Zeitpunkt der Zuordnung eines gemischt-genutzten Grundstücks

§ 15 UStG

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin ein gemischt unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutztes Gebäude insgesamt ihrem Unternehmen zuordnen konnte.

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Die Klägerin hat in den Jahren 2008 und 2009 zwei Einfamilienhäuser in B, F-Weg 4 A und 4 B errichtet. Diese Gebäude wurden am 01.12.2009 (F-Weg 4 A) und 01.01.2010 (F-Weg 4 B) fertiggestellt.

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Am 30.04.2010 zeigte die Klägerin dem Beklagten (Finanzamt – FA -) die Eröffnung eines Gewerbes mit der Bezeichnung „Fitness- und Gesundheitscoaching“ an. Als Beginn der Tätigkeit wurde der 01.06.2010 angegeben. Die Klägerin gab an, dass sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehme.

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Die Klägerin gab für das Streitjahr eine Umsatzsteuererklärung am 30.11.2011 ab. Darin erklärte die Klägerin für ein Vermietungsunternehmen „F-Weg 4 B“ Umsätze i. H. v. 0,00 EUR und Vorsteuerbeträge anteilig aus den Herstellungskosten (Baukosten) des Gebäudes von 11.972,12 EUR. Das Objekt F-Weg 4 B wurde im Streitjahr von der Klägerin und ihrer Familie selbst genutzt. Lediglich ein Büroraum nebst Flur und Bad sollte ab 01.01.2010 umsatzsteuerpflichtig an die Firma X- GmbH vermietet werden.

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Am 05.04.2012 fand im FA eine Besprechung mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem zuständigen Bearbeiter im FA statt. Gegenstand dieser Unterredung war die ertragsteuerliche Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse aus den Objekten F-Weg 4 A und 4B. Man kam überein, die Einkommensteuerveranlagung 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vorzunehmen und die Werbungskostenüberschüsse aus den Objekten mit 14.613 EUR (4 A) bzw. 14.613 EUR (4 B) anzusetzen.

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Im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 2009 lehnte das FA am 13.09.2012 den Abzug der geltend gemachten Vorsteuerbeträge ab. Es verwies dazu auf die BFH-Entscheidung vom 07.07.2011 – V R 21/10. Danach – so das FA – könne der Vorsteuerüberhang nicht (mehr) geltend gemacht werden, da nach der BFH-Rechtsprechung die Zuordnungsentscheidung spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen – also bis zu 31.05. des Folgejahres – erfolgen müsse. Im Streitfall hätte dies bis zu 31.05.2010 erfolgen müssen. Die Umsatzsteuererklärung 2009 sei aber erst am 30.11.2011 beim FA eingegangen. Das FA erließ demgemäß am 13.09.2013 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009, der am 12.12.2013 zur Post ging. Hierin setzte es die Umsatzsteuer auf 0 EUR fest.

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Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie vorher keine Möglichkeit gehabt habe, die Umsatzsteuererklärung abzugeben. Im Übrigen sei das BFH-Urteil, das die Frist zum 31.05. entwickelt habe (V R 42/09) zwar vor Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2009 veröffentlicht worden (am 12.10.2011), gleichwohl sei der Klägerin in diesem Fall Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 AO zu gewähren. Im Übrigen handele es sich bei den Entscheidungen des BFH zu diesen Fragen immer um Fälle, in denen die Steuerpflichtigen eine vollständige Zuordnung zu ihrem Unternehmen erstrebten. Die Klägerin begehre jedoch lediglich die Zuordnung zum Unternehmen entsprechend der unternehmerischen Nutzung des Objekts F-Weg 4 B. Das FA wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsbescheid vom 22.10.2014 als unbegründet zurück. Es führte darin aus, die Klägerin habe eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nicht vorgenommen. Zum einen sei die vom BFH entwickelte Frist (31.05. des Folgejahres) verstrichen gewesen, zum anderen ergebe sich auch nach der Rechtslage, die vor der BFH – Rechtsprechung gegolten habe, nichts anderes. Seinerzeit habe der Steuerpflichtige die Zuordnungsentscheidung zeitnah erfolgen müssen. Im Streitfall habe die Klägerin die Umsatzsteuererklärung 2009 erst am 30.11.2011, also mit erheblicher Verspätung beim FA abgegeben.

