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Kein Vertrauensschutz bei bloßer Weiterzahlung von Kindergeld

Gericht: BFH 5. Senat
Entscheidungsdatum: 13.03.2013
Aktenzeichen: V B 133/11
Dokumenttyp: Beschluss
Norm: § 62 EStG
Kein Vertrauensschutz

Leitsatz
NV: Die bloße Weiterzahlung von Kindergeld trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, steht einer Rückforderung nicht entgegen.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 14. April 2011, Az: 13 K 51/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 23. Mai 2011, Az: III B 177/10
Vergleiche BFH, 3. März 2011, Az: III R 11/08
Vergleiche BFH, 28. Januar 2010, Az: III B 37/09
Vergleiche BFH, 26. November 2007, Az: III B 121/06
Vergleiche BFH, 27. Mai 2005, Az: III B 197/04
Vergleiche BFH, 15. Juni 2004, Az: VIII R 93/03
Vergleiche BFH, 14. Oktober 2003, Az: VIII R 56/01
im Text BFH, 26. Juli 2001, Az: VI R 163/00

Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) zu.

3
a) Die Klägerin führt für die grundsätzliche Bedeutung an, dass die Rechtsprechung bei „der Beurteilung der Frage, ab welchem Zeitraum bei unberechtigter Kindergeldzahlung von einem erheblichem Zeitraum auszugehen ist“, der zu einem Vertrauenstatbestand führt, uneinheitlich sei.

4
aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist demgegenüber bereits geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, nicht ausreicht, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht, so dass ein anderer Eindruck beim Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen brauche (z.B. BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, und vom 15. Juni 2004 VIII R 93/03, BFH/NV 2005, 153; BFH-Beschlüsse vom 26. November 2007 III B 121/06, BFH/NV 2008, 553, und vom 28. Januar 2010 III B 37/09, BFH/NV 2010, 837).

5
bb) Danach ist geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei einer –wie von der Klägerin behaupteten– zeitnahen Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht ausreicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2005 III B 197/04, BFH/NV 2005, 1486, und vom 23. Mai 2011 III B 177/10, BFH/NV 2011, 1507).

6
b) Im Übrigen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, da keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage erforderlich ist, ob es sich bei einer Rückforderung nach langer Zeit um eine illoyale Rechtsausübung handelt und die Rückforderung unverhältnismäßig ist. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insoweit auf das BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 163/00 (BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174), nach dem der Rückforderung von zu viel gezahltem Kindergelds der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen kann, wenn der Beklagte und Beschwerdegegner (die Familienkasse) mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs zu lange zuwartet. Dass allein die Weiterzahlung trotz Kenntnis der zum Wegfall der Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch führenden Umstände einer Rückforderung entgegensteht, lässt sich dem bezeichneten Urteil nicht entnehmen, wie sich aus der Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der Umstände, die zu einem Schutzwürdigen Vertrauen führen könnten, ergibt.

7
Dabei steht, wie der BFH unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174 bereits entschieden hat, „die bloße Weiterzahlung trotz Kenntnis von Umständen, wie zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, … der Rückforderung nicht entgegen“ (BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 11/08, BFHE 233, 41, BStBl II 2001, 722, unter II.d).

 

Vertrauensschutz in den Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung

Vertrauensschutz in den Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung

Kernaussage

Nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001 sollten die nach Einkommen- oder Körperschaftsteuerrecht außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile aus sogenannten Streubesitzbeteiligungen (weniger als 10 %) rückwirkend für das Jahr 2001 im Gewerbesteuerrecht dem Gewinn wieder zugerechnet werden. Diese rückwirkende Geltung ist nichtig, soweit die Dividenden bis zum Beschluss des Vermittlungsausschusses am 11.12.2001 zugeflossen sind.

Sachverhalt

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Beteiligungs-GmbH, die im Streitjahr 2001 eine Streubesitzbeteiligung von weniger als 10 % des Stammkapitals an einer anderen GmbH hielt. Die Gesellschafterversammlung dieser anderen GmbH beschloss am 15.12.2001 eine Vorabausschüttung. Eine entsprechende Gutschrift auf dem Konto der Klägerin erfolgte am 19.12.2001. Das Finanzamt erfasste diesen Betrag im Gewerbesteuermessbetrag als Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb und berief sich auf die Rückwirkung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift. Die Hinzurechnung der Streubesitzdividenden bei der Gewerbesteuer wurde durch den Vermittlungsausschluss am 11.12.2001 aufgenommen. Der Bundestag beschloss am 14.12.2001 die Neuregelungen und der Bundesrat stimmte am 20.12.2001 zu. Das Finanzgericht legte dem Verfassungsgericht die Frage vor, ob eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung für den Erhebungszeitraum 2001 angeordnet wurde.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die Rückwirkung der Regelung verfassungsgemäß ist, soweit der Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschlusses am 11.12.2001 betroffen ist. Zu differenzieren ist zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz eine bereits entstandene Steuerschuld ändert. Diese sind generell unzulässig. Entsteht die Steuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, wirken Rechtsänderungen nur unecht zurück. Diese sind zulässige, wenn der Steuerpflichtige mit einer entsprechenden Rechtsänderung rechnen muss und daher kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage hat. Bereits der Vorschlag des Vermittlungsausschlusses hatte hier das Vertrauen beseitigt.

Konsequenz

Die Entscheidung verdeutlicht, dass laufende Gesetzgebungsverfahren strengstens zu beobachten sind, da der Vertrauensschutz bereits frühzeitig zerstört werden kann. Betroffene Steuerpflichtige, die die Steuerbescheide für das Jahr 2001 offen gehalten haben, können nach den o. g. Grundsätzen mit Steuerrückzahlungen rechnen.