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Verfassungskonformität der gewerbesteuerlichen Mindestbesteuerung

Verfassungskonformität der gewerbesteuerlichen Mindestbesteuerung

Kernproblem

Gewerbesteuerliche Verluste können im Gegensatz zu einkommensteuerlichen und körperschaftsteuerlichen Verlusten lediglich vor-, nicht aber zurückgetragen werden. Die Verrechnung der vortragsfähigen Gewerbeverluste ist durch die so genannte „Mindestbesteuerung“ beschränkt. Demnach können gewerbesteuerliche Verluste nur bis zu einem Betrag von 1 Mio. EUR unbeschränkt, darüber hinaus nur mit 60 % des Gewerbeertrags verrechnet werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr erneut darüber zu entscheiden, ob er diese zeitliche Streckung des Verlustvortrags für verfassungsrechtlich unbedenklich hält.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren einzige Geschäftstätigkeit in den Jahren 1994 bis 2004 die Vermietung eines Flugzeugs an eine Fluggesellschaft war. Zum31.12.2003 wurde für die Gesellschaft ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt. Aufgrund der Veräußerung des Flugzeugs erzielte die Klägerin in 2004 einen Gewerbeertrag von mehr als 1 Mio. EUR. Die Klägerin begehrte einen vollständigen Abzug des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags mit dem Gewerbeertrag, während das Finanzamt aufgrund der Mindestbesteuerung nur eine beschränkte Abziehbarkeit anerkannte. Letztere stellt nach Auffassung der Klägerin einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht dar. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) München blieben erfolglos.

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz. Die Richter hielten es nicht für ernstlich zweifelhaft, dass die Mindestbesteuerung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der BFH hält die Mindestbesteuerung auch dann für verfassungsgemäß, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen endgültig ausgeschlossen ist. Besonderen Härten, die in solchen Fällen durch die Mindestbesteuerung entstehen könnten, sei gegebenenfalls durch Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung zu begegnen.

Konsequenz

Das Urteil des BFH steht weitestgehend in Einklang mit einer jüngst ergangenen Entscheidung eines anderen Senats des BFH. Dieser hatte ebenfalls keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Mindestbesteuerung geäußert. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall hatte es der damals zuständige Senat indes offen gelassen, ob er die Verfassungskonformität der Mindestbesteuerung auch im Fall eines endgültigen Verlustuntergangs bejahen würde. Diesbezüglich könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Mindestbesteuerung ist nicht verfassungswidrig

Verfassungsrechtliche Zweifel an der sog. Mindestbesteuerung,

Beschluss vom 26.08.10   I B 49/10

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 26. August 2010 I B 49/10 in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung in bestimmten Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen kann.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60% des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von z.B. 3 Mio. Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z.B. 2 Mio. Euro bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen werden, während für 400 000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun angeschlossen.

Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet und diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.

 

Sog. Mindestbesteuerung ist nicht verfassungswidrig

Urteil vom 22.08.12   I R 9/11

Die sog. Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist „in ihrer Grundkonzeption“ nicht verfassungswidrig; dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11 entschieden.

Die Einkommen- und Körperschaftsteuer soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuersubjekts abschöpfen. Ihre Bemessungsgrundlage ist deshalb das „Nettoeinkommen“ nach Abzug der Erwerbsaufwendungen. Fallen die Aufwendungen nicht in demjenigen Kalenderjahr an, in dem die Einnahmen erzielt werden, oder übersteigen sie die Einnahmen, so dass ein Verlust erwirtschaftet wird, ermöglicht es das Gesetz, den Verlustausgleich auch über die zeitlichen Grenzen eines Bemessungszeitraums hinweg vorzunehmen (sog. überperiodischer Verlustabzug). Seit 2004 ist dieser Verlustabzug begrenzt: 40 % der positiven Einkünfte oberhalb eines Schwellenbetrags von 1 Mio. € werden auch dann der Ertragsbesteuerung unterworfen, wenn bisher noch nicht ausgeglichene Verluste vorliegen (sog. Mindestbesteuerung). Damit wird die Wirkung des Verlustabzugs in die Zukunft verschoben.

