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Krankheitskosten gehören nicht zu den Sonderausgaben

Krankheitskosten gehören nicht zu den Sonderausgaben

 

Wer im Rahmen einer privaten Krankenversicherung seine Krankheitskosten selbst trägt, um damit eine Beitragsrückerstattung zu erreichen, kann diese Kosten nicht von den erstatteten Beiträgen abziehen.

 

Hintergrund

Die Eheleute waren privat krankenversichert. Ihre Beiträge beliefen sich im Jahr 2013 auf rund 3.400 EUR. Für das Vorjahr erhielten sie im Jahr 2013 eine Beitragserstattung von 1.000 EUR. Um in den Genuss dieser Beitragserstattung zu kommen, hatten sie im Vorjahr angefallene Krankheitskosten i. H. v. 600 EUR selbst getragen und nicht bei ihrer Krankenversicherung geltend gemacht.

In der Steuererklärung kürzten die Eheleute die als Sonderausgaben abziehbaren gezahlten Krankenversicherungsbeiträge um die erhaltenen Beitragserstattungen. Gleichzeitig minderten sie aber auch die Erstattungen um die selbst getragenen Krankheitskosten. Denn ihrer Meinung nach waren sie insoweit wirtschaftlich belastet.

Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht lehnten die Kürzung der Erstattungen ab. Denn dabei handelt es sich nicht um “Beiträge” im Sinne der gesetzlichen Regelung. Eine Verrechnung darf auch nicht dazu führen, dass Krankheitskosten als Sonderausgaben abgezogen werden können.

 

 

 

Entscheidung

Die Revision der Eheleute beim Bundesfinanzhof hatte keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass aus der gesetzlichen Formulierung (Beiträge “zu” einer Krankenversicherung) folgt, dass nur solche Ausgaben als Beiträge zur Krankenversicherung anzusehen sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit der Vorsorge dienen. Zahlungen aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten sind jedoch keine Beiträge zu einer Versicherung. Der Unterschied zum Selbstbehalt liegt lediglich darin, dass dort bereits im Vorhinein verbindlich auf einen Versicherungsschutz verzichtet wird. Bei Vorliegen der konkreten Krankheitskosten kann man sich entscheiden, ob man sie selbst tragen will, um die Beitragserstattungen zu erhalten. In beiden Fällen trägt der Versicherte die Krankheitskosten aber nicht, um den Versicherungsschutz als solchen zu erlangen. Die Krankheitskosten der Eheleute konnten sich deshalb auf die Höhe des Sonderausgabenabzugs nicht auswirken.

Krankheitskosten: Zumutbare Belastung ist verfassungsgemäß

Krankheitskosten: Zumutbare Belastung ist verfassungsgemäß

Krankheitskosten können steuerlich als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden – allerdings gekürzt um die zumutbare Belastung. Diese Kürzung ist nicht verfassungswidrig.

Hintergrund

Die Eheleute machten Krankheitskosten von rund 1.200 EUR, die von der Krankenversicherung nicht übernommen wurden, als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt sah die Aufwendungen zwar dem Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung von rund 39.000 EUR verblieb jedoch kein Abzugsbetrag.

Die Klage der Eheleute, mit der sie geltend machten, dass die Kosten ohne Gegenrechnung einer zumutbaren Belastung in vollem Umfang abgezogen werden müssen, hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht an und wies die Revision der Eheleute zurück.

Die Argumentation der Richter: Zu dem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören grundsätzlich auch die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Allerdings ist für die Bemessung des Existenzminimums hinsichtlich der Höhe und der Art der Aufwendungen auf das sozialrechtlich gewährleistete Leistungsniveau abzustellen. Nicht vom sozialhilferechtlichen Versorgungsniveau umfasste Aufwendungen sind nicht Teil des Existenzminimums.

Deshalb ist die zumutbare Belastung für Krankheitskosten nicht zu beanstanden. Denn dem Gesetzgeber ist es erlaubt, Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Dementsprechend gehören diese Zuzahlungen auch nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum.

Eine Zuzahlung kann nicht mehr zumutbar sein, wenn in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen wird. Solange jedoch die Zuzahlungen der Höhe nach das Existenzminimum nicht betreffen, ist eine Einschränkung der zumutbaren Belastung nicht geboten. Angesichts des Gesamtbetrags der Einkünfte der Eheleute (650.000 EUR) war kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum betroffen sein könnte.

