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Inhaltsverzeichnis

Beschuldigter - Mitwirkung

§§ 385 ff AO

Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens schafft zum Besteuerungsverfahren ein neues Verfahren, welches dem Steuerpflichtigen als Beschuldigten neue Rechte und Pflichten zukommen lässt. Gem. § 393 AO richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften.

1. Mitwirkung des Beschuldigten im Steuerstrafverfahren

Die Rechte und Pflichten des Beschuldigten im Steuerstrafverfahren sind für das Steuerstrafrecht im Wesentlichen den allgemeinen Regeln des Strafprozessrechts aus der Strafprozeßordnung zu entnehmen (§ 385 Abs. 1 AO). Sie werden jedoch durch entsprechende Regelungen in den §§ 385 - 412 AO (8. Teil der AO) für die besonderen Bedürfnisse des Steuerstrafrechts umgestaltet.

Dem Beschuldigten steht es im Steuerstrafverfahren nach§ 136 StPO frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Ferner kann er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen. Der Beschuldigte kann somit im Steuerstrafverfahren aktiv mitwirken, eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Ihm steht somit ein uneingeschränktes Aussageverweigerungsrecht zu. Eine aktive Mitwirkungspflicht ist lediglich dahingehend gegeben, dass der Beschuldigte auf Ladung im von der Finanzbehörde nach § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO selbstgeführten Steuerstrafverfahren vor der Straf- und Bußgeldsachenstellen (§ 163a Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO) und vor dem Strafrichter (§ 133 StPO) erscheinen muss. Für den Fall, dass der Beschuldigte dieser Ladung nicht nachkommt, kann eine zwangsweise Vorführung erfolgen (§§ 133 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 1 StPO).

Hinweis:

Nach Auffassung der herrschenden Meinung ist der Beschuldigte auch verpflichtet, Angaben zu seiner Person zu machen (BGH, 12.11.1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334; BGH 29.08.1972 - 2 StR 190/72, BGHSt 25, 13, 17).Verweigert der Beschuldigte hierzu seine Angaben, so kann i.S.d. § 111 OWiG eine Geldbuße angedroht werden.

Des Weiteren darf gem. § 136a StPO die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten nicht durch verbotene Vernehmungsmethoden beeinträchtigt werden. Zu den verbotenen Vernehmungsmethoden zählen Misshandlung, Ermüdung, körperlicher Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung und Hypnose. Auch die Drohung mit einer solchen unzulässigen Maßnahme ist verboten. Das Verbot gilt auch für das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils. Zwang, der nach dem Strafverfahrensrecht zulässig ist, darf hingegen angewandt werden.

Macht der Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, so liegt die Beweislast bei der ermittelnden Behörde. Sie wird sich die erforderlichen Beweismittel im Rahmen von Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu verschaffen versuchen.

Im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren steht dem Beschuldigten das Recht zu, sich zum Tatvorwurf zu äußern (§§ 33 Abs. 1, 33a, 163a Abs. 1 StPO) und die Aufnahme von Entlastungsbeweisen zu beantragen (§ 163a Abs. 1 StPO). Zwangsmittel dürfen nur zur Durchsetzung von Ermittlungsmaßnahmen eingesetzt werden, wenn sie nach dem Strafprozessrecht ohnehin gegen den bzw. ohne den Willen des Beschuldigten eingesetzt werden dürfen.

Hinweis:

Für die Auskunftsverweigerungsrechte der Zeugen und Sachverständigen gelten die §§ 52 bis 55, 76 StPO.

2. Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren

Der Steuerpflichtige, für den im Steuerstrafverfahren zusätzlich auch die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln sind, unterliegt als Ausfluss der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung des § 85 AO den allgemeinen Auskunfts-, Mitwirkungs- und Nachweispflichten der Abgabenordnung (1. bis 7. Teil). Diese sind im Wesentlichen:

  • § 90 Abs. 1 AO, die Mitwirkungspflichten des Beteiligten, hauptsächlich die vollständige und wahrheitsgemäße Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen sowie die Angabe der bekannten Beweismittel;

  • § 90 Abs. 2 AO, die erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung von Auslandssachverhalten und der Beschaffung der erforderlichen Beweismittel in diesen Fällen;

  • § 93 AO, die Erteilung von Auskünften, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich sind;

  • § 94, die eidliche Vernehmung eines Dritten auf Grund der Bedeutung der Auskunft bzw. zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft;

  • § 95 AO, die Versicherung an Eides Statt für die Richtigkeit von Tatsachen, die behauptet werden;

  • § 97 AO, die Vorlage von Urkunden, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung;

  • § 100 AO, die Vorlage von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten (Wertsachen) zur Feststellung ihrer Beschaffenheit und ihres Wertes im Besteuerungsinteresse;

  • §§ 140 ff. AO, das Führen von Büchern und Aufzeichnungen nach den sog. außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie bei bestimmten gewerblichen Unternehmern und Land- und Forstwirten, die die auf den einzelnen Betrieb bezogenen Buchführungsgrenzen erfüllen;

  • § 149 AO, die Abgabe der Steuererklärungen;

  • § 153 AO, die Berichtigung von unrichtigen und unvollständigen Erklärungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist, wenn es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen konnte oder bereits gekommen ist;

  • § 160 AO, die Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern zur Anerkennung von Schulden und anderen Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten sowie anderen Ausgaben;

  • § 200 AO, die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung, insbesondere die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden sowie die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO (Einsicht in gespeicherte Daten mittels Datenverarbeitungssystem) zu unterstützen.

