Verfassungswidrigkeit der Kernbrennstoffsteuer?

Finanzgericht Hamburg legt dem Bundesverfassungsgericht das Kernbrennstoffsteuergesetz zur Überprüfung vor

Die Klägerin wechselte im Juli 2011 in dem vor ihr betriebenen Kraftwerk die Kernbrennstäbe, berechnete pflichtgemäß die Kernbrennstoffsteuer (KernbrSt) und gab beim für sie zuständigen Hauptzollamt eine Steueranmeldung über rund 96 Mio. Euro ab, wendet sich aber mit ihrer Klage gegen die Steuer.

Aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG hatte das FG Hamburg der Klägerin bereits mit Beschluss vom 16.9.2011 (Az. 4 V 133/11) vorläufigen Rechtsschutz gewährt, der allerdings vom Bundesfinanzhof aus formellen Gründen wieder aufgehoben wurde. In weiteren Eilverfahren hat bisher neben dem 4. Senat auch das Finanzgericht München ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der KernbrSt geäußert, wohingegen das Finanzgericht Baden-Württemberg das Gesetz für verfassungsgemäß gehalten hat.

Der Vorlagebeschluss des 4. Senats vom 29.1.2013 (Az. 4 K 270/11) ist bundesweit die ers-te Entscheidung in einem Klageverfahren gegen die im Jahr 2011 als Verbrauchsteuer ein-geführte KernbrSt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens am 29. Januar 2013 hat der Präsident des Finanzgerichts Hamburg und Vorsitzende des 4. Senats Schoenfeld den Beschluss des Senats verkündet. Aus der mündlichen Begründung:
Der vorlegende Senat sei von der formellen Verfassungswidrigkeit des KernbrStG überzeugt. Der Bund habe die sich aus Art. 105, 106 GG ergebende Gesetzgebungskompetenz für Ver-brauchsteuern nicht in Anspruch nehmen können, weil die KernbrSt weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer sei noch die Typusmerkmale einer Verbrauchsteuer erfülle. Prägendes Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern sei insbesondere ihr Ziel, den privaten Verbraucher zu belasten. Auch wenn Verbrauchsteuern typischerweise nicht unmittelbar beim Konsumenten erhoben würden, sondern indirekt beim Handel oder bei der Industrie, müssten sie doch darauf angelegt sein, auf den Konsumenten abgewälzt zu werden. Dies sei bei der KernbrSt nicht der Fall. Schon in der Begründung des KernbrStG sei festgehalten worden, dass eine Überwälzung der Steuer allenfalls in geringem Umfang möglich sein werde. Eine Betrachtung des Strommarktes bestätige erwartungsgemäß, dass die KernbrSt auf die Strompreisbildung ohne Einfluss geblieben sei. Wie Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren belegten, werde mit der KernbrSt das Ziel verfolgt, die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen. Dem Bund stehe auch im Übrigen keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zur Einführung der KernbrSt zur Verfügung.

Zur Verfassungsmäßigkeit der KernbrSt im Übrigen – die Klägerin rügt insbesondere noch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Verletzung der Eigentumsgarantie – hat sich der 4. Senat nicht geäußert; sie wird vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Nor-menkontrollverfahrens von Amts wegen zu prüfen sein. Eine Überprüfung, ob das KernbrStG gegen höherrangiges Europarecht verstößt – etwa gegen Beihilfevorschriften oder den Euratom-Vertrag – hat der 4. Senat zunächst zurückgestellt.
Die schriftliche Begründung des Beschlusses lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Luftverkehrsteuer

