Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines BMF-Schreibens zur gesetzlichenNeuregelung des § 146b AO durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016; Anwendungserlass zu § 146b AO (Kassen-Nachschau)

Allgemeines

Die Kassen-Nachschau wird in der Regel bei Betrieben mit hohem Bargeldaufkommen während der Geschäftszeiten in den Geschäftsräumen stattfinden. Daher wird sie in der Regel nicht von der Öffentlichkeit unbemerkt bleiben. Damit eine negative Außenwirkung unterbleibt, sollte sie behutsam vorgenommen werden. Diese Grundintention ist dem vorliegenden Entwurf nicht zu entnehmen.

Im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regen wir zudem an, dass dem Steuerpflichtigen grundsätzlich immer die Möglichkeit zu geben ist, zunächst mit seinem steuerlichen Berater Rücksprache zu halten und – wenn immer zeitlich zumutbar – bis zum Eintreffen des Beraters zu warten. Damit können langwierige Einspruchsverfahren, Anfechtungsklagen und Fortsetzungs-Feststellungsklagen von vornherein vermieden werden.

Wir regen an, ein Merkblatt zu entwickeln, welches den Ablauf der Kassen-Nachschau sowie die Befugnisse des Amtsträgers und die Duldungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen einschließlich der jeweiligen Rechtsgrundlagen beschreibt. Es sollte auch geregelt werden, dass Amtsträger grundsätzlich nicht auf Bargeldbestände in Kassen direkt zugreifen dürfen. Das Merkblatt sollte dem Steuerpflichtigen bei Beginn der Kassen-Nachschau zur Verfügung gestellt werden.

Die Kassen-Nachschau ist ein Instrument zur Prüfung der zeitnahen Kassenaufzeichnungen. Deshalb sollte der Prüfungszeitraum auf das notwendige Maß beschränkt werden.

Aus Gründen der Transparenz und Fairness sollte zu Beginn der Kassen-Nachschau eine schriftliche Bekanntgabe erfolgen. Damit wird dokumentiert, dass der Steuerpflichtige die Kassen-Nachschau dulden muss. Ferner wird der sachliche Umfang der zu prüfenden Steuerarten und der zu prüfende Zeitraum der Kassenaufzeichnungen auch für eine spätere Selbstanzeige dokumentiert.

Den Amtsträgern muss klar sein, dass sie grundsätzlich nicht als Steuerfahnder tätig werden. Die Kassen-Nachschau kann als Maßnahme verstanden werden, in gemeinsamer Kooperation mit dem Steuerpflichtigen in zumutbarer Weise die Kassenhandhabung zu verbessern und im Sinne einer gerechten Besteuerung transparenter zu machen.

Zu Ziff. 1 Satz 3 – Die Angemessenheit eines Kassensturzes

Nach Ziff. 1 Satz 3 des entworfenen AEAO zu § 146b AO „kann“ der Amtsträger einen Kassensturz verlangen, „es sei denn, dies ist unangemessen“. Mit dieser abstrakten Formulierung erhält der Amtsträger keinerlei Anhaltspunkte für die pflichtgemäße Ausübung seines Beurteilungsspielraumes, ob ein Kassensturz „angemessen“ oder „unangemessen“ wäre.

Ein Kassensturz sollte z. B. im Ladengeschäft mit Kundenverkehr nicht durchgeführt werden, wenn durch die zeitliche Unterbrechung der Verkaufstätigkeit ein wirtschaftlicher Schaden und Imageverlust des Steuerpflichtigen befürchtet werden muss.

Bei Ladengeschäften bietet sich daher grundsätzlich an, einen Kassensturz – wenn überhaupt erforderlich – nach Geschäftsschluss durchzuführen, wenn alle Kunden das Ladengeschäft verlassen haben und ohnehin ein Abschluss über die Tageseinnahmen aus den Barverkäufen angefertigt werden muss.

Bislang fehlen Ausführungen zur Verfahrensweise in Fällen, in denen Bargeld außerhalb der Kassen z. B. im Safe aufbewahrt wird. Hier sollten Klarstellungen vorgenommen werden.