Wann Krankheitskosten nicht absetzbar sind

Wann Krankheitskosten nicht absetzbar sind

Viele Versicherte der privaten Krankenversicherung tragen ihre Krankheitskosten selbst, um eine Beitragsrückerstattung zu erhalten. Steuerlich kann dies jedoch von Nachteil sein.

Hintergrund

Ein Ehepaar hatte Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Vorsorgeaufwendungen bei den Sonderausgaben geltend gemacht. Strittig war ein Betrag von 241 EUR. Hier hatten die Eheleute einen Teil einer Arztrechnung nicht der Krankenkasse vorgelegt, um später Beitragsprämien zurückzubekommen.

Entscheidung

Das Finanzgericht erkannte diese Kosten weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen an.

Diese Ausgaben sind keine klassischen Krankenversicherungsbeiträge. Zu den abzugsfähigen Beiträgen gehören nur solche Kosten, die direkt im Zusammenhang mit der Erlangung von Versicherungsschutz stehen. Bereits die Selbstbeteiligung gehört nicht zu den Beiträgen. Deshalb muss das Gleiche für solche Kosten gelten, die Versicherte übernehmen, um eine Beitragsrückerstattung zu erhalten.

Auch ein Abzug der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung wurde nicht anerkannt. Ärztlich verordnete Krankheitsaufwendungen, die von der Krankenkasse nicht ersetzt werden, können zwar unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden. Allerdings wird hier zunächst ein prozentual gestaffelter Eigenanteil abgezogen, der höher ausfiel, als die geltend gemachten Kosten.

Verzicht auf Erstattung von Krankheitskosten: Kein steuerlicher Abzug

Verzicht auf Erstattung von Krankheitskosten: Kein steuerlicher Abzug

 Krankheitskosten, die der Versicherte selbst trägt, um von einer Beitragsrückerstattung seiner Krankenversicherung zu profitieren, sind nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist nicht möglich. 

Der Kläger und seine Ehefrau machten Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben geltend. Dabei bezogen sie auch Krankheitskosten ein, die sie nicht mit der Versicherung abgerechnet hatten, um den Anspruch auf Beitragsrückerstattung zu behalten. Das Finanzamt versagte insoweit den Sonderausgabenabzug, da es sich schon begrifflich nicht um Beiträge handele. Auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen komme nicht in Betracht. Da die Kläger freiwillig auf die Geltendmachung der Erstattung verzichtet hätten, seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster schloss sich der Auffassung des Finanzamts an. Ein Sonderausgabenabzug komme im Hinblick auf die selbst getragenen Krankheitskosten nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um “Beiträge” handele. Hierunter fielen nur Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erlangung von Versicherungsschutz stehen, was bei Zahlungen für Heilbehandlungen an Ärzte nicht der Fall sei.

Ein Abzug der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung scheitere daran, dass die zumutbare Belastung nicht überschritten werde. Gegen die zumutbare Belastung bestünden wegen des dem Gesetzgeber eingeräumten Bewertungsspielraums keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Krankheitskosten nicht abzugsfähig wenn nicht bei der Krankenversicherung geltend gemacht worden sind.

Krankheitskosten bei der Einkommensteuer nicht abzugsfähig, wenn sie zur Wahrung eines Beitragsrückerstattungsanspruchs nicht bei der Krankenversicherung geltend gemacht worden sind.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob Krankheitskosten bei der Einkommensteuer (ESt) -Veranlagung steuermindernd berücksichtigt werden können, wenn die betreffenden Aufwendungen bei der zuständigen Krankenversicherung wegen eines Anspruchs auf Beitragsrückerstattung nicht geltend gemacht werden (Beschluss vom 31. Januar 2012 Az.: 2 V 1883/11 rkr.). 

Im Streitfall hatten die Antragsteller (Ast) in ihrer ESt – Erklärung 2009 Krankheitskosten in Höhe von fast 5.000.-€ bei den außergewöhnlichen Belastungen (agB) geltend gemacht. Die Frage nach zu erwartenden Versicherungsleistungen beantworteten sie mit „0“. Nachdem das Finanzamt (FA) mit dem Einkommensteuerbescheid 2009 die begehrte steuerliche Berücksichtigung versagt hatte, trugen die Ast im Einspruchsverfahren u.a. vor, eine Gegenüberstellung der Erstattungsleistungen im Falle der Einreichung mit denen im Falle der Nichteinreichung ergebe, dass es sowohl für den Fiskus als auch für sie vorteilhafter wäre, die Arztrechnungen nicht einzureichen. Nachdem das FA auch nicht bereit war, die Vollziehung des ESt-Bescheides 2009 auszusetzen, beantragten die Ast die Aussetzung der Vollziehung bei Gericht.

