert, argumentierten die Richter. Die Eheleute waren sich darüber einig, dass die Beklagte für das Arbeitsentgelt keine Gegenleistung erbringen musste. Die Zahlungen nach der Freistellung erfolgten deshalb unentgeltlich.

Nach der gesetzlichen Regelung können unentgeltliche Leistungen des Schuldners, die in den letzten 4 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, ohne weitere Voraussetzungen angefochten werden. Die Vorschrift gibt dem Insolvenzverwalter eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Zahlungen des Schuldners rückgängig zu machen.

Insolvenzverfahren: Einstellung bei Restschuldbefreiung wegen Wegfall des Eröffnungsgrunds?

Insolvenzverfahren: Einstellung bei Restschuldbefreiung wegen Wegfall des Eröffnungsgrunds?

Kernaussage
Wird dem Schuldner nach Abschluss der Wohlverhaltensphase Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen zu unvollkommenen Verbindlichkeiten, d. h. sie sind weiterhin erfüllbar, aber deren Durchsetzbarkeit ist nicht mehr erzwingbar. Bei noch laufendem Insolvenzverfahren begründet die Restschuldbefreiung nicht die Möglichkeit das Insolvenzverfahren wegen Wegfall des Eröffnungsgrunds einzustellen. Zwar entfällt der Insolvenzbeschlag für den Neuerwerb ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Wohlverhaltensphase. Hinsichtlich des zuvor in die Masse gefallenen Vermögens ist jedoch das Insolvenzverfahren zu Ende zu führen.

Sachverhalt
Mit Beschluss von Mai 2004 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3.12.2009 erlangte der Schuldner nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung rechtskräftig Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren dauerte an. Der Schuldner begehrt die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit der Begründung, dass nach Erteilung der Restschuldbefreiung der Insolvenzeröffnungsgrund weggefallen sei. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.

Entscheidung
Die Einstellung des Insolvenzverfahrens ist zwar möglich, wenn keine (drohende) Zahlungsunfähigkeit vorliegt, jedoch sind die im laufenden Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldeten und festgestellten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen. Durch die Restschuldbefreiung werden die Insolvenzforderungen zu unvollkommenen Verbindlichkeiten und können somit bei der Feststellung einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit für ein nach der Restschuldbefreiung zu eröffnendes Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt werden. Doch im laufenden Insolvenzverfahren sind sie weiterhin zu berücksichtigen. Durch die Loslösung der Erteilung der Restschuldbefreiung von dem Insolvenzverfahren sollen die Insolvenzgläubiger im laufenden Verfahren ihre Rechte nicht verlieren. Bei Einstellung des Insolvenzverfahrens würde der Schuldner nämlich das Recht zurückerlangen, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen, während die Gläubiger ihre Forderungen nicht mehr durchsetzen könnten. Hierdurch würde der Zweck des Insolvenzverfahrens, nämlich die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger, verfehlt.

Konsequenz
Unabhängig von der Erteilung einer Restschuldbefreiung ist das laufende Insolvenzverfahren fortzuführen.

Ausgewogene Altersstruktur im Insolvenzverfahren: kein AGG-Verstoß

Ausgewogene Altersstruktur im Insolvenzverfahren: kein AGG-Verstoß

Kernaussage
Auch in der Insolvenz ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn die Sozialauswahl beachtet und der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt wurde. Die Sozialauswahl beschränkt sich auf die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen und kann vom Arbeitsgericht auch nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sozialauswahl ist nur dann grob fehlerhaft, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Nach der ausdrücklichen insolvenzrechtlichen Regelung (125 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ist die Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft, wenn dadurch eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Deshalb kann der Insolvenzverwalter insbesondere solche Arbeitnehmer von der Kündigung ausnehmen, die er zur Erhaltung oder Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur braucht. Diese im Insolvenzverfahren eröffnete Möglichkeit der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen verletzt das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht; dies entschied aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Sachverhalt
Der 1960 geborene Kläger war bei dem Schuldnerunternehmen seit 1998 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Am 1.4.2011 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss am selben Tag mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der sich auch der Name des Klägers befand. Die Sozialauswahl wurde nach Altersgruppen vorgenommen. In der von Kündigungen ausgenommenen Altersgruppe 1 waren alle bis zu 44-jährigen Arbeitnehmer zusammengefasst. Das Durchschnittsalter aller Arbeitnehmer lag bei 51 Jahren. Mit Schreiben vom 1.4.2011 kündigte der beklagte Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.7.2011. Am 5.4.2011 ging der Betrieb auf ein weiteres Unternehmen über. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die Kündigung und verlangt seine Weiterbeschäftigung bei dem übernehmenden Unternehmen. Er meinte, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft.