Zu Ziff. 3 – Die üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten

Zu begrüßen ist, dass dem Amtsträger ein Ermessen eingeräumt wird, die Kassen-Nachschau auch außerhalb der Geschäftszeiten durchzuführen, wenn im Unternehmen noch oder schon gearbeitet wird. Die Angemessenheit des Zeitpunktes und der Dauer der Kassen-Nachschau ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.

Die Dauer der Kassen-Nachschau muss so bemessen sein, dass der Steuerpflichtige und sein Personal die Prüfung während ihrer normalen Arbeitszeiten bewältigen können und nicht durch Überstunden ein wirtschaftlicher Schaden befürchtet werden muss.

Zu Ziff. 3 – Betretungsrecht bei gemischt genutzten Geschäfts- und Wohnräumen

Im Hinblick auf die gemischt genutzten Geschäfts- und Wohnräume sollten im Anwendungserlass Ausführungen gemacht werden. Aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) dürfen die Wohnräume des Steuerpflichtigen nicht ohne seine Zustimmung durchschritten werden. Es sollte das Betretungsrecht für innerhalb der Wohnung belegende Arbeitszimmer oder Büros geregelt werden.

Zu Ziff. 4 – Die Kassen-Nachschau ohne Anwesenheit des Steuerpflichtigen

Entgegen dem Gesetzeswortlaut – dort wird nur der Steuerpflichtige als auskunftspflichtige Person genannt – wird die Auskunftspflicht auf weitere Personen ausgeweitet, von denen angenommen werden kann, dass sie über Zugriffs- und Benutzungsrechte für das Kassensystem verfügen. Diese Annahme kann nur aus der Beobachtung des Kassenprüfers stammen. Ob ausreichende Kenntnisse der weiteren Person zum Kassensystem vorhanden sind, bleibt unklar. Es sollte lediglich der Geschäftsinhaber bzw. von ihm ernannte Stellvertreter als auskunftspflichtige Person verpflichtet werden können, da nur diese die Pflichten des Steuerpflichtigen entsprechend vertreten können.

In der Regel muss sich das Ladenpersonal nur mit der Kasse auskennen und ist nur zum Verkauf von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt vom Steuerpflichtigen ermächtigt. Von einer Bevollmächtigung des Ladenpersonals, den Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde zu vertreten und für ihn Verwaltungsakte entgegen zu nehmen, kann nicht ausgegangen werden. Die rechtlichen Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, sich z. B. frühzeitig gegen den Verwaltungsakt zu wehren, würden damit erheblich eingeschränkt, was nicht zulässig ist.

Bei der unangekündigten Kassen-Nachschau ohne Anwesenheit und Anhörung des Steuerpflichtigen würde immer das Grundrecht auf rechtliches Gehör (§ 91 AO, Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt werden.

Die unangekündigte Kassen-Nachschau ohne Anwesenheit des Steuerpflichtigen kann sich nur auf Ausnahmefälle und nur auf die Beobachtung der Kassenhandhabung begrenzen. Ergeben sich hieraus Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Handhabung der Kassensysteme, kann dem durch eine nachfolgende Kassen-Nachschau weiter auf den Grund gegangen werden.

Zu Ziff. 5 – Die digitale Schnittstelle

Zu begrüßen ist, dass die Datenübertragung mittels digitaler Schnittstelle – wenn vorhanden – schon vor dem 1. Januar 2020 mit Zustimmung des Steuerpflichtigen erfolgen kann. Diese Form der Kassen-Nachschau bietet ein schnelles Mittel zur Datenübertragung und ist mit einer geringstmöglichen Unterbrechung des Geschäftsbetriebes des Steuerpflichtigen verbunden, sofern kein Kassensturz verlangt wird.

Die Nichtverwendung einer digitalen Schnittstelle vor dem 1. Januar 2020 darf dem Steuerpflichtigen nicht zum Nachteil gereicht werden.

