VII B 23/17 – Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls – Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 22.8.2017, VII B 23/17
ECLI:DE:BFH:2017:B.220817.VIIB23.17.0

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls – Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25. Januar 2017 7 K 4112/15 StB wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

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I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes –StBerG–) als unbegründet abgewiesen. Dabei ist es von im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehenden 15 Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis ausgegangen. Die daraus folgende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls habe der Kläger nicht widerlegt.
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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) sowie auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
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1. Der gerügte Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO liegt nicht vor. Das FG war bei der Entscheidung vorschriftsgemäß besetzt. Da der Vorsitzende des 7. FG-Senats verhindert war, oblag seine Vertretung als Vorsitzender nach Teil C I. 1. Buchst. a Satz 1 des Geschäftsverteilungsplans dem in Teil A I. benannten stellvertretenden Vorsitzenden X. Da außerdem durch die Verhinderung des Senatsvorsitzenden nur zwei ständige Mitglieder des 7. FG-Senats verblieben waren, war dieser beschlussunfähig, so dass nach der Vertretungsregelung Teil C I. 2. des Geschäftsverteilungsplans das für den 8. FG-Senat an letzter Stelle aufgeführte ständige Mitglied Y als Vertreter einzutreten hatte.
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Anders als die Beschwerde meint, sind die vorgenannten Vertretungsregelungen des Geschäftsverteilungsplans eindeutig. Die Voraussetzungen einer Vertretung gemäß Teil C I. 1. Buchst. b Satz 1 des Geschäftsverteilungsplans, falls eine Vertretung des Vorsitzenden durch ein Mitglied seines Senats nicht möglich ist, lagen im Streitfall nicht vor. Für die Ansicht der Beschwerde, eine senatsinterne Vertretung des verhinderten Vorsitzenden sei auch dann nicht möglich im Sinne vorgenannter Vertretungsregelung, wenn der Senat dadurch beschlussunfähig werde bzw. bleibe, geben die Vertretungsregelungen des Geschäftsverteilungsplans keinen Anhaltspunkt.
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2. Ob der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Gestalt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) überhaupt schlüssig dargelegt ist, kann offen bleiben, weil das angefochtene Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht abweicht. Die nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG im Fall von Eintragungen des Steuerberaters im Schuldnerverzeichnis bestehende Vermutung des Vermögensverfalls kann nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats widerlegt werden, wenn der Steuerberater, den insoweit die Darlegungslast trifft, durch die genaue Angabe von Tatsachen substantiiert darlegt und beweist, dass im Einzelfall trotz der Eintragung im Schuldnerverzeichnis kein Vermögensverfall gegeben ist. Insoweit muss zweifelsfrei festgestellt werden, dass sich die Vermögensverhältnisse des Steuerberaters nachhaltig gebessert haben und er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Der Steuerberater hat hierfür seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie alle gegen ihn erhobenen Forderungen umfassend, belegmäßig und nachvollziehbar offenzulegen und anzugeben, ob und welche Vereinbarungen mit den Gläubigern getroffen worden sind, die erwarten lassen, dass die Schulden in geordneter Weise und in absehbarer Zeit beglichen werden können. Im Fall belegmäßig nachgewiesener Vermögenswerte des Steuerberaters, deren Verkehrswert zum Ausgleich der Verbindlichkeiten ausreicht, bedarf es darüber hinaus der Feststellung, ob diese tatsächlich zur Schuldentilgung eingesetzt werden können und sollen. Soweit die Berechtigung bestehender Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geltend gemacht wird, müssen der Nachweis getilgter Forderungen erbracht und eine Löschungsbestätigung vorgelegt werden (Senatsurteil vom 18. März 2014 VII R 14/13, BFH/NV 2014, 1598).
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Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG im Streitfall erkennbar nicht abgewichen. Es hat geurteilt, das Vorbringen des Klägers und die von ihm eingereichten Unterlagen reichten nicht aus, um die vollständige Tilgung aller zu Grunde liegenden Forderungen nachzuweisen. Soweit lediglich zu einer der 15 Eintragungen substantiiert vorgetragen worden sei, widerlegten die hierzu eingereichten Unterlagen den Vermögensverfall nicht. Im Übrigen sei mangels Nachweises davon auszugehen, dass es dem Kläger bisher nicht gelungen sei, die Schulden kurzfristig und vollständig zu begleichen. Insoweit habe er lediglich pauschal vorgetragen, die Forderungen seien beglichen und die zu Grunde liegenden Vollstreckungsverfahren erledigt. Soweit der Kläger behaupten wolle, seine Vermögens- und Liquiditätslage habe sich im Lauf des Verfahrens verbessert, sei dies nicht mit den während des Klageverfahrens hinzugekommenen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zu vereinbaren. Darüber hinaus bestehe das angegebene Aktivvermögen zu einem erheblichen Teil aus Immobilien und Beteiligungen an Gesellschaften, weshalb anzunehmen sei, dass eine Verwertung mangels Werthaltigkeit oder zu hoher Belastungen nicht erfolgversprechend erscheine. Auch habe der Kläger keinerlei Unterlagen eingereicht, die geeignet wären, die Wertfindung nachzuvollziehen.
