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Der Senat entscheidet nach der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2012 mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). |
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Die Klage ist unbegründet. |
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Die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 vom 26. Februar 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). |
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin und der Zeuge X aufgrund eines gemeinsamen Plans die streitigen Rechnungen auf den Namen der Klägerin an die Firma A ausgestellt haben. |
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Der Senat kann – wie von der Klägerin vorgetragen – als wahr unterstellen, dass die Klägerin nicht als „Strohfrau“ und damit als Unternehmerin nach § 2 UStG gehandelt hat. Die Klägerin schuldet die Umsatzsteuer aus den Rechnungen jedenfalls nach § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999. |
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1. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 UStG 1998/1999 schuldet den ausgewiesenen Betrag, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist. Nach § 14 Abs. 3 S. 2 UStG 1998/1999 gilt das gleiche, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. |
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a) Die Auffassung des Klägervertreters, den Steuerbetrag nach § 14 Abs. 3 UStG 1998 /1999 würde die Klägerin nur dann schulden, wenn die Rechnungsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 insgesamt vorliegen, teilt der Senat nicht. |
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aa) Nach der früheren und nunmehr wieder aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verweist § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 zur Konkretisierung des Merkmals „Rechnung“ auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG 1998/1999, nicht dagegen auf § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1989, 197; in Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 153, 65, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 1988, 688; in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; in BFH/NV 1996, 190; in BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370, m.w.N.). § 14 Abs. 4 UStG 1998/1999 definierte die Rechnung -wie § 14 Abs. 1 UStG- als jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Anknüpfung entspricht dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1973, Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern (vgl. den Bericht des Finanzausschusses über den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes -Nettoumsatzsteuer-, BTDrucks 5/1581, S.15; vgl. BFH-Urteile vom 9. September 1993 V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl II 1994, 131, und vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250). Entgegen der Auffassung des Klägervertreters reicht es daher, wenn die Rechnung dem Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug eröffnen kann (BFH-Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197). |
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bb) Mit Urteil des BFH vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 hat der Bundesfinanzhof seine zwischenzeitlich vertretene Auffassung – die formellen Rechnungsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 müssten auch hinsichtlich einer Rechnung im Sinne von § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 insgesamt vorliegen – aufgegeben (vgl. BFH-Urteile vom 30. Januar 2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498; vom 18. Januar 2001 V R 83/97, BFHE 194, 483; Änderung der Rechtsprechung) und knüpft wieder an den Zweck der Vorschrift – nämlich die Missbrauchsbekämpfung – an. |
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cc) Dementsprechend kann die neue Rechtsprechung zu § 14c UStG hier herangezogen werden, da § 14c UStG ebenso wie § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 den Zweck verfolgt, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BRDrucks 630/03 vom 5. September 2003, zu Art. 4 zu Nr. 17 -§ 14c neu-, vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734). Eine Gefährdung tritt danach nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 (bzw. § 14 Abs. 4 UStG n.F.) erfüllende Rechnung vorliegt. § 14c UStG bzw. § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 könnten den mit der jeweiligen Norm verfolgten Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das Steueraufkommen zu sichern, nicht erfüllen, wenn sich Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des § 14 Abs. 4 UStG (bzw. § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999) ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten (zutreffend Frye, UR 2011, 1, 7). Für die Anwendung des § 14 c UStG (bzw. 14 Abs. 3 UStG 1998/1999) reicht es daher aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist. |
