BFH-Urteil vom 14.11.1990 (II R 58/86) BStBl. 1991 II S. 52

BFH-Urteil vom 14.11.1990 (II R 58/86) BStBl. 1991 II S. 52

1. Ein Steuerbescheid, mit dem die Erbschaftsteuer gegen einen Erben (Miterben) festgesetzt wird, wird mit der Bekanntgabe an den Testamentsvollstrecker dem Erben gegenüber wirksam. Das gilt auch, wenn sich der Steueranspruch nicht nur auf die Erbschaft i.S. des bürgerlichen Rechts gründet.

2. Die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker setzt auch die Rechtsbehelfsfrist für die Anfechtung durch den Erben in Lauf. Dem Erben ist bei verspäteter Unterrichtung innerhalb der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO 1977 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wobei das Verhalten des Testamentsvollstreckers ihm nicht zuzurechnen ist.

AO 1977 §§ 110, 122 Abs. 1, 124, 155 Abs. 1, 355, 356; ErbStG 1974 § 3 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 31 Abs. 5, § 32 Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 1922, 2205 ff., 2215 ff.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Witwe des am 29. Januar 1975 verstorbenen A B, mit dem sie im Güterstand der Gütertrennung lebte. Sie ist auf Grund Testaments, mit dem zugleich Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, u.a. Miterbin zu einem Anteil von 25/100. Auf Grund Gesellschafterbeschlusses der Firma Gebr. B GmbH vom 18. Dezember 1970 bezieht sie eine lebenslängliche Witwenpension von der GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Erblasser war. Die Rente beträgt 60 v.H. des letzten Gehalts des Erblassers. Am Todestag betrug der monatliche Wert dieser Rente 3.720 DM. Nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung durch den Testamentsvollstrecker setzte das damals zuständige Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 14. Dezember 1977 Erbschaftsteuer wegen des Erwerbs der Klägerin von Todes wegen unter Berücksichtigung des Kapitalwerts der Witwenrente in Höhe von 586.480 DM fest. Der Erbschaftsteuerbescheid wurde dem nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin als Testamentsvollstrecker bekanntgegeben. Nach Zurückweisung des Einspruchs des Testamentsvollstreckers, mit dem geltend gemacht wurde, die Rente sei steuerfrei, erhob dieser Klage. Während des Klageverfahrens (Az. des Finanzgerichts – FG -: III 40/79 ) erließ das FA am 31. März 1982 einen nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Erbschaftsteuerbescheid. Es berücksichtigte nunmehr ausgehend von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Mai 1981 II R 11/81 (BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715) von dem gesamten Kapitalwert der Rente lediglich einen 45 v.H. übersteigenden Anteil mit 146.620 DM als steuerpflichtigen Erwerb. Das FA gab diesen Bescheid über den Erwerb der Klägerin ebenfalls dem nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten als Testamentsvollstrecker bekannt. Mit Schriftsatz vom 27. April 1982 stellte der Testamentsvollstrecker Antrag gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das FG hat die Klage mit Urteil vom 24. Juni 1982 III 40/79 abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, die im Namen des Testamentsvollstreckers erhobene Klage sei unzulässig, der im Laufe des Verfahrens gestellte Antrag, festzustellen, daß gegenüber der nunmehrigen Klägerin kein wirksamer Bescheid ergangen sei, sei unbegründet und die hilfsweise beantragte Klageänderung (Eintritt der nunmehrigen Klägerin als Klägerin in den damaligen Prozeß) unzulässig. Mit einem Schreiben vom 19. Mai 1982 war der Testamentsvollstrecker vorher auf das Urteil des BFH vom 4. November 1981 II R 144/78 (BFHE 135, 83, BStBl II 1982, 262) hingewiesen und aufgefordert worden, die Erfolgsaussichten seiner Klage nochmals zu prüfen. Die Revision des Testamentsvollstreckers gegen das FG-Urteil vom 24. Juni 1982 hat der Senat mit Beschluß vom 24. Oktober 1984 II R 158/82 wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 7. September 1983 – eingegangen beim FA am 9. September 1983 – legte die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 31. März 1982 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das FA verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1985 als unzulässig.

Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben, die Nichtigkeit des Änderungsbescheids geltend gemacht und begehrt, den Erbschaftsteuerbescheid vom 31. März 1982 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, daß die Erbschaftsteuer unter Außerachtlassung der Witwenrente festgesetzt werde. Das FG hat die Klage abgewiesen, weil das FA im Ergebnis zutreffend den Einspruch der Klägerin wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der Bescheid vom 31. März 1982 auch nicht nichtig.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG unter gleichzeitiger Aufhebung des Bescheids vom 31. März 1982 aufzuheben, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, das FG habe unter Verletzung von §§ 119, 122, 124 und 125 AO 1977 angenommen, der Bescheid sei wirksam.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der dem Testamentsvollstrecker bekanntgegebene Erbschaftsteuerbescheid vom 31. März 1982 der Klägerin gegenüber wirksam wurde und daß die Verwerfung des Einspruchs der Klägerin als unzulässig durch das FA rechtmäßig war.

1. Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 werden Steuern regelmäßig (Ausnahme: § 167 Abs. 1 i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, vgl. z.B. § 31 Abs. 7 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG – 1974) von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 AO 1977 bekanntgegebene Verwaltungsakt (§ 155 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist; die Bekanntgabe hat bei nichthandlungsfähigen Personen (vgl. § 79 AO 1977) an deren gesetzliche Vertreter zu erfolgen, sie kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten vorgenommen werden (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977). Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe an ihn wirksam. Im Steuerfestsetzungsverfahren ist der die Steuer festsetzende Verwaltungsakt (der Steuerbescheid) für denjenigen bestimmt, gegen den sich die Steuerfestsetzung als Steuerschuldner richtet (vgl. auch § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ist grundsätzlich der Erwerber (§ 20 Abs. 1 ErbStG 1974). Ein Erbschaftsteuerbescheid wird daher nach den Vorschriften der AO 1977 dem Steuerschuldner gegenüber mit der Bekanntgabe an ihn – oder an seinen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter – wirksam.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 ist „in den Fällen des § 31 Abs. 5 …. der Steuerbescheid abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung dem Testamentsvollstrecker …. bekanntzugeben“. § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG 1974 verpflichtet abweichend von § 31 Abs. 1 ErbStG 1974 den Testamentsvollstrecker zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung (zum Inhalt der Erklärung vgl. § 31 Abs. 2 ErbStG 1974), wobei die Finanzbehörde jedoch verlangen kann, daß die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben mitunterschrieben wird (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG 1974).

a) Zivilrechtlich ist der Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Erblassers oder des Nachlasses noch Vertreter des oder der Erben, sondern Inhaber eines privaten Amtes (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 7. Juli 1982 IVa ZR 36/81, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1983, 40 m. Nachw.). Das Gesetz räumt ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe, den Willen des Erblassers auszuführen, allerdings umfangreiche Befugnisse ein (§ 2205 Sätze 1 und 2, § 2206 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -). Zugleich obliegen ihm im Interesse des Erben und zu dessen Schutz besondere Pflichten (§§ 2216 ff. BGB).

Die bürgerlich-rechtlichen Befugnisse des Testamentsvollstreckers macht sich das Erbschaftsteuerrecht sinnvoll zu nutze, indem es ihn, der den Nachlaß in Besitz hat und dementsprechend primär in der Lage ist, die in § 31 Abs. 2 ErbStG 1974 geforderten Angaben zu machen (vgl. auch § 2215 BGB), zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Wenn das Erbschaftsteuerrecht daran anknüpfend in § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 abweichend von § 122 Abs. 1 AO 1977 die Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Testamentsvollstrecker vorschreibt, geht es über die diesem nach bürgerlichem Recht zustehenden Befugnisse hinaus, indem es ihn als Zugangsvertreter bestimmt. Denn ersichtlich soll der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Testamentsvollstrecker Wirkung gegenüber dem Steuerschuldner zukommen, ihm gegenüber den Steuerbescheid (als Steuerschuldner) i.S. des § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wirksam machen.

Diese Wirkung wird zwar in der Vorschrift nicht ausdrücklich angesprochen, doch kann die Vorschrift nur sinnvoll dahingehend verstanden werden. Der Senat vermag nicht die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG (Urteil vom 26. Juni 1985 V 99/82, Betriebs-Berater – BB – 1989, 764) zu teilen, § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 sei lediglich dahingehend zu verstehen, daß der Erbschaftsteuerbescheid nicht nur dem Erwerber, sondern auch dem Testamentsvollstrecker bekanntzugeben sei. Gegen diese Auslegung der Vorschrift spricht deren Wortlaut. Denn Bekanntgabe eines Verwaltungsakts ist auf dessen Wirksamkeit abzielendes hoheitliches Handeln mit Rechtsfolgewillen. An eine bloß zusätzliche Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides an den Testamentsvollstrecker würden sich jedoch keine Rechtsfolgen anschließen, zumal der Testamentsvollstrecker nicht aus eigenem Recht befugt ist, für infolge des Erbfalls erbschaftsteuerpflichtige Personen ein Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen (vgl. Senatsurteil in BFHE 135, 83, BStBl II 1982, 262). Allein um der Information des Testamentsvollstreckers über den Umfang der Erbschaftsteuerschuld des einzelnen Erwerbers willen bedarf es keiner Bekanntgabe an diesen. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht gegen die Annahme einer lediglich zusätzlichen Bekanntgabe auch an den Testamentsvollstrecker. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks VI/3418, S. 76) wird dazu ausgeführt, die der AO 1977 entsprechende Bekanntgabe an den Steuerschuldner erscheine in den Fällen unzweckmäßig, in denen ein Testamentsvollstrecker bestellt ist, da dieser bis zur Beendigung seiner Tätigkeit der eigentlich Verfügungsberechtigte über den Nachlaß sei, weshalb es sich empfehle, diesem abweichend von den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften den Steuerbescheid bekanntzugeben.