Entscheidung
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen. Die Darlegungen des beklagten Insolvenzverwalters ließen nicht erkennen, dass die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch die vorgenommene Altersgruppenbildung sanierungsbedingt erforderlich war. Die streitenden Parteien werden nun Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags haben, denn bei einer Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung wäre die Auswahl bezogen auf den Kläger grob fehlerhaft.

Konsequenz
Die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen ist grundsätzlich durch das legitime Ziel der Sanierung eines insolventen Unternehmens gerechtfertigt. Dennoch müssen die Arbeitsgerichte prüfen, ob die Altersgruppenbildung im konkreten Interessenausgleich auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerechtfertigt ist. Der kündigende Insolvenzverwalter ist darlegungs- und beweispflichtig für die sanierungsbedingte Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung.

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

  Aufrechnung im InsolvenzverfahrenKernaussage
Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oft nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu. Sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist. Das war nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall – eine Aufrechnung war also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt diese Rechtsprechung in 2 Urteilen aufgegeben. Eine Aufrechnung ist nur noch dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.Sachverhalt
In beiden entschiedenen Fällen klagte der Insolvenzverwalter einer jeweils in 2002 insolvent gewordenen GmbH. Im ersten Fall war eine Umsatzsteuerberichtigung zu Gunsten der GmbH erforderlich geworden, weil deren Geschäftspartner nach Insolvenzeröffnung ebenfalls insolvent und das Leistungsentgelt somit uneinbringlich geworden war. Das beklagte Finanzamt hatte die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Ansprüchen aus März, April und September 2001 erklärt. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, eine Umsatzsteuerforderung sei erst dann entstanden, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht sei. Dies sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass eine Aufrechnung gesetzlich verboten sei. Der BFH gab dem Insolvenzverwalter Recht. Im zweiten Fall hatte die seit 2002 insolvente GmbH in 2001 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die aufgrund hoher Vorsteuern in allen Monaten zu Vergütungen führten. Das Finanzamt setzte Umsatzsteuer fest und meinte, die in den Anmeldungen Januar bis August 2001 berücksichtigten Vorsteuern seien aufgrund des Insolvenzeröffnungsantrags im Schätzwege durch einen prozentualen Abschlag zu berichtigen. In entsprechenden Umbuchungsmitteilungen aus Dezember 2001 und Februar 2002 verrechnete das Finanzamt die Umsatzsteuerforderungen mit den für September bis November 2001 und Dezember 2001 angemeldeten Vergütungsforderungen. Nach Einwendungen des Insolvenzverwalters hiergegen erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid und stellte das Erlöschen der Vergütungsansprüche fest. Diesmal gab der BFH dem Finanzamt Recht.
  Entscheidung
Im ersten Fall wurde eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten der insolventen GmbH deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH) ebenfalls in Insolvenz geraten und das von diesem geschuldete Leistungsentgelt damit uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers durfte das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen. Im zweiten Fall urteilte der BFH, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des BFH gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung). Hier seien die Aufrechnungsverbote nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.Konsequenz
Die Finanzverwaltung darf künftig nur noch mit eigenen Forderungen aufrechnen, wenn der Berichtigungstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Kernaussage

Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oft nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu. Sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist. Das war nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall – eine Aufrechnung war also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt diese Rechtsprechung in 2 Urteilen aufgegeben. Eine Aufrechnung ist nur noch dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.

