BFH-Urteil vom 22.4.1982 (IV R 194/79) BStBl. 1982 II S. 428

BFH-Urteil vom 22.4.1982 (IV R 194/79) BStBl. 1982 II S. 428

Die in § 32 Abs. 1 Satz 2 KoG enthaltene summenmäßige Begrenzung der Investitionsprämie für Investitionen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums ist dahin zu verstehen, daß die gesamten prämienbegünstigten Investitionen des Steuerpflichtigen während des Begünstigungszeitraums maßgebend sind; nicht entscheidend ist der Umfang der prämienbegünstigten Investitionen gerade in der Betriebstätte, für die nach Ablauf des Begünstigungszeitraums noch Wirtschaftsgüter geliefert oder fertiggestellt werden.

KoG § 32.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

 

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, errichtete in den Jahren 1968 und 1969 in X, A-Straße, ein Auto-Diagnose-Zentrum. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) gewährte dafür antragsgemäß Investitionsprämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 – KoG – (BGBl I, 365, BStBl I, 939) i. d. F. des Steueränderungsgesetzes vom 18. August 1969 – StÄndG 1969 – (BGBl I, 1211, BStBl I, 477) in Höhe von 10 v. H. der prämienbegünstigten Aufwendungen von 594.210 DM = 59.421 DM.

Im Jahre 1970 begann die Klägerin mit der Errichtung einer Ankerwickelei in X, B-Straße. Für die in diesem Zusammenhang in den Jahren 1970 und 1971 getätigten Investitionen in Höhe von 202.170 DM gewährte das FA antragsgemäß Investitionsprämie nach § 32 KoG von zusammen 20.217 DM. Dem Antrag der Klägerin, auch für ihre Investitionen in 1972 und 1973 Investititionsprämie nach § 32 KoG zu gewähren, und zwar für 1972 in Höhe von 27.705 DM (= 10 v. H. von 277.058 DM) und für 1973 in Höhe von 9.869 DM (= 10 v. H. von 98.695 DM) entsprach das FA nur teilweise. Das FA vertrat unter Berufung auf eine allgemeine Verwaltungsanweisung (Steuererlasse in Karteiform – StEK -, Kohlegesetz Nr. 12) die Auffassung, die Klägerin könne nur eine Investitionsprämie von insgesamt 20.217 DM beanspruchen. Zwar stehe einem Steuerpflichtigen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KoG auch für Investitionen innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des sogenannten Begünstigungszeitraums am 31. Dezember 1971 Investitionsprämie zu, sofern er mit der Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte noch innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnen habe. Die Investitionsprämie dürfe aber insoweit nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KoG die Beträge nicht übersteigen, die vom Steuerpflichtigen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG für im Begünstigungszeitraum gelieferte oder fertiggestellte Wirtschaftsgüter abgezogen werden konnten. Diese summenmäßige Begrenzung der Investitionsprämie für nach Ablauf des Begünstigungszeitraums getätigte Investitionen sei dahin zu verstehen, daß prämienbegünstigte Investitionen während des Begünstigungszeitraums nur insoweit zu berücksichtigen seien, als sie gerade auf die Betriebstätte entfielen, in der innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Begünstigungszeitraums gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KoG prämienbegünstigt investiert werde. Demgemäß könnten bei der Bestimmung der Höchstgrenze der Investitionsprämien für 1972 und 1973 nur die Investitionen der Klägerin in der Ankerwickelei in 1970 und 1971 (202.173 DM), nicht hingegen ihre Investitionen im Auto-Diagnose-Zentrum in 1968 und 1969 (594.213 DM) berücksichtigt werden.

