Archiv der Kategorie: Umsatzsteuer

Umsatzsteuer: Umsatzsteuergesetz, Umsatzsteuerrichtlinien und Umsatzsteuerdurchführungsverordnung

Kleinunternehmerregelung

Maßgebende Umsatzgrenzen bei der Kleinunternehmerregelung

1.1 Allgemeines

Die Kleinunternehmerregelung ist anwendbar, wenn der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 3 UStG, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr nach der vom Unternehmer zu Beginn eines jeden Jahres zu erstellenden Prognose voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG). So sind bei der Ermittlung, ob der Unternehmer die Umsatzgrenze in Höhe von 17.500 EUR im Vorjahr überschritten hat, stets die tatsächlich vereinnahmten Bruttoentgelte zu Grunde zu legen. Die Reduzierung der Umsatzgrenze um eine fiktiv anfallende Umsatzsteuer kommt daher nicht in Betracht (siehe auch Abschn. 246 Abs. 2 UStR).

 

1.2 Unternehmensneugründungen

Im Jahr der Neugründung eines Unternehmens ist allein auf den vom Unternehmer prognostizierten voraussichtlichen Umsatz des Gründungsjahres im Zeitpunkt des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen. Hierbei ist entsprechend der Zweckbestimmung des § 19 Abs. 1 UStG die Grenze von 17.500 EUR maßgebend (siehe auch Abschn. 246 Abs. 4 UStR).

 

1.3 Fehlender Umsatz im Gründungsjahr

Zu der Frage, welche Umsatzgrenzen maßgebend sind, wenn ein Unternehmen im Gründungsjahr (= Beginn des Unternehmens) keine steuerbaren Umsätze ausführt, hat das FG München mit Urteil vom 9.7.2003, 3 K 4787/01 (EFG 2003 S. 1580) die Auffassung vertreten, dass die Anwendung der Kleinunternehmerregelung in dem der Unternehmensgründung folgenden Kalenderjahr zulässig ist, wenn der Umsatz in diesem Jahr voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigt.

Nach Erörterung auf Bundesebene haben die Umsatzsteuer-Referatsleiter den Beschluss gefasst, das Urteil des FG München über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.

Beispiel:

Mehrere Vereine schließen sich im Jahr 01 zu einer GbR zusammen, um die Kirmes des Jahres 02 zu veranstalten. Im Jahr 01 werden ausschließlich Vorbereitungshandlungen vorgenommen, Umsätze werden erst während der Veranstaltung der Kirmes im Jahr 02 erzielt.

Für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Jahr 02 ist die Umsatzgrenze von 50.000 EUR maßgebend.

 

2. Anzahlungen

 

2.1 Im Gründungsjahr

Führt ein Unternehmer im Jahr der Unternehmensgründung keine Umsätze aus, erhält er jedoch im Gründungsjahr Anzahlungen für Leistungen, die er erst in einem späteren Besteuerungszeitraum erbringt, gilt Folgendes:

Wie unter Tz 1.1 dargestellt, ist der für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgebende Gesamtumsatz stets nach vereinnahmten Entgelten zu ermitteln. Auf den Zeitpunkt der Ausführung der Umsätze kommt es nicht an. Daher ist zu prüfen, ob für die im Gründungsjahr erhaltenen Anzahlungen die Kleinunternehmerregelung angewendet werden kann oder ob diese der Regelbesteuerung zu unterwerfen sind.

Dies hängt von der vom Unternehmer zu Beginn seiner unternehmerischen Tätigkeit vorzunehmenden Prognose ab (siehe Tz. 1.2).

Konnte der Unternehmer im Zeitpunkt der Unternehmensgründung nicht mit dem Erhalt von Anzahlungen rechnen oder hat er seinen Gesamtumsatz mit einem Betrag von maximal 17.500 EUR geschätzt (siehe z.B. die Angaben im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung), ist die Kleinunternehmerregelung für die Versteuerung der Anzahlungen in diesem Jahr auch dann anzuwenden, wenn sich im Laufe des Jahres herausstellt, dass tatsächlich ein höherer Betrag vereinnahmt wurde. In diesem Fall sollte der Unternehmer jedoch substantiierte Gründe vortragen, die seine unrichtige Prognose glaubhaft machen.