Einnahmenbilanz 2012 und Auswirkungen der Einführung auf den Luftverkehr

Das Bundesministerium der Finanzen hat im Juni 2012 erstmals die wirtschaftlichen Auswirkungen der Einführung der Luftverkehrsteuer auf die Luftfahrtbranche untersuchen lassen. Dazu hat es ein unabhängiges Schweizer Wirtschaftsinstitut mit der Erstellung eines Gutachtens über die Entwicklung im Jahr 2011 beauftragt und dem Bundestag einen zusammenfassenden Bericht vorgelegt. Ergänzend hierzu wurde im Herbst 2012 ein weiteres vom BMF in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht, mit dem das erste Halbjahr 2012 bilanziert wurde.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass in den Jahren 2011 und 2012 das Passagieraufkommen an deutschen Flughäfen weiter gestiegen ist. Die Einführung der Luftverkehrsteuer hat aus Sicht der Bundesregierung die Entwicklung der Branche nicht nachhaltig negativ beeinflusst. Auf einen einmaligen und kurzfristigen Dämpfungseffekt der Nachfrage im Jahr 2011 folgte eine von der Steuer weitgehend unbeeinflusste Weiterentwicklung im Jahr 2012.

Die 2012 registrierten Zuwachsdämpfungen haben nach Auffassung des BMF ihre Ursache im aktuell vergleichsweise niedrigen Wirtschaftswachstum im Inland und im europäischen Ausland. Dies verwundert nicht, ist doch die Luftverkehrswirtschaft seit je her wie kaum eine andere Branche von der Entwicklung der Gesamtwirtschaft  abhängig. Insbesondere auf den Luftverkehr im Inland wirkt sich die die derzeit zu beobachtende wirtschaftliche Entwicklung unmittelbar aus.

Die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer, die im Jahr 2011 vordergründig zur allgemeinen Haushalts­kon­solidierung eingeführt worden ist, liegen sowohl in 2011 mit 959 Millionen Euro als auch in 2012 mit 948 Millionen Euro auf dem erwarteten Niveau von bis zu 1 Milliarde Euro.

NRW-Finanzministerium warnt vor gefälschten E-Mails

Gefälschte Mails im Namen des Finanzministeriums im Umlauf / NRW-Finanzministerium warnt vor gefälschten E-Mails

Das Finanzministerium teilt mit:

Das NRW-Finanzministerium warnt vor irreführenden E-Mails, die vorgeblich vom Finanzministerium versandt wurden. In diesen wird der Empfänger darauf hingewiesen, dass er eine Steuererstattung bekäme, wenn er seine Kreditkarten-Daten hinterlegt.

Im angehängten Link der Mail wird auf eine gefälschte Seite verwiesen, in der dann die Kreditkarten-Daten hinterlegt werden sollen.

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass Sie von Seiten der Finanzverwaltung zu keiner Zeit aufgefordert werden, Ihre Konten- oder Kreditkarten-Daten auf einer Website einzugeben.

Weitere Informationen finden Sie unter www.fm.nrw.de

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Finanzministeriums, Telefon 0211 4972-5004.

Abzuzinsende Bürgschaftsverpflichtung als Maßstab für den nachträgliche AK bildenden Rückgriffsanspruch

Der BFH hat zur Abzinsung von Bürgschaftsverbindlichkeiten Stellung genommen (Az. IX R 34/12).

BFH, Urteil IX R 34/12 vom 20.11.2012

Leitsatz

  1. Wird ein i. S. von § 17 Abs. 1 EStG qualifiziert an einer Kapitalgesellschaft beteiligter Gesellschafter vom Gläubiger der Kapitalgesellschaft aus einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaft in Anspruch genommen und begleicht er seine Schuld vereinbarungsgemäß ratierlich, entstehen nachträgliche Anschaffungskosten (AK) nur in Höhe des Tilgungsanteils (Anschluss an BFH-Urteil vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922).
  2. Eine Teilzahlungsvereinbarung wirkt materiell-rechtlich und damit als rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt des Entstehens des Auflösungsverlusts zurück.