Sachverhalt

In beiden entschiedenen Fällen klagte der Insolvenzverwalter einer jeweils in 2002 insolvent gewordenen GmbH. Im ersten Fall war eine Umsatzsteuerberichtigung zu Gunsten der GmbH erforderlich geworden, weil deren Geschäftspartner nach Insolvenzeröffnung ebenfalls insolvent und das Leistungsentgelt somit uneinbringlich geworden war. Das beklagte Finanzamt hatte die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Ansprüchen aus März, April und September 2001 erklärt. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, eine Umsatzsteuerforderung sei erst dann entstanden, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht sei. Dies sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass eine Aufrechnung gesetzlich verboten sei. Der BFH gab dem Insolvenzverwalter Recht. Im zweiten Fall hatte die seit 2002 insolvente GmbH in 2001 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die aufgrund hoher Vorsteuern in allen Monaten zu Vergütungen führten. Das Finanzamt setzte Umsatzsteuer fest und meinte, die in den Anmeldungen Januar bis August 2001 berücksichtigten Vorsteuern seien aufgrund des Insolvenzeröffnungsantrags im Schätzwege durch einen prozentualen Abschlag zu berichtigen. In entsprechenden Umbuchungsmitteilungen aus Dezember 2001 und Februar 2002 verrechnete das Finanzamt die Umsatzsteuerforderungen mit den für September bis November 2001 und Dezember 2001 angemeldeten Vergütungsforderungen. Nach Einwendungen des Insolvenzverwalters hiergegen erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid und stellte das Erlöschen der Vergütungsansprüche fest. Diesmal gab der BFH dem Finanzamt Recht.

Entscheidung

Im ersten Fall wurde eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten der insolventen GmbH deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH) ebenfalls in Insolvenz geraten und das von diesem geschuldete Leistungsentgelt damit uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers durfte das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen. Im zweiten Fall urteilte der BFH, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des BFH gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung). Hier seien die Aufrechnungsverbote nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.

Konsequenz

Die Finanzverwaltung darf künftig nur noch mit eigenen Forderungen aufrechnen, wenn der Berichtigungstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

BFH ändert seine Rechtsprechung zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren

“Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oftmals nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu; sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung – InsO -). Das war nach der bisherigen, langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht der Fall – eine Aufrechnung also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts. Der BFH hat jetzt mit Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 diese bisher durch die dem Steuerrecht eigentümliche besondere Verknüpfung von Umsatzsteuerfestsetzung und Umsatzsteuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes – UStG -) gerechtfertigte Rechtsprechung aufgegeben: Eine Aufrechnung sei nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.

Im Streitfall wurde jedoch eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmers) ebenfalls in Insolvenz geraten, das von diesem geschuldete Leistungsentgelt also uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers darf das Finanzamt Insolvenzforderungen nicht verrechnen.

In einem weiteren Urteil vom gleichen Tag (VII R 44/10) hat der BFH erkannt, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteil vom 24. November 2011 V R 13/111 ) gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung gemäß § 16 UStG). Hier seien die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.”

BFH-Urteil vom 25.07.2012 – VII R 44/10
BFH-Urteil vom 25.07.2012 – VII R 29/11

Pressemitteilung Nr. 73 des Bundesfinanzhofs (BFH)

  1. Vgl. dazu: “Weitere Entscheidungen des BFH (14.12.2011)“.

Beschwerde gegen die Insolvenzverfahrenseröffnung nach Eigenantrag?

Beschwerde gegen die Insolvenzverfahrenseröffnung nach Eigenantrag?

Kernaussage

Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person (Privatperson oder z. B. Gesellschaft) wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind der Schuldner selbst und dessen Gläubiger. Gegen die, auf Antrag eines Gläubigers erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Schuldner Beschwerde einlegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte hierzu aktuell zu entscheiden, ob eine Beschwerde des Schuldners auch dann zulässig ist, wenn der Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit) nachträglich beseitigt wird und neben dem Antrag eines Gläubigers auch ein Eigenantrag des Schuldners existiert.

Sachverhalt

Eine Krankenkasse stellte gegen den Schuldner, einen Rechtsanwalt, wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge einen Insolvenzantrag. Der Rechtsanwalt beantragte daraufhin ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Kurz nach Verfahrenseröffnung durch das Amtsgericht wurden die Beitragsrückstände beglichen; die Krankenkasse und der Rechtsanwalt nahmen jeweils ihre Eröffnungsanträge zurück. Die von dem Rechtsanwalt sodann gegen die Eröffnung eingelegte Beschwerde wurde von allen Instanzen als unzulässig verworfen.

