BFH-Urteil vom 28.1.1988 (IV R 12/86) BStBl. 1988 II S. 530

BFH-Urteil vom 28.1.1988 (IV R 12/86) BStBl. 1988 II S. 530

Für den Antrag auf Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft durch Bestandsvergleich gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 EStG 1977 genügt es, wenn sich aus den Eintragungen in der Anlage L zur unterschriebenen Einkommensteuererklärung und den beigefügten Unterlagen (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) eindeutig ein derartiger Wille ergibt, selbst wenn das für die Antragstellung vorgesehene Feld nicht angekreuzt wurde.

EStG 1977/1979 § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3.

Vorinstanz: FG Nürnberg (EFG 1986, 121)

Sachverhalt

 

Streitig ist, welche Anforderungen an einen Antrag eines Land- und Forstwirts zu stellen sind, mit dem statt der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich begehrt wird (§ 13a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG 1977/1979).

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sie am 7. Dezember 1978 von den Eltern des Klägers übernommen haben. Der Betrieb liegt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt – FA -), die Kläger wohnen aber im Bereich eines anderen FA.

Die Kläger wurden bei Anfertigung der Einkommensteuererklärung 1978 von Steuerberatern unterstützt. Die Steuererklärung ist von beiden Klägern unterschrieben.

Der Steuererklärung 1978 war die Anlage L betr. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beigefügt. Sie enthält eine Zeile 3, die bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG nicht ausgefüllt werden soll. In sie soll der tatsächliche Gewinn des Wirtschaftsjahres 1978/79 und der auf das Kalenderjahr 1978 entfallende Anteil eingetragen werden. In ihr ist von den Klägern für das Wirtschaftsjahr 1978/79 ein Verlust von 19.187 DM eingetragen, von dem 2.741 DM dem Kalenderjahr 1978 zugerechnet sind. Der Abschnitt für die Gewinnermittlung nach § 13a EStG (Zeilen 29 bis 85) ist in dem Vordruck nicht ausgefüllt.

Der Vordruck L enthält am Ende (Zeilen 89 bis 91) folgende Rubrik:

Die Zeile 90 ist von den Klägern nicht angekreuzt worden.

Der Einkommensteuererklärung 1978 war u.a. die Eröffnungsbilanz für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb per 7. Dezember 1978, der Jahresabschluß zum 30. Juni 1979 und die Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 7. Dezember 1978 bis 30. Juni 1979 beigefügt. Letztere weist einen „Bilanzverlust“ in Höhe von 19.187,29 DM aus. Nach dem auf dem Mantelbogen der Einkommensteuererklärung 1978 angebrachten Eingangsstempel ist diese am 29. November 1979 beim FA und am 17. Januar 1980 beim Wohnsitz-FA eingegangen.

Das FA stellte entsprechend den eingereichten Anlagen L die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1978 und 1979 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung – AO 1977 -) gesondert mit ./. 2.741 DM bzw. ./. 34.636 DM fest und richtete die Bescheide an den Kläger.

Nach einer abgekürzten Außenprüfung gemäß § 203 AO 1977 i.V.m. § 193 Abs. 1 AO 1977 bezüglich der steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 1978 bis 1980 stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, daß die Kläger im Rumpfwirtschaftsjahr vom 7. Dezember 1978 bis 30. Juni 1979 sowie im Wirtschaftsjahr 1979/80 nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet gewesen seien, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen und daß innerhalb der Sechsmonatsfrist kein schriftlicher Antrag i.S. des § 13a Abs. 1 Satz 3 EStG gestellt worden sei. Die bloße Abgabe der Steuererklärung mit den Unterlagen über die Gewinnermittlung sei kein derartiger schriftlicher Antrag.

