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Kindergeld für im Inland lebende Ausländer

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat am 19. August 2013 in den Klageverfahren 7 K 111/13, 7 K 113/13, 7 K 112/13 und 7 K 9/10 entschieden, dass die Verfahren ausgesetzt und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt werden, ob § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungswidrig ist.

§ 62 Abs. 2 EStG regelt den Anspruch von im Inland lebenden Ausländern auf Kindergeld. Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist davon überzeugt, dass § 62 Abs. 2 EStG gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt. Die vom Gesetzgeber gewählten Differenzierungskriterien in § 62 Abs. 2 EStG halten nach Auffassung des Finanzgerichts einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Die Begründung der Vorlagen und die Aktenzeichen des BVerfG werden demnächst auf der Internetseite des Niedersächsischen Finanzgerichts veröffentlicht.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 20.08.2013 zu den Beschlüssen 7 K 111/13, 7 K 113/13, 7 K 112/13 und 7 K 9/10 vom 19.08.2013

Kindergeld auch für verheiratete Kinder in Erstausbildung

Für verheiratete volljährige Kinder in Erstausbildung besteht auch dann ein Kindergeldanspruch, wenn die eigenen Einkünfte des Kindes und die Unterhaltsleistungen des Ehegatten den Grenzbetrag von 8.004 Euro überschreiten. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Köln am 16.07.2013 (9 K 935/13) entschieden.

In dem Verfahren verwehrte die Familienkasse der Klägerin das Kindergeld ab Januar 2012 für ihre 21-jährige verheiratete Tochter. Dies begründete die Familienkasse damit, dass sich die Tochter der Klägerin selbst unterhalten könne, da die Summe aus ihrer Ausbildungsvergütung und dem Unterhaltsbeitrag ihres Ehemanns den Grenzbetrag von 8.004 Euro überschreite. Damit läge kein sog. „Mangelfall“ und damit keine zwingende Unterhaltsbelastung der Klägerin für ihre Tochter vor.

Dem folgte der Senat nicht und gewährte das beantragte Kindergeld. Dies begründet er in seinem Urteil damit, dass sich die Tochter der Klägerin in Erstausbildung befinde, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und das Gesetz keine weiteren Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld enthalte. Insbesondere seien seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2012 die eigenen Bezüge der Kinder ohne Bedeutung. Dies gelte genauso für verheiratete Kinder. Daher müsse auch bei diesen – entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – keine „typische Unterhaltssituation“ mehr vorliegen.

Mit seiner Entscheidung erklärt der Senat die anderslautende Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern (31.2.2 DA FamEStG) für rechtswidrig.

Der Senat hat gegen sein Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 15.08.2013 zum Urteil 9 K 935/13 vom 16.07.2013

Kindergeld für inhaftiertes und vom Studium beurlaubtes Kind?

Kindergeld für inhaftiertes und vom Studium beurlaubtes Kind?

Kernaussage
Eltern von Heranwachsenden zwischen 18 und 25 Jahren, die einer Ausbildung nachgehen, steht ein Anspruch auf Kindergeld zu. Eine schädliche Unterbrechung der Berufsausbildung liegt vor, wenn der Heranwachsende später rechtskräftig verurteilt wird, sich in Haft befindet und vom Studium beurlaubt ist.

Sachverhalt
Der Sohn der Klägerin war vom Wintersemester 2003/2004 bis einschließlich zum Sommersemester 2005 von seinem Studium der Rechtswissenschaften beurlaubt, da er wegen Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde. Die beklagte Familienkasse hob deswegen die Kindergeldfestsetzung auf und forderte die Klägerin auf, das überzahlte Kindergeld zurückzuzahlen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde schließlich vom Bundesfinanzhof (BFH) abgewiesen.

Entscheidung
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld, denn die Berufsausbildung des Sohnes wurde durch die Untersuchungs- und Strafhaft für den streitbefangenen Zeitraum tatsächlich unterbrochen. Das formale Weiterbestehen des Ausbildungsverhältnisses ist insofern unerheblich. Der Fall ist auch nicht mit einer unschädlichen Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft vergleichbar. Ferner scheidet die Vergleichbarkeit mit einem Bezugsfall aus, wonach seinerzeit ein in Untersuchungshaft genommenes Kind ausnahmsweise als weiterhin in Ausbildung befindlich zu behandeln ist, weil es letztlich vom Tatvorwurf freigesprochen worden war. Vorliegend hat der Sohn durch eigenes vorwerfbares Verhalten die Inhaftierung verursacht.

Konsequenz
Wird Kindergeld während einer Untersuchungshaft des Kindes bezogen, muss je nach Ausgang des Strafverfahrens mit einer Rückforderung durch die Familienkasse gerechnet werden. Es empfiehlt sich daher eine frühzeitige Anzeige.

Bezug von Kindergeld in mehreren EU-Staaten

Bezug von Kindergeld in mehreren EU-Staaten

Kernaussage
EU-Bürger, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, können auch dann, wenn sie in ihrem Heimatland Kindergeld beziehen, einen gleichzeitigen Anspruch auf Kindergeld in Deutschland haben. In diesen Fällen ist das deutsche Kindergeld allerdings um die ausländischen Leistungen zu kürzen.

Sachverhalt
Die betreffenden 3 Verfahren befassen sich mit der Frage, ob Unionsbürger anderer Mitgliedsländer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, in Deutschland kindergeldberechtigt sein können, wenn sie in ihrem Heimatland vergleichbare Familienleistungen erhalten. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit lehnten die von den Klägern jeweils beantragte Gewährung von Kindergeld ab. Hiergegen richten sich die Klagen. Das Finanzgericht Köln (FG) gab den Klägern Recht, hat aber gegen die Urteile die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.

Entscheidung
Das FG präzisiert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte entschieden, dass ein von Polen nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer und polnischer Saisonarbeiter nicht gänzlich vom Kindergeld in Deutschland ausgeschlossen sein darf, weil er in seinem Heimatland vergleichbare Familienleistungen bezieht. Dies verstößt gegen die im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte. Diese Grundsätze gelten für sämtliche Unionsbürger, wenn sie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht und ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt haben. Eine Beschränkung auf entsandte oder saisonale Arbeitnehmer ist nicht hinnehmbar. Die Regelung im deutschen Einkommensteuergesetz, wonach kein Kindergeldanspruch besteht, wenn im Ausland entsprechende Leistungen gewährt werden, verstößt gegen das Freizügigkeitsrecht und ist dahingehend zu reduzieren, das das deutsche Kindergeld um die ausländischen Familienleistungen zu kürzen ist.

Konsequenz
Die Leistungen zum Kindergeld sind in den einzelnen Mitgliedstaaten sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der Höhe unterschiedlich, weshalb diesen Entscheidungen Bedeutung zukommt. Aus europarechtlicher Sicht sind die Urteile des FG nicht zu beanstanden, dennoch bleibt die höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten.