Zu Ziff. 5 – Die „sonstigen Organisationsunterlagen“

Es muss konkretisiert werden, welche Unterlagen unter die vorzulegenden „sonstigen Organisationsunterlagen“ fallen. Diese können durch Nennung von Beispielen konkretisiert werden. In dem Entwurf fehlen bislang Ausführungen zur Verfahrensweise, wenn die Unterlagen sich nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei dessen steuerlichen Berater befinden.

Zu Ziff. 5 und 6 – Die Mitnahme von Aufzeichnungen auf Datenträgern sowie das Scannen und Fotografieren von Unterlagen und Belegen

Das Scannen und Fotografieren von Unterlagen und Belegen darf nur soweit zugelassen werden, wie dies für die Zwecke der Kassen-Nachschau erforderlich ist.

Der Transport von Fotos, Scans und Daten auf mobilen Datenträgern wie auch das Scannen und Fotografieren von Unterlagen und Belegen mittels mobiler Geräte des Amtsträgers ist schon aus Datenschutzgründen dringend regelungsbedürftig. Hierbei müssen Verfahren eingerichtet werden, die einen Verlust der Daten oder den Zugriff Unbefugter hierauf verhindern. Es muss gewährleistet sein, dass die Daten unmittelbar zur Dienststelle verbracht und nach unmittelbarer Übertragung auf den Dienstrechner auf dem Datenträger gelöscht werden (vgl. zur Mitnahme von Daten auf mobilen Rechnern bei der Außenprüfung BFH-Urteil vom 16. Dezember 2014, Az. VIII R 52/12).

Die Amtsträger müssen dafür ausgestattet sein, sowohl die Datenträger als auch die mobilen Foto- und Scangeräte ausreichend zu verschlüsseln. Eine Auswertung im privaten Umfeld des Amtsträgers (z. B. zu Hause am Wohnzimmertisch) darf nicht gestattet sein.

Zu Ziff. 6 – Der Übergang zur Außenprüfung

Nach dieser Regelung kann eine Kassen-Nachschau nach schriftlichem Übergangshinweis sofort als Außenprüfung fortgesetzt werden. Der schriftliche Übergangshinweis ersetzt die Prüfungsanordnung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob mit der Übergabe des schriftlichen Übergangshinweises sämtliche Anforderungen an eine Prüfungsanordnung erfüllt werden müssen. Unklar ist, ob hier nur die „allgemeinen Grundsätze über den notwendigen Inhalt von Prüfungsordnungen sowie den sachlichen und zeitlichen Umfang von Außenprüfungen“ gelten, oder ob die Vorschriften zur Prüfungsanordnung entsprechend gelten. Dies sollte dringend klargestellt werden.

Aus dem BMF-Schreiben sollte hervorgehen, dass die Ermessensentscheidung über das Übergehen zur unmittelbar anschließenden Außenprüfung ohne Prüfungsankündigung pflichtgemäß ausgeübt werden muss.

Der Verwaltungsakt zur Einleitung der Außenprüfung kann nur dem Steuerpflichtigen selbst bekannt gegeben werden, dem rechtliches Gehör gewährt werden muss (s. o.). Das Ladenpersonal ist weder zur Entgegennahme der Bekanntgabe noch zur Vertretung des Steuerpflichtigen in seinen steuerlichen Angelegenheiten bevollmächtigt, noch dazu in der Lage (s. o.).

Sollte der Steuerpflichtige bei einer unangekündigten Kassen-Nachschau nicht anwesend sein, darf keinesfalls zu einer Außenprüfung übergegangen werden. Zum einen ist das Personal des Steuerpflichtigen in der Regel nicht vertretungsbefugt und nicht in der Lage, Dokumentationsunterlagen und Protokolle herauszugeben. Zum anderen fehlt dem Steuerpflichtigen beim ad-hoc-Übergang zur Außenprüfung jede Möglichkeit, seine Rechte wahrzunehmen.