Weitere Entscheidungen des BFH (27.03.2013)

Folgende weitere Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (27.03.2013) veröffentlicht:

– BFH-Urteil vom 23.01.2013 – X R 43/09 (Ermäßigter Höchstbetrag bei Leistungen des Arbeitgebers für den Krankenversicherungsschutz des Arbeitnehmer-Ehegatten – Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG i.d.F. vom 05.07.2004 – Kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht);

– BFH-Urteil vom 20.11.2012 – IX R 34/12 (Abzuzinsende Bürgschaftsverpflichtung als Maßstab für den nachträgliche Anschaffungskosten bildenden Rückgriffsanspruch des i.S. von § 17 Abs. 1 EStG qualifiziert Beteiligten; nachträgliche Teilzahlungsvereinbarung als rückwirkendes Ereignis);

– BFH-Urteil vom 20.11.2012 – IX R 30/12 (Teilverjährung festzustellender Besteuerungsgrundlagen);

– BFH-Urteil vom 17.01.2013 – VI R 32/12 (Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007);

– BFH-Urteil vom 30.01.2013 – II R 6/12 (Eintritt des Besserungsfalls nach Verkauf eines “Besserungsscheins” zum Verkehrswert ohne schenkungsteuerrechtliche Bedeutung; Verhältnis von vGA und Schenkungsteuer);

– BFH-Urteil vom 23.01.2013 – I R 35/12 (Kein mehrfacher “Sockelbetrag” von 1 Mio. EUR gemäß § 10d Abs. 2 EStG im mehrjährigen Besteuerungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG – Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung in Insolvenzfällen und sonstigen Liquidationsfällen – “Zwischenveranlagung”);

– BFH-Beschluss vom 02.10.2012 – I S 12/12 (Auslegung – sofortige Beschwerde als Anhörungsrüge);

– BFH-Beschluss vom 28.11.2012 – IV B 11/12 (Nichtzulassungsbeschwerde: Anfechtung einer Einspruchsentscheidung, mit der erstmals ein Steueranspruch als Insolvenzforderung festgestellt wird; Darlegungserfordernisse einer Divergenzrüge; Beginn der Gewerbesteuerpflicht; Ingangsetzung des Gewerbebetriebs bei einer Ein-Schiff-Gesellschaft; gewerblich geprägte Personengesellschaft);

– BFH-Beschluss vom 29.01.2013 – I B 181/12 (Keine Beiladung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde bei offensichtlicher Unzulässigkeit);

– BFH-Urteil vom 11.12.2012 – VII R 69/11 (Unterlassungsklage und Feststellungsklage gegen Vollstreckung aus einem Beitreibungsersuchen).

Bundesfinanzhof (BFH)

Einkommensteuerveranlagungen 2002 bis 2004

§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden. Die rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (BFH, Urteil v. 17.1.2013 – VI R 32/12; veröffentlicht am 27.3.2013).

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.1.2013, VI R 32/12

Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007

Leitsätze

1. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.

 

