Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 12.11.2024 zum Urteil 9 AZR 71/24 vom 12.11.2024
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer Altersteilzeit von der Inflationsausgleichsprämie nach dem Tarifvertrag für energie- und wasserwirtschaftliche Unternehmungen unwirksam ist. Der Kläger, ein Arbeitnehmer in der Energiewirtschaft, hatte erfolgreich die Zahlung der Prämie in Höhe von 3.000 Euro eingeklagt.
Im Tarifvertrag über die Inflationsausgleichsprämie (TV IAP) vereinbarten die Gewerkschaften ver.di und IG BCE mit dem Arbeitgeberverband der Branche eine einmalige Sonderzahlung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Diese Prämie sollte allen Beschäftigten – unabhängig von ihrem Beschäftigungsgrad – gewährt werden. Jedoch waren Arbeitnehmer, die sich am 31. Mai 2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden, von dieser Zahlung ausgeschlossen.
Die Argumentation des Klägers und die Entscheidung des BAG
Der Kläger argumentierte, dass der Ausschluss der in der Passivphase befindlichen Altersteilzeit-Arbeitnehmer eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund von Teilzeitarbeit darstelle. Da die Inflationsausgleichsprämie ausschließlich als Ausgleich für erhöhte Lebenshaltungskosten gezahlt werde und keinen arbeitsleistungsbezogenen Zweck verfolge, sei eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, doch das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers. Die Begründung: Der Ausschluss der in der Passivphase befindlichen Altersteilzeit-Arbeitnehmer widerspreche § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), wonach Teilzeitkräfte nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden dürfen.
Gründe für die Unwirksamkeit des Ausschlusses
Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass für die Ungleichbehandlung der betroffenen Teilzeitkräfte kein sachlicher Grund bestehe. Weder die erkennbaren Zwecke der Prämie noch der Umfang der Teilzeitarbeit rechtfertigten eine Schlechterstellung. Zudem sei der Anspruch auf die Prämie nicht an eine aktuell erbrachte Arbeitsleistung oder an vergangene oder zukünftige Betriebstreue gekoppelt.
Die Inflationsausgleichsprämie, so das BAG, dient allein dem Zweck, die gestiegenen Verbraucherpreise auszugleichen. Der Bedarf an dieser Unterstützung sei unabhängig vom Beschäftigungsgrad oder der Phase der Altersteilzeit gleich, sodass Teilzeitbeschäftigte in der Passivphase hier nicht benachteiligt werden dürfen.
Fazit
Mit dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird klargestellt, dass tarifvertragliche Regelungen nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen dürfen. Für Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit bedeutet dies, dass sie Anspruch auf die gleiche Inflationsausgleichsprämie haben wie ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen. Das Urteil stärkt damit den Schutz von Teilzeitbeschäftigten und verdeutlicht die Bedeutung von sachgerechten und fairen Regelungen im Tarifrecht.
Quelle: Bundesarbeitsgericht