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Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, die Zuordnungsentscheidung bis zum 31.05. des Folgejahres zu übermitteln. Nach alter Rechtslage habe man nach Auffassung der Finanzverwaltung spätestens in der Umsatzsteuerjahreserklärung die Zuordnungsentscheidung dokumentieren müssen. Insofern sei hier auch eine Vergleichbarkeit mit der sog. „Seeling-Rechtsprechung“ gegeben. Im Übrigen habe die Klägerin für die Vermietungsumsätze nach § 9 Abs. 2 UStG zur Umsatzsteuer optiert, so dass ihr schon deshalb der Vorsteuerabzug zustehe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin noch auf das beim EuGH anhängige Verfahren C-590/14 Bezug genommen. In diesem Verfahren gehe es um das Verhältnis des formellen Rechts zum materiellen Umsatzsteuerrecht.

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Die Klägerin beantragt,

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die Umsatzsteuer 2009 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 12.12.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2014 soweit herabzusetzen, wie sie sich bei der Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 11.972,12 EUR ergibt.

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Das FA beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Auch nach alter Rechtslage könne die Abgabe der Erklärung fast 2 Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraums nicht mehr als zeitnah angesehen werden. Ein Vertrauensschutz gem. § 176 AO komme nicht in Betracht. Die Jahreserklärung mit der Zuordnungsentscheidung habe auch nach alter Rechtslage zeitnah eingereicht werden müssen, um z. B. die „Seeling“-Grundsätze in Anspruch zu nehmen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat das beklagte FA im Streitfall den begehrten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Objekts F-Weg 4 B versagt.

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Zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs hat ein Unternehmer nicht nur zu entscheiden, ob er die bezogene Lieferung oder sonstige Leistung für Umsätze verwendet bzw. zu verwenden beabsichtigt, die einen Vorsteuerabzug zulassen. Verwendet der Unternehmer einen Gegenstand – hier also das Objekt F-Weg 4 B – für unternehmerische und nichtunternehmerische (unternehmensfremde) Zwecke, muss er grundsätzlich bereits bei Bezug der Gegenstände festlegen, ob er ein ihm zustehendes Wahlrecht, nämlich den Gegenstand seinem Unternehmen zuzuordnen, ausüben will.

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Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang eine Zuordnung des Objekts zum unternehmerischen Bereich erfolgen soll, zeitnah dem FA zu übermitteln (BFH-Urteil vom 07.07.2011 – V R 42/09, BStBl II 2014, 76 und BFH-Urteil vom 07.07.2011 – V R 21/10, BStBl II 2014, 81). Den Begriff „zeitnah“ legt der BFH dabei dahin aus, dass diese Zuordnungsentscheidung grundsätzlich bei Leistungsbezug, spätestens aber bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen – d. h. bis zum 31.05. des jeweiligen Folgejahres – erfolgen soll. Diese Frist ist im Streitfall nicht eingehalten, denn die Klägerin hat die Zuordnungsentscheidung erst mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2009 am 30.11.2011 dem FA mitgeteilt. Nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung, die der erkennende Senat für zutreffend hält, hätte die Zuordnungsentscheidung dem FA bis zum 31.05.2010 vorliegen müssen.

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In dieser Hinsicht genießt die Klägerin auch keinen Vertrauensschutz, denn die Urteile des BFH, mit denen die Frist entwickelt wurde, sind am 12.10.2011 und damit vor Abgabe der Umsatzsteuererklärung am 30.11.2011 veröffentlicht worden. Schon aus diesem Grund kommt deshalb eine Berücksichtigung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht in Betracht.

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Im Übrigen verweist das FA zu Recht darauf, dass auch nach der vor Ergehen der Urteile des BFH vom 07.07.2011 (BFH-Urteil vom 07.07.2011 – V R 42/09, BStBl II 2014, 76 und BFH-Urteil vom 07.07.2011 – V R 21/10, BStBl II 2014, 81) geltenden Rechtslage die Zuordnungsentscheidung „zeitnah“ dem FA gegenüber zu dokumentieren war (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798). Im vorliegenden Fall erfolgte die Zuordnungserklärung erst im Rahmen der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2009 am 30.11.2011, also fast 2 Jahre nach Ende des betreffenden Veranlagungszeitraums. Diesen Zeitraum sieht der erkennende Senat nicht mehr als zeitnah an. Die Zuordnungsentscheidung ist jedoch grundsätzlich bereits bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2008 V R 10/07, BFH/NV 2008, 1773). Das folgt aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer. Die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu treffende Zuordnungsentscheidung des Unternehmers sollte danach in der Regel in der Umsatzsteuer-Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in den der Leistungsbezug fällt, nach außen hin zu dokumentieren sein. Danach liegt im Streitfall keine wirksame Zuordnung des Gebäudeteils F-Weg 4 B zum Unternehmensvermögen der Klägerin vor.