Gem. § 328 AO kann der Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln (Zwangsgeld § 329 AO, Ersatzvornahme § 330 AO, Unmittelbarer Zwang § 331 AO) durchgesetzt werden.

Im Besteuerungsverfahren steht dem Steuerpflichtigen bezüglich dieser Pflichten kein Auskunftsverweigerungsrecht zu, sodass der Steuerpflichtige Gefahr laufen könnte, sich selbst wegen der begangenen Steuerstraftat zu belasten. Dieser Konflikt wird durch § 393 Abs. 1 S. 2 AO entkräftet, denn die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 AO wird in diesem Falle für unzulässig erklärt.

Hinweis:

Strittig ist bislang noch, ob für den Schutz des Zwangsmittelverbots aus § 393 Abs. 1 S. 2 AO das Strafverfahren gem. § 397 AOeingeleitet sein muss. Nach h. M. jedoch reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige die Gefahr des Selbstbelastung glaubhaft macht. Hierzu bedarf es jedoch nicht der Angabe von konkreten, tatsächlichen Anhaltspunkten. Es ist vielmehr der allgemeine Hinweis auf die Gefahr der Selbstbelastung ausreichend. Zur Verdeutlichung kann auch in analoger Anwendung des § 56 Satz 2 StPO die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zum Zuge kommen. Der alleinige Hinweis auf die Nichtanwendung von Zwangsmitteln nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO ist nicht ausreichend.

3. Verhältnis des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren

In der Praxis kommt es regelmäßig zu einem Spannungsfeld zwischen den Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren und dem Auskunftsverweigerungsrecht im Strafverfahren. Dieses Spannungsfeld resultiert aus dem für das Strafverfahren bestehenden Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung (abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 GG). Das Regelinstrument des Zwangsmittelverbots aus § 393 Abs. 1 S. 2 AO greift im Besteuerungsverfahren jedoch nur bedingt, da die daraus resultierende fehlende Mitwirkung durchaus zu erheblichen Nachteilen im Besteuerungsverfahren führen kann. Um sich im Strafverfahren nicht selbst zu belasten, wird der Beschuldigte im Besteuerungsverfahren nur bedingt mitwirken. Durch das Zwangsmittelverbot kann eine zwangsweise Durchsetzung der Mitwirkung nicht erfolgen. Reichen dann die im Wege der strafprozessualen Maßnahmen, wie Durchsuchung und Beschlagnahme, erlangten Beweismittel zur gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung i.S.d. § 85 AO nicht aus, so ist die Finanzbehörde auf Grund der fehlenden Mitwirkung befugt, die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO zu schätzen. Gegen einen solchen Schätzungsbescheid, der im Regelfall eine ungünstigere Steuerzahlung beinhaltet, kann der Beschuldigte sich vermutlich nur unter Aufgabe seines strafprozessualen Schweigerechtes wehren.

Bei diesen Schätzungen haben die Finanzbehörden jedoch zu beachten, dass durch den Charakter des Strafverfahrens nicht bereits eine "Vorverurteilung" des Beschuldigten durch die Verweigerung der Mitwirkung eintritt und es zu einer sog. "Strafschätzung" mit überzogenen Besteuerungsgrundlagen kommt. Eine Mitwirkungsverweigerung stellt kein Schuldanerkenntnis bzw. Schuldeingeständnis dar. Auch eine Schätzung, die auf Grund der fehlenden Mitwirkung des Beschuldigten, der sich in der Gefahr sieht, sich selbst zu belasten, vorgenommen wird, muss den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe kommen. Sie darf auf keinen Fall den Charakter eines Sanktion haben (BFH, 31.08.1967 - V 241/64, BStBl. III 1967, 686 ff.; BFH, 09.11.1978 - VI R 195/77, BStBl II 1979, 149; BFH, 18.12.1984 - VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226, 228 ff.; BFH, 12.04.1988 - VIII R 154/84, BFH/NV 1989, 636; BFH, 24.11.1988 - IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416). Dementsprechend wird die Mitwirkungsverweigerung als Ausübung des verfassungsrechtlich garantierten Rechts gesehen, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen. Die Verweigerung der Mitwirkung ist somit als unverschuldet anzusehen.

Der Steuerpflichtige kann auch vom Gesetzgeber nicht von den Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren befreit werden, da er dadurch eine Besserstellung gegenüber den ehrlichen Steuerbürgern erlangen würden (BVerfG, 12.04.1996 - 2 BvL 18/93, HFR 1996, 587; BFH, 28.04.1997 - X B 123-124/95, BFH/NV 1997, 641). Faktisch entspricht die Regelung des § 393 Abs. 1 S. 2 AO jedoch einem Mitwirkungsverweigerungsrecht, da die Mitwirkungspflichten zwar nicht aufgehoben werden, die Mitwirkung aber auch nicht erzwungen werden kann.

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