Das FA legte dementsprechend seinen gesonderten und einheitlichen Feststellungen 1978 bis 1980 die gemäß § 13a EStG nach Durchschnittsätzen ermittelten Gewinne zugrunde (Wirtschaftsjahr 1978/79: 1.352 DM, Wirtschaftsjahr 1979/80: 0 DM). Mit den geänderten Feststellungen 1978 und 1979 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Der Einspruch der Kläger vom 25. Mai 1982, beim FA eingegangen am 26. Mai 1982, ist erfolglos geblieben.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (s. Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1986, 121). Es vertritt die Auffassung, im Streitfall habe der Kläger eine Willenserklärung i.S. von § 13a Abs. 1 Satz 3 EStG 1977 durch schlüssiges Verhalten dadurch abgegeben, daß er die für eine Besteuerung nach § 13a Abs. 1 EStG 1977 notwendigen Unterlagen eingereicht und den nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn seiner Einkommensteuererklärung zugrunde gelegt habe.

Das FA rügt mit der vom FG zugelassenen Revision die Verletzung von § 13a Abs. 1 EStG 1977.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

Wie sich aus dem Vortrag der Kläger ergibt und auch in der Vorentscheidung stillschweigend vorausgesetzt wird, sind die Kläger in den bezeichneten Wirtschaftsjahren nicht verpflichtet gewesen, für ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG 1977 ist demnach grundsätzlich der Gewinn nach § 13a Abs. 2 bis 6 EStG 1977 zu ermitteln, sofern nicht auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 für vier aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre der Gewinn durch Bestandsvergleich zu ermitteln ist, was nur möglich ist, wenn für das erste dieser Wirtschaftsjahre Bücher geführt werden und ein Abschluß gemacht wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist dieser Antrag spätestens sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich bezieht, schriftlich zu stellen; er ist nicht zurücknehmbar (§ 13a Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1977).

Bei dem Antrag nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 handelt es sich um eine empfangsbedürftige steuerrechtliche Willenserklärung (vgl. zur begrifflichen Einordnung z.B. Birkenfeld, Erklärungen des Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungsakt, Steuer und Wirtschaft – StuW – 1977, 31, 33; Klemp, Die steuerrechtliche Willenserklärung, StuW 1972, 217).

Ob eine derartige Erklärung abgegeben ist, ist notfalls durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommt dem Empfängerhorizont maßgebliche Bedeutung zu (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 3. Juni 1986 IX R 121/83, BFHE 148, 232, BStBl II 1987, 421; vom 29. Juli 1986 IX R 225/84, BFH/NV 1987, 295, m.w.N.).

Ein Antrag i.S. des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 ist gestellt, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem FA erklärt, daß der Besteuerung der durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn zugrunde gelegt werden soll. Daß für das erste Wirtschaftsjahr Bücher geführt werden und ein Abschluß gemacht wird, ist rechtliche Voraussetzung des Antrags und berührt seinen Inhalt nicht. Auch setzt der Antrag nicht voraus, daß der Wille des Steuerpflichtigen auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich erkennbar die Bindung für vier aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre umschließt. Denn hierbei handelt es sich um die Rechtsfolge des Antrags. Im Zusammenhang mit dieser Rechtsfolge ist auch das Verbot der Rücknehmbarkeit des Antrags gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 EStG 1977 zu sehen. Auch dieser Umstand muß vom Willen des Steuerpflichtigen nicht umfaßt werden. Das Verbot des § 13a Abs. 1 Satz 4 EStG 1977 ist vielmehr die Folge der Bindung des Antrags für vier Wirtschaftsjahre. Es soll den mißbräuchlichen Wechsel der Gewinnermittlung verhindern.

Die in § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 angeordnete Schriftlichkeit des Antrags zwingt den Steuerpflichtigen zur formgebundenen Ausdrücklichkeit der Willensäußerung, ohne daß dieses Erfordernis auf die inhaltliche Ausgestaltung dieser Willensäußerung Einfluß nimmt. Die Schriftlichkeit findet ihren Sinn vor allem in der Beweis-, Warn- und Sicherungsfunktion (vgl. zur Beweisfunktion bei verfahrensrechtlichen Willenserklärungen z.B. BFH-Urteil vom 23. Juni 1987 IX R 77/83, BFHE 150, 309, BStBl II 1987, 717, m.w.N.; zur Beweis-, Warn- und Sicherungsfunktion allgemein Soergel/Hefermehl, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., 1987 Rz. 1 vor § 125; Förschler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1984, § 125 Rz. 1 ff.).