Kein Kindergeld für den Besuch einer islamischen Mädchenschule

Der 2. Senat hat mit Urteil vom 27. Februar 2013 (Az.: 2 K 2760/11) entschieden,
dass der Besuch einer privaten islamischen Mädchenschule, deren Schwerpunkt in
der Vermittlung der Grundlagen des islamischen Glaubens liegt und die weder einen
Abschluss noch eine hinreichend gründliche theoretisch-systematische Ausbildung
zur Vorbereitung auf einen Beruf vermittelt, die Eltern nicht zum Bezug von Kindergeld berechtigt.
Geklagt hatte eine Mutter, deren Tochter nach Vollendung ihres 18. Lebensjahrs
über einen Zeitraum von zwei Jahren ein sog. Islamisches Mädchenkolleg besuchen
wollte. Dabei handelt es sich um eine private Internatsschule, die mit dem Ziel gegründet worden ist, jungen islamischen Mädchen nach Erfüllung ihrer gesetzlichen
Schulpflicht ihre Kultur und ihre Religion näherzubringen und sie in den Bereichen
Sprache, Kultur und Allgemeinwissen zu stärken, um ihnen ein selbstbewusstes Auftreten in der Gesellschaft zu ermöglichen. Hierfür beanspruchte die Klägerin Kindergeld, da das Kind durch den Schulbesuch für einen Beruf ausgebildet werde (§ 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG).
Das Finanzgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei
dem der Tochter erteilten Unterricht nicht um eine strukturierte Wissensvermittlung
handele, die als Grundlage für eine spätere Berufsausübung dienen könne. Der Besuch des Islamischen Mädchenkollegs stelle daher keine Berufsausbildung dar, weil
nach seiner religiösen und persönlichkeitsbildenden Ausrichtung kein ausreichender
inhaltlicher Zusammenhang zu einem von der Tochter angestrebten Beruf bestehe.
Da für den erteilten Sprachunterricht in Deutsch, Türkisch und Englisch zudem nur
insgesamt sechs Wochenstunden vorgesehen seien, werde auch dadurch der Bezug
zu einem späteren Beruf nicht in dem erforderlichen Umfang vermittelt.
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Ihre Ansprechpartner für Rückfragen:
Petra Karl, Pressesprecherin, Telefon (0711) 6685-703
Hans-Ulrich Fissenewert, stv. Pressesprecher, Telefon (0711) 6685-303
Finanzgericht Baden-Württemberg, Börsenstr. 6, 70174 Stuttgart
Telefax (0711) 6685 – 799; E-Mail: pressestelle@fgstuttgart.justiz.bwl.de

Kindergeldanspruch von ausländischen Mitgliedern des Personals einer Botschaft mit einem „Protokollausweis für Ortskräfte“

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.2.2013, XI R 9/12

Kindergeldanspruch von ausländischen Mitgliedern des Personals einer Botschaft mit einem „Protokollausweis für Ortskräfte“

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für die Zeit vom 1. November 2003 bis 31. Oktober 2008 für die in den Jahren 1994, 1999 und 2001 geborenen Kinder.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein … Staatsangehöriger, war als örtlich eingestellter Mitarbeiter der Botschaft der Republik L… seit dem 20. Juli 1999 Inhaber eines vom Auswärtigen Amt (AA) der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erteilten „Protokollausweises für Ortskräfte“ mit der Kennzeichnung „OK“ (früher sog. „gelber Ausweis“) und ist seitdem bei der AOK N… versichert. Er reiste für diese Erwerbstätigkeit nach Deutschland ein und nahm sie nach dem 1. April 1999 auf. Die Ehefrau des Klägers hielt sich seit dem 1. Oktober 1999 mit einem Protokollausweis in Deutschland auf.
3
Der Protokollausweis beschreibt den Status des Klägers wie folgt: „Der Inhaber/die Inhaberin dieses Protokollausweises genießt in der Bundesrepublik Deutschland keine Vorrechte und Immunitäten und unterliegt uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Der Inhaber/die Inhaberin dieses Ausweises darf in Verbindung mit dem … nationalen Reisedokument nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten sowie in die Staaten einreisen, die das Schengener Durchführungsabkommen anwenden, und sich dort bis zu 3 Monaten aufhalten.“
4
Der Kläger, seine Ehefrau und seine drei in Deutschland lebenden Kinder verfügen seit April 2011 über Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) mit gestatteter Erwerbstätigkeit bis 18. April 2014.
5
Den erstmals im September 2003 gestellten Antrag auf Kindergeld für seine drei Kinder lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 16. Oktober 2003 ab. Dem erneuten Antrag des Klägers im Januar 2005 entsprach die Familienkasse mit Bescheid vom 25. Februar 2005 ebenfalls nicht. Der Einspruch blieb erfolglos.
6
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 25. Juli 2007 III R 55/02 (BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758), die einen Sachverhalt betraf, in dem der Kläger seine Tätigkeit bereits vor dem 1. April 1999 aufgenommen hatte, sei auf den Streitfall zu übertragen, in dem die Tätigkeit bei der Botschaft erst nach dem 1. April 1999 aufgenommen worden sei.
7
Die Familienkasse stützt ihre vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Sie rügt eine unzutreffende Auslegung des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
8
Im Gegensatz zu vor dem 1. April 1999 eingereisten Personen, die nicht unter die zum 1. April 1999 neu gefassten Richtlinien fielen, sei beim Kläger von einem nur vorübergehenden Aufenthalt auszugehen. Nach den geänderten Richtlinien des AA sei nach Beendigung der Tätigkeit bei der Botschaft nunmehr die unverzügliche Ausreise der Familie vorgesehen. Es könne daher nicht mehr unterstellt werden, dass der Kläger voraussichtlich auf Dauer in Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe. Allein die für die Dauer der Tätigkeit bestehende Sozialversicherungspflicht sei entgegen der Auffassung des FG nicht geeignet, das Vorliegen eines voraussichtlichen Daueraufenthalts zu begründen. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege einer Analogie zu schließen sei.
9
Die Familienkasse beantragt,das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11
Die in den BFH-Urteilen vom 25. Juli 2007 (in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758), III R 81/03 (BFH/NV 2008, 196) und III R 56/00 (nicht veröffentlicht –n.v.–, juris) getroffenen Erwägungen würden auch im Streitfall gelten. Er führt ergänzend weiter aus, das AA habe zum 1. Februar 2010 seine Richtlinien für die Einreise und den Aufenthalt von nicht entsandten Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals wiederum geändert. Seither sei für den betroffenen Personenkreis der sog. „unechten“ Ortskräfte diplomatischer Missionen nur noch eine maximal fünfjährige Tätigkeit im Bundesgebiet zulässig und ein Familiennachzug ausgeschlossen.
12
Im Zuge dieser Änderung der Richtlinien des AA sei für sog. „unechte“ Ortskräfte eine Altfallregelung erlassen worden, aufgrund deren er, der Kläger, und seine Familienangehörigen inzwischen Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG, erhalten hätten.
13
Den geänderten Richtlinien des AA und der in diesem Zusammenhang ergangenen Altfallregelung liege die Wertung zugrunde, dass sich auch „unechte“ Ortskräfte, die ihre Tätigkeit bei der ausländischen Botschaft ab dem 1. April 1999 aufgenommen haben, typischerweise dauerhaft in Deutschland aufhielten und einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgingen.

