Vorsteuerabzug trotz Betrugsabsicht des Lieferers?

Vorsteuerabzug trotz Betrugsabsicht des Lieferers?

Rechtslage

Wer von seinem Lieferanten betrogen wird, hat nicht nur Ärger mit diesem, sondern häufig auch mit dem Finanzamt. Dies zeigt auch einer der schwersten Fälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland, der „Flow-Tex Fall“, der nun auch den Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigte.

Sachverhalt

Die Klägerin kaufte fünf Maschinensysteme bei einer Kommanditgesellschaft (KG) ein und verleaste diese an eine weitere KG. Die Forderungen aus den Leasingverträgen trat die Klägerin unter Sicherungsübereignung der Maschinensysteme an Banken zwecks Finanzierung des Kaufpreises ab. Die Klägerin nahm die Systeme ab, prüfte die Identifikationsnummern, fotografierte die Systeme und bestätigte die körperliche Übergabe an die leasende KG. Später kam heraus, dass diese KG in betrügerischer Absicht zwar mehr als 3.000 solcher Leasingverträge abgeschlossen hatte, jedoch nur ca. 300 dieser Maschinensysteme tatsächlich existierten. Strittig war, ob die Lieferungen an die Klägerin tatsächlich erfolgt waren und ihr hieraus der Vorsteuerabzug zustand.

Entscheidung

Laut BFH ist „umsatzsteuerrechtlich jede Übertragung eines körperlichen Gegenstandes durch eine Partei, die eine andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch wie ein Eigentümer zu verfügen als Lieferung zu qualifizieren“. Die zivilrechtliche Bewertung dieses Vorgangs ist insoweit ohne Bedeutung. Der BFH ging daher vom Vorliegen einer Lieferung aus und gewährte den Vorsteuerabzug. Dem stand auch nicht entgegen, dass die betrügerische KG die Absicht hatte, die übertragenen Maschinensysteme später durch weitere Übereignungen an andere Leasinggesellschaften zu unterschlagen, da für die umsatzsteuerliche Beurteilung die Verhältnisse im Zeitpunkt der Lieferung entscheidend sind.

Konsequenz

Umsatzsteuerlich setzt das Vorliegen einer Lieferung nicht zwingend eine zivilrechtliche Eigentumsverschaffung voraus. So kann z. B. ein Dieb umsatzsteuerlich gestohlene Ware liefern, auch wenn der Diebstahl selbst keine Lieferung darstellt. Unternehmern, die von ihren Lieferanten betrogen werden, bleibt daher die Hoffnung, dass ihnen wenigstens der Vorsteuerabzug verbleibt. Der Fall zeigt allerdings, dass dies kein Automatismus ist, sondern immer einer Prüfung des einzelnen Falles bedarf.