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Die am 30.11.2011 eingereichte Umsatzsteuererklärung für 2009 kann nicht als Indiz für eine rechtzeitige Zuordnung der Büroräume zum Unternehmensbereich der Klägerin angesehen werden. In dieser Erklärung hat die Klägerin zwar erstmals den anteiligen Abzug der im Jahr 2009 für die Errichtung des gesamten Gebäudes F-Weg 4 B in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht. Ein derart verspätet beanspruchter Vorsteuerabzug stellte aber auch nach der bis zum Ergehen der BFH-Urteile vom 07.07.2011 gültigen Rechtslage kein Indiz für eine bereits im Jahr 2009 beim Leistungsbezug getroffene Zuordnungsentscheidung dar. Je später die Umsatzsteuererklärung für das Jahr abgegeben wird, für das bei einer Zuordnung eines Gebäudeteils zum Unternehmen die Vorsteuer nach § 15 UStG geltend zu machen ist, desto mehr spricht dies dafür, dass der Unternehmer den Gebäudeteil zum Zeitpunkt der jeweiligen Leistungsbezüge seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen wollte. Denn wenn der Unternehmer zum Zeitpunkt der Leistungsbezüge tatsächlich den Willen hatte, den Gebäudeteil dem Unternehmen zuzuordnen, dann hat er regelmäßig auch ein wirtschaftliches Interesse daran, die Vorsteuer hierfür möglichst zeitig und nicht fast 2 Jahre später erstattet zu bekommen. Gibt der Unternehmer – wie im Streitfall die Klägerin – die Umsatzsteuererklärung, aus der die Zuordnung des Gebäudeteils zum Unternehmen erkennbar wird, erst mit einer erheblichen Verspätung ab, dann müssen gewichtige sonstige Umstände vorliegen, die gleichwohl den Schluss auf die Tatsache rechtfertigen, der Steuerpflichtige habe den neu errichteten Gebäudeteil bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Leistungsbezüge seinem Unternehmen zugeordnet. Im Streitfall können derartige Umstände nicht festgestellt werden. Der erkennende Senat sieht darin keine Einschränkung des unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes; vielmehr wird dieser überlagert vom Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer, denn schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Vorsteuerabzug und damit die Zuordnungsentscheidung des Unternehmers zeitnah zu dokumentieren.

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Eine Teiloption nach § 9 Abs. 2 UStG kommt im Streitfall ebenfalls nicht in Betracht. Eine derartige Teiloption wäre zwar nach neuerer Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zulässig, soweit abgrenzbare Bereiche eines Objekts betroffen sind (BFH-Urteil vom 24.04.2014 – V R 27/13, BStBl II 2014, 732). Die Option setzt aber voraus, dass der leistende Unternehmer den Gegenstand der Leistung oder der Leistungsempfänger die erhaltene Leistung zulässigerweise seinem unternehmerischen Bereich zuordnen konnte (BFH-Urteil vom 20.07.1988 – X R 6/80, BStBl II 1988, 915; BFH-Urteil vom 28.02.1996 – XI R 70/90, BStBl II 1996, 459). Gerade dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Klägerin hatte ihre Zuordnungsentscheidung nicht zeitnah dem FA übermittelt.

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Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf das EuGH-Verfahren C-590/14 verwiesen hat, ergibt sich daraus nichts anderes. Die Klägerin weist darauf hin, dass in diesem Verfahren die Frage problematisiert werde, inwieweit formelle Hürden materiellen Umsatzsteueransprüchen entgegenstünden, und begehrt aus diesem Grund möglicherweise ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH. Unabhängig davon, dass die Klägerin ihren Hinweis aber in keiner Weise konkretisiert hat, sieht der erkennende Senat nicht, dass diese Problematik den Streitfall betreffen könnte. Soweit nämlich der BFH in seinen Entscheidungen vom 07.07.2011 (s. o.) die Frist zur Übermittlung der Zuordnungsentscheidung an das FA auf den 31.05. des Folgejahres gesetzt hat, ist dies keinesfalls als „Hürde“ für den Steuerpflichtigen anzusehen, sondern vielmehr als ein Entgegenkommen für den Steuerpflichtigen, der im Hinblick auf den Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer grundsätzlich gehalten ist, den Vorsteuerabzug bereits bei Leistungsbezug geltend zu machen.

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Die Klage war mithin abzuweisen.

24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.