Die Klägerin erhob nach erfolglosem Einspruch Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und änderte die Gewinnfeststellungsbescheide 1972 und 1973 antragsgemäß dahin, daß die Investitionsprämie für 1972 auf 27.705 DM und für 1973 auf 9.869 DM festgesetzt wird. Das FG war der Auffassung, daß die Begünstigung von Investitionen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums in Betriebstätten, mit deren Errichtung oder Erweiterung noch vor Ablauf des Begünstigungszeitraums begonnen worden ist, der Höhe nach nur durch die Summe aller begünstigten Investitionen des Steuerpflichtigen im Begünstigungszeitraum begrenzt wird, gleichgültig, in welcher Betriebstätte investiert worden ist, und daß deshalb im Streitfall bei der Bestimmung der Höchstgrenze sowohl die Investitionen der Klägerin in der Ankerwickelei als auch im Auto-Diagnose-Zentrum zugrunde zu legen seien.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt Verletzung des § 32 KoG.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG können „Steuerpflichtige, die … in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebstätte errichten oder erweitern … für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens … einen Abzug von der Einkommensteuer … bis in Höhe von 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen“. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 KoG gilt dies „entsprechend für abnutzbare Wirtschaftsgüter, die innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Begünstigungszeitraums geliefert oder fertiggestellt werden, wenn die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer Betriebstätte gehören, mit deren Errichtung oder Erweiterung der Steuerpflichtige innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnen hat; für diese Wirtschaftsgüter darf der Abzug von der Einkommensteuer … insgesamt jedoch die Summe der Beträge nicht übersteigen, die vom Steuerpflichtigen nach Satz 1 für im Begünstigungszeitraum gelieferte oder fertiggestellte Wirtschaftsgüter von der Einkommensteuer … abgezogen werden können“. Zur Frage, wie die in § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KoG enthaltene summenmäßige Begrenzung der Investitionsprämie für Investitionen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums zu verstehen ist, hat die Vorentscheidung ausgeführt:

Nach dem Gesetzestext sei die Investitionsprämie lediglich begrenzt durch „die Summe der Beträge …, die … vom Steuerpflichtigen nach Satz 1 …, abgezogen werden können“. Dem Gesetzeswortlaut sei eine Begrenzung der Investitionsprämie der Höhe nach dergestalt, daß einzelne Betriebstätten für sich zu sehen wären, nicht zu entnehmen. Auch nach dem Sinn und Zweck des KoG sei eine derartige Auslegung nicht gerechtfertigt. Ausweislich der Materialien zum KoG sei es dem Gesetzgeber vornehmlich darauf angekommen, die Struktur der Steinkohlenbergbaugebiete entscheidend zu verbessern. Hierzu habe die Investitionstätigkeit angeregt und möglichst auf wenige Jahre konzentriert werden sollen, um durch zusammengeballte Förderung die Umstrukturierung dieser Gebiete besonders wirksam zu begünstigen. Als zeitlich begrenzte und gezielte Maßnahme gedacht, habe mit Hilfe der Investitionsprämie die Umstrukturierung in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum erreicht werden sollen. Wenn deshalb im sogenannten zweiten Begünstigungszeitraum die Prämien der Höhe nach begrenzt worden seien, so sollte dadurch ein Anreiz zu möglichst frühzeitigen Investitionen erfolgen. Dieser Zweck rechtfertige nicht die Auffassung des FA, für § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KoG seien nicht die Investitionen im Gesamtunternehmen des Investors, sondern die in der einzelnen Betriebstätte entscheidend.

Diesen Ausführungen pflichtet der Senat bei. Steuerpflichtiger i. S. von § 32 Abs. 1 KoG ist, wie sich aus § 32 Abs. 5 KoG erschließt, auch eine gewerblich tätige Personengesellschaft, unabhängig davon, daß nicht die Gesellschaft als solche, sondern nur ihre Mitunternehmer einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig sind. Welchen Einfluß ein etwaiger Gesellschafterwechsel während des Begünstigungszeitraums oder im Anschluß hieran auf die Anwendung des § 32 Abs. 1 Satz 2 KoG hat, spielt im Streitfall keine Rolle.