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dd) Die streitigen Rechnungen erfüllen diese Voraussetzungen. Der Name der Klägerin als (angebliche) Unternehmerin, die Firma A als Leistungsempfängerin, eine Leistungsbeschreibung (bspw. Telefonmarketing-Aktion, Telefonmarketing-Schulung, Vertriebsschulung usw.) sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer sind jeweils enthalten. |
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b) Die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person – also vorliegend die Klägerin – kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 525; in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531) oder wenn ihr die Ausstellung zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 4. März 1982 V R 59/81, BFHE 135, 130, BStBl II 1982, 315). Für Rechnungen sind die für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen entsprechend anwendbar (BFH-Urteil in BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498, unter II.3.). Aussteller einer Rechnung ist daher nicht nur, wer die betreffende Rechnung eigenhändig erstellt hat. Vielmehr sind insoweit die zum Recht der Stellvertretung entwickelten Grundsätze zu beachten. Es kommt also nicht darauf an, ob die Klägerin die Rechnungen selbst erstellt und ausgedruckt oder ob dies der Zeuge X übernommen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2003 V B 140/02, BFH/NV 2004, 382; vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1993 V R 75/88, BFHE 171, 94, BStBl II 1993, 357, unter II.1.c; in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531; in BFH/NV 1999, 525, BFH-Urteil vom 07. April 2011 V R 44/09, BFHE 234,430, BStBl II 2011, 954; vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c UStG, Rz. 118). |
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Der Senat ist aufgrund der eingeschränkten Glaubwürdigkeit der Klägerin, den Aussagen der Zeugen und der weiteren Indizienlage davon überzeugt, dass die Klägerin ihrem Bruder – dem Zeugen X – erlaubt hat, auf ihren Namen gegenüber der Firma A aufzutreten und abzurechnen und die Aussagen der Klägerin eine Schutzbehauptung darstellen. |
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aa) Die Glaubwürdigkeit der Klägerin ist aufgrund ihres Verhaltens und ihres kundgetanen Verhältnisses zur Wahrheit erheblich eingeschränkt. |
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Im Strafverfahren ließ sie sich widersprüchlich und nach einer Scheibchentaktik jeweils nur auf den konkreten Vorhalt der Straf- und Bußgeldsachenstelle ein. Zunächst gab die Klägerin an, sie habe von dem gesamten Vorgang keinerlei Kenntnis gehabt. Auch Verrechnungsschecks der Firma A habe sie nie gesehen. Sie könne sich auch nicht erklären, wie die Schecks bei der N-Bank Z eingelöst worden seien. Erst als ihr im Strafverfahren die kopierten Schecks vorgelegt wurden, hat die Klägerin eingeräumt, sie habe die Schecks eingelöst. |
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Die Glaubwürdigkeit der Klägerin ist auch durch ihr übriges Verhältnis zur Ehrlichkeit getrübt. Die Klägerin räumt unumwunden strafrechtlich bewehrtes Verhalten ein. Sie habe die Schecks für ihren Bruder bei der N-Bank eingelöst, um den Unterhaltsanspruch von dessen geschiedener Frau zu vereiteln. Damit habe sie ihrem Bruder helfen wollen. Andererseits würde sie gegenüber Behörden keinesfalls falsche Auskünfte erteilen oder das Ausstellen unrichtiger Rechnungen fördern. |
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bb) Die Aussage der Klägerin – sie habe von den Rechnungen nichts gewusst – ist zudem durch die Zeugenaussagen widerlegt. |
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Die Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin von den Rechnungen an die Firma A gewusst hat. Es hätte eine gemeinsame Absprache gegeben. |
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Soweit der Klägervertreter meint, aufgrund der Gleichförmigkeit der Aussage und der fehlenden Detailliertheit der Zeugenaussagen, sei erkennbar, dass die Zeugen sich abgesprochen hätten, um die Klägerin zu belasten, folgt der Senat dieser Meinung nicht. Vielmehr ist es normal, dass die Zeugen sich nach fast 14 Jahren nicht mehr an Einzelheiten erinnern und teilweise nur noch schematisch antworten konnten. Zudem haben alle Zeugen diese Erinnerungslücken zugegeben (Wahrheitszeichen). |
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Auch die angebliche Widersprüchlichkeit – die Zeugin P. X könne bei einer ersten Absprache vor Rechnungserstellung im Februar 1998 nicht dabei gewesen sein – sieht der Senat nicht. Vielmehr ist es dem Zeitablauf geschuldet, dass die Zeugen sich nicht an die genaue zeitliche Reihenfolge erinnern konnten. Es ist durchaus wahrscheinlich – wie von der Zeugin P. X angegeben – , dass zwischen den Beteiligten mehrfach über die Vorgehensweise gesprochen und sie daher erst später eingeweiht wurde. |
