BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S 2241/21/10004 :001 vom 10.12.2024
Hintergrund
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder das BMF-Schreiben vom 14. Januar 2022 (BStBl I S. 160) ersetzt. Anlass ist die Aufhebung des § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 KStG durch das Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 108 S. 1). Dieses neue Schreiben greift die nicht streiterheblichen Aussagen des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Urteil I R 92/12 vom 12. Oktober 2016 auf und erläutert deren Anwendung.
Kernaussagen des BFH-Urteils I R 92/12
Der BFH hat in seinem Urteil folgende wichtige Auslegung zum Begriff der gewerblichen Infektion nach § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG getroffen:
- Voraussetzungen für die gewerbliche Infektion:
- Der Wortlaut von § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG verlangt, dass neben Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus einer anderen Einkunftsart erzielt werden.
- Besteht die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten von Anteilen an einer anderen Personengesellschaft und verfügt die Gesellschaft über kein weiteres Vermögen zur Erzielung anderer Einkünfte, ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG nicht anwendbar.
- Keine allgemeine Anwendbarkeit:
- Die Auslegung des BFH bezog sich auf den konkret entschiedenen Einzelfall.
- Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird diese Auslegung nicht generell über den entschiedenen Fall hinaus angewendet.
Wesentliche Inhalte des BMF-Schreibens
- Das neue Schreiben ersetzt das BMF-Schreiben vom 14. Januar 2022, das durch die gesetzlichen Änderungen im Zuge des Wachstumschancengesetzes obsolet geworden ist.
- Es stellt klar, dass die BFH-Aussagen zur gewerblichen Infektion keinen allgemeingültigen Charakter haben.
- Eine pauschale Nichtanwendbarkeit des § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG auf vergleichbare Konstellationen, wie im BFH-Urteil beschrieben, ist nicht vorgesehen.
Praktische Auswirkungen
- Fortgeltung der bisherigen Rechtsauffassung:
- Die Finanzverwaltung bleibt bei ihrer bisherigen Auslegung von § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG, wonach die gewerbliche Infektion grundsätzlich auch auf reine Beteiligungsgesellschaften angewendet werden kann.
- Einzelfallprüfung erforderlich:
- Steuerpflichtige, deren Sachverhalte der im BFH-Urteil beschriebenen Konstellation ähneln, sollten eine Einzelfallprüfung durch das Finanzamt erwarten.
- Vermeidung von Rechtsunsicherheit:
- Durch die explizite Nichtverallgemeinerung der BFH-Auslegung wird Rechtsunsicherheit im Umgang mit der gewerblichen Infektion reduziert.
Veröffentlichung und Gültigkeit
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es gilt ab dem 10. Dezember 2024 und ersetzt das BMF-Schreiben vom 14. Januar 2022.
Fazit
Das neue BMF-Schreiben schafft Klarheit im Umgang mit der gewerblichen Infektion nach § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG. Es grenzt die Auslegung des BFH auf den konkret entschiedenen Fall ein und bewahrt damit die bisherige Verwaltungspraxis. Steuerpflichtige sollten jedoch weiterhin eine sorgfältige Prüfung ihrer individuellen Sachverhalte vornehmen, insbesondere in Bezug auf Beteiligungsgesellschaften.