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BFH-Urteil vom 20.8.2002 (IX R 40/97) BStBl. 2003 II S. 582

BFH-Urteil vom 20.8.2002 (IX R 40/97) BStBl. 2003 II S. 582

Nach § 7i Abs.1 EStG können bei einem im Inland belegenen, denkmalgeschützten Gebäude erhöhte Absetzungen auf Herstellungskosten für eine einzelne Baumaßnahme auch dann vorgenommen werden, wenn die einzelne Maßnahme Teil einer Gesamtbaumaßnahme ist. Voraussetzung ist insoweit, dass die einzelne Baumaßnahme sachlich abgrenzbar und als solche abgeschlossen ist.

 

EStG § 7i (ab 1991); EStG § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y i.V.m. EStDV § 82i (bis 1990).

Vorinstanz: FG Köln vom 25. Oktober 1996 3 K 1806/95

Sachverhalt

 

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariellem Vertrag vom Juni 1991 ein unter Denkmalschutz stehendes, mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück. Im Erdgeschoss des gemischt genutzten Grundstücks befand sich eine Gaststätte. Die Wohnungen im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss (OG) waren in den Streitjahren 1991 und 1992 durchgängig vermietet. Die Wohnung im Dachgeschoss (DG; viertes OG) wurde nach Umbau und Erweiterung um 20 qm im Spitzboden ab dem 1. September 1992 vermietet.

In Absprache mit der Denkmalschutzbehörde nahm der Kläger in den Jahren 1991 bis 1993 umfangreiche Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten vor. Folgende Arbeiten wurden durchgeführt:

1991 – Erneuerung und Reparatur der Fenster des 1. bis 3.OG, Erneuerung der Elektroinstallation zu den Mieterwohnungen, komplette Bedachungsarbeiten des Haupthauses, Renovierung der Außenfassade (Reinigung und Anstrich), Malerarbeiten im Treppenhaus;

1992 – Modernisierung des gesamten DG mit Erweiterung im Spitzboden;

1993 – Sanierung des 3.OG mit Teilung in zwei Wohneinheiten, Rohbau- und Innenausbauarbeiten (Wandänderung, Putzarbeiten), Fußbodenerneuerung, Türänderungen, gänzlich neue Elektro-, Heizungs- und Sanitär-Installation, Malerarbeiten.

Für die durchgeführten Arbeiten wurde im Juli 1994 eine Bescheinigung nach § 40 des Denkmalschutzgesetzes NW erteilt.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre begehrte der Kläger für diese Baumaßnahmen bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7i des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Jahr, in dem die jeweiligen Arbeiten durchgeführt und bezahlt wurden. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) mit Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre mit der Begründung ab, die erhöhte Absetzung könne erst im Jahr des Abschlusses aller Baumaßnahmen beginnen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 1998, 7 veröffentlichtem Urteil statt. Es führte im Wesentlichen aus:

Die erhöhte Abschreibung von – hier vorliegenden anschaffungsnahen – Herstellungskosten für bestimmte Baumaßnahmen, die Bestandteil eines Gesamtvorhabens sind, sei zuzulassen, wenn es sich – wie im Streitfall – um einzelne abgeschlossene, voneinander abgrenzbare Modernisierungsarbeiten handele und wenn sie – wie aus dem Wortlaut des § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG ersichtlich – besonders begünstigt würden. Ansonsten würde die vom Gesetzgeber gewollte steuerliche Begünstigung von Baudenkmalen wesentlich erschwert.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 7i EStG).

Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erlassen, die der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat (§§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – a.F.).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Aufgrund der Feststellungen des FG vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen und ob die erhöhten Absetzungen nach § 7i EStG bereits im Jahr des Abschlusses einzelner Baumaßnahmen in Anspruch genommen werden können.

1. Nach § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG jeweils bis zu 10 v.H. der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich und die in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sind (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG), im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren absetzen.

a) Aufwendungen, die – wie die hier streitigen – durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Sätze 1, 2 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG) oder erhöhter Absetzungen zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. – hier – § 7i EStG). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für Gewinn- und Überschuss-Einkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 7i EStG (vgl. Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, § 7i Rz. 21; Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 7i EStG Anm. 20).

aa) Da der Kläger ein vermietetes Gebäude erworben hat, das er nach dem Erwerb weiterhin durch Vermietung nutzte, sind die Kosten der Baumaßnahmen keine Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB, weil sie das Gebäude nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzt haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. September 2001 IX R 52/00 und IX R 39/97, BFHE 198, 85 und 74, BFH/NV 2002, 966 und 968). Abgesehen davon hat der Kläger auch keine Anschaffungskosten i.S. des § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG aufgewendet; denn er hat keine begünstigten, aber noch nicht durchgeführten Baumaßnahmen gleichsam miterworben.

bb) Herstellungskosten sind gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, könnten in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotential) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632; vom 13. Oktober 1998 IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. i.E. BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968). Die Baumaßnahmen führen nicht deshalb zu Herstellungskosten, weil sie in zeitlicher Nähe zur Anschaffung vorgenommen worden und die Kosten dafür im Verhältnis zum Gebäude-Kaufpreis hoch sind (sog. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand, vgl. dazu BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968).

cc) Unter Berücksichtigung dessen vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob die Baumaßnahmen zu einer Standarderhöhung und damit zu einer wesentlichen Verbesserung, mithin zu Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben. Zu vergleichen ist der Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs (Juni 1991) mit dem Zustand nach Durchführung der Maßnahmen (BFH in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632). Bei dem unter Denkmalschutz stehenden, älteren Gebäude ist eine solche Steigerung jedenfalls nicht auszuschließen. Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Baumaßnahmen mindestens für drei der vier Kernbereiche (Heizungs-, Sanitär- und Elektro-Installation sowie Fenster) den Gebrauchswert deutlich gesteigert haben; die bloße Reparatur und/oder die Ersetzung des Vorhandenen durch zeitgemäßes Neues führt zu keiner wesentlichen Verbesserung (vgl. BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968).

Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachholen. Im Rahmen der vorzunehmenden Würdigung wird es zu beachten haben, dass auch im Rahmen einer umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme Aufwendungen für Arbeiten, die über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung nicht hinausgehen und die nicht im sachlichen, d.h. bautechnischen Zusammenhang mit Herstellungsarbeiten stehen, als Erhaltungsaufwendungen und damit als Werbungskosten zu beurteilen sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 3. a cc a.E.; BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter II. 3. b cc; Bundesministerium der Finanzen – BMF – vom 16. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1442, 1444, unter II.). Andererseits wird zu prüfen sein, ob die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen sich als Teil einer Gesamtmaßnahme darstellen, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt und die insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung führt („Sanierung in Raten“; vgl. BFH-Urteile in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 3. a dd, und BFH/NV 1999, 603, unter 1. b aa). Des Weiteren wird das FG zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang die anlässlich des DG-Umbaus vorgenommene Erweiterung im Spitzboden als eine solche i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative HGB zu qualifizieren ist.

dd) Sollten die Voraussetzungen nach § 255 Abs. 2 HGB nicht gegeben sein, dann sind die Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Sätze 1, 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 EStG sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; eine Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 7i EStG scheidet aus. Entsprechende Werbungskosten könnten jedoch im jeweiligen Abflussjahr nur bis zur Höhe der geltend gemachten erhöhten Absetzungen nach § 7i EStG berücksichtigt werden.

b) Führen hingegen die Baumaßnahmen (zumindest teilweise) zu Herstellungskosten, ist Folgendes zu beachten:

aa) Nach § 7i EStG können bei einem im Inland belegenen, denkmalgeschützten Gebäude erhöhte Absetzungen auf Herstellungskosten für (bestimmte) Baumaßnahmen in Anspruch genommen werden. Anders als ihre Vorgängervorschrift § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), die aufgrund ihrer Ermächtigungsnorm (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y EStG) „Herstellungskosten an Gebäuden“ betrifft (BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 130/90, BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215), begünstigt § 7i EStG „Herstellungskosten für Baumaßnahmen“. Deshalb können erhöhte Absetzungen nach § 7i EStG hinsichtlich einzelner Baumaßnahmen bereits im Jahr des Abschlusses der jeweiligen Baumaßnahme und nicht erst bei Beendigung der Gesamtbaumaßnahme vorgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn die einzelne begünstigte Baumaßnahme Teil einer einheitlichen Gesamtbaumaßnahme ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. Juni 2002 IX R 10/98, BFHE 198, 383, BFH/NV 2002, 1372, zu § 14b des Berlin-Förderungsgesetzes – BerlinFG -).

Diese am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung ist auch vom Zweck der Vorschrift gedeckt, einen steuerlichen Anreiz für privates Kapital zu bieten, kulturhistorisch wertvolle Gebäude (Baudenkmäler) zu erhalten und zu modernisieren (vgl. BTDrucks 11/5680 S. 1, 9), insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer zumindest zeitnäheren „Finanzierungserleichterung“ (vgl. Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 7i Rdnr. B 28; ders., Finanz-Rundschau – FR – 1997, 174, 176). Zudem gewährt Satz 5 des § 7i Abs. 1 EStG die Begünstigung auch für auf (bestimmte) Baumaßnahmen entfallende Anschaffungskosten. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift im Sinne der Ermächtigungsnorm zu § 82i EStDV (s. oben) verstehen wollen, hätte er dies im Gesetzeswortlaut hinreichend zum Ausdruck bringen müssen; dies ist nicht geschehen.

Die Begünstigung einzelner oder mehrerer Baumaßnahmen, die für sich oder zusammen zu Herstellungskosten führen, setzt allerdings voraus, dass die einzelne Baumaßnahme (von anderen) sachlich abgrenzbar und als solche abgeschlossen (fertig gestellt) ist (vgl. Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 7i Rz. 14; Siebenhüter, a.a.O, § 7i EStG Anm. 22; Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7i Rdnr. B 28; ders., FR 1997, 174, 176; s.a. BFH-Urteil in BFHE 198, 383, BFH/NV 2002, 1372, zu § 14b BerlinFG). Die insoweit erforderliche Abgrenzung zwischen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen richtet sich nach den vom Senat entwickelten allgemeinen Grundsätzen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968; in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632; BMF in BStBl I 1996, 1442).

bb) Die Würdigung des FG, „bei den Baumaßnahmen … handele es sich um einzelne, von einander abgrenzbare Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen“, hält auch unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf die Aufstellung des Klägers im FG-Verfahren der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; denn sie ist nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt. Für die erneute Würdigung wird das FG die Ergebnisse der unter 1. a) cc) nachzuholenden Feststellungen zugrundezulegen und erneut über die Abgrenzbarkeit und Abgeschlossenheit einzelner Baumaßnahmen zu entscheiden haben.

2. Die nicht spruchreife Sache geht zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen zurück an das FG. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).