 

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz hatte weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ESt-Bescheides 2009 noch konnte es eine unbillige Härte erkennen. Es führte u.a. aus, Aufwendungen könnten nur dann agB darstellen, wenn und soweit der Steuerpflichtige hierdurch tatsächlich endgültig wirtschaftlich belastet sei. Eine solche endgültige Belastung trete jedoch dann nicht ein, wenn dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang Erstattungszahlungen zufließen würden. Wären erstattete Aufwendungen auch noch als agB abzugsfähig, träte eine nicht gerechtfertigte doppelte Entlastung ein. Flössen dem Steuerpflichtigen zwar keine Erstattungsleistungen zu, hätte er aber einen Anspruch hierauf gehabt und verzichte er auf eine Erstattung um – wie hier – eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nehme dies den Aufwendungen grundsätzlich den Charakter der – für eine agB notwendigen – Zwangsläufigkeit. Könnten sich Steuerpflichtige durch Rückgriff auf ihre Versicherung ganz oder teilweise schadlos halten, sei eine Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt.

Der Sonderfall, dass der Verzicht auf den Erstattungsanspruch selbst zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar sei, liege hier nicht vor. Wolle man aus jedem finanziellen Vorteil, der sich aus einem Verzicht der Geltendmachung eines Ersatzanspruches ergebe, die Unzumutbarkeit der Geltendmachung selbst ableiten, so würde dies zu einer vom Wortlaut der Ausnahmevorschrift der agB nicht gedeckten und unzulässigen Ausdehnung des Regelungszwecks der Vorschrift führen.

Dem stehe nicht entgegen, dass nach herrschender Meinung Krankheitskosten dann als agB anerkannt würden, wenn gar kein Versicherungsschutz bestanden hätte; dieser Fall liege hier nicht vor.

 

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

 

Datum: 06.02.2012
Herausgeber: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Rückwirkende Nachweisanforderungen von Krankheitskosten sind verfassungsgemäß

Rückwirkende Nachweisanforderungen von Krankheitskosten sind verfassungsgemäß

Kernproblem

Im November 2010 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) seine ständige Rechtsprechung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit bestimmter Aufwendungen im Krankheitsfall und deren Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastungen komplett umgekrempelt. War vormals die medizinische Indikation der Behandlung durch ein vorab gefertigtes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten oder ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachzuweisen, sollte zukünftig mangels gesetzlicher Regelung eine freie Beweiswürdigung stattfinden. Der Gesetzgeber sah sich daraufhin veranlasst, die alte Rechtslage durch Gesetzesänderung wieder herbeizuführen und das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anzuordnen. Das geschah mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011. Der BFH musste sich jetzt erstmals mit der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung beschäftigen.

Sachverhalt

Der Sachverhalt entsprach denen, die noch zum Ende des Jahres 2010 (vor der Gesetzesänderung) für Furore gesorgt hatten. Eheleute machten die Kosten für einen im Jahr 2006 durchgeführten Kuraufenthalt als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die medizinische Notwendigkeit der Kur war jedoch nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Attest belegt, weshalb der Antrag bei Finanzamt und Finanzgericht scheiterte.

Entscheidung

Der BFH toleriert die rückwirkende Gesetzesänderung und wies die Revision zurück. Auf die strenge Art des Nachweises könne nach geltendem Recht nicht mehr verzichtet werden. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung sei hierbei nicht zu beklagen, denn dem Gesetzgeber ist es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach.

Konsequenz

Weil der Streitfall das Jahr 2006 und damit einen Zeitraum betraf, in dem das Nachweisverlangen der ständigen Rechtsprechung entsprach, musste der BFH auch nicht über eine im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Disposition in der Zeit nach November 2010 urteilen. Hier hätte die Entscheidung (zumindest bis zur Einbringung der Gesetzesinitiative im März 2011) anders lauten können. Es bleibt abzuwarten, ob dennoch gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt wird.

Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

Nachweis von Krankheitskosten unterliegt strengen Regeln

Kernproblem

Ändert sich eine langjährige Rechtsprechung zuungunsten der Finanzverwaltung, wird häufig der Versuch unternommen, durch Gesetzesänderung den ursprünglichen Rechtszustand wieder herbeizuführen. Beispiele hierzu sind die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten bzw. des Erststudiums als Werbungskosten, zur Verneinung der Steuererstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen oder die Zulassung erleichterter Nachweispflichten zum Abzug von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen. Im letztgenannten Fall hatte der BFH im Jahr 2010 einen formalisierten Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für nicht erforderlich gehalten. Das heilte der Gesetzgeber mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 und führte den formalisierten Nachweis mit Wirkung für alle offenen Fälle ein. Es hat nicht lange gedauert, bis sich ein Finanzgericht mit der Verfassungsmäßigkeit dieser „Rückwirkung“ auseinandersetzen musste.

Sachverhalt

Im Streitfall hatten Eltern ihren an Legasthenie leidenden Sohn auf Empfehlung eines Facharztes sowie des schulpsychologischen Dienstes in einem Internat untergebracht. Den von den Eltern für das Jahr 2007 beantragten Abzug der selbst getragenen Internatskosten sowie für Heimfahrten des Sohnes als außergewöhnliche Belastungen lehnte das Finanzamt mangels Nachweis durch ein vorher ausgestelltes amtsärztliches Attest ab. Hiergegen klagten die Eltern beim Finanzgericht Münster.

Entscheidung

Die Finanzrichter wiesen die Klage mit Hinweis auf die neu eingeführte gesetzliche Forderung nach einem amtsärztlichen Attest bzw. einer Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab. Die gesetzliche Rückwirkung tolerierten die Richter als „ausnahmsweise zulässig“, denn der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung lediglich die Rechtslage vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgeschrieben. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Eltern bestehe auch nicht, weil der BFH seine Rechtsprechung erst Ende 2010 geändert habe. Somit bestand nach Auffassung der Richter für die Eltern im Streitjahr 2007 kein Anlass zu der Annahme, dass sie die streitigen Aufwendungen anders – als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes – nachweisen könnten.

Konsequenz

Das Gericht hat die Revision beim BFH zugelassen. Sollte diese eingelegt werden, bietet sich in vergleichbaren Fällen die Möglichkeit, durch Einspruch und Antrag auf ein Ruhen des Verfahrens von einem positiven Ausgang zu profitieren.

Zum erleichterten Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen

Zum erleichterten Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen

Kernproblem

Krankheitskosten sind als außergewöhnliche Belastungen einkommensteuerlich absetzbar, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z. B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits, forderte der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers. Diese Rechtsprechung ist jetzt überholt.

Sachverhalt

Dem BFH lagen 2 Streitfälle vor. Zum einen ging es um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Hier besuchte ein Kind auf ärztliches Anraten ein Internat mit integriertem Legastheniezentrum. Die Eltern machten den Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außergewöhnliche Belastungen erfolglos beim Finanzamt geltend. Auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verzichteten sie. Hier verwies das Finanzgericht ebenso auf ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest oder eines Attestes des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Krankenversicherung, wie im zweiten Fall. In dieser Sache war streitig, ob die durch Asthmabeschwerden eines Kindes hervorgerufene Anschaffung neuer Möbel abzugsfähig ist.

Änderung der Rechtsprechung des BFH

Für die Finanzgerichte wird es zukünftig schwieriger, denn der BFH hat von den bisherigen Nachweispflichten Abstand genommen. Ein solch formalisiertes Nachweisverlangen ergebe sich nicht aus dem Gesetz und widerspreche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, die dem Finanzgericht obliege. Dieses und nicht der Amtsarzt oder eine vergleichbare Institution habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Freilich verkennt der BFH dabei nicht, dass das FG nicht über eine medizinische Sachkunde verfügt und deshalb regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Indikation der streitigen Maßnahme einholen muss. Die Gefahr von Gefälligkeitsgutachten sieht der BFH nicht, da ein vorgelegtes Privatgutachten ohnehin nur als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen sei. Der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen stehe dem steuerlichen Abzug nicht entgegen.

Konsequenz

Die geänderte Sichtweise ist zu begrüßen. Der Steuerpflichtige trägt jedoch weiterhin die Feststellungslast, so dass die praktische Tragweite abzuwarten bleibt.