b) Ist folglich davon auszugehen, daß die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker als Zugangsvertreter mit dem Ziel zu erfolgen hat, den Verwaltungsakt gegenüber dem Steuerschuldner wirksam zu machen, und zwar im Hinblick auf die bürgerlich-rechtlich umschriebene Funktion des Testamentsvollstreckers und in Anknüpfung an die diesem anstelle des oder der Erben obliegende Erklärungspflicht, geht der Wortlaut der Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 jedoch über den möglichen und gedachten Anwendungsbereich hinaus. Da dem Gesetzgeber die bürgerlich-rechtlich beschränkte Funktion des Testamentsvollstreckers bekannt war, kann die Vorschrift nicht dahingehend verstanden werden, dem Testamentsvollstrecker seien die Erbschaftsteuerbescheide für alle diejenigen Personen bekanntzugeben, denen aus Anlaß des Erbfalls ein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen zugefallen ist, und zwar unabhängig davon, ob der Testamentsvollstrecker (ggfs. im Zusammenwirken mit dem oder den Erben) die Steuererklärung abgegeben hat (so allerdings Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 14. August 1986, BStBl I 1986, 458, 470, unter Tz. 2.14.4.2).

Die Vorschrift ist vielmehr sinnvoll im Auslegungswege dahingehend einzuschränken, daß sie den Testamentsvollstrecker nur dann zum Zugangsvertreter bestimmt, wenn er die Steuererklärung in bezug auf diejenigen Personen abgegeben hat, die als Erben am Nachlaß teilhaben (vgl. § 1922 BGB). Denn letztlich stehen dem Testamentsvollstrecker die ihm kraft Anordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser anwachsenden Befugnisse verbunden mit ihm obliegenden Pflichten nur im Interesse der Erben zu. Da das ErbStG 1974 in den §§ 31 Abs. 5 und 32 Abs. 1 Satz 1 lediglich auf den durch das bürgerliche Recht (§ 2197 f. BGB) bestimmten Begriff des Testamentsvollstreckers zurückgreift, kann sein Aufgabenkreis erbschaftsteuerrechtlich nicht über den Rahmen hinausgehen, der durch das bürgerliche Recht gesetzt ist. In diesen Rahmen fällt es zwar, wenn der Testamentsvollstrecker für die Erben die Erbschaftsteuererklärung abgibt und wenn das FA den die Erbschaftsteuer der Erben betreffenden Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker bekanntgibt, denn der Testamentsvollstrecker übt als Verwalter des Nachlasses (§ 2205 BGB), der den Erben als Eigentümer zusteht, bürgerlich-rechtlich Rechte und Pflichten der Erben aus. Hinsichtlich anderer Personen, denen infolge des Erbfalls schuldrechtliche Ansprüche erbrechtlicher Natur gegenüber dem oder den Erben zustehen – z.B. Vermächtnisnehmer (vgl. § 2174 BGB), Pflichtteilsberechtigte (s. auch § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB), Erbersatzanspruchsberechtigte (§ 1934a BGB) – bestehen derartige Beziehungen jedoch ebensowenig wie zu solchen Personen, denen lediglich auf Grund vom Erblasser geschlossener Verträge außerhalb des Nachlasses ein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb anfällt (vgl. beispielsweise § 331 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974). Diese Beziehungen werden auch nicht dadurch hergestellt, daß der Testamentsvollstrecker derartige Nachlaßverbindlichkeiten (vgl. § 1967 Abs. 2 BGB) in der von ihm abgegebenen Steuererklärung aufführt oder aus durch sein Amt gewonnener Kenntnis über Erwerbe außerhalb des Nachlasses in ihr Mitteilung macht. In bezug auf die durch Erbfall begründeten schuldrechtlichen Verpflichtungen des oder der Erben obliegt ihm lediglich deren Erfüllung bzw. hat er die Vollstreckung in den von ihm verwalteten Nachlaß zu dulden; Rechte und Pflichten der Gläubiger übt der Testamentsvollstrecker nicht aus.