Die nicht erhobene Umsatzsteuer ist im Jahr der Leistungserbringung nachzufordern, wenn in diesem Jahr die Regelbesteuerung anzuwenden ist (Wechsel der Besteuerungsform von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung vor Ausführung des Umsatzes, Abschn. 253 Abs. 2 UStR).

Steht bei Unternehmensgründung bereits fest, dass Anzahlungen von mehr als 17.500 EUR vereinnahmt werden, sind diese der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Diese Umsatzsteuer ist wieder zu erstatten, wenn im Jahr der Leistungserbringung die Kleinunternehmerregelung angewendet wird (Wechsel der Besteuerungsform von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung) und der Unternehmer über die erbrachte Leistung keine Rechnung mit offen ausgewiesener USt erteilt hat (Abschn. 253 Abs. 7 UStR).

 

2.2 In Folgejahren

Das unter Tz. 2.1 Beschriebene gilt hinsichtlich der zu Beginn eines jeden Jahres zu stellenden Prognose, ob der Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG voraussichtlich 50.000 EUR übersteigen wird, auch für Anzahlungen, die in Jahren nach der Unternehmensgründung für Umsätze vereinnahmt werden, die in einem späteren Besteuerungszeitraum erbracht werden. Hier ist jedoch stets auch der Vorjahresgesamtumsatz (max. 17.500 EUR) zu berücksichtigen.

Beispiele:

Vorgabe: In den Beispielen 1 – 4 hat der Unternehmer jeweils zu Beginn eines jeden Jahres richtig abgeschätzt, wie hoch die Anzahlungen sein werden, im Beispiel 5 war die Prognose des Unternehmers falsch.

 

Beispiel 1
Jahr: 01 02 03
(= Gründungsjahr) (= Leistungszeitpunkt)
Anzahlung: 10.000 EUR 10.000 EUR
Restzahlung: 10.000 EUR
§ 19, da voraussichtlich ≤ 17.500 EUR § 19, da Vorjahr ≤ 17.500 EUR und lfd. Jahr voraussichtlich ≤ 50.000 EUR § 19, da Vorjahr ≤ 17.500 EUR und lfd. Jahr voraussichtlich ≤50.000 EUR

 

Beispiel 2
Jahr: 01 02 03
(= Gründungsjahr) (= Leistungszeitpunkt)
Anzahlung: 20.000 EUR 20.000 EUR
Restzahlung: 5.000 EUR
Regelbesteuerung, da voraussichtlich > 17.500 EUR Regelbesteuerung, da Vorjahr > 17.500 EUR Regelbesteuerung, da Vorjahr > 17.500 EUR

 

Beispiel 3
Jahr: 01 02 03
(= Gründungsjahr) (= Leistungszeitpunkt)
Anzahlung: 10.000 EUR 10.000 EUR
Restzahlung: 60.000 EUR
§ 19, da ≤ 17.500 EUR § 19, da Vorjahr ≤ 17.500 EUR und lfd. Jahr voraussichtlich ≤ 50.000 EUR Regelbesteuerung, da Vorjahr zwar ≤ 17.500 EUR, aber voraussichtlich > 50.000 EUR→ Wechsel der Besteuerungsform, Nachversteuerung der Anzahlungen, Abschn. 253 Abs. 2 UStR.

 

Beispiel 4 Siehe z.B. Karteikarte zu § 3 Abs. 12 – S 7119 – Karte 2 zur Überlassung von Werbemobilen
Jahr: 01 (= Gründungsjahr) 02 03 (= Leistungszeitpunkt)
Anzahlung: 20.000 EUR 0 EUR
Restzahlung: 0 EUR
Regelbesteuerung, da > 17.500 EUR (theoretisch) Regelbesteuerung, da Vorjahr > 17.500 EUR § 19, da Vorjahr < 17.500 EUR und lfd. Jahr voraussichtlich ≤ 50.000 EURWechsel der Besteuerungsform, Erstattung der im Jahr 01 gezahlten USt, Abschn. 253 Abs. 7 UStR.

 

Beispiel 5
Jahr: 01 (= Gründungsjahr) 02 03 (= Leistungszeitpunkt)
Anzahlung: 20.000 EUR 10.000 EUR
Restzahlung 10.000 EUR
Prognose: voraussichtlicher Gesamtumsatz ≤ 17.500 EUR§ 19, auch wenn tatsächlicher Gesamtumsatz höher Regelbesteuerung, da Vorjahr > 17.500 EUR § 19, da Vorjahr ≤ 17.500 EUR und lfd. Jahr voraussichtlich ≤ 50.000 EURWechsel der Besteuerungsform, Erstattung der im Jahr 02 gezahlten USt, Abschn. 253 Abs. 7 UStR.

