BFH-Beschluß vom 25.2.1976 (VIII B 81/74) BStBl. 1980 II S. 294

BFH-Beschluß vom 25.2.1976 (VIII B 81/74) BStBl. 1980 II S. 294

Zur steuerrechtlichen Behandlung der Beiträge zu einer für die Bauzeit eines Einfamilienhauses abgeschlossenen Bauwesen-Versicherung.

 

EStG 1971 § 2 Abs. 4 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, § 21.

Sachverhalt

 

Streitig war bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 der Kläger und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner) – Eheleute – im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, ob ein Versicherungsbeitrag zu den sofort abzugsfähigen Werbungskosten oder zu den Herstellungskosten ihres Einfamilienhauses zu rechnen ist.

Die Beschwerdegegner schlossen im Streitjahr im Zusammenhang mit dem damals begonnenen und 1973 beendeten Bau ihres Einfamilienhauses für die Zeit vom 1. September 1972 bis 30. April 1973 eine sogenannte Bauwesen-Versicherung über eine Versicherungssumme von 155.000 DM gegen Zahlung eines Versicherungsbeitrags von 455,70 DM. Versicherungsgegenstand waren nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherungsgebers Bauleistungen (Leistungen am Gebäude einschließlich aller Nebenleistungen und Lieferungen von Baustoffen und Bauteilen) und Baustelleneinrichtungen (Gerüste, Geräte, Maschinen, Baubude usw.). Versicherungsschutz wurde gegen alle dem Bauherrn, dem Bauunternehmer, den Bauhandwerkern und dem Architekten an den versicherten Leistungen und Sachen durch unvorhergesehene Ereignisse erwachsende Schäden gewährt (§ 2 des Vertrages), und zwar durch Ersatz der zur Schadensbeseitigung und Aufräumung der Schadenstelle erforderlichen Kosten (§ 3 Nr. 3, 1. Satz). Mit der Abnahme des Wohngebäudes endete die Haftung des Versicherers.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt – FA -) vertrat bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 der Beschwerdegegner und in seiner ihren Einspruch als unbegründet zurückweisenden Entscheidung den Standpunkt, es handle sich bei dem geleisteten Versicherungsbeitrag im Rahmen der für das Streitjahr anzusetzenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses um Herstellungskosten des Gebäudes; er ließ deshalb den beantragten Abzug als Werbungskosten nicht zu.

Der Klage, mit welcher die Beschwerdegegner ihr Begehren weiterverfolgten, gab das Finanzgericht (FG) statt (EFG 1974, 466). Die Vorinstanz bejahte gemäß § 21 i.V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Umfang des Versicherungsbeitrags das Vorliegen sofort abzugsfähiger (vorweggenommener) Werbungskosten bei den Mieteinkünften der Beschwerdegegner aus dem Einfamilienhaus unter entsprechender Ermäßigung der festgesetzten Einkommensteuer. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG, so führte das FG im wesentlichen aus, stellten Versicherungsbeiträge, die sich auf ein der Erzielung von Mieteinnahmen dienendes Gebäude – hier das Einfamilienhaus – bezögen, Werbungskosten dar.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 156 DM.

Mit der Beschwerde, der die Vorinstanz nicht abgeholfen hat, begehrt das FA, das weiterhin Herstellungskosten bejaht, Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist zu verneinen.

1. Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache nur dann, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628; vom 24. Juni 1969 II B 2/68, BFHE 96, 155, BStBl II 1969, 663). Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage schon Gegenstand einer Entscheidung durch den BFH gewesen ist und von einer erneuten Entscheidung eine weitere Klärung nicht zu erwarten ist oder aber auch, wenn es sich lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt handelt (vgl. BFH-Beschluß vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196, und die weiteren Hinweise dort). Die letztgenannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Die vom FA als grundsätzlich bedeutungsvoll angesehene Rechtsfrage, welchen Inhalt der Begriff Herstellungskosten hat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit ausführlicher Begründung ausreichend geklärt worden (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; BFH-Urteil vom 29. Juni 1965 VI 236/64 U, BFHE 83, 16, BStBl III 1965, 507; Urteile des Senats vom 22. Februar 1973 VIII R 72/68, BFHE 109, 36, BStBl II 1973, 483; vom 16. Juni 1974 VIII R 143/71, BFHE 113, 286, BStBl II 1975, 193; jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Hiernach ist das Vorliegen von Herstellungsaufwand zu bejahen, wenn Aufwendungen zu einer wesentlichen Substanzvermehrung, Wesensänderung oder erheblichen Erhöhung des Nutzungswerts oder der Nutzungsdauer eines Gebäudes geführt haben. Die Rechtslage ist für Gebäude im Betriebsvermögen und im Privatvermögen nach gleichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl. Beschluß des Großen Senats GrS 5/71). Die Verhältnisse des Streitfalls geben zu einer erneuten Prüfung der Rechtslage keinen Anlaß. Das FG hat seiner Entscheidung erkennbar die höchstrichterlich zum Herstellungsaufwand entwickelte Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 15. Oktober 1965 VI 181/65 U (BFHE 84, 33, BStBl III 1966, 12) durch zu enge Auslegung des Begriffs Herstellungsaufwand ist – entgegen der Ansicht des FA – nicht zu erkennen. Der Große Senat des BFH hat zudem ausdrücklich in der genannten Entscheidung die Grenzen zwischen Herstellungsaufwand und sofort abzugsfähigen Werbungskosten zugunsten der letzteren verschoben. Außerdem tragen die Erwägungen des FG zum Herstellungskostenbegriff letztlich nicht die Vorentscheidung, die im wesentlichen zutreffend auf § 21 i.V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG gestützt ist.

b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus anderen Gründen ist ebenfalls nicht dargetan worden oder zu ersehen.

Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Streitfall, ob die Prämienleistung auf die Bauwesen-Versicherung der Beschwerdegegner im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 i.V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG als sofort abzugsfähiger Werbungskostenaufwand zu berücksichtigen ist, ist unter nicht schwieriger Auslegung und Anwendung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften im Rahmen fester Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt zu beantworten. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V. m. § 21 EStG sind Beiträge auf Schadensversicherungen von Gebäuden, die der Erzielung von Mieteinkünften dienen, als laufende Werbungskosten zu behandeln (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 21 EStG Anm. 29a – Versicherungsbeiträge, § 9 Anm. 27, § 6 Anm. 50g (2) – Versicherung; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., Rdnr. 51 zu § 9; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., 1971, § 9 Anm. 9, § 21 Anm. 7). Das entspricht – abgesehen vom klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung – ihrem Sinn und Zweck, Aufwendungen, welche sachlich im wesentlichen mit der Erhaltung des Gebäudes in seiner Substanz zusammenhängen (u.a. Beiträge zur Erlangung von Versicherungsschutz gegen Sachschäden am Gebäude durch unvorhergesehene Ereignisse) und nicht der Vermehrung der Substanz dienen, als Werbungskosten zum sofortigen Abzug zuzulassen. Es macht rechtlich und wirtschaftlich keinen Unterschied, ob es im Rahmen von Mieteinkünften um Aufwendungen für die Erhaltung (Bewahrung vor Schäden) eines bereits entstandenen Gebäudes oder eines erst entstehenden geht. Insbesondere ist für sog. vorweggenommene Werbungskosten nichts anderes anzunehmen.

Die herrschende Meinung in der Literatur stimmt mit dieser Rechtsauslegung und Rechtsanwendung überein (vgl. u.a. Herrmann/Heuer, a.a.O., § 6 Anm. 50g (2) – Versicherungen -; Göhler, Steuerwarte 1967 S. 153 (155 rechte Spalte); Rädler/Raupach, Handbuch der steuerbegünstigten Kapitalanlagen, 1973 S. 447). Die Rechtslage ist somit hinreichend klar, ohne daß es wegen einer einzelnen, nicht näher begründeten und materiell-rechtlich unbelegten, abweichenden Ansicht des Schrifttums (Hartmann/Böttcher/Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 7b – 1949/1962 – Anm. 4b, und als Ergänzung neuerdings ohne Kommentierung hierzu Forkel-Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1975, § 7b Anm.) einer weiteren Klärung bedarf. Eine abweichende Praxis der Finanzverwaltung ist nicht näher bezeichnet worden und nicht bekannt.

2. Die Rechtsfrage, ob die Prämienleistung mangels Vorliegens von Herstellungsaufwendungen den Charakter von Abwehrkosten i. S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung trägt, ist nicht entscheidungserheblich. Es handelt sich insoweit um zusätzliche und die Vorentscheidung nicht tragende Rechtserwägungen des FG.

3. Auch der Gesamtzusammenhang der Ausführungen des FA läßt entgegen seiner Ansicht eine grundsätzliche Bedeutung der Sache – wegen einer im Streitfall zu treffenden Entscheidung zum Umfang von Herstellungskosten – nicht erkennen.