Ob diese Regelung verfassungsgemäß ist, hatte der BFH in einem 2010 entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft gehalten für Fälle, in denen eine sog. Definitivwirkung im Raum stand, also der vom Gesetzgeber lediglich beabsichtigte zeitliche Aufschub der Verlustverrechnung in einen endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung hineinzuwachsen drohte (Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/10, Pressemitteilung des BFH Nr. 90/10 vom 27. Oktober 2010). Beispiele: Im Folgejahr einer Mindestbesteuerung bei einer Kapitalgesellschaft kommt es zu einer Anteilsübertragung, die einen Ausgleich eines noch offenen Verlustvortrags endgültig ausschließt. Oder: Der Steuerpflichtige verstirbt im Folgejahr, die Erben können den noch offenen Verlustausgleich des Erblassers nicht nutzen.

Im Urteilsfall machte eine Kapitalgesellschaft mit mehr als tausend Gesellschaftern, die die Verwaltung von Vermögensanlagen betrieb, im Streitjahr 2004 geltend, dass sie den wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgleichfähigen Verlust in der Zukunft nicht mehr würde ausgleichen können. Denn sie werde in den nächsten 20 Jahren bis zu ihrer dann geplanten Liquidation infolge der sachlichen Steuerbefreiung von Dividendenerträgen kein ausgleichsfähiges Einkommen erzielen, so dass die Verluste bei ihr zwangsläufig definitiv würden. Überdies sei die Mindestbesteuerung infolge des durch den aufgeschobenen Verlustausgleich entstehenden Zinsschadens verfassungswidrig.

Der BFH ist dem nicht gefolgt. Er hat die Mindestbesteuerung nicht als verfassungswidrig angesehen, da die in ihrer Grundkonzeption angelegte zeitliche Streckung des Verlustvortrags den vom Gesetzgeber zu gewährleistenden Kernbereich eines Verlustausgleichs nicht beeinträchtigt. Ob dies in Definitivsituationen anders zu würdigen ist, konnte offenbleiben, weil sich der spätere Ausschluss einer steuerlichen Ausgleichsmöglichkeit für die klagende Kapitalgesellschaft im Streitjahr nicht hinreichend sicher prognostizieren ließ. Für Sachverhalte, in denen sich eine solche Prognose treffen lässt, steht die Antwort auf die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung nach wie vor aus.

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 26.8.2010, I B 49/10Sog. Mindestbesteuerung bei endgültigem Ausschluss der Verlustverrechnung ernstlich zweifelhaftLeitsätze

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die sog. Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG 2002 n.F.) endgültig ausgeschlossen ist   .