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Das FG hat somit ausgehend von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab und aufgrund der ihm insoweit vorbehaltenen Tatsachenwürdigung keine Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls durch das klägerische Vorbringen und die vorgelegten Unterlagen angenommen. Soweit die Beschwerde diese Würdigung der Tatsachen für unzutreffend hält und sich auf im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unzulässiges weiteres Tatsachenvorbringen beruft, um nachzuweisen, dass die Verbindlichkeiten, die zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geführt hatten, vollständig bezahlt seien, legt sie keinen Grund für die Zulassung der Revision dar. Im Übrigen ändert all dies nichts daran, dass im finanzgerichtlichen Verfahren hinsichtlich keiner der 15 Eintragungen eine Löschungsbestätigung vorgelegt worden ist, wie es die Rechtsprechung des beschließenden Senats erfordert (Senatsurteil in BFH/NV 2014, 1598).
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3. Anders als die Beschwerde meint, hat das FG dabei klägerisches Vorbringen nicht in einer den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzenden Weise unberücksichtigt gelassen. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). Hiervon kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden, denn das FG hat den klägerischen Schriftsatz vom 19. Januar 2017 nicht –wie behauptet– unberücksichtigt gelassen, sondern im Urteil ausdrücklich erwähnt und sich zudem mit der dort dargestellten angeblich verbesserten Vermögens- und Liquiditätslage ausdrücklich auseinandergesetzt.
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4. Soweit das FG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag nicht gefolgt ist, zum Schriftsatz der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom 23. Januar 2017 eine weitere Stellungnahmefrist einzuräumen, liegt ebenfalls kein Verfahrensmangel vor. Zum einen hat der Kläger mit Schriftsatz vom Folgetag Stellung genommen und hatte hierzu auch noch Gelegenheit in der mündlichen Verhandlung. Zum anderen hat das FG seine Entscheidung in keiner Weise auf das Vorbringen der Steuerberaterkammer aus dem Schriftsatz vom 23. Januar 2017 gestützt, weshalb auch die Ausführungen, die der Kläger angeblich diesem Schriftsatz entgegengesetzt hätte, nicht die Annahme rechtfertigen, dass die Entscheidung des FG bei Kenntnis dieser Ausführungen möglicherweise anders ausgefallen wäre.
11 
5. Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt.
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a) Die seitens der Beschwerde formulierte Frage, ob die Vermutung des Vermögensverfalls auf die Eintragung im Schuldnerverzeichnis gestützt werden kann, wenn die zu Grunde liegende Forderung vor dem Widerruf der Zulassung nachweislich erfüllt wurde und nur die Tilgung im Schuldnerverzeichnis unterblieben ist, ist nicht klärungsfähig, weil das FG den Nachweis, dass die gegen den Kläger gerichteten Forderungen, die zu den Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis geführt haben, erfüllt worden sind, als nicht erbracht angesehen hat. An diese Tatsachen- und Beweiswürdigung wäre der Senat im Revisionsverfahren gebunden.
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b) Die weitere Frage, ob § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG einschränkend dahin auszulegen ist, dass der Vermögensverfall bei einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis lediglich wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft nicht vermutet werden darf, lässt sich nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig verneinen. Die Vorschrift differenziert nicht nach den Gründen für die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis. Nach dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers ist der Vermögensverfall bei einer Eintragung des Steuerberaters in das Schuldnerverzeichnis des § 882b der Zivilprozessordnung unabhängig von den Gründen, die zu der Anordnung der Eintragung geführt haben, zu vermuten. Dass dies dem Ziel des Gesetzes widerspricht, die durch einen in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebenden Steuerberater potentiell gefährdeten Auftraggeberinteressen zu schützen, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde auch nicht dargelegt.
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Im Übrigen ist die Frage nicht klärungsfähig, weil nach den Feststellungen des FG nur bei 8 der 15 Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis die Nichtabgabe der Vermögensauskunft der Grund für die Anordnung der Eintragung war.
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6. Abgesehen von den nach den vorstehenden Ausführungen nicht gegebenen Gründen für die Zulassung der Revision ist darauf hinzuweisen, dass keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen FG-Urteils bestehen. Ein Steuerberater, der –wie im Streitfall vom FG festgestellt– über mehrere Jahre hinweg seine Verbindlichkeiten allenfalls nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen der Gläubiger begleicht, der seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt und es zu zahlreichen Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis kommen lässt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben.
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7. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Quelle: bundesfinanzhof.de