Ist die in sich nicht eindeutige Vorschrift (§ 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974) unter Berücksichtigung der zivilrechtlich begründeten Zielvorstellung im Wege einschränkender Auslegung dahingehend zu interpretieren, daß Erbschaftsteuerbescheide nach Erfüllung der dem Testamentsvollstrecker auferlegten Erklärungspflicht durch diesen diesem als Zugangsvertreter mit Wirkung für und gegen den bzw. die Erben bekanntzugeben sind, kann das allerdings nicht auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen die Steuer ausschließlich auf Grund Erwerbs durch Erbanfall entstanden ist. Denn der erbschaftsteuerrechtliche „Erwerb von Todes wegen“ ist umfassender als die zivilrechtliche „Erbschaft“; er umfaßt zusätzlich die dem Erwerber im übrigen auf Grund des Erbfalls anfallende, als Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG 1974 geltende Bereicherung (vgl. auch § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG 1974), wie z.B. ein Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tod dem Erben unmittelbar (außerhalb des Nachlasses) anfällt, oder ein Vorausvermächtnis usw. Da das Erbschaftsteuerrecht stets den gesamten Erwerb von Todes wegen erfaßt, betrifft § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 auch die Bekanntgabe solcher Erbschaftsteuerbescheide an den Testamentsvollstrecker mit Wirkung für und gegen die Erben, in denen neben dem Erwerb durch Erbanfall auch weitere Erwerbe i.S. des § 3 Abs. 1 ErbStG 1974 erfaßt werden.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der mit Wirkung für und gegen sie dem Testamentsvollstrecker in dieser seiner Eigenschaft bekanntgegebene Erbschaftsteuerbescheid auch nicht mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig. Es ergibt sich vielmehr für die Klägerin aus ihm eindeutig, daß mit diesem Bescheid der gegen sie entstandene Erbschaftsteueranspruch gegen sie festgesetzt ist. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des Senats vom 18. März 1986 II R 2/84 (BFHE 146, 465, BStBl II 1986, 524) verweist, übersieht sie, daß die Entscheidung nur die Frage betrifft, ob der Testamentsvollstrecker einen Erbschaftsteuerbescheid deshalb anfechten kann, weil dessen Inhalt zu Zweifeln daran Anlaß gibt, ob er sich (auch) gegen ihn richtet.

2. Da im Streitfall der Testamentsvollstrecker die Erbschaftsteuererklärung abgegeben hatte und die Klägerin Miterbin ist, wirkte die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker für und gegen die Klägerin. Mit der Bekanntgabe wurde die Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt. Der Senat vermag der Auffassung des FG München (Urteil vom 8. Oktober 1987 X 33/81 Erb, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1988, 373) nicht zuzustimmen, daß die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker nicht die Bekanntgabe an den Steuerschuldner i.S. der für den Fristenlauf zu beachtenden Vorschrift des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ersetze. Denn die Bekanntgabe an den Zugangsvertreter, die infolge § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 in der nach Auffassung des Senats zutreffenden Auslegung den Erbschaftsteuerbescheid gegenüber dem Erben wirksam macht, muß diese Wirkungen – abgesehen vom Fall unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. § 356 AO 1977) – notwendig in allen Beziehungen äußern. Dem Testamentsvollstrecker obliegt auf Grund der Konstruktion des § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 die Pflicht, den Erben von der ihm gegenüber erfolgten Steuerfestsetzung zu unterrichten.

Allerdings ist dem Erben, dessen Unterrichtung durch den Testamentsvollstrecker nicht rechtzeitig erfolgte, nach Maßgabe von § 110 AO 1977 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die verspätete Unterrichtung durch den Testamentsvollstrecker kann ihm in diesem Zusammenhang nicht zugerechnet werden, weil der Testamentsvollstrecker nur kraft Gesetzes Zugangsvertreter, nicht aber Vertreter i.S. des § 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ist. Damit ist dem Gebot ausreichenden Rechtsschutzes genüge getan. Denn es ist lebensfremd davon auszugehen, der Testamentsvollstrecker werde den Erben von der Bekanntgabe und dem Inhalt des Steuerbescheides über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht unterrichten.

Im Streitfall konnte der Klägerin allerdings – wie das FG zutreffend erkannt hat – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist nicht mehr gewährt werden, weil im Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs durch sie die Frist des § 110 Abs. 3 AO 1977 bereits verstrichen war. Unter diesen Umständen ist nicht darauf einzugehen, ob – wie die Klägerin meint – die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden war, was der Senat mit dem FG verneint. Denn auch in diesem gedachten Fall wäre die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur binnen eines Jahres nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig gewesen (§ 356 Abs. 2 AO 1977), also der Einspruch ebenfalls verspätet eingelegt worden.


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