BFH-Urteil vom 23.9.1986 (IX R 113/82) BStBl. 1987 II S. 219

BFH-Urteil vom 23.9.1986 (IX R 113/82) BStBl. 1987 II S. 219

Die Vorauszahlung einer sog. Treuhändergebühr für erst später für einen Zeitraum von 30 Jahren zu erbringende Verwaltungsleistungen und einer sog. Haftungsgebühr für erst sehr viel später eintretende Haftungsrisiken kann ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne des § 6 StAnpG (§ 42 AO 1977) sein, der den Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zahlungsjahr ausschließt.

StAnpG § 6; AO 1977 § 42; EStG §§ 9, 11, 21.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

 

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Gesellschafter des X-Fonds, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die GbR erwarb im Streitjahr von der X-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) das wirtschaftliche Eigentum an drei Grundstücken zwecks Bebauung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Treuhänderin aufgrund eines Treuhandvertrages und bürgerlich-rechtliche Eigentümerin der Fondsgrundstücke war die GmbH. Die GmbH erbrachte für die GbR aufgrund eines sog. Finanzierungsbetreuungsvertrages (FBV) eine Reihe von Leistungen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben. Bei der Ermittlung des Überschusses der Werbungskosten über die Einnahmen für das Streitjahr zog die GbR die dafür an die GmbH gezahlten Vergütungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Zu diesen Vergütungen gehörten unter anderem nach § 4 FBV eine Treuhändergebühr und nach § 5 FBV eine Haftungsgebühr.

Nach § 4 FBV erhielt die GmbH für die treuhänderische Verwaltung der Eigen- und Fremdmittel für die Gesellschafter ein Entgelt in Höhe von 1,5 v. H. der Gesamtinvestitionssumme zuzüglich Umsatzsteuer. Auf dieser Grundlage zahlte die GbR im Streitjahr insgesamt 121.802 DM an die GmbH. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) erkannte davon nur 50 v. H. als Werbungskosten (Geldbeschaffungskosten) an, weil die Vergütung auch auf die nicht dem Werbungskostenbereich zuzuordnende Baubetreuung entfalle.

Bei der Haftungsgebühr nach § 5 FBV handelte es sich, soweit diese im Revisionsverfahren noch streitig ist, um die Gegenleistung dafür, daß die GmbH im Außenverhältnis die alleinige Schuldnerin der von der Wohnungsbaukreditanstalt zugesagten und später zur Verbilligung der Mieten zu gewährenden Aufwendungsdarlehen wurde. Für die Übernahme der Schuldnerstellung bei den Aufwendungsdarlehen zahlte die GbR an die GmbH im Streitjahr 5 v. H. der Summe der Aufwendungsdarlehen (= 303.680 DM). Das FA erkannte nur 3 v. H. der Summe der Aufwendungsdarlehen als Werbungskosten an.

Die Sprungklage gegen den Feststellungsbescheid des FA vom 18. Juli 1977 hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloß sich hinsichtlich der Treuhändergebühr im Ergebnis der Auffassung des FA, diese sei zur Hälfte nicht den Werbungskosten zuzurechnen, an. Auf eine Auflage des FG, die Leistungen für die Treuhändergebühr im einzelnen darzulegen, hatten die Kläger geantwortet, das Entgelt für die Treuhandtätigkeit gemäß § 4 FBV decke nicht nur die Tätigkeit während der Bauzeit ab, sondern enthalte auch die Gebühr für die Treuhandtätigkeit nach Fertigstellung des Bauvorhabens für die Laufzeit des Treuhandvertrages von 30 Jahren. Nach Schätzung der Kläger entfalle 2/3 der Gebühr auf die Zeit nach Fertigstellung des Bauvorhabens. Hinsichtlich der streitigen Haftungsgebühr verneinte das FG das Vorliegen von Werbungskosten mit der Begründung, es bestehe kein kausaler Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Die Aufwendung sei der Vermögenssphäre der Kläger zuzurechnen und gehöre zu den sog. Nichtkosten.

Mit der Revision machen die Kläger weiterhin geltend, die streitigen Ausgaben seien Werbungskosten im Sinne des § 9 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG). Lediglich hinsichtlich eines nicht bezifferten Teilbetrags der Treuhändergebühr wird eingeräumt, er sei den Anschaffungs- und Herstellungskosten zuzurechnen. Im übrigen wird zur Treuhändergebühr vorgetragen, diese sei im wesentlichen durch steuerliche Beratungstätigkeit verursacht und deshalb durch die Erzielung von Einnahmen veranlaßt. Auch die Haftungsgebühr stehe in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die gewählte Rechtskonstruktion sei wirtschaftlich vernünftig zur Erreichung der wohnungsbau- und sozialpolitischen Zielsetzungen unter anderem des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) und des § 14 a des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Anerkennung der streitigen Gebühren als Werbungskosten der Klage stattzugeben, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA schließt sich hinsichtlich der streitigen Gebühren der Auffassung des FG an.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht einen höheren als den im Feststellungsbescheid des FA berücksichtigten Werbungskostenabzug abgelehnt. Nach Auffassung des Senats ergibt sich dies unabhängig von den Erwägungen des angefochtenen Urteils aus § 6 des Steueranpassungsgesetzes – StAnpG – (jetzt § 42 der Abgabenordnung – AO 1977 -).