Zu Recht hebt die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung hervor, daß das Gesetz in § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KoG nur die „vom Steuerpflichtigen nach Satz 1“ zu beanspruchenden Investitionsprämien erwähnt, und zwar „für im Begünstigungszeitraum gelieferte oder fertiggestellte Wirtschaftsgüter“; das Gesetz sagt nicht, daß damit nur die für eine bestimmte Betriebstätte gelieferten oder fertiggestellten Wirtschaftsgüter, insbesondere für die in § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KoG angesprochene Betriebstätte, gemeint sind. Der Zusammenhang zwischen Halbsatz 1, in dem als Voraussetzung für eine Prämienbegünstigung der nach Ablauf des Begünstigungszeitraums getätigten Investitionen ein bestimmtes Investitionsobjekt benannt ist, und Halbsatz 2, in dem die Höhe der Investitionsprämien für Investitionen nach Ablauf des Begünstigungszeitraums summenmäßig begrenzt ist, zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, nach dem Wortlaut des Gesetzes seien bei der summenmäßigen Begrenzung nur die Investitionen berücksichtigungsfähig, die in der in Halbsatz 1 angesprochenen Betriebstätte vor Ablauf des Begünstigungszeitraums getätigt worden sind. Vielmehr drängt sich bei unbefangenem Lesen des Gesetzestextes eher die gegenteilige Annahme auf. Gerade weil in Halbsatz 2 nur „vom Steuerpflichtigen“ und den „im Begünstigungszeitraum gelieferten oder fertiggestellten Wirtschaftsgütern“, nicht hingegen von Wirtschaftsgütern einer (bestimmten) Betriebstätte die Rede ist, legt bereits der Wortlaut des Gesetzes das von der Vorentscheidung für richtig befundene Gesetzesverständnis nahe. Dann erweist sich aber, wie das FG zu Recht betont, als ausschlaggebend, daß dieses Gesetzesverständnis dem erkennbaren Zweck des KoG, einen Anreiz für Investitionen in den Steinkohlenbergbaugebieten zu bieten, um zusätzliche Arbeitsplätze für die aus dem Bergbau ausscheidenden Arbeitnehmer zu schaffen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. Februar 1975 IV R 79/74, BFHE 115, 335, 340, BStBl II 1975, 510), besser gerecht wird, als die von der Revision befürwortete Gesetzesauslegung.

Es trifft zwar zu, daß, wie die Revision geltend macht, nicht jede Investition in Steinkohlenbergbaugebieten, die der allgemeinen Zielsetzung des KoG dient, wie z. B. die Errichtung einer Betriebstätte erst nach Ablauf des Begünstigungszeitraums, allein schon deshalb prämienbegünstigt ist. Daraus folgt aber nicht, daß auch Maßnahmen, deren Begünstigung nach dem Wortlaut des Gesetzes mindestens nicht ausgeschlossen erscheint, nicht mit der Begründung als begünstigt beurteilt werden dürfen, daß diese Begünstigung der Zielsetzung des Gesetzes entspricht. Auch der Einwand der Revision, das Gesetzesverständnis des FG führe hinsichtlich der nach Ablauf des Begünstigungszeitraums getätigten Investitionen zu einer Bevorzugung derjenigen Steuerpflichtigen, die bereits zu Anfang des Begünstigungszeitraums investierten, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die zwar keine entsprechenden Vorleistungen aufweisen könnten, aber nach Ablauf des Begünstigungszeitraums in gleicher Höhe investierten, vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die beanstandete Ungleichbehandlung liegt im Rahmen der Zielsetzung des Gesetzes, einen Anreiz für Investitionen im Steinkohlenbergbaugebiet zu bieten. Dem gesetzgeberischen Ermessen war es anheimgegeben, diesen Anreiz dadurch zu erhöhen, daß denjenigen, die alsbald investieren, ein insgesamt höheres Prämienvolumen angeboten wird.