Tatbestand

1
I. Streitig ist im Rahmen eines Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung, bei der im Streitjahr 2007 ein Verlustvortrag, der im Folgejahr von einem weiteren Einfluss auf die Bemessungsgrundlage endgültig ausgeschlossen wurde, nur zu einem Teil bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einkommensmindernd zum Ansatz kam (sog. Mindestbesteuerung).
2
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der H-GmbH, für die zum 31. Dezember 2006 ein Verlustvortrag in Höhe von 35.303.643 EUR festgestellt worden war. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der H-GmbH für das Streitjahr betrug 4.361.627 EUR. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt –FA–) setzte insoweit nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) –EStG 2002 n.F.– eine Körperschaftsteuer in Höhe von 331.273 EUR fest. In 2008 kam es zu einem Gesellschafterwechsel bei der H-GmbH und einer Verschmelzung; in der Folge entfiel gemäß § 8c KStG 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) –KStG 2002 n.F.– bzw. gemäß § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 2006) der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 2008 vollständig.
3
Das Finanzgericht (FG) hat die Vollziehung des Steuerbescheids des Streitjahres wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung ausgesetzt (FG Nürnberg, Beschluss vom 17. März 2010  1 V 1379/2009).
4
Das FA beantragt mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf AdV des Körperschaftsteuerbescheides 2007 abzulehnen.
5
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung des Streitjahres ist –wie auch das FG entschieden hat– insoweit ernstlich zweifelhaft, als bei der Einkommensermittlung nach Maßgabe der sog. Mindestbesteuerung ein Verlustabzug nur eingeschränkt zugelassen wurde.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll –u.a. und soweit hier einschlägig– erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind u.a. dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. März 2003 XI B 76/02, BFHE 202, 147, BStBl II 2003, 523, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).
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2. Es bestehen nach dieser Maßgabe bei einer wortlautgetreuen Anwendung des § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides.
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a) Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ließ der Gesetzgeber den innerperiodischen Verlustausgleich im Rahmen von § 2 Abs. 3 EStG 2002 n.F. wieder uneingeschränkt zu, während die Beschränkung des überperiodischen Verlustabzugs nach § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. beibehalten und verschärft wurde: Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind ab Veranlagungszeitraum 2004 im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. können sie nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch in Höhe von 60 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. EUR überschreiten. Diese Neuerungen im Bereich der Einkommensteuer sind auch bei der Veranlagung der Antragstellerin im Streitjahr zu beachten (§ 8 Abs. 1 KStG 2002), was unter den Beteiligten im Grundsatz nicht streitig ist.
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b) Die Begründung zum Regierungsentwurf des § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. (BTDrucks 15/1518, S. 13) führt an, dass „der Grund für die Beschränkung … in dem gewaltigen Verlustvortragspotenzial der Unternehmen zu sehen (sei), das diese vor sich herschieben. Um das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbarer zu machen, ist es geboten, den Verlustvortrag zu strecken. Nur so ist auf Dauer eine Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet.“ Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass durch die sog. Mindestbesteuerung „keine Verluste endgültig verloren“ gehen würden. Damit ist dem Regierungsentwurf eine ausschließlich fiskalischen Interessen geschuldete Begründung beigestellt worden (so auch die systematisierende Zuordnung durch Dorenkamp, Systemgerechte Neuordnung der Verlustverrechnung – Haushaltsverträglicher Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, in Institut „Finanzen und Steuern“ –FiSt–, Schrift Nr. 461, 2010, S. 27 ff.).
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c) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich bereits mehrfach –wenn auch noch nicht zu § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F.– zu Einschränkungen des Verlustvortrags geäußert. Danach ist ein uneingeschränkter Verlustvortrag verfassungsrechtlich nicht garantiert. Die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte Einkunftsarten und damit der Ausschluss anderer Einkunftsarten von jeglichem Verlustvortrag war ebenso wenig verfassungsrechtlich zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 8. März 1978  1 BvR 117/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1978, 293) wie die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste (BVerfG-Beschluss in HFR 1978, 293; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 30. Oktober 1980  1 BvR 785/80, HFR 1981, 181). Nach der Rechtsprechung des BVerfG bestanden ferner unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Beschränkung des Verlustabzugs auf einen einjährigen Verlustrücktrag und einen fünfjährigen Verlustvortrag (BVerfG-Beschluss vom 22. Juli 1991  1 BvR 313/88, HFR 1992, 423). Allerdings hat das BVerfG im Beschluss vom 30. September 1998  2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88) den völligen Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG 1983) für verfassungswidrig erklärt.