Entscheidungsgründe

14
II. Die Revision der Familienkasse ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Kindergeld für die drei minderjährigen Kinder im Streitzeitraum hat.
15
1. Nach dem durch das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2915) neu gefassten § 62 Abs. 2 EStG, der mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und auf alle noch nicht bestandskräftigen Kindergeldfestsetzungen anzuwenden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG), erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer“Kindergeld nur, wenn er

1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt

oder

3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.“

16
a) Bei wortgetreuer Auslegung des § 62 Abs. 2 EStG stünde dem Kläger als nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer kein Kindergeld zu, da er in dem maßgebenden Streitzeitraum keine von der Ausländerbehörde erteilte Niederlassungs- bzw. Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 EStG, sondern nur einen vom AA ausgestellten „Protokollausweis für Ortskräfte“ besaß (vgl. BFH-Urteile in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.2.; in BFH/NV 2008, 196, unter II.2.; III R 56/00, n.v., unter II.2.).
17
b) Der BFH hat indes mit Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 entschieden, dass ein „gelber Ausweis“ bei ausländischen Staatsangehörigen, die vor dem 1. April 1999 eine Tätigkeit als Mitglied des Personals einer Botschaft aufgenommen haben und als ständig im Bundesgebiet ansässig behandelt wurden, im Wege der Analogie einer zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleichzustellen sei. Denn § 62 EStG enthalte eine unbewusste planwidrige Gesetzeslücke, soweit ständig ansässige ausländische Mitglieder des nicht amtlich entsandten Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen Hauspersonals von Botschaften wegen der Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels beim Kindergeld nicht berücksichtigt würden.
18
Der gesetzlichen Regelung liege offensichtlich die Vorstellung zugrunde, ein rechtmäßiger Daueraufenthalt erfordere stets einen von der Ausländerbehörde ausgestellten Aufenthaltstitel. Dabei sei aber nicht bedacht worden, dass u.a. die Mitglieder des Personals einer Botschaft als ständig ansässig angesehen wurden und deshalb sozialversicherungs- und einkommensteuerpflichtig waren (BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.b). Aus der Erteilung des „gelben Ausweises“ ergebe sich, dass sich der Ausweisinhaber rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und hier eine erlaubte Tätigkeit ausübt. Er sei zwar formell kein Titel im Sinne des Ausländergesetzes (AuslG) 1990 oder des AufenthG, die durch ihn dokumentierte Freistellung von einem Aufenthaltstitel (vgl. bis 2004 § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des AuslG 1990, und seit 2005 § 27 Abs. 1 Nr. 2 der Aufenthaltsverordnung) wirke aber wie eine ausländerrechtliche Statusentscheidung, die für den Anspruch auf Kindergeld Tatbestandswirkung entfalte (BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.d).
19
Es widerspräche dem Zweck der Kindergeldregelung und wäre auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich, wenn ausländische Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, voraussichtlich auf Dauer in Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuer-pflichtig sind, vom Kindergeld ausgeschlossen würden, weil sie für ihren rechtmäßigen Aufenthalt kraft gesetzlicher Regelung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und deshalb keinen Aufenthaltstitel erhalten.
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2. Der erkennende Senat schließt sich den dargestellten Erwägungen in dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 an, auf dessen Begründung im Einzelnen verwiesen wird. Ihre Anwendung auf den Streitfall führt dazu, dass dem Kläger, der erst nach dem 31. März 1999 seine Tätigkeit im Inland aufgenommen hat, der streitige Kindergeldanspruch (ebenfalls) zusteht.
21
a) Nach den am 1. April 1999 in Kraft getretenen, geänderten Richtlinien des AA für die Einreise und den Aufenthalt von nicht entsandten Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals, des dienstlichen Hauspersonals und der privaten Hausangestellten (n.v.) durften im Ausland rekrutierte Personen nicht (mehr) zu einer anderen Botschaft wechseln und auch keiner sonstigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Botschaft war dafür verantwortlich, dass die im Ausland rekrutierten Personen nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft mit ihrer Familie Deutschland unverzüglich verlassen.
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aa) Diese Regelungen unterscheiden sich von den vorangegangen insbesondere dadurch, dass die Botschaft nunmehr dafür verantwortlich ist, dass der Beschäftigte mit seiner Familie Deutschland unverzüglich nach Ende seines Arbeitsverhältnisses wieder verlässt.
23
Allerdings galt bereits nach der früheren, dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 zugrunde liegenden Regelung, dass die „gelben Ausweise“ jeweils auf ein Jahr befristet waren und nicht verlängert oder neu ausgestellt wurden, wenn die Bediensteten ihre Stellung bei der Botschaft verloren hatten. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes endete somit schon seinerzeit die Befreiung vom Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung. Die „ausländerrechtliche Statusentscheidung“ der Erteilung eines „gelben Ausweises“ galt somit bereits damals nur solange der Beschäftigte bei der betreffenden Botschaft beschäftigt war.
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bb) Daraus folgt, dass der Kläger solange er bei der Botschaft beschäftigt war und über einen Protokollausweis verfügte, sich sein „ausländerrechtlicher Status“ nicht von demjenigen eines vor dem 1. April 1999 Eingereisten unterschied. Die durch den jeweiligen Ausweis dokumentierte Freistellung von einem Aufenthaltstitel wirkt gleichermaßen wie eine ausländerrechtliche Statusentscheidung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.d).
25
b) § 62 Abs. 2 EStG hat zum Ziel, Kindergeld nur solchen ausländischen Staatsangehörigen zukommen zu lassen, die sich rechtmäßig und voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Bei Personen, die nur im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, muss –so der III. Senat in dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.b unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1368, 8)– nach Auffassung des Gesetzgebers ein weiteres Indiz hinzukommen, welches einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lasse. Ein solches Indiz sei die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. die Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit. Von einem nur vorübergehenden Aufenthalt sei bei ausländischen Staatsangehörigen auszugehen, deren Aufenthalt in Deutschland erkennbar begrenzt sei, wie z.B. bei denjenigen, die sich nur zu Ausbildungszwecken im Bundesgebiet aufhielten oder bei denen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Ablauf eines Höchstzeitraumes rechtlich ausgeschlossen sei.
26
Im Streitfall ist ein solches weiteres Indiz, das einen voraussichtlichen dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lässt, gegeben. Der Kläger hat seit Juli 1999 eine Erwerbstätigkeit bei der Botschaft ausgeübt. Es war ungewiss, wann die Tätigkeit endete. Die dem Kläger sowie seiner Ehefrau und seinen drei Kindern im Streitfall erteilten Aufenthaltserlaubnisse zeigen zudem, dass für Ortskräfte und ihre Familienangehörigen, die sich –wie der Kläger und seine Familie– langjährig rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben, die Möglichkeit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, besteht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. September 2004 B 10 EG 2/04 R, BSGE 93, 189, BFH/NV Beilage 2005, 157, zum Anspruch auf Erziehungsgeld).
27
c) Der Kläger ist ferner –wie das FG zutreffend erkannt hat– im Inland als ständig ansässig behandelt worden.
28
Denn er ist seit Juli 1999 –und damit auch während des Streitzeitraums– in das deutsche Sozialversicherungssystem eingegliedert. Wird ein Botschaftsbediensteter hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht als ständig ansässig behandelt, ist auch keine –dem Bezug von Kindergeld ggf. entgegenstehende– Befreiung von der Einkommensteuer gegeben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.1.d; zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Mitgliedern ausländischer Botschaften vgl. z.B. Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 2. Januar 1997 S 1310/1, juris; Verfügung der Oberfinanzdirektion –OFD– Berlin vom 20. Juli 2000 St 127-S 1310-2/94, juris; Rundverfügung der OFD Frankfurt vom 17. Oktober 2012 S 1310 A-5-St 56, juris; a.A. Abschn. 62.6 Abs. 4 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2012).
29
d) Nach den neu gefassten, am 1. Februar 2010 in Kraft getretenen Richtlinien des AA zur Beschäftigung von im Ausland angeworbenen Ortskräften an diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen in Deutschland wird die Beschäftigungsdauer neu eingestellter Ortskräfte auf eine Dauer von maximal fünf Jahren begrenzt und ein Familiennachzug ausgeschlossen.
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Ob aufgrund dieser Richtlinien für Botschaftsbedienstete, die nach dem 31. Januar 2010 ihre Tätigkeit an einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung in Deutschland aufgenommen haben, eine andere Beurteilung geboten ist, ist im Streitfall nicht zu entscheiden, weil der Kläger seine Tätigkeit bereits im Juli 1999 aufgenommen hat und sein Aufenthalt nach der damaligen Verwaltungspraxis nicht als nur vorübergehend angesehen werden kann.
31
3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

