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Erwerb unverkörperter Mitgliedschaftsrechte an einer AG

Erwerb unverkörperter Mitgliedschaftsrechte an einer AG

Kernaussage

Durch den Erwerb fehlerhaft bezeichneter Nennbetragsaktien anstelle von satzungsgemäß vorgeschriebenen Stückaktien, werden Mitgliedschaftsrechte an einer Aktiengesellschaft begründet. Entscheidend ist nämlich nicht das formal Erklärte sondern das wirtschaftlich Gewollte und tatsächlich Bewirkte. Die Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts in Gestalt von Aktienurkunden hat somit lediglich deklaratorische Bedeutung.

Sachverhalt 

Eine Aktiengesellschaft (AG) wurde 1999 mit einem Grundkapital von 50.000 EUR, eingeteilt in 50.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien, gegründet. In der Folge stellte die AG verbriefte Aktienurkunden her, die mit einem als „Nennbetrag“ bezeichneten Wert versehen und an die Aktionäre ausgegeben wurden. Im Januar 2001 vereinbarte der Kläger mit der AG, sich für 1,2 Mio. DM im Umfang von 1,5 % (entsprechend 750 Aktien) an der AG zu beteiligen. Der Kläger erhielt im Februar 2001 eine Aktienurkunde der AG im „Nennbetrag“ von 250 EUR sowie im März 4 Aktienurkunden im „Nennbetrag“ von jeweils 125 EUR ausgehändigt. Der Kläger veräußerte die Aktien mit Vertrag vom Februar 2002 zum Kaufpreis von 750 EUR an seine Schwester und machte beim Finanzamt einen Veräußerungsverlust von 612.800 EUR geltend, der ihm verwehrt wurde. Da das Grundkapital der AG in Stückaktien eingeteilt war, lag nach Auffassung des Finanzamts keine wirksame Verbriefung vor. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab.

Entscheidung 

Der Bundesfinanzhof entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Veräußerungsverlust zusteht, denn er hat seine Gesellschafterstellung bei der AG durch die Übereignung der „Nennbetragsaktien“ im Februar und März 2001 erlangt. Diese Übereignung ist als formfrei mögliche und zivilrechtlich wirksame Abtretung der maßgeblichen Mitgliedschaftsrechte der AG auszulegen. Denn die Beteiligten wollten übereinstimmend die Gesellschafterstellung des Klägers begründen, so dass der Verbriefung der Mitgliedschaftsrechte lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Deshalb kann eine mögliche Unrichtigkeit der Aktie den Erwerb nicht hindern. Durch die hier auch unter Familienangehörigen wirksame Übertragung der Beteiligung an der AG an seine Schwester verwirklicht der Kläger den einkommensteuerlich relevanten Veräußerungstatbestand und erzielte den geltend gemachten Verlust.

Konsequenz

Auch beim Erwerb von Aktien ist nicht an der tatsächlichen Formulierung zu haften; vielmehr sind der Wille der Beteiligten und die Begleitumstände zu würdigen.