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d) Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu die Nachweise im Senatsurteil vom 1. Juli 2009 I R 76/08, BFHE 225, 566 und –zu der ebenfalls eine Mindestbesteuerung vorsehenden Regelung des § 10a des Gewerbesteuergesetzes [GewStG 2002]– in dem BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass das Grundrecht seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Insbesondere erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht zu einer grundrechtlich geschützten Vermögensposition (Art. 14 Abs. 1 GG – dies relativierend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, zu D.II.2.). Immerhin hat der BFH in seinem Beschluss vom 29. April 2005 XI B 127/04 (BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609), in dem eine Beschränkung des Verlustvortrags, wenn der Vortrag zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume gestreckt wird, grundsätzlich gebilligt wurde, ausgeführt, dass damit nicht zugleich über die Konstellation entschieden sei, dass „negative Einkünfte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen“ in einem solchen System „nicht mehr vorgetragen werden können“. Darüber hinaus hat der XI. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 6. September 2006 XI R 26/04 (BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167) hervorgehoben, dass die sog. Mindeststeuer durchaus den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG berühre; auch wenn in mehreren summarischen Verfahren nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO wegen der die Veranlagungszeiträume übergreifenden Wirkung des Art. 3 Abs. 1 GG die Norm als verfassungsgemäß angesehen worden sei, sei nicht zu verkennen, dass die Begrenzung des vertikalen Verlustausgleichs (im dortigen Streitfall durch § 2 Abs. 3 EStG 2002) trotz der Streckung der Verlustverrechnung nicht nur bei einer kleinen Zahl von Steuerpflichtigen mit gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu nennenswerten Belastungsunterschieden führen könne. Auch bestehe naturgemäß keine Gewissheit, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können.
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e) In der Literatur wird die sog. Mindestbesteuerung teilweise für verfassungskonform gehalten (z.B. Lambrecht in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 10d Rz 4; Schlenker in Blümich, EStG/KStG/ GewStG, § 10d EStG Rz 6; Schneider/Krammer in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10d Rz 6; Müller-Gatermann, Die Wirtschaftsprüfung –WPg– 2004, 467, 468): Die im Einzelfall eintretende Einschränkung des objektiven Nettoprinzips habe der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot in vertretbarer Weise ausgestaltet, da sich Beschränkungen des Verlustvortrags in betragsmäßiger oder zeitlicher Hinsicht jedenfalls im Grundsatz als verfassungskonform erwiesen hätten. Dem wird von anderer Seite entgegengehalten, die durch die „Deckelung“ des Abzugsbetrages bewirkte zeitliche Streckung des Verlustvortrages sei schon „als solche“ verfassungswidrig (s. z.B. Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, 2010, S. 263 ff., 355 ff.; Mönikes, Die Verlustverrechnungsbeschränkungen des Einkommensteuergesetzes im Lichte der Verfassung, 2006, S. 223 ff.; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 66; Lang/ Englisch, Steuer und Wirtschaft –StuW– 2005, 3, 21 ff.; Lindauer, Betriebs-Berater –BB– 2004, 2720, 2723 f.; Raupach in Lehner [Hrsg.], Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 53, 60 f.; Eckhoff in von Groll [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft –DStJG– Bd. 28 [2005], S. 11, 34; Kaminski in Korn, EStG, § 10d Rz 84.28). Andere Literaturstimmen nehmen einen Verfassungsverstoß der sog. Mindestbesteuerung nur in den Fällen an, in denen ein Verlust nicht nur zeitlich gestreckt, sondern von einer Wirkung auf die Ermittlung des Einkommens endgültig ausgeschlossen wird („Definitiveffekte“, s. z.B. Hallerbach in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 10d EStG Rz 13; Wendt, DStJG, Band 28, S. 41, 74 ff.; Fischer, Finanz-Rundschau –FR– 2007, 281, 283 ff.; wohl auch Herzig/Wagner, WPg 2004, 53, 63 f.; Kempf/Vogel in Lüdicke/Kempf/Brink [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 81), wobei insoweit auch eine verfassungskonforme Reduktion des Wortlauts des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. für möglich gehalten wird (z.B. Wendt, DStJG, Band 28, S. 41, 78; Fischer, FR 2007, 281, 285 f.). Solche Effekte können im Unternehmensbereich insbesondere auftreten bei der Liquidation körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen, soweit es sich um zeitlich begrenzt bestehende Projektgesellschaften handelt, aber auch etwa bei bestimmten Unternehmensgegenständen (z.B. bei langfristiger Fertigung) und in Sanierungsfällen (s. Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 21 ff.; s.a. Dorenkamp, FiSt Nr. 461, S. 33 f.; Orth, FR 2005, 515, 530; Herzig/Wagner, Wpg 2004, 53, 58 ff.; Lindauer, BB 2004, 2720, 2722 f.).
