Steuerstrafverfahren - Einleitung - Rechtsfolgen
Inhaltsübersicht
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1. Allgemeines
Mit der Einleitung des Strafverfahrens beginnt das Steuerstrafverfahren als rechtlich selbstständiges, vom Besteuerungsverfahren abgegrenztes Verfahren. Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren sind grundsätzlich voneinander unabhängig, auch wenn das Steuerstrafverfahren aus dem Besteuerungsverfahren üblicherweise hervorgegangen ist. Gem. § 393 Abs. 1 AO richten sich die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen im Besteuerungs- und Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften.
2. Abgrenzung rechtlich selbstständiger Verfahren
Neben der Bestimmung des Verfahrensbeginns kommt der Einleitung mit der Bildung eines rechtlich selbstständigen Verfahrens eine wichtige steuerstrafrechtliche Wirkung zu. Das Steuerstrafverfahren wird dem Besteuerungsverfahren gegenüber eindeutig abgegrenzt. Die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde als Strafverfolgungsorgan richten sich gem. § 393 Abs. 1 AO nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Zum Verhältnis des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren siehe Beschuldigter - Mitwirkung.
3. Bezeichnung des Verfahrensbeteiligten
Die natürliche Person, gegen die sich das Steuerstrafverfahren richtet, ist Beteiligter des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Der Beteiligte wird im Verfahren einer Tat beschuldigt. Er ist somit Beschuldigter des Verfahrens und erhält eine geschützte Rechtsposition. Ihm kommt im Verfahren ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht gem. § 136 StPO bzw. § 163 a StPO zu. Ferner ist dem Beschuldigten zur Sicherung seiner Rechtsposition gem. § 397 Abs. 3 AO die Einleitung des Strafverfahrens spätestens dann mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist.
4. Unterbrechung der Strafverfolgungsverjährung
Gem. § 78 StGB schließt die Verjährung die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen aus. Die Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens an den Beschuldigten unterbricht gem. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB die Strafverfolgungsverjährung.
5. Ablaufhemmung der steuerlichen Festsetzungsverjährung
Die steuerliche Festsetzungsfrist beträgt gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Gem. § 171 Abs. 7 AO endet die Festsetzungsfrist in diesen Fällen nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.
6. Ausschluss der Selbstanzeige
Die Berichtigung oder Ergänzung von unrichtigen oder unvollständigen Angaben bzw. das Nachholen von unterlassenen Angaben bei der Finanzbehörde in den Fällen der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO kann unter den Voraussetzungen des § 371 AO zur Straffreiheit des Beschuldigten führen. In den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO tritt die Straffreiheit immer dann nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist. Zur Ermittlung einer Steuerstraftat erscheint der Amtsträger im Regelfall immer dann, wenn ein Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet worden ist. Die Straffreiheit wird ferner gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ausgeschlossen, wenn dem Täter bzw. seinem Vertreter die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.
7. Örtliche Zuständigkeit
Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens hat auch Auswirkungen auf die örtliche Zuständigkeit einer Finanzbehörde für die Abwicklung des Steuerstrafverfahrens. Gem. § 388 AO ist die Finanzbehörde örtlich zuständig, die zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens für die Abgabeangelegenheiten zuständig ist (§ 388 Abs. 1 Nr. 2 AO) bzw. in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens seinen Wohnsitz hat (§ 388 Abs. 1 Nr. 3 AO).
8. Strafrechtliches Verwendungsverbot i.S.d. § 393 Abs. 2 AO
Tatsachen oder Beweismittel, die dem Staatsanwaltschaft oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten bekannt werden und die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, dürfen nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist (Verwendungsverbot - strafrechtlich).
9. Zwangsmittelverbot i.S.d. § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO
Trotz Einleitung des Strafverfahrens bleibt der steuerpflichtige Beschuldigte im Besteuerungsverfahren aufgrund der Regelung des § 393 Abs. 1 AO über die Anwendung der im jeweiligen Verfahren anzuwendenden eigenen Rechtsvorschriften grundsätzlich weiterhin zur Mitwirkung verpflichtet. Würde diese Mitwirkungspflicht ohne Ausnahme bestehen bleiben, so wären die Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren auf Aussageverweigerung im Besteuerungsverfahren außer Kraft gesetzt. Aus diesem Grunde kann die Finanzbehörde zur Durchsetzung der bestehenden Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO keine Zwangsmittel i.S.d. § 328 AO anwenden, wenn der Beschuldigte dadurch gezwungen werden würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Straftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt gem. § 393 Abs. 1 S. 3 AO stets, soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet worden ist (Beschuldigter - Mitwirkung). Gleichwohl bleibt die Finanzbehörde weiterhin berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO zu schätzen, da der Steuerpflichtige seiner Pflicht zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren nicht nachgekommen ist.