Kein Kindergeld für – später rechtskräftig verurteiltes – inhaftiertes und vom Studium beurlaubtes Kind

Aufhebung oder Änderung einer Kindergeldfestsetzung wegen Änderung der Verhältnisse

BFH, Urteil XI R 50/10 vom 23.01.2013

Kein Kindergeld für –später rechtskräftig verurteiltes– inhaftiertes und vom Studium beurlaubtes Kind – Aufhebung oder Änderung einer Kindergeldfestsetzung wegen Änderung der Verhältnisse

Leitsätze

1. Die Durchführung einer Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG setzt voraus, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden.

 

2. Eine kindergeldschädliche Unterbrechung der Berufsausbildung ist gegeben, wenn ein später rechtskräftig verurteiltes Kind sich in Haft befindet und sich während dieser Zeit von seinem Studium hat beurlauben lassen.

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) einen Anspruch auf Kindergeld für ihren am X.X.1982 geborenen Sohn S hat, der sich von seinem Studium der Rechtswissenschaften vorübergehend hatte beurlauben lassen und sich während dieser Zeit in Untersuchungshaft und anschließend in Haft befand.
2
Der Sohn der Klägerin war seit dem Wintersemester 2002/2003 zum Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Z immatrikuliert. Er war nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) vom Wintersemester 2003/2004 bis einschließlich Sommersemester 2005 beurlaubt. Seit dem Wintersemester 2005/2006 war S nicht mehr beurlaubt und hat sein Studium fortgesetzt.
3
Er wurde am 12. August 2004 vom Landgericht (LG) Z wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ausweislich der Urteilsgründe war er in den Drogenhandel mit Haschisch eingebunden und hatte am 26. Juni 2003 Haschisch und Ecstasytabletten mit einem Marktwert von 100.000 EUR von A nach Z befördert. Der Sohn der Klägerin war am selben Tag festgenommen worden, befand sich zunächst in Untersuchungshaft und ab dem 26. Januar 2005 in Strafhaft. Ab August 2005 war er im sog. „offenen Vollzug“. Das LG U setzte mit Beschluss vom 17. Januar 2006 den Rest der Strafe vorzeitig zur Bewährung aus. Mit Beschluss vom 5. Februar 2009 wurde die ausgesetzte Reststrafe erlassen.
4
Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 19. April 2007 für den Zeitraum Juli 2003 bis September 2005 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und forderte überzahltes Kindergeld in Höhe von … EUR von der Klägerin zurück. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren blieb ohne Erfolg.
5
Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 152 veröffentlicht. Das FG führte im Wesentlichen aus, dass für den streitbefangenen Zeitraum eine Unterbrechung der Berufsausbildung vorliege, was zum Wegfall der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG führe. Denn auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen hätten trotz der Immatrikulation wegen der Beurlaubung während der Haft nicht stattgefunden. Der vorliegende Sachverhalt sei auch nicht mit dem Fall vergleichbar, über den der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2006 III R 69/04 (BFH/NV 2006, 2067) befunden habe, in dem das in Untersuchungshaft befindliche Kind später von jedem strafrechtlichen Tatvorwurf freigesprochen worden sei. Demgegenüber sei das Kind im Streitfall für die vorsätzliche Begehung einer schwerwiegenden Straftat verurteilt worden; somit sei nicht erst die Anordnung der Untersuchungshaft oder die Vollziehung der Strafhaft ursächlich für die Unterbrechung der Ausbildung gewesen. Die vom FG vertretene Sichtweise werde im Übrigen auch von anderen Finanzgerichten geteilt (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Februar 2008  4 K 435/06, EFG 2008, 1393; FG Nürnberg, Urteil vom 20. Januar 2006 V 114/2005, nicht veröffentlicht –n.v.–, juris).
6
Mit der hiergegen eingelegten –vom FG zugelassenen– Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Nach ihrer Auffassung ist der Streitfall entgegen der Ansicht des FG durchaus vergleichbar mit dem Sachverhalt, über den der BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2006, 2067 befunden hat. Denn ihr Sohn habe mit der Begehung der Straftat keineswegs willentlich seine Ausbildung unterbrochen. Das FG habe insoweit eine „falsche und ihm nicht zukommende Gesinnungsbewertung“ vorgenommen. Im Übrigen sei ihr Sohn erstmals straffällig geworden und habe sich auch in der Haft weiter fortgebildet. Nicht einmal in einem Strafurteil werde festgestellt, ob der Angeklagte die Tat mit dem Vorsatz begangen hätte, seine Ausbildung zu unterbrechen. Dies dürfe auch niemand schlicht unterstellen. Vielmehr sei der bei der Tatbegehung mehr als „blauäugige“ und „naive“ Sohn der Klägerin als Heranwachsender vom Kopf einer Drogenbande als neuer Kurier rekrutiert und „verheizt“ worden, was den Telefonauswertungen der Akten der Mittäter zu entnehmen sei. Selbst bei einem Jurastudenten im zweiten Semester sei nicht ohne weiteres anzunehmen, die Folgen seiner Tat hätten sich ihm in diesem Ausmaß aufdrängen müssen, zumal es große Unterschiede zwischen strafrechtlichen Betäubungsmittelverfahren und anderen Strafverfahren gebe. Eine moralische Abwägung komme weder der Familienkasse noch dem FG zu, zumal die anwendbaren Rechtsnormen keine subjektiven Elemente aufwiesen.
7
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 19. April 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
8
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
9
Sie hält die Entscheidung des FG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
11
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in der Zeit von Juli 2003 bis September 2005 für ihren Sohn S keinen Anspruch auf Kindergeld hat, so dass die Familienkasse berechtigt war, die entsprechende Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben und das insoweit ausgezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) wieder zurückzufordern.