2. Die in § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelte rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 noch Einkommensteuerveranlagungen durchzuführen sind.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erwirtschaftete er nach den Angaben in seinen Einkommensteuererklärungen, die am 28. Dezember 2009 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) eingingen, Überschüsse der Werbungskosten über die Mieteinnahmen aus der langfristigen Vermietung einer Doppelhaushälfte in Höhe von 2.833 EUR (2002), in Höhe von 2.348 EUR (2003) und in Höhe von 2.030 EUR (2004). Mit Bescheiden vom 18. Februar 2010 lehnte das FA die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen ab, weil für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
3
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Jahr 2006 entschieden, dass eine Veranlagung von Amts wegen auch dann durchzuführen sei, wenn die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 EUR übersteige. Danach habe der Kläger vorliegend einen Anspruch auf Abgabe der Einkommensteuererklärungen innerhalb der Festsetzungsfrist und Durchführung der Amtsveranlagungen erworben. Dieser Anspruch sei bereits mit Ablauf der jeweiligen Kalenderjahre und nicht erst mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen entstanden und nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Auch sei die Rechtslage für die Streitjahre nicht durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) wirksam geändert worden. Zwar habe der Gesetzgeber die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) inzwischen dahingehend geändert, dass nur weitere positive Einkünfte von mehr als 410 EUR zu einer Amtsveranlagung führen, diese Änderung des Einkommensteuergesetzes wirke jedoch nicht auf die Streitjahre zurück.
4
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007.
5
Es beantragt,das angefochtene Urteil des Niedersächsischen FG vom 31. Januar 2012  8 K 196/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).
8
1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was hier nicht der Fall ist, die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 410 EUR beträgt (zur früheren Rechtslage s. BFH-Urteile vom 21. September 2006 VI R 47/05, BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47; VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45). § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (früher § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2007) auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 und damit die Streitjahre anzuwenden. Wortlaut und Gesetzeszweck der Vorschriften sind insoweit eindeutig.
9
a) Der Gesetzgeber wollte mit den Neuregelungen die bisherige Verwaltungspraxis, nach der eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt, fortgesetzt wissen (Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 46 Rz 12). Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Neuregelungen lediglich eine klarstellende Bedeutung beigemessen hat (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.; BTDrucks 16/3036, S. 22 „Zu Nummer 17“). Zum anderen macht die rück(be)wirkende Geltungsanordnung deutlich, dass der Gesetzgeber an seiner Lesart der bisherigen Fassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nur zukünftig, sondern auch für die Vergangenheit festhalten wollte (vgl. Paetsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 46 Rz 26b). Nach der durch die allgemeinen Regeln der Mathematik unterstützten wörtlichen Auslegung der Vorschrift sei eine negative Summe der Einkünfte niedriger als 0 und könne damit nicht mehr als 410 EUR bzw. 800 DM betragen (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.).
10
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Klägers verstößt diese Auslegung des § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Gesetzgeber mit der rückwirkenden Geltungsanordnung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 tatsächlich in einen abgeschlossenen steuerlichen Sachverhalt ändernd eingegriffen hat. Denn selbst wenn ein solches Verhalten des Gesetzgebers vorläge, sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch –ohne dass dies abschließend wäre– Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) durchbrochen ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986  2 Bvl 2/83, BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte Rechtsanwendungspraxis zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, 393 f.).
11
Gemessen hieran durfte der Gesetzgeber für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (weiterhin) positive Nebeneinkünfte voraussetzen. Denn mit der Neuregelung hat er lediglich die Rechtslage wiederhergestellt, die bis zu den Entscheidungen des BFH vom 21. September 2006 (in BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47, und in BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45) der jahrzehntelangen Besteuerungspraxis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. Mai 2006 VI R 50/04, BFHE 214, 141, BStBl II 2006, 801; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. April 2006  1 K 1076/04, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2006, 1523; FG Köln, Urteil vom 10. Februar 2006  12 K 4601/05, EFG 2007, 593; FG Hamburg, Urteil vom 2. Juni 2005 VI 260/03, juris; Hessisches FG, Urteil vom 13. November 2003  5 K 2804/03, juris) und der nahezu einhelligen Meinung im Fachschrifttum (z.B. Schmidt/Glanegger, EStG, 24. Aufl., § 46 Rz 50 f.; Haase, Steuern und Bilanzen 2005, 157) entsprochen hat. Ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der hiervon abweichenden Rechtslage und damit der Rechtsprechung des BFH vom 21. September 2006 konnte in der Zeit bis zum Erlass der Neuregelungen nicht entstehen (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. September 2010  12 K 478/08, 12 K 479/08, EFG 2011, 533). Denn der Gesetzgeber hat bereits am 29. September 2006 angekündigt, dass er zur bisherigen Rechtslage zurückkehren werde, nach der eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.).
12
c) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47 und in BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 13. Dezember 2006 bzw. der Verkündung des JStG 2007 am 18. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative (BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012  1 BvL 6/07, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2012, 2322, m.w.N.) –hier der Veröffentlichung der BRDrucks 622/1/06– gilt, kann vorliegend ebenfalls dahinstehen. Denn der Kläger hat seine Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erst am 28. Dezember 2009 abgegeben; etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit bis zum Erlass der Neuregelung stehen damit nicht zur Entscheidung. Im Übrigen genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, wenn –wie hier– keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG-Beschluss in DStR 2012, 2322, m.w.N.).
13
2. Damit kommt vorliegend allein eine Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG n.F.) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) in Betracht. Danach wird eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt wird. Die –frühere zusätzliche– Voraussetzung, dass der Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres zu stellen war, ist entfallen.
14
a) § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 (früher § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG n.F.) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in Fällen, in denen am 28. Dezember 2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Letzteres trifft zu. Eine bestandskräftige Ablehnung des Antrags des Klägers auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es nicht erforderlich, dass der Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 bereits vor dem 28. Dezember 2007 bei den Finanzbehörden eingegangen ist (Senatsentscheidung vom 12. November 2009 VI R 1/09, BFHE 227, 97, BStBl II 2010, 406).
15
b) Im Streitfall steht der Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. i.V.m. § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 jedoch der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.
16
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Einkommensteuer für 2002, 2003 und 2004 verjährte demnach mit Ablauf der Jahre 2006, 2007 und 2008. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger den erforderlichen Antrag durch Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (erst) im Jahre 2009 beim FA gestellt.
17
Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nach der neuen Rechtsprechung des BFH nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung auf die Senatsentscheidung vom 14. April 2011 VI R 53/10 (BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746) verwiesen.
18
Nach alldem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Herstellungskosten Einkommensteuer-Richtlinien