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3. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 11. Februar 1998 I R 81/97 (BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485) hervorgehoben, dass die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen und gänzlich ausgeschlossen sein dürfe (s.a. Senatsurteil vom 5. Juni 2002 I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549). Diesem Maßstab wird § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. –bei der im Verfahren auf Gewährung von AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage– dann nicht gerecht, wenn ein sog. Definitiveffekt eintritt.
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a) Die Grundkonzeption der zeitlichen Streckung des Verlustvortrages dürfte auch angesichts des Zins- bzw. Liquiditätsnachteils den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch entsprechen. Insoweit entnimmt der Senat der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Unterscheidung zwischen temporären und endgültigen Steuereffekten (s. den BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009  2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111; s.a. das BFH-Urteil vom 25. Februar 2010 IV R 37/07, BFHE 229, 122, BStBl II 2010, 784). Wenn sich danach der maßgebliche Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung eines gewinnmindernden Aufwands, also das Wann, nicht das Ob der Besteuerung, nicht mit Hilfe des Maßstabs wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder des objektiven Nettoprinzips bestimmen lässt, dürfte eine „Verluststreckung“ verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Dabei wird es auch innerhalb der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis (z.B. BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BGBl I 2010, 326) liegen, dass die zeitliche Streckung des Verlustvortrags das Risiko für den einkommenswirksamen Abzug des Verlustes erhöht, da „naturgemäß keine Gewissheit besteht, die Verluste in Zukunft verrechnen zu können“ (Senatsurteil in BFHE 225, 566; BFH-Beschluss in BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Diesem Ergebnis dürfte auch die Existenz verschiedener gesetzlicher Regelungen („abstrakt“) nicht entgegenstehen, die als Rechtsfolge eine „Vernichtung“ von Verlustvorträgen in bestimmten Fallsituationen vorsehen (z.B. im Zuge einer Anteilsübertragung: § 8c KStG 2002 n.F.); eher dürfte (umgekehrt) die Existenz der sog. Mindestbesteuerung dazu geeignet sein, den belastenden Effekt jener Regelungen aufzuzeigen (z.B. Hey, BB 2007, 1303, 1306). Dies gilt sinnentsprechend z.B. auch für die Situation der Beendigung der persönlichen Steuerpflicht angesichts der fehlenden Möglichkeit der „Verlustvererbung“ (BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608).
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b) Diese Grenze zum Kernbereich der Gewährleistung eines Verlustausgleichs könnte aber überschritten sein, wenn auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer Ursachenidentität der sog. Mindestbesteuerung („konkret“) die Wirkung zukommt, den Verlustabzug gänzlich auszuschließen.
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In diesem Zusammenhang hat das FG München in seinem (AdV-)Beschluss vom 31. Juli 2008  8 V 1588/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2008, 1736) bei der Anwendung des § 10a GewStG 2002 auf eine „Übermaßbesteuerung“ und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkannt, soweit durch einen Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft zwar einerseits ein außerordentlicher Gewerbeertrag i.S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG 2002 besteuert, andererseits der zum 31. Dezember des Vorjahres festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust nur eingeschränkt zum Ausgleich zugelassen wurde; der Steuerpflichtige werde auf die Möglichkeit des späteren Verlustausgleichs verwiesen, obgleich feststehe, dass dieser infolge der Veräußerung des Mitunternehmeranteils nicht mehr in Betracht komme. Die Finanzverwaltung zieht aus diesem Beschluss keine weitergehenden Folgerungen (s. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 5. Januar 2009, Der Betrieb 2009, 877). Auch sie verzichtet in Sanierungsfällen aber –allerdings antragsgebunden und aus Billigkeits-, nicht aus Rechtsgründen (ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2010  6 K 6216/06 B, nicht veröffentlicht)– bis zur Höhe des (durch den Erlass von Schulden veranlassten) Sanierungsgewinns auf die Beschränkung der Verlustverrechnung durch die sog. Mindestbesteuerung (BMF-Schreiben vom 27. März 2003, BStBl I 2003, 240 Tz. 8; zur Rechtsverbindlichkeit dieses Schreibens bei unternehmensbezogenen Sanierungen s. BFH-Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08, BFHE 229, 502).