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Der Klägervertreter meint, „wohlgesonnene“ Angehörige hätten sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Er schließt daher auf eine Belastungstendenz der Zeugen. Dem folgt der Senat nicht. Die Zeugen hatten die Klägerin bereits im Strafverfahren belastet, so dass es auf eine weitere Aussage nicht mehr ankam. Zudem haben die Zeugen keinerlei Anzeichen von Aggressionen gezeigt. Es gab keinerlei Tendenzen, der Klägerin eine Alleinschuld zuzuweisen. Vielmehr habe man gemeinsam den Plan für diese Vorgehensweise gefasst. Der Zeuge X hat sich zudem erheblich selbst belastet, indem er zugegeben hat, die Verfahren genutzt zu haben, um seiner geschiedenen Frau zu schaden (Wahrheitszeichen). |
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cc) Auch die weiteren Indizien sprechen gegen die Klägerin. |
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Auf den Schecks, die die Klägerin persönlich bei der N-Bank Z eingelöst hat, ist jeweils eine Rechnungsnummer und zum Teil auch ein Rechnungsdatum aufgetragen. Auf einem Scheck wird die Klägerin sogar als „FA E. G“ – also Firma G bezeichnet. |
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Die Klägerin ist gelernte Buchhalterin. Sie hat diesen Beruf jahrelang ausgeübt und daher Kenntnis über das Einkommensteuer- und Umsatzsteuerrecht. Zur Überzeugung des Senats wusste sie demnach, dass die gegenüber der geschiedenen Ehefrau des Zeugen X verschleierten Einnahmen keinesfalls in den Steuererklärungen des Zeugen X auftauchen durften. Die Behauptung, sie habe sich darüber keine Gedanken gemacht, ist aufgrund ihrer Berufserfahrung nicht glaubhaft. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die Absprache zwischen der Klägerin und dem Zeugen X konsequenterweise auch die Abrechnung gegenüber der Firma A umfasste. |
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c) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie – wenn sie als Unternehmerin gelten würde – jedenfalls als Kleinunternehmerin keine Umsatzsteuer schulde. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG und der Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer, der gefährdet wäre, wenn die Klägerin durch den Ausweis der Umsatzsteuer dem Rechnungsempfänger den Abzug von Vorsteuer ermöglichen könnte, obwohl sie als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer abzuführen hat. Die gleichwohl ausgewiesene Umsatzsteuer würde die Klägerin daher auch als Kleinunternehmerin schulden (BFH-Beschluss vom 09. März 2009, IX B 87/08 www.juris.de). |
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2. Die Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 war zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheid am 26. Februar 2010 noch nicht eingetreten. |
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Die Klägerin hat die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt (§ 370 Abs. 2 Nr. 1 AO). Zur Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung müssen im Hinblick auf die Ausführungen zu § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 keine weiteren Ausführungen gemacht werden (Blankettnorm). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin als Finanzbuchhalterin wusste, dass sie aufgrund der auf ihren Namen ausgestellten Rechnungen Umsatzsteuer schuldete. Die Festsetzungsfrist betrug daher 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Sie beginnt, wenn – wie bei der Umsatzsteuer – eine Steueranmeldung einzureichen ist (§ 18 UStG), mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, indem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Für den Besteuerungszeitraum 1998 begann die Festsetzungsfrist daher mit Ablauf des Kalenderjahres 2001 und für 1999 mit Ablauf des Kalenderjahres 2002. Sie endete für 1998 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 und für 1999 mit Ablauf des 31. Dezember 2012. |
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3. Der Senat sah sich aufgrund des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 01. Februar 2013 nicht veranlasst, die mündliche Verhandlung fortzusetzen, da es sich um Wiederholungen aus den bereits zuvor vorgelegten Schriftsätzen und dem Klägervortrag aus der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2012 handelte, den der Senat in der Sitzung vom 25. Januar 2012 bereits berücksichtigt hatte (§ 90 Abs. 1 S. 1 FGO). |
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. |
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5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Revisionsgründe vorlag. |
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