Kleinunternehmerregelung bei stark schwankenden Umsätzen

Zur Frage, ob eine Vereinsgemeinschaft die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen kann, wenn sie alle drei Jahre ein Fest ausrichtet und dabei einen Umsatz zwischen 16.621 EUR und 50.000 EUR erzielt, in den Jahren dazwischen aber nur sehr geringe oder gar keine Umsätze hat, gilt Folgendes:

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die USt nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 16.620 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR nicht übersteigen wird. Ist ein Vorjahresumsatz nicht vorhanden, weil ein Unternehmer seine Tätigkeit erst im laufenden Kalenderjahr aufgenommen hat, ist allein entscheidend, ob im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 16.620 EUR voraussichtlich überschritten wird (vgl. Abschn. 246 Abs. 4 UStR).

Welche Grenzen maßgebend sind, richtet sich somit danach, ob die Unternehmereigenschaft im Jahr der Ausrichtung eines Fests neu beginnt oder ob sie fortdauert.

Nach ständiger höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1963, BStBl 1964 III 1964 S. 90, vom 22.6.1989, BStBl 1989 II S. 913, vom 21.12.1989, UR 1990 S. 212) liegt, auch wenn zeitweilig keine Umsätze ausgeführt werden, ein Ende der unternehmerischen Betätigung nicht vor, wenn der Unternehmer die Absicht hat, das Unternehmen weiterzuführen oder in absehbarer Zeit wiederaufleben zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn die Unterbrechung der Tätigkeit einen größeren Zeitraum einnimmt.

Im o.g. Fall der Vereinsgemeinschaft kann davon ausgegangen werden, dass durch die regelmäßige Durchführung der Festveranstaltungen und die bestehende Absicht, auch künftig so zu verfahren, die Unternehmereigenschaft der Vereinsgemeinschaft fortdauert. Die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG hängt in diesem Fall somit entsprechend dem Gesetzeswortlaut davon ab, ob der Vorjahresumsatz 16.620 EUR nicht überstiegen hat und ob der Umsatz im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.

 

Berücksichtigung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes, Kleinunternehmerregelung

Die Privatverwendung eines teilunternehmerisch verwendeten Gegenstandes – ausgenommen Grundstücke im Sinne des § 15 Abs. 1b UStG – ist nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG steuerbar, wenn dieser Gegenstand dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden ist und dessen unternehmerische Verwendung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Hieran fehlt es, wenn der Unternehmer als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall findet § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG keine Anwendung, so dass folglich bei der Berechnung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unentgeltliche Wertabgabe nicht hinzuzurechnen ist.

Sofern der Kleinunternehmer einen solchen teilunternehmerisch verwendeten Gegenstand in einem Besteuerungszeitraum erworben hat, in dem die Voraussetzungen des § 19 UStG noch nicht vorlagen bzw. er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, liegt im Geltungsbereich des § 19 Abs. 1 UStG eine Änderung der Verhältnisse vor (§ 15a Abs. 7 UStG), die im Berichtigungszeitraum unter Berücksichtigung des § 44 UStDV zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führt. Auch in diesem Fall ist die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG bei der Berechnung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht zu berücksichtigen.

Die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG ist in die Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG einzubeziehen, wenn ein der Regelbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Gesamtumsatz des vorangegangenen Jahres im Hinblick auf die Grenze von 17.500 EUR ermittelt und die unentgeltliche Wertabgabe im vorangegangenen Kalenderjahr steuerbar war.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Abschnitt 19.3 Absatz 1 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1.10.2010 (BStBl 2010 I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 21.3.2012, IV D 2 – S 7238/11/10001 (2012/0244719), BStBl 2012 I S. …, geändert worden ist, wie folgt gefasst:

2Zum Gesamtumsatz gehören nicht die private Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, die nicht nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG steuerbar ist, und die Umsätze, für die der Unternehmer als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG ist.”

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Übergangsregelung des BMF-Schreibens vom 2.1.2012, BStBl 2012 I S. 60, ist zu beachten.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Wirtschaft und Verwaltung – Steuern – Veröffentlichungen zu Steuerarten – Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass – zum Herunterladen bereit.