FG Düsseldorf, Mitteilung vom 14.03.2025 zum Urteil 4 K 1875/23 G, AO vom 18.02.2025 (nrkr)
Hintergrund des Verfahrens
Der 4. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hatte zu entscheiden, ob die Einkünfte eines Tätowierers als gewerblich oder freiberuflich einzustufen sind, insbesondere ob eine künstlerische Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorliegt.
Der Klagende war seit 2013 als Tätowierer tätig. In seiner Einkommensteuererklärung 2019 hatte er seinen Gewinn als freiberufliche Einkünfte angegeben. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag fest.
Argumentation des Klägers
- Der Kläger sehe sich als Tattoodesigner und Tätowierkünstler.
- Sein Arbeitsprozess sei eine kreative und eigenschöpferische Tätigkeit, bei der er keine vorgefertigten Motive verwende.
- Jedes Tattoo werde individuell entworfen und nur ein einziges Mal gestochen.
- Er nehme mit seinen Motiven an Ausstellungen und Wettbewerben teil, was den künstlerischen Charakter seiner Arbeit unterstreiche.
Argumentation des Finanzamts
- Trotz kreativer Elemente sei die Tätigkeit handwerklich geprägt, da der Schwerpunkt auf der manuell-technischen Umsetzung liege.
- Tätowierungen seien als Gebrauchskunst einzuordnen, die sich durch Auftrags- und Weisungsgebundenheit auszeichne.
- Eine steuerrechtlich relevante künstlerische Tätigkeit liege daher nicht vor.
Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf
Der 4. Senat gab der Klage statt und hob den Gewerbesteuermessbescheid auf. Das Gericht stellte fest, dass die Tätowierkunst des Klägers eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG darstellt.
- Einstufung als zweckfreie Kunst
- Die Tätowierungen des Klägers seien mit Gemälden vergleichbar, da ihnen kein Gebrauchswert jenseits der ästhetischen Gestaltung zukomme.
- Die Einordnung als zweckfreie Kunst führe dazu, dass die Tätigkeit als künstlerisch einzustufen sei.
- Ungeeignetheit der Weisungsgebundenheit als Abgrenzungskriterium
- Die Differenzierung zwischen Auftragsarbeiten und freier Kunst sei nicht entscheidend.
- Auch auftragsgebundene Kunstwerke könnten als zweckfreie Kunst gelten.
- Gebrauchskunst als künstlerische Tätigkeit
- Selbst wenn Tätowierungen als Gebrauchskunst einzustufen wären, handele es sich nach überzeugung des Senats um eine künstlerische Tätigkeit.
- Kunstfreiheit nach dem Grundgesetz
- Eine Verneinung der Eigenschöpferischen Leistung eines Tätowierers würde einer unzulässigen Unterscheidung zwischen „hoher“ und „niederer“ Kunst gleichkommen.
- Dies widerspräche dem grundgesetzlichen Schutz der Kunstfreiheit.
Auswirkungen auf die Praxis
- Tätowierer können als Künstler anerkannt werden und müssen in diesem Fall keine Gewerbesteuer zahlen.
- Die individuelle Gestaltung und Eigenschöpferische Leistung ist ein wesentliches Kriterium für die steuerrechtliche Anerkennung.
- Weisungsgebundenheit ist kein ausreichendes Kriterium, um eine künstlerische Tätigkeit zu verneinen.
- Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Einordnung kreativer Berufe haben.
Fazit
Das FG Düsseldorf hat mit diesem Urteil eine wegweisende Entscheidung für die steuerliche Behandlung von Tätowierern getroffen. Die Einstufung als freiberufliche künstlerische Tätigkeit entlastet Betroffene von der Gewerbesteuer und stärkt die Anerkennung von Tätowierungen als Kunstform.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zugelassen.
Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Newsletter März 2025