12
1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen beim Kindergeldberechtigten berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
13
a) Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG („ausgebildet wird“) stellt nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf das formale Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.a; in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.a; vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614, unter II.1.a aa). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Ausbildungsverhältnis vorläufig beendet ist oder ob es zwar bestehen bleibt, aber infolge Beurlaubung die Rechte und Pflichten ruhen (BFH-Urteil in BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.). Denn es tritt grundsätzlich eine Unterbrechung der Ausbildung ein, sobald es an Maßnahmen fehlt, die geeignet sind, dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen im Hinblick auf die Ausübung des angestrebten Berufs zu dienen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BFHE 199, 210, BStBl II 2002, 807, unter II.2.a; in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.a, und in BFH/NV 2010, 614, unter II.1.a aa).
14
b) Im Streitfall hat das FG zutreffend angenommen, dass die Berufsausbildung des Kindes S durch die Untersuchungshaft mit anschließender Strafhaft für den streitbefangenen Zeitraum unterbrochen war. Denn der Sohn der Klägerin hat während dieser Zeit sein begonnenes Studium der Rechtswissenschaften, von dem er sich hatte beurlauben lassen, nicht fortgesetzt.
15
aa) Dem steht nicht entgegen, dass eine Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft für den Anspruch auf Kindergeld als unschädlich angesehen wird (vgl. Abschn. 63.3.2.8 Abs. 1 und 3 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes –DA-FamEStG–; ebenso BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil in EFG 2008, 1393; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2011  2 K 5243/09, EFG 2011, 1262; FG Münster, Urteil vom 8. Juni 2011  10 K 3649/09 Kg, EFG 2012, 339). Denn im Streitfall ist keiner dieser Ausnahmefälle gegeben.
16
bb) Auch die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BFH, wonach ein in Untersuchungshaft genommenes Kind ausnahmsweise weiterhin als in Ausbildung befindlich zu behandeln ist, wenn es die begonnene Ausbildung in der Haft nicht fortsetzt (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2067; entgegen Abschn. 63.3.2.7 Abs. 9 DA-FamEStG), ist im Streitfall nicht einschlägig.
17
Denn der BFH hatte in seinem in BFH/NV 2006, 2067 zu entscheidenden Fall maßgeblich darauf abgestellt, dass das seinerzeit in Polen inhaftierte Kind die Unterbrechung seiner Ausbildung nicht zu vertreten hatte, weil es letztlich vom Tatvorwurf freigesprochen worden war (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c).
18
Demgegenüber hat das Kind S im Streitfall mit seiner Beteiligung am Drogenhandel eine Straftat begangen, für die es rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ein derartiger Sachverhalt ist unabhängig von der subjektiven Sicht des Kindes von vornherein nicht vergleichbar mit dem Fall, über den der BFH in BFH/NV 2006, 2067 befunden hat (im Ergebnis ebenso FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil in EFG 2008, 1393; FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2011, 1262; FG Münster, Urteil in EFG 2012, 339; Dürr, BFH-PR 2006, 485, 486).
19
Diese Wertung steht im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach für behinderte Kinder, die sich in Strafhaft befinden, gleichfalls kein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 2009 III B 47/08, BFH/NV 2009, 929, und vom 8. November 2012 VI B 86/12, n.v., juris).
20
2. Das FG hat auch zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen von § 70 Abs. 2 EStG bejaht.
21
Nach dieser Vorschrift ist bei einer Änderung der für den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verhältnisse die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Die Familienkasse hat insoweit keinen Ermessensspielraum (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231; vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81).
22
Im Streitfall liegt die Änderung der Verhältnisse in der Unterbrechung der Ausbildung durch die Beurlaubung vom Studium und den Haftantritt des Sohnes der Klägerin.
23
3. Das FG hat überdies zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen von § 37 Abs. 2 AO vorliegen. Die Familienkasse war danach berechtigt, das für den streitbefangenen Zeitraum ausbezahlte Kindergeld zurückzufordern.

Kindergeld | Anspruch nach Sozialsicherungsabkommen (BFH)

Kindergeld nach Sozialsicherungsabkommen

 Leitsatz

Ein Werkstudent, für den aufgrund eines sog. Werkstudentenprivilegs keine Sozialversicherungspflicht besteht, kann nach § 62 Abs. 1 EStG i.V.m dem SozSichAbk YUG kindergeldberechtigt sein.

 Gesetze

EStG § 62
SozSichAbk YUG SozSichAbk YUG Art. 2, 3 und 28

 Instanzenzug

Niedersächsisches FG vom 9. Dezember 2009 7 K 248/04 (EFG 2010, 1227)

 Gründe

I.

1  Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), stammt aus dem Kosovo und war zunächst jugoslawischer und später serbischer Staatsbürger. Er studierte seit 1999 an der Universität H Chemie und war aufgrund des Studiums im Inland aufenthaltsberechtigt.

2  Neben seinem Studium war er ab August 2000 aufgrund einer mehr als geringfügigen Beschäftigung von ca. 20 Wochenstunden als Krankenpfleger renten-, nicht aber auch arbeitslosenversicherungspflichtig tätig. Die Versicherungsfreiheit bei der Arbeitslosenversicherung beruhte gemäß § 27 Abs. 4 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf dem Studium des Klägers.