Herstellungskosten nach R 6.3 EStR (BMF)

Das BMF hat zu den Herstellungskosten nach den Einkommensteuerrichtlinien Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 25.3.2013 – IV C 6 – S 2133/09/10001 :004).

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (EStÄR 2012) vom 25. März 2013, Herstellungskosten nach R 6.3 EStR, BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2133 / 09 / 10001:004

Nach R 6.3 Absatz 1 EStÄR 2012 sind in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auch Teile der angemessenen Kosten der allgemeinen Verwaltung, der angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung (vgl. R 6.3 Abs. 3 EStR) einzubeziehen.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird es nicht beanstandet, wenn bis zur Verifizierung des damit verbundenen Erfüllungsaufwandes, spätestens aber bis zu einer Neufassung der Einkommensteuerrichtlinien bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach der Richtlinie R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 verfahren wird.

Quelle: BMF

Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte

BMF zur Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte (§ 24 UStG)

Vereinfachungsregelung in Abschnitt 24.6 UStAE

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7410 / 07 / 10016-02 vom 25.03.2013

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Abschnitt 24.6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010 (BStBl I Seite 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 20. März 2013 – IV D 2 – S-7100 / 07 / 10050-06 (2013/0077777) – geändert worden ist, wie folgt gefasst:

„24.6. Vereinfachungsregelung für bestimmte Umsätze von land- undforstwirtschaftlichen Betrieben

(1) 1Werden im Rahmen eines pauschalierenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs
auch der Regelbesteuerung unterliegende Umsätze ausgeführt (z. B. Lieferungen zugekaufter Erzeugnisse oder die Erbringung sonstiger Leistungen, die nicht landwirtschaftlichen Zwecken dienen, aber einen engen Bezug zur eigenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugertätigkeit des Unternehmers aufweisen), können diese unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 aus Vereinfachungsgründen in die Durchschnittssatzbesteuerung einbezogen werden. 2Unter den gleichen Voraussetzungen kann aus Vereinfachungsgründen von der Erhebung der Steuer auf die Umsätze mit Getränken und alkoholischen Flüssigkeiten verzichtet werden.

(2) Voraussetzung für die Anwendung des Absatzes 1 ist, dass die dort genannten Umsätze (Nettobetrag) voraussichtlich nicht mehr als 4.000 Euro im laufenden Kalenderjahr betragen. Weitere Voraussetzung ist, dass der Unternehmer neben den in Absatz 1 genannten Umsätzen in dem Kalenderjahr voraussichtlich keine Umsätze ausführen wird, die eine Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr nach § 18 Abs. 3 oder 4a UStG nach sich ziehen.

