Zur Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung um Bonuszahlungen der GKV für gesundheitsbewusstes Verhalten

Verfahrensrechtliche Folgerungen aus dem BFH-Urteil vom 1. Juni 2016 – X R 17/15

Nach dem BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2016 zur einkommensteuerlichen Behandlung von Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenversicherung für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 65a SGB V) sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 1. Juni 2016 – X R 17/15 – (BStBl II 2016, S. 989) über den Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Im Rahmen der verfahrensrechtlichen Umsetzung dieses Urteils kann eine Änderung der betroffenen Einkommensteuerbescheide nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO1 und/oder nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung)2 bei Vorlage einer Bescheinigung der gesetzlichen Krankenversicherung3erfolgen.

Für die Änderung der Einkommensteuerbescheide gilt hierbei im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

I. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO vorläufig ergangene Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2010

Werden dem Steuerpflichtigen von seiner gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen eines Bonusprogramms zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens (§ 65a SGB V) Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstattet, die nicht im regulären Versicherungsumfang enthalten und damit von den Versicherten vorab privat finanziert worden sind (sog. „Kostenerstattungsfälle“), liegt dem BFH-Urteil folgend eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und gerade keine Beitragsrückerstattung vor (siehe ausführlich BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2016, BStBl I 2016, S. 1426). Soweit Einkommensteuerbescheide in solchen Fällen hinsichtlich der Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG um Bonuszahlungen der gesetzlichen Krankenversicherung für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 65a SGB V) gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO vorläufig ergangen und diese Vorläufigkeitsvermerke noch wirksam sind, sind diese Bescheide nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zu ändern und insoweit für endgültig zu erklären. Für die Behandlung aller anderen, nicht streitgegenständlichen Bonusleistungen gilt weiterhin Rz. 71 f. des BMF-Schreibens zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 19. August 2013 (BStBl I 2013, S. 1087).

Wurde der Vorläufigkeitsvermerk erstmals anlässlich der Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids dem Bescheid beigefügt, ist die ggf. betragsmäßige Beschränkung des Vorläufigkeitsvermerks (Abschnitt I Nr. 2 Buchst. c des BMF-Schreibens vom 16. Mai 2011, BStBl I S. 464) zu beachten. Unabhängig hiervon kann eine betragsmäßig nicht beschränkte Änderung nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F. möglich sein (siehe Abschnitt II dieses Schreibens).

Im Übrigen sind Bescheide nur dann für endgültig zu erklären, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt oder die Bescheide aus anderen Gründen zu ändern sind (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO). Soweit Einkommensteuerbescheide nicht für endgültig erklärt werden, bleibt bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist eine Bescheidänderung zur Berücksichtigung ungekürzter Krankenversicherungsbeiträge nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO möglich. Die Festsetzungsfrist endet gemäß § 171 Abs. 8 Satz 2 AO insoweit frühestens mit Ablauf des 6. Dezember 2018.

II. Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F.

Soweit keine Änderung gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO in Betracht kommt, wären in allen Kostenerstattungsfällen (siehe Abschnitt I), in denen die gesetzliche Krankenversicherung eine entsprechende elektronische Meldung an die Finanzverwaltung übermitteln würde und sich hierdurch eine Änderung der festgesetzten Steuer ergäbe, die Einkommensteuerbescheide bis einschließlich Besteuerungszeitraum 2016 nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F. zu ändern. Dies gilt aber nur, solange die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 Satz 2 AO gilt für diese Änderung nicht.

Die Vorlage einer von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestellten Papierbescheinigung, aus der eine Korrektur der grundsätzlich elektronisch zu übermittelnden Beitragsrückerstattungen hervorgeht, ist für die Anwendung des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F. ausreichend. Dies gilt für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2016 (Näheres siehe Abschnitt III dieses Schreibens).

III. Weitere Voraussetzungen zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO4 und/oder nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F.5 hinsichtlich der als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge erfolgt, sobald der Steuerpflichtige dem Finanzamt eine von der gesetzlichen Krankenversicherung infolge des BFH-Urteils vom 1. Juni 2016 – X R 17/15 – ausgestellte Papierbescheinigung vorlegt. Für die Veranlagungszeiträume 2010 bis einschließlich 2016 wird aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf eine Übermittlung korrigierter Datensätze verzichtet. Aus der jahresbezogenen Papierbescheinigung sollte dabei mindestens Folgendes hervorgehen:

  • Name und Adresse des Versicherungsnehmers und der versicherten Person,
  • die Höhe der bisher gemeldeten Beitragsrückerstattung,
  • die Höhe der (unter Berücksichtigung des BFH-Urteils) zutreffenden Beitragsrückerstattung und
  • ein Hinweis darauf, dass die Finanzverwaltung den Sachverhalt auf Initiative des Steuerpflichtigen unter Vorlage dieser Bescheinigung prüft und über eine eventuelle Anpassung des betroffenen Einkommensteuerbescheides entscheidet.

Ohne die Vorlage einer Papierbescheinigung kann eine Änderung von Amts wegen nicht in allen Fällen gewährleistet werden

Von einer Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO6 und/oder nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a. F.7unberührt bleiben die Änderungsmöglichkeiten im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0338 / 16 / 10004 vom 29.03.2017