3  Für seinen im März 2000 im Inland geborenen und lebenden Sohn stellte der Kläger am 2. Dezember 2003 für den Zeitraum ab August 2000 Antrag auf Kindergeld, den die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) mit Bescheid vom 19. Dezember 2003 ablehnte. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2004 zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens beantragte der Kläger am 8. November 2007 Kindergeld erneut für seinen Sohn und darüber hinaus für seine im Juni 2007 geborene Tochter. Durch Bescheid vom 7. März 2008, zu dem die Familienkasse ausdrücklich mitteilte, dass dieser gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei, gewährte die Familienkasse Kindergeld für den Zeitraum ab August 2007, da der Kläger ab diesem Monat aufgrund eines neu abgeschlossenen Arbeitsvertrages eine arbeitslosenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe.

4  Mit seinem in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2010, 1227 veröffentlichten Urteil gab das FG der Klage statt. Der Kläger sei für den Zeitraum August 2000 bis Juli 2007 kindergeldberechtigt. Zwar erstrecke sich die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Bescheides, mit dem eine Kindergeldfestsetzung abgelehnt werde, nur auf den Zeitraum bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe. Aufgrund der im Streitfall erhobenen Klage fehle es jedoch an einem bestandskräftigen Bescheid. Die Sache sei für den gesamten Zeitraum spruchreif. Offenbleiben könne, ob der Kläger nach § 62 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kindergeldberechtigt sei, da sich ein Anspruch auf Kindergeld jedenfalls aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, 1438 ) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 —SozSichAbk YUG— (BGBl II 1975, 390 ) ergebe.

5  Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision, mit der sie die Verletzung von § 44 Abs. 1 FGO und Art. 28 Abs. 1 SozSichAbk YUG geltend macht. Das FG habe über Sachverhalte entschieden, die bei Erlass der Einspruchsentscheidung noch nicht verwirklicht gewesen seien. Für den Zeitraum nach Ergehen der Einspruchsentscheidung liege keine Entscheidung der Familienkasse zur Anspruchsberechtigung des Klägers vor; es fehle insoweit auch an einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Darüber hinaus setze die Arbeitnehmereigenschaft nach dem SozSichAbk YUG eine Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung voraus. Es komme auf eine vollumfängliche Integration in das deutsche Sozialversicherungssystem an. Erforderlich sei, dass für den Fall der Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe, was auf den Kläger nicht zutreffe.

6  Die Familienkasse beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7  Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

8  Wie sich aus einem Bescheid vom 7. März 2008 ergebe, in dem die Familienkasse darauf hingewiesen habe, dass das Kindergeld rückwirkend erst ab August 2007 festgesetzt werden könne, habe die Familienkasse den Kindergeldantrag zumindest konkludent für den Zeitraum bis einschließlich Juli 2007 abgelehnt. Auch im Übrigen sei das Urteil des FG zutreffend.

II.

9  Die Revision der Familienkasse ist nur teilweise begründet. Im Hinblick auf den Streitzeitraum April 2004 bis Juli 2007 ist die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig. Das Urteil des FG war insoweit aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ), damit es der Familienkasse Gelegenheit gibt, die noch fehlende Einspruchsentscheidung zu erlassen. Im Übrigen hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger nach dem SozSichAbk YUG kindergeldberechtigt ist.

10  1. Die Klage ist hinsichtlich des Streitzeitraums April 2004 bis Juli 2007 unzulässig und war insoweit an das FG zurückzuverweisen.

11  a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beschränkt sich der „zeitliche Regelungsumfang” eines einen Kindergeldanspruch betreffenden Ablehnungsbescheides auch für den Fall eines zunächst außergerichtlichen und dann gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens auf das Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, ohne dass eine nachfolgende Klageerhebung hieran etwas ändert (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07 , BFHE 236, 144 , BStBl II 2012, 681).

12  b) Im Streitfall hat die Familienkasse die Einspruchsentscheidung am 16. März 2004 erlassen. Zwar besteht die Besonderheit, dass die Familienkasse auf einen weiteren, während des Klageverfahrens gestellten Kindergeldantrag des Klägers einen Änderungsbescheid erlassen hat, zu dem die Familienkasse mitteil-te, dass er gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei, und mit dem die Familienkasse den Kläger erst ab August 2007, nicht aber auch für den vorherigen Zeitraum als kindergeldberechtigt ansah.

13  Die Annahme der Familienkasse, dass ein Kindergeldbescheid, der auf einen während des Klageverfahrens gestellten Antrag auf Kindergeld für einen Zeitraum nach Ergehen der Einspruchsentscheidung ergeht, gemäß § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand wird, ist aber mit dem BFH-Urteil in BFHE 236, 144 , BStBl II 2012, 681 nicht vereinbar. Denn hat die einer Einspruchsentscheidung nachfolgende Klageerhebung keinen Einfluss auf den zeitlichen Regelungsumfang des angefochtenen Bescheides, liegt ein Änderungsbescheid, der nach § 68 FGO Verfahrensgegenstand werden kann, nur vor, wenn er sich auf Zeiträume bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bezieht. Dass im BFH-Urteil in BFHE 236, 144 , BStBl II 2012, 681 nicht über den —hier vorliegenden— Fall eines im FG-Verfahren zusätzlich ergangenen Ablehnungsbescheides zu entscheiden war, steht dem nicht entgegen. Auf die vom FG für maßgeblich angesehene Spruchreife kommt es daher nicht an.

14  c) Das FG hätte daher über die Klage für den Zeitraum April 2004 bis Juli 2007 nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern hätte vielmehr zunächst der Familienkasse Gelegenheit geben müssen, auch für diesen Zeitraum eine Einspruchsentscheidung zu erlassen. Versäumt das FG dies und erlässt es stattdessen eine Sachentscheidung, so ist sein Urteil wegen Verletzung des § 44 Abs. 1 FGO aufzuheben (BFH-Urteile vom 24. April 2007 I R 33/06 , BFH/NV 2007, 2236 ; vom 21. Juli 1987 IX R 80/83, BFH/NV 1988, 213 ). Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit dieses auf die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Sachentscheidung hinwirken kann.

15  2. Hinsichtlich des Streitzeitraums April 2000 bis März 2004 ist die Revision unbegründet.

16  Im Streitfall lagen nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO ) die Voraussetzungen für eine Kindergeldberechtigung des Klägers gemäß § 62 Abs. 1 EStG vor. Wie das FG weiter zu Recht entschieden hat, kommt es im Streitfall im Hinblick auf das vorrangig anzuwendende SozSichAbk YUG nicht darauf an, ob der nach § 62 Abs. 1 EStG bestehende Kindergeldanspruch durch § 62 Abs. 2 EStG zu Lasten —nicht freizügigkeitsberechtigter— Ausländer eingeschränkt wird und ob diese Einschränkung verfassungsgemäß ist.