(3) 1Die Vereinfachungsregelung ist auch auf die Entrichtung der Vorauszahlungen anzuwenden (vgl. hierzu Abschnitt 18.6 Abs. 3). 2Die Pflicht zur Aufzeichnung der Umsätze, für die die Vereinfachungsregelung gilt, bleibt unberührt.

(4) 1Die Vereinfachungsregelung umfasst z. B. nicht die Umsätze aus der Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Genossenschaft, als Makler landwirtschaftlicher Versicherungen oder als landwirtschaftlicher Sachverständiger. 2Auch Umsätze aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage und aus der umsatzsteuerpflichtigen Verpachtung oder Vermietung von Wirtschaftsgütern, die nicht dem normalen Ausrüstungsbestand des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zuzurechnen sind, weisen nicht den erforderlichen engen Bezug zur eigenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugertätigkeit des Unternehmers auf.“

Die Regelungen dieses Schreibens sind auf nach dem 31. Dezember 2010 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Für vor dem 1. April 2013 ausgeführte Umsätze wird es auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers nicht beanstandet, wenn der Unternehmer Abschnitt 24.6 Absatz 2 UStAE in der bis zum 24. März 2013 geltenden Fassung mit der Maßgabe anwendet, dass es sich bei dem in Nummer 1 genannten Umsatzbetrag um einen Nettobetrag handelt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass – zum Herunterladen bereit.

Quelle: BMF

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Wärme- und Kältenetzförderung sowie der Wärme- und Kältespeicherförderung nach dem KWKG

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Wärme- und Kältenetzförderung sowie der Wärme- und Kältespeicherförderung nach dem KWKG

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7124 / 07 / 10002:010 vom 26.03.2013

I. Förderung des Neu- und Ausbaus von Wärme- und Kältenetzen

Bei der Erzeugung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) im Sinne von § 3 Abs. 2 KWKG entsteht zusätzlich Nutzwärme, d. h. aus einem KWK-Prozess ausgekoppelte Wärme, die außerhalb der KWK-Anlage für die Raumheizung, die Warmwasserbereitung, die Kälteerzeugung oder als Prozesswärme verwendet wird. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KWKG sind Netzbetreiber verpflichtet, hocheffiziente KWK-Anlagen unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen und den in diesen Anlagen erzeugten Strom vorrangig abzunehmen.

Ein weiterer Gegenstand der Förderung nach dem KWKG ist der Neu- und Ausbau von Wärme- und Kältenetzen. Wärmenetze sin nach § 3 Abs. 13 Satz 1 KWKG Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wärme, die eine horizontale Ausdehnung über die Grundstücksgrenze des Standorts der einspeisenden KWK-Anlage hinaus haben und an die als öffentliches Netz eine unbestimmte Anzahl von Abnehmenden angeschlossen werden kann. An das Wärmenetz muss mindestens ein Abnehmender angeschlossen sein, der nicht gleichzeitig Eigentümer oder Betreiber der in das Wärmenetz einspeisenden KWK-Anlage ist (§ 3 Abs. 13 Satz 2 KWKG).Wärmenetzbetreiber haben für den Neu- und Ausbau von Wärmenetzen unter den Voraussetzungen des § 5a KWKG einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags. Für Kältenetze gilt das oben Gesagte ab dem 19. Juli 2012 entsprechend. Die Höhe des Zuschlags richtet sich nach § 7a KWKG.