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind unter anderem bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Ein zum Werbungskostenabzug berechtigender Zahlungsabfluß liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jedoch dann nicht vor, wenn Werbungskosten ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt werden (Urteile vom 23. Februar 1951 IV 150/50 S, BFHE 55, 209, BStBl III 1951, 79; vom 25. Januar 1963 VI 69/61 U, BFHE 76, 384, BStBl III 1963, 141; vom 13. Dezember 1983 VIII R 64/83, BFHE 140, 437, BStBl II 1984, 426, und VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428). Eine bürgerlich-rechtlich wirksame Gestaltung ist rechtsmißbräuchlich, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen, also ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und die bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1985 IX R 107/82, BFHE 145, 351, BStBl II 1986, 217). Dem Abzug der Ausgabe im Jahr der Zahlung steht dann § 6 StAnpG bzw. § 42 AO 1977 entgegen.

Die Treuhändergebühr nach § 4 FBV sollte nach dem eigenen Vorbringen der Kläger zu etwa 2/3 die Gegenleistung für Verwaltungstätigkeiten der GmbH nach Fertigstellung des Bauvorhabens für die Laufzeit des Treuhandvertrages von 30 Jahren sein. Es ist ungewöhnlich, eine Gebühr für eine noch zu erbringende Verwaltungsleistung für einen derart langen Zeitraum im voraus zu zahlen. Ein anderer Grund als der, den Klägern einen möglichst hohen Werbungskostenüberschuß in der Bauphase zu vermitteln, ist nicht erkennbar. Der Abzug der vorausgezahlten Gebühr, soweit sie auf noch zu erbringende Leistungen der GmbH entfällt, wird somit durch § 6 StAnpG ausgeschlossen. Dem steht das Urteil des erkennenden Senats vom 24. September 1985 IX R 2/80 (BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284) nicht entgegen. Für die Entscheidung, daß im Jahre 1973 vorausbezahlte, aber erst im Jahre 1974 fällige Schuldzinsen als Sonderausgaben abziehbar waren, war die im vorliegenden Streitfall nicht einschlägige Erwägung maßgebend, daß der Abzug privater Schuldzinsen als Sonderausgaben eine jahrzehntelang bestehende Steuervergünstigung war, mit deren Gewährung der Kläger bei Abschluß des Lebensversicherungsvertrages im Jahre 1970 rechnen konnte und die er bei der Gestaltung der Vertragsbeziehungen mit dem Versicherer berücksichtigte. Die gesetzliche Übergangsregelung zum Ausschluß des Abzugs privater Schuldzinsen als Sonderausgaben stellte darauf ab, ob die Schuldzinsen noch in 1973 oder erst in 1974 gezahlt wurden, so daß das Gesetz insoweit eine steuermindernde Gestaltung durch Vorauszahlung von an sich später fälligen Schuldzinsen schon in 1973 jedenfalls nicht mißbilligte.

Aus dem gleichen Grunde liegt eine Rechtsverletzung auch nicht darin, daß das FG die Haftungsgebühr nach § 5 FBV, soweit sie auf die Aufwendungsdarlehen entfällt, nicht zum Abzug als Werbungskosten zugelassen hat. Die Tilgung und Verzinsung der Aufwendungsdarlehen beginnt erst nach planmäßiger Tilgung der von privater Seite aufgenommenen Baudarlehen, also etwa nach Ablauf von 30 Jahren seit deren Aufnahme. Wenn gleichwohl schon im Streitjahr ein Betrag in Höhe von 303.680 DM zur Abgeltung des Risikos der GmbH, ggf. später aus dem Aufwendungsdarlehen in Anspruch genommen zu werden, gezahlt wurde, so liegt darin eine ungewöhnliche Gestaltung. Den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht es nicht, eine Vergütung für die Übernahme eines Haftungsrisikos schon zu zahlen, wenn ein solches bei vertragsgemäßer Verwendung der Darlehensmittel erst nach Ablauf eines langen Zeitraums entstehen kann und bei planmäßigem Verlauf auch dann voraussichtlich nicht entstehen wird, weil wegen Tilgung der übrigen Fremdmittel voraussichtlich die Aufwendungsdarlehen aus den eingehenden Mieten getilgt und verzinst werden können. Die Zahlung der Haftungsgebühr im Streitjahr kann daher nicht durch wirtschaftlich vernünftige Erwägungen, sondern nur durch die Absicht erklärt werden, die Einkommensteuer der Kläger zu mindern, so daß § 6 StAnpG dem begehrten Abzug entgegensteht.


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