17  a) Im Streitfall ist das SozSichAbk YUG zugunsten des Klägers anwendbar.

18  aa) Das SozSichAbk YUG ist auch nach dem Zerfall Jugoslawiens weiter anzuwenden (vgl. zur Parallelfrage der Weitergeltung des Doppelbesteuerungsabkommens Jugoslawiens BFH-Urteil vom 20. August 2008 I R 35/08 , BFH/NV 2009, 26 ). Ebenso hat auch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 12. April 2000 B 14 KG 3/99 R (BSGE 86, 115 ) die Fortgeltung des SozSichAbk YUG bejaht. Im Hinblick hierauf schließt sich der Senat den Zweifeln an der Fortgeltung des SozSichAbk YUG, die das BSG später geäußert (BSG-Beschluss vom 23. Mai 2006 B 13 RJ 17/05 R , Die Sozialgerichtsbarkeit 2007, 227), aber aus prozessrechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten hat (vgl. Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts —BVerfG— vom 25. August 2008 2 BvM 3/06, BVerfGE 121, 388 ), nicht an.

19  bb) Der Kläger ist nach dem SozSichAbk YUG anspruchsberechtigt. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a SozSichAbk YUG stehen bei der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats (hier: Deutschland) die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats den Staatsangehörigen des zuerst genannten Vertragsstaats gleich. Danach ist der Kläger, der im maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung serbischer Staatsangehöriger war, wie ein deutscher Staatsangehöriger zu behandeln.

20  Im Hinblick auf die sich hieraus ergebende Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen steht der Anspruchsberechtigung des Klägers der in § 62 Abs. 2 EStG vorgesehene Anspruchsausschluss für Ausländer nicht entgegen.

21  b) Im Bereich des Kindergeldrechts bezieht sich die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a SozSichAbk YUG vorgesehene Gleichbehandlung gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG nur auf das „Kindergeld für Arbeitnehmer”. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall vor, wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat.

22  aa) Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG erfasst auch Ansprüche auf Kindergeld für Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland.

23  (1) Wie das BSG mit Urteil in BSGE 86, 115 entschieden hat, kam es beim Inkrafttreten des SozSichAbk YUG auf die Arbeitnehmereigenschaft des Kindergeldberechtigten nur bei Ansprüchen auf Kindergeld für Kinder an, die sich im anderen Vertragsstaat (Jugoslawien) aufhielten. Dies beruhte darauf, dass ausländerdiskriminierende Vorschriften im deutschen Kindergeldrecht erst seit 1990 bestehen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 , BVerfGE 111, 160 , unter A.) und damit weder bei Abschluss des SozSichAbk YUG 1968 noch bei dessen Änderung im Jahre 1974 vorlagen. Nur bei einem Kindergeldanspruch für Kinder mit Aufenthaltsort in Jugoslawien ergab sich daher ein Anspruch auf Kindergeld aufgrund des SozSichAbk YUG, wobei dessen Art. 28 Abs. 1 voraussetzte, dass die „Person” (der Anspruchsberechtigte) in Deutschland beschäftigt war. Das Änderungs-Abk 1974 verbesserte diese Position insoweit, als der enge Arbeitnehmerbegriff gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 SozSichAbk YUG dadurch erweitert wurde, dass Bezieher von Krankengeld und Arbeitslosengeld einbezogen wurden (BSG-Urteil in BSGE 86, 115 ).

24  (2) Aufgrund der seit 1990 bestehenden Beschränkungen für den Kindergeldbezug von Ausländern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160 , unter A.) kann Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG auch für Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland einen Kindergeldanspruch begründen. Dass der sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a SozSichAbk YUG ergebende Gleichbehandlungsanspruch erst aufgrund einer späteren Änderung des inländischen Rechts Bedeutung erlangt hat, steht dem nicht entgegen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Gleichbehandlungsanspruch nur im Hinblick auf die bei Abschluss des Abkommens bestehende Rechtslage von Bedeutung ist. Andernfalls käme es im Hinblick auf die späteren Einschränkungen der Kindergeldberechtigung von Ausländern zu einem Wertungswiderspruch, da das SozSichAbk YUG bei jugoslawischen Arbeitnehmern, die im Inland tätig sind, einen Kindergeldanspruch nur für Kinder in Jugoslawien, nicht aber auch für Kinder im Inland begründen würde.

25  bb) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs i.S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG.

26  (1) Nach dem BSG-Urteil in BSGE 86, 115 liegt Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG ein enger Arbeitnehmerbegriff zugrunde, der darauf beruht, dass —anders als nach deutschem materiellen Kindergeldrecht— nach jugoslawischem Recht nur Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld hatten. Das BSG ist insoweit davon ausgegangen, dass die gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen nur durch eine Beschränkung des sachlichen Geltungsbereiches auf das „Kindergeld für Arbeitnehmer” (auch für Deutschland) im Gleichgewicht gehalten werden können.

27  Folge dieses engen Arbeitnehmerbegriffs ist z.B., dass ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, das zu einer Versicherungsfreiheit bei Kranken- und Arbeitslosen- und Rentenversicherung führt, keine Arbeitnehmereigenschaft i.S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG begründet (BFH-Urteil vom 21. Februar 2008 III R 79/03 , BFHE 220, 439 , BStBl II 2009, 916).

28  (2) Aus der engen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs folgt aber nicht, dass die Arbeitnehmereigenschaft i.S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG stets eine Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung voraussetzt.

29  Besteht in einem Sozialversicherungszweig für einen Arbeitnehmer eine Versicherungsfreiheit aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, ist vielmehr unter Berücksichtigung der mit der Ausnahmeregelung verfolgten Ziele zu entscheiden, ob die erforderliche Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des SozSichAbk YUG vorliegt.

30  Dabei ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Versicherungsfreiheit nach § 27 Abs. 4 SGB III (Arbeitsförderung) auf einem sog. „Werkstudentenprivileg” beruht (vgl. z.B. BSG-Urteil vom 11. November 2003 B 12 KR 24/03 R , SozR 4-2500 § 6 Nr. 3, unter 1.). Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenpri-vilegs sind Studierende, die neben ihrem Studium eine entgelt-liche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebens-unterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSG-Urteil in SozR 4-2500 § 6 Nr. 3, unter 1.). Eine sozialversicherungsrechtliche Begünstigung, die es Studenten erleichtern soll, als Arbeitnehmer Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zu verdienen, rechtfertigt es nicht, eine abkommensrechtliche Kindergeldberechtigung „für Arbeitnehmer” einzuschränken.