Im Gegensatz zum UStAE (hier Abschn. 27b.1 Abs. 9 Satz 8) wird im BMF-Schreiben der Übergang von der Kassen-Nachschau zur Außenprüfung nicht explizit als Verwaltungsakt definiert, gegen den grundsätzlich Rechtsmittel eingelegt werden könnten. Dies sollte unbedingt im Anwendungsschreiben nachgeholt werden.

Zu Ziff. 7 – Das fehlende Erfordernis eines Prüfungsberichts

Im Verlauf einer Kassen-Nachschau können Mängel oder mögliche Schwachpunkte oder Fehlerquellen für eine ordnungsgemäße Kassenführung festgestellt werden, die nicht sofort zu einer Änderung von Besteuerungsgrundlagen führen. Der Anwendungserlass sollte hierzu eine verpflichtende Regelung enthalten, dass der Steuerpflichtige oder der steuerliche Berater schriftlich auch über solche Feststellungen nach Abschluss der Kassen-Nachschau unterrichtet wird, die nicht sofort zu einer Änderung von Besteuerungsgrundlagen führen. Mündliche Hinweise an den Steuerpflichtigen im Verlauf der Kassen-Nachschau reichen hier nicht aus.

Nach § 202 Abs. 1 AO erhält der Steuerpflichtige eine schriftliche Mitteilung, wenn eine Außenprüfung nicht zu einer Änderung von Besteuerungsgrundlagen führt. Diese oder eine vergleichbare Regelung sollte auch bei einer Kassen-Nachschau gelten. Dem Steuerpflichtigen sollte auch bestätigt werden, dass sein elektronisches Aufzeichnungssystem die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Kassenführung erfüllt.

Zudem sind Beginn und Ende der Kassen-Nachschau zu protokollieren und dem Steuerpflichtigen mitzuteilen. In diesem Zusammenhang weisen wir auf die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e AO hin. Danach ist mit Beginn der Kassen-Nachschau die strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich. Die Sperrwirkung bezieht sich auf die überprüften Zeiträume und Sachverhalte. Für den Steuerpflichtigen muss objektiv erkennbar sein, ob und für welche Bereiche eine Selbstanzeige noch möglich ist. Diese Sperrwirkung entfällt, wenn der Steuerpflichtige über die beanstandungsfreie Beendigung der Kassen-Nachschau informiert wird.

Die aufgeführten Probleme  lassen sich lösen, indem der Amtsträger dem Steuerpflichtigen einen Kurzbericht über die ohnehin zu dokumentierende Kassen-Nachschau zur Verfügung stellt.

Zu Ziff. 8 – Antrag auf verbindliche Zusage

Ergibt sich im Rahmen einer an die Kassen-Nachschau anschließenden Außenprüfung eine neue steuerrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts, hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf die verbindliche Zusage über die zukünftige steuerrechtliche Behandlung (§ 204 AO). Im BMF-Schreiben sollte klargestellt werden, dass sich der Rechtsanspruch auf verbindliche Zusage im Fall einer Außenprüfung auch auf die zukünftige Behandlung derjenigen Sachverhalte bezieht, die mit der Kassen-Nachschau festgestellt und in der Außenprüfung mitbewertet wurden.

Zu Ziff. 9 – Belehrung des Steuerpflichtigen über die Einspruchsmöglichkeit und Form des Einspruchs

In den Entwurf sollte aufgenommen werden, dass der Steuerpflichtige über die Möglichkeit der Einspruchseinlegung zu Beginn der Kassen-Nachschau belehrt wird. Nur so kann er von seinem Recht zur Einspruchseinlegung Gebrauch machen. Neben der schriftlichen Einspruchsmöglichkeit kann dieser auch elektronisch übermittelt oder dem Amtsträger mündlich zur Niederschrift erklärt werden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Zeitpunkte der Einspruchseinlegung und der Beendigung der Kassen-Nachschau sollten vom Amtsträger protokolliert werden, da nach Beendigung der Kassen-Nachschau sowohl der Einspruch als auch die Anfechtungsklage unzulässig werden.