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c) Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass dieser Fallgruppe (s. zu b) gleichzustellen ist, wenn eine Verlustverrechnung aufgrund der Eigenheiten der Einkunftserzielung (z.B. zeitlich begrenzt tätige Objektgesellschaften) oder eines anderen „tatsächlichen oder rechtlichen Grundes“ (s. insoweit BFH-Beschluss in BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609) zum endgültigen Ausschluss der Verlustnutzungsmöglichkeit führt.
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aa) Für die zuletzt genannte Situation ist dabei die Prüfung nicht isoliert auf § 10d Abs. 2 EStG 2002 n.F. zu beziehen, vielmehr kann diese Wirkung auch auf einer im konkreten Streitfall verwirklichten Verbindung mit anderen Rechtsvorschriften beruhen. In diesem Zusammenhang wird man es jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht als entscheidungserheblich ansehen müssen, dass eine solche Rechtsfolge auf dem eigenständigen Willen des Steuerpflichtigen beruht (im Streitfall: Umstrukturierung; so aber offenbar FG München, Urteil vom 4. August 2010  1 K 608/07, nicht veröffentlicht); man wird allerdings Regelungen auszuschließen haben, die der Missbrauchsvermeidung dienen. Letzteres ist bei der im Streitfall einschlägigen Regelung des § 8c Abs. 1 KStG 2002 n.F. (jedenfalls vor der für schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 vollzogenen Einfügung der Sätze 6 und 7 durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. Dezember 2009, BGBl I 2009, 3950, BStBl I 2010, 2) allerdings (und abweichend von der Vorgängerregelung des § 8 Abs. 4 KStG 2002 a.F., vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 78/01, BFHE 222, 568) nicht ohne weiteres anzunehmen.
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bb) Insoweit geht es in der Sache um die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 n.F. im Streitjahr (z.B. Wendt, DStJG, Band 28, S. 41, 78; Fischer, FR 2007, 281, 285 f.; ablehnend z.B. Röder, a.a.O., S. 357; Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 14; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10d EStG Rz 13), die aufgrund der im Folgejahr eintretenden Rechtsfolge der „Verlustvernichtung“ erforderlich wird.
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Dieser möglichen Auslegung steht das gesetzgeberische Konzept der „Verluststreckung“ nicht entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der sog. Mindestbesteuerung deren überschießende Wirkung in einer Vielzahl von Fallsituationen (z.B. bei einer nachfolgenden Anteilsübertragung) bewusst in Kauf genommen hat (zweifelnd Wüllenkemper, EFG 2008, 1738, 1739). Die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs dürfte allein unter dem Gesichtspunkt einer „Verstetigung der Steuereinnahmen“ –als Ausprägung des allgemeinen Fiskalzwecks jeder Steuer (Röder, a.a.O., S. 274)– nicht ausreichend sein (s. zum „Ziel der Einnahmenvermehrung“ BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 1563; s.a. Röder, a.a.O., S. 269 ff., 273 ff., 278 f., 356; Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 10 f.; Mönikes, a.a.O., S. 226 ff.; Fischer, FR 2007, 281, 285). Auch ein Verstoß gegen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung dürfte in dieser Restriktion des Regelungswortlauts entgegen der Ansicht des FA nicht liegen, da –was die Existenz des Verlustvor- und -rücktrags (§ 10d EStG 2002 n.F.) anzeigt– die ertragsteuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen insoweit durchaus abschnittsübergreifend ermittelt wird. Verfahrensrechtlich ließe sich dieses Auslegungsergebnis durch die Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks i.S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in den Fällen einer Besteuerung auf der Grundlage der sog. Mindestbesteuerung absichern. Denkbar wäre es auch, in der verlustabzugsschädlichen Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ein auf den Veranlagungszeitraum des Eingreifens der Mindestbesteuerung rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu sehen (so Kempf/Vogel in Lüdicke/Kempf/Brink, a.a.O., S. 81).
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4. Das FG hat daher im angefochtenen Beschluss zu Recht wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung eine AdV für das Streitjahr angeordnet. Dies gilt ungeachtet der Möglichkeit, den belastenden Eingriff im konkreten Fall auf das Jahr des endgültigen Ausschlusses des Verlustvortrags (das Folgejahr) zu beziehen und damit ausschließlich der –nach einer häufig in der Literatur vertretenen Ansicht (stellvertretend Roser in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8c Rz 26, m.w.N.) durchaus ebenfalls mit verfassungsrechtlichen Zweifeln behafteten– Rechtswirkung des § 8c KStG 2002 n.F. zuzuordnen.