31  Im Hinblick auf diese Besonderheit der Versicherungsfreiheit nach § 27 Abs. 4 SGB III besteht kein Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung, die für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Hinblick auf den geringen Umfang der dabei ausgeübten Tätigkeit, der als Anknüpfungspunkt für die Versicherungsfreiheit dient, das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG verneint (BFH-Urteil in BFHE 220, 439 , BStBl II 2009, 916).

32  3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO ).

Kindergeld – Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit neu aufgestellt

Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat sich ab Mai neu organisiert. Die bisherigen 102 örtlichen Familienkassen mit ihren rund 3.700 Beschäftigten werden zu 14 Familienkassen organisatorisch zusammen gefasst. Für die rund neun Millionen Kunden ändert sich nichts, da alle bisherigen Standorte als Außenstellen erhalten bleiben.

Anlass für die Änderung der Organisation der Familienkassen ist , dass mit den 102 zum Teil relativ kleinen selbständigen Familienkassen Belastungsschwankungen nur sehr schwer aufgefangen werden können und es deshalb immer wieder zu Bearbeitungsrückständen und Wartezeiten für die Kunden kam. „Wir bleiben wie bisher vor Ort, können aber mit den neuen Strukturen eine höhere Dienstleistungsqualität sicherstellen, weil wir Belastungsspitzen kurzfristig zwischen den verschiedenen Standorten ausgleichen können. Darüber hinaus werden wir uns in den größeren Einheiten stärker fachlich spezialisieren und damit die Qualität unserer Arbeit für die Kunden weiter verbessern“, so Torsten Brandes, der seit April 2012 die bundesweit organisierte Familienkasse der BA leitet.

Neben der Neustrukturierung der Standorte wird bis Ende des Jahres 2013 die elektronische Akte eingeführt. Jährlich gehen in den Familienkassen rund 12 Millionen Schreiben ein. Um dieses Postaufkommen optimal bearbeiten und archivieren zu können, wird in allen Familienkassen auf die elektronische Aktenführung umgestellt. „Mit der Einführung der elektronischen Akte werden wir unsere Organisationsreform abschließen und unseren Kunden als moderner und leistungsfähiger Dienstleister zur Verfügung stehen. Immerhin entspricht unser Posteingang mit ca. 140 Millionen Blatt einem Papierstapel von rund 14 Kilometern Höhe“, so Brandes.

Hintergrund: Die Familienkassen der BA zahlen das Kindergeld und den Kinderzuschlag aus. Die Familienkasse betreut rund 9 Millionen Leistungsberechtigte. Die 3.700 Beschäftigten zahlen jährlich rund 34 Milliarden Euro aus.

Glossar:

Kindergeld wird als steuerliche Leistung nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) oder als sozialrechtliche Leistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gezahlt. Das monatliche Kindergeld beträgt für die ersten beiden Kinder jeweils 184 Euro, für das dritte Kind 190 Euro und ab dem vierten Kind jeweils 215 Euro. Der Kinderzuschlag ist eine wichtige Familienleistung des Bundes. Er hilft gezielt Familien im Niedrigeinkommensbereich, macht sie unabhängig von Leistungen der Grundsicherung und bekämpft Kinderarmut. Der monatliche Kinderzuschlag beträgt höchstens 140 Euro je Kind. Je nach Höhe des Einkommens und Vermögens der Eltern und/oder der Kinder können geringere Beträge gezahlt werden.

Ausführliche Informationen finden Sie im Internet unter www.familienkasse.de oder www.bzst.de.

Informationen zum Hörfunkservice der Bundesagentur für Arbeit finden Sie im Internet unter www.ba-audio.de.

Quelle: BA, Pressemitteilung v. 2.5.2013

Kein Vertrauensschutz bei bloßer Weiterzahlung von Kindergeld

Gericht: BFH 5. Senat
Entscheidungsdatum: 13.03.2013
Aktenzeichen: V B 133/11
Dokumenttyp: Beschluss
Norm: § 62 EStG
Kein Vertrauensschutz

Leitsatz
NV: Die bloße Weiterzahlung von Kindergeld trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, steht einer Rückforderung nicht entgegen.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 14. April 2011, Az: 13 K 51/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 23. Mai 2011, Az: III B 177/10
Vergleiche BFH, 3. März 2011, Az: III R 11/08
Vergleiche BFH, 28. Januar 2010, Az: III B 37/09
Vergleiche BFH, 26. November 2007, Az: III B 121/06
Vergleiche BFH, 27. Mai 2005, Az: III B 197/04
Vergleiche BFH, 15. Juni 2004, Az: VIII R 93/03
Vergleiche BFH, 14. Oktober 2003, Az: VIII R 56/01
im Text BFH, 26. Juli 2001, Az: VI R 163/00

Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

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Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) zu.

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a) Die Klägerin führt für die grundsätzliche Bedeutung an, dass die Rechtsprechung bei „der Beurteilung der Frage, ab welchem Zeitraum bei unberechtigter Kindergeldzahlung von einem erheblichem Zeitraum auszugehen ist“, der zu einem Vertrauenstatbestand führt, uneinheitlich sei.

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aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist demgegenüber bereits geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, nicht ausreicht, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht, so dass ein anderer Eindruck beim Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen brauche (z.B. BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, und vom 15. Juni 2004 VIII R 93/03, BFH/NV 2005, 153; BFH-Beschlüsse vom 26. November 2007 III B 121/06, BFH/NV 2008, 553, und vom 28. Januar 2010 III B 37/09, BFH/NV 2010, 837).

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bb) Danach ist geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei einer –wie von der Klägerin behaupteten– zeitnahen Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht ausreicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2005 III B 197/04, BFH/NV 2005, 1486, und vom 23. Mai 2011 III B 177/10, BFH/NV 2011, 1507).

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b) Im Übrigen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, da keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage erforderlich ist, ob es sich bei einer Rückforderung nach langer Zeit um eine illoyale Rechtsausübung handelt und die Rückforderung unverhältnismäßig ist. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insoweit auf das BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 163/00 (BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174), nach dem der Rückforderung von zu viel gezahltem Kindergelds der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen kann, wenn der Beklagte und Beschwerdegegner (die Familienkasse) mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs zu lange zuwartet. Dass allein die Weiterzahlung trotz Kenntnis der zum Wegfall der Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch führenden Umstände einer Rückforderung entgegensteht, lässt sich dem bezeichneten Urteil nicht entnehmen, wie sich aus der Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der Umstände, die zu einem Schutzwürdigen Vertrauen führen könnten, ergibt.

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Dabei steht, wie der BFH unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174 bereits entschieden hat, „die bloße Weiterzahlung trotz Kenntnis von Umständen, wie zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, … der Rückforderung nicht entgegen“ (BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 11/08, BFHE 233, 41, BStBl II 2001, 722, unter II.d).