Entscheidung

Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht ihm gegen diese Entscheidung grundsätzlich kein Beschwerderecht zu, auch dann nicht, wenn neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag gestellt hat. So war es auch hier: der Rechtsanwalt war durch den Eröffnungsbeschluss nicht beschwert. Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann, wenn mehrere Anträge gestellt sind, nur einheitlich entschieden werden; die Insolvenzanträge sind miteinander zu verbinden. Infolge der Verbindung beruht die Eröffnung auch auf dem Antrag des Schuldners. Vorliegend war nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit durch eine Veränderung der Umstände zwischen Stellung des Eigenantrags und der Verfahrenseröffnung in Frage stellen wollte. Weil der Anwalt selbst einen Eröffnungsantrag gestellt hatte, konnte er sich allenfalls auf einen späteren Wegfall des Eröffnungsgrundes berufen. Er konnte indes nicht geltend machen, es habe von Anfang an kein Eröffnungsgrund vorgelegen. Sind die Eröffnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung gegeben, kann diese nicht durch den nachträglichen Ausgleich der Forderung des Gläubigers zu Fall gebracht werden.

Konsequenz

Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor der Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet keine Beschwer.

Darlehensrückzahlung im Insolvenzverfahren

Darlehensrückzahlung im Insolvenzverfahren

Kernaussage

Vor Inkrafttreten der GmbH-Rechtsreform zum 1.11.2008 unterlagen die in der Krise gewährten oder der GmbH belassenen Gesellschafterdarlehen dem so genannten Eigenkapitalersatzrecht. Hiernach durfte eine Rückzahlung dieser Darlehen nicht erfolgen, solange eine Unterbilanz bestand. Nach den Neuregelungen wird nunmehr die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen gesetzlich angeordnet. Ferner können Rückzahlungen auf Darlehen, die innerhalb des letzten Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags erfolgt sind, vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Ist das Insolvenzverfahren nach dem 1.11.2008 eröffnet, finden ausschließlich die Neuregelungen Anwendung. Die Forderung eines Darlehensgebers, der länger als ein Jahr vor Insolvenzeröffnung kein Gesellschafter mehr war, ist nicht nachrangig und kann in der Insolvenz durchgesetzt werden.

Sachverhalt

Die Rechtvorgängerin der Klägerin hat der Schuldnerin im Jahr 2000 ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1,5 Mio. DM gewährt. Im Jahr 2002 veräußerte die Klägerin ihre Gesellschaftsanteile an die Mitgesellschafter und verpflichtete sich, der Schuldnerin weitere Darlehensmittel zu gewähren. Die Klägerin und die Erwerber erklärten bezüglich der Darlehen einen bis zum 31.12.2005 befristeten Rangrücktritt. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Schuldnerin die Rückzahlung der Darlehen. Das Landgericht hat die Klage wegen eigenkapitalersetzender Darlehen abgewiesen. Am 4. 11.2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Urteil vom 22.11.2010 gab das Berufungsgericht der Klage statt. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidung

Weil das Insolvenzverfahren erst 2010 eröffnet wurde, kann die Klägerin grundsätzlich die Rückzahlung der Darlehen durchsetzen. Auch ist die Forderung nicht als nachrangig zu behandeln, denn die Forderung eines ausscheidenden Gesellschafters soll nur für eine begrenzte Zeit der Subordination unterliegen. Zum Schutz vor kurzfristigen Gesellschafterwechseln zwecks Umgehung der Nachrangigkeit ist eine einjährige Frist, gerechnet ab dem Eröffnungsantrag, heranzuziehen. Die Klägerin ist früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Schuldnerin ausgeschieden, so dass die Forderung nicht mehr als nachrangig zu behandeln ist. Ferner war die vertragliche Rangrücktrittsvereinbarung wirksam bis zum Ablauf des Jahres 2005 befristet.

Konsequenz

Hinsichtlich der Umstellung auf das zeitliche Konzept der Insolvenzordnung wird kritisiert, dass eine Rückzahlung der Darlehen und damit ein Vermögensabfluss nicht mit einem Gesellschafterwechsel vergleichbar ist.