Neubau eines Wärme- oder Kältenetzes ist nach § 5a Abs. 2 KWKG die erstmalige Errichtung eines Wärme- oder Kältenetzes. Der Neubau eines Wärme- oder Kältenetzes umfasst alle zum Betrieb eines Wärme- oder Kältenetzes bzw. der Trasse notwendigen technischen Komponenten bis zum Verbraucherabgang („Hausanschluss“). Trasse ist die Gesamtheit aller Komponenten, die zur Übertragung von Wärme oder Kälte vom Standort der einspeisenden KWK-Anlagen bis zum Verbraucherabgang notwendig sind (§ 3 Abs. 15 KWKG). Verbraucherabgang ist die Übergabestelle nach § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme vom 20. Juni 1980 (BGBl. I S. 742), die zuletzt durch Art. 20 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist (§ 3 Abs. 17 KWKG). Verbraucherabgang ist demnach die Verbindungsstelle zwischen dem Verteilungsnetz und der Kundenanlage. Er beginnt an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet mit der Übergabestelle, es sei denn, dass eine abweichende Vereinbarung getroffen ist. Die zwischen Verbraucherabgang und Verbraucheranschlussstation verlegten Leitungen sind nicht Teil des Wärme- oder Kältenetzes bzw. der Trasse.

Der Ausbau eines Wärme- oder Kältenetzes umfasst alle für den Betrieb eines Wärme- oder Kältenetzes notwendigen technischen Komponenten, die zur Erweiterung eines bestehenden Wärme- oder Kältenetzes erforderlich sind. Die Verbraucheranschlussstation selbst ist nicht Teil des Wärme- oder Kältenetzes bzw. der Trasse.

II. Förderung des Neu- und Ausbaus von Wärme- und Kältespeichern

Gegenstand der zum 19. Juli 2012 neu eingeführten Förderung nach dem KWKG ist weiter der Neu- und Ausbau von Wärme- und Kältespeichern. Die Betreiber von Wärme- bzw. Kältespeichern haben nach Maßgabe der §§ 5b, 7b KWKG gegenüber dem Netzbetreiber einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags.

Wärmespeicher sind nach § 3 Abs. 18 KWKG technische Vorrichtungen zur zeitlich befristeten Speicherung von Nutzwärme gemäß § 3 Abs. 6 KWKG einschließlich aller technischen Vorrichtungen zur Be- und Entladung des Wärmespeichers. Mehrere unmittelbar miteinander verbundene Wärmespeicher an einem Standort gelten in Bezug auf die in § 7b KWKG genannte Begrenzung des Zuschlags als ein Wärmespeicher.

Kältespeicher sind nach § 3 Abs. 19 KWKG Anlagen zur Speicherung von Kälte, die direkt oder über ein Kältenetz mit einer Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung-Anlage (KWKK-Anlage) verbunden sind. Mehrere unmittelbar miteinander verbundene Kältespeicher an einem Standort gelten in Bezug auf die in § 7b KWKG genannte Begrenzung des Zuschlags als ein Kältespeicher.

III. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die Inhaltsübersicht und Abschnitt 1.7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 20. März 2013 – IV D 2 – S-7100 / 07 / 10050-06 (2013/0077777), BStBl I S. …, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

Die Angabe „1.7. Lieferung von Gas oder Elektrizität“ wird durch die Angabe „1.7. Lieferung von Gas, Elektrizität oder Wärme/Kälte“ ersetzt.

2. Abschnitt 1.7 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„Lieferung von Gas, Elektrizität oder Wärme/Kälte“.