Nach diesen Grundsätzen beurteilt, haben die Kläger mit ihrer Einkommensteuererklärung 1978 formgerecht einen Antrag i.S. von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 EStG 1977 gestellt. Einer Steuererklärung ist es nicht wesensfremd, daß in ihrer Einreichung auch die Abgabe von Willenserklärungen, insbesondere von Erklärungen über die Ausübung steuerrechtlicher Gestaltungsrechte gesehen wird (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420). Die erstmalige Eintragung in Zeile 3 der Anlage L zur Einkommensteuererklärung 1978 konnte das FA im Zusammenhalt mit der eingereichten Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nur dahin verstehen, daß die Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung 1978 die (anteilige) Berücksichtigung des aufgrund Bestandsvergleichs für das Wirtschaftsjahr 1978/79 ermittelten Verlustes in Höhe von 19.187 DM erreichen wollten. Dies folgt schon daraus, daß nach dem vorgedruckten Text die Zeile 3 bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG nicht auszufüllen ist. Wenn die Kläger dies in Anknüpfung an die beigefügte Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung dennoch getan haben, kommt hieraus unzweideutig eine Entscheidung gegen die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG und für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zum Ausdruck. Dies mußte sich für das FA auch daraus ergeben, daß die Kläger einen Verlust erklärten, die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen aber in der Regel zu keinem Verlustausweis führt. Hinzu kommt, daß die Kläger die Zeilen 29 bis 85 der Anlage L bezüglich der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nicht ausgefüllt haben.

Dem steht nicht entgegen, daß die Kläger die am Ende der Anlage L befindlichen Zeilen 89 bis 91, betreffend den Antrag nach § 13a Abs. 1 EStG für die Wirtschaftsjahre 1978/79 bis 1981/82, nicht erkennbar durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen in Zeile 90 bei ihrer Willensentschließung berücksichtigt haben. Auch wenn dies der Fall gewesen wäre, würde dies nur auf eine formale Wiederholung ihres schon gestellten Antrags hinauslaufen. Daß in den Zeilen 89 bis 91 der Anlage L noch Aussagen über die Gewinnermittlungsart, die Unwiderruflichkeit des Antrags und die Bindungswirkung bis zum Wirtschaftsjahr 1981/82 enthalten sind, bietet keinen Anhaltspunkt für den gegenteiligen Standpunkt. Denn diese rechtlichen Umstände bzw. Rechtsfolgen stellen wie aufgezeigt keine inhaltlichen Anforderungen an den Antrag i.S. von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977.

Der Antrag ist von den Klägern auch formgerecht, d.h. schriftlich gestellt worden. Mit ihrer Unterschrift unter der Steuererklärung haben sie auch auf die beigefügten Anlagen Bezug genommen. Sie haben damit schriftlich erklärt, daß für das Streitjahr von dem durch Bestandsvergleich ermittelten Gewinn ausgegangen werden soll. Dies ließ sich nur mittels eines Antrags nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 bewirken. Die Auslegung ergibt, daß sie einen solchen Antrag stellen wollten. Damit ist der Beweisfunktion der Schriftform genügt. Aber auch der Warnfunktion ist im Streitfall jedenfalls schon dadurch genügt, daß die steuerlich beratenen Kläger vom Inhalt der Zeilen 89 bis 91 der Anlage L Kenntnis nehmen konnten, als sie die Einkommensteuererklärung 1978 unterschrieben.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Entscheidung des I. Senats des BFH vom 24. Januar 1979 I R 126/76 (BFHE 127, 177, BStBl II 1979, 389) ab. Der I. Senat hat dort zur möglicherweise – zum Teil – mit § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 EStG 1977 vergleichbaren Vorschrift des § 19 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung vor dem KStG 1977 offengelassen, „ob es … für eine wirksame Antragstellung genügt, daß sich die Ausübung des Tarifwahlrechts eindeutig aus dem der Körperschaftsteuererklärung beigefügten Jahresabschlußbericht ergibt“.

Aus den vorstehenden Ausführungen, dem Umstand, daß der Antrag fristgerecht beim FA eingegangen ist, sowie der Bindungswirkung des Antrags gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1977 für vier aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre folgt, daß das FG zu Recht der Klage stattgegeben hat und die Revision des FA mithin unbegründet ist.


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