b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) 1Soweit der Netzbetreiber nach § 5a KWKG verpflichtet ist, dem Wärme- oder Kältenetzbetreiber für den Neu- oder Ausbau des Wärme- oder Kältenetzes einen Zuschlag zu zahlen, handelt es sich grundsätzlich um einen echten Zuschuss. 2Die Zuschläge werden aus einem überwiegenden öffentlichen Interesse heraus, nämlich zur Förderung des Ausbaus der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung im Interesse von Energieeinsparung und Klimaschutz, gewährt. 3Dies gilt jedoch nicht, soweit die Zuschläge nach § 5a KWKG die Verbindung des Verteilungsnetzes mit dem Verbraucherabgang (Hausanschluss), der an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes beginnt und mit der Übergabestelle endet, betreffen. 4Hier ist der entsprechende Anteil des Zuschlags durch den Netzbetreiber nach § 7a Abs. 3 KWKG mit der Rechnungstellung des Wärme- oder Kältenetzbetreibers an den Verbraucher wirtschaftlich und rechtlich verknüpft. 5Der Anteil des Zuschlags, der auf die Verbindung des Verteilungsnetzes mit dem Verbraucherabgang entfällt, ist von dem Betrag, der dem Verbraucher für die Anschlusskosten in Rechnung gestellt wird, in Abzug zu bringen. 6Der Zuschlag des Netzbetreibers hängt insoweit unmittelbar mit dem Preis einer steuerbaren Leistung (Anschluss an das Verteilungsnetz) zusammen und hat preisauffüllenden Charakter. 7Der vom Netzbetreiber an den Wärme- oder Kältenetzbetreiber gezahlte Zuschlag ist entsprechend aufzuteilen. 8Werden bei der Verbindung zwischen Verteilungsnetz und Verbraucherabgang entgeltlich die betreffenden Leitungen vom Wärme- oder Kältenetzbetreiber auf den Verbraucher übertragen, liegt eine Lieferung der entsprechenden Anlagen durch den Wärme- oder Kältenetzbetreiber an den Wärme- oder Kälteabnehmer vor. 9Soweit der Netzbetreiber nach § 5b KWKG verpflichtet ist, dem Betreiber eines Wärme- bzw. Kältespeichers für den Neu- oder Ausbau von Wärme- bzw. Kältespeichern einen Zuschlag zu zahlen, handelt es sich um einen echten Zuschuss.“

IV. Anwendung

Die unter III. genannten Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs wird es für vor dem 1. April 2013 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn Wärme- oder Kältenetzbetreiber den nach den §§ 5a, 7a KWKG bzw. Betreiber von Wärme- oder Kältespeichern den nach den §§ 5b, 7b KWKG gezahlten Zuschlag abweichend als Entgelt für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung an den Netzbetreiber behandelt haben.

BFH gibt subjektiven Fehlerbegriff hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen auf

BFH-Beschluss vom 31.01.2013 – GrS 1/10

Pressemeldung Nr. 17 des Bundesfinanzhofs (BFH):

“Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat auf Vorlage des I. Senats des BFH vom 7. April 2010 I R 77/08 (BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739; vgl. Pressemitteilung Nr. 44 vom 19. Mai 2010) entschieden, dass das Finanzamt (FA) abweichend von der bisherigen Rechtsprechung im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz (und deren einzelnen Ansätzen) zugrunde liegt, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war. Das gilt auch für eine in diesem Zeitpunkt von Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte, später aber geänderte Rechtsauffassung. Im Ausgangsverfahren ist streitig, wie die verbilligte Handy-Abgabe bilanzsteuerrechtlich zu beurteilen ist.

Für die Beurteilung, ob eine beim FA eingereichte Bilanz “fehlerhaft” in dem Sinne ist, dass das FA sich von den Bilanzansätzen des Steuerpflichtigen lösen kann, galt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH auch hinsichtlich der Beurteilung von Rechtsfragen ein subjektiver Maßstab. War die einer Bilanz oder einem Bilanzansatz zugrunde liegende rechtliche Beurteilung im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbar, war das FA daran bei der Steuerfestsetzung auch dann gebunden, wenn diese Beurteilung objektiv fehlerhaft war.

Diese Rechtsprechung hat der Große Senat des BFH nunmehr aufgegeben. Eine Bindung des Finanzamts an eine objektiv unzutreffende, aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbare rechtliche Beurteilung, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Handels oder Steuerbilanz oder deren einzelnen Ansätzen zugrunde liegt, lasse sich weder aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG noch aus § 4 Abs. 2 EStG ableiten. Die Finanzverwaltung und die Gerichte seien insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage zugrunde zu legen. Dies gelte unabhängig davon, ob sich die unzutreffende Rechtsansicht des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt habe. Eine Übergangsregelung sei nicht zu treffen.”

Bundesfinanzhof (BFH)

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