I R 4/13 – Tatbestands- und Verfassungsmäßigkeit von § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009 und der dazu ergangenen Übergangsvorschriften – Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen – Vorrang der prinzipiellen Völkerrechtsfreundlichkeit des GG – Zulässigkeit eines Treaty Override – Vorlage an das BVerfG

BUNDESFINANZHOF Entscheidung vom 11.12.2013, I R 4/13

Tatbestands- und Verfassungsmäßigkeit von § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009 und der dazu ergangenen Übergangsvorschriften – Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen – Vorrang der prinzipiellen Völkerrechtsfreundlichkeit des GG – Zulässigkeit eines Treaty Override – Vorlage an das BVerfG

Leitsätze

1. Erhält ein in Italien ansässiger Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft Zinsen für ein von ihm der Gesellschaft gewährtes Darlehen, so können diese Zinsen nach dem DBA-Italien 1989 in Deutschland nicht als gewerbliche Gewinne besteuert werden (Bestätigung der ständigen Spruchpraxis). Ein deutsches Besteuerungsrecht kann sich insoweit aber infolge der in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 angeordneten Umqualifizierung von Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ergeben, wenn der Gesellschafter über keine anderweitige Betriebsstätte verfügt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 8. September 2010 I R 74/09, BFHE 231, 84, und Fortführung des Senatsurteils vom 12. Juni 2013 I R 47/12, BFHE 242, 107). Gleiches ergibt sich nunmehr aus § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG.

2. Eine sog. Mitunternehmerbetriebsstätte wird jedenfalls nicht durch die bloße Verwaltung eines Darlehens begründet (Bestätigung des Senatsurteils vom 12. Juni 2013 I R 47/12, BFHE 242, 107).

3. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt,

a) ob § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG verstößt, weil hierdurch Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) –hier Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen– für Zwecke der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten, obwohl das Besteuerungsrecht für die Vergütungen in einem solchen Abkommen völkerrechtlich dem anderen Vertragsstaat als dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers zugewiesen wird (hier nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989) und Deutschland lediglich ein Quellensteuerrecht zusteht (hier nach Art. 11 Abs. 2 DBA-Italien 1989);

b) ob in gleicher Weise § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG verstößt, weil hierdurch eine Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) für Zwecke der Anwendung des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ebenfalls ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters gilt;

c) ob § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 (nunmehr § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2002 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG) und § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) verfassungswidrig sind.

Tatbestand

1 
A. An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer inländischen GmbH & Co. KG, waren im Streitjahr 2000 die A-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin sowie B als Kommanditist beteiligt. Zwischen der Klägerin und Familienangehörigen des Kommanditisten bestand eine atypisch stille Gesellschaft, zu welcher der seinerzeit in Italien wohnende Beigeladene gehörte. Aus der Beteiligung erzielte letzterer Gewinnanteile von 15.000 DM sowie Zinsen von 718.952 DM, welche in Höhe von 669.544 DM aus einem der Klägerin gewährten Darlehen und in Höhe von 49.408 DM aus der Verzinsung seines Verrechnungskontos resultierten. Für die Zinszahlungen wurde in Italien Einkommensteuer festgesetzt.
2 
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) bezog die Zinszahlungen mit Blick auf § 50d Abs. 10 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) –EStG 2002 n.F.– in die einheitliche und gesonderte Feststellung der Klägerin ein. Nach Auffassung der Klägerin und des Beigeladenen steht das Besteuerungsrecht hierfür jedoch nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18. Oktober 1989 (BGBl II 1990, 741, BStBl I 1990, 397) –DBA-Italien 1989– nicht der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), sondern Italien zu; Deutschland habe wegen § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. –entgegen Art. 11 Abs. 2 DBA-Italien 1989– auch kein Recht, Kapitalertragsteuer auf die Zinsen einzubehalten.
3 
Die deswegen –nach Ergehen einer ablehnenden Teileinspruchsentscheidung– erhobene Klage war erfolgreich; das Finanzgericht (FG) München gab ihr durch Urteil vom 8. November 2012  10 K 1984/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 455 statt.
4 
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5 
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6 
Der Beigeladene schließt sich in der Sache der Klägerin an, stellt selbst aber keine Anträge.
7 
Zwischenzeitlich –am 29. Mai 2013– ist dem Rechtsbehelfsbegehren der Klägerin betreffend die übrigen, bis dahin aufgrund des erhobenen Einspruchs noch unbeschiedenen Streitpunkte vom FA entsprochen und der angefochtene Feststellungsbescheid geändert worden.

Entscheidungsgründe

 
8 
B. Die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht geboten, weil zur Überzeugung des Senats die Regelungen des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. bzw. i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 8. Oktober 2009 (BGBl I 2009, 3366, BStBl I 2009, 1346) –EStG 2009 a.F.– und des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 790, Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz –AmtshilfeRLUmsG–) –EStG 2009 n.F.– gegen bindendes Völkervertragsrecht als materielle Gestaltungsschranke verstoßen und damit der in Art. 25 GG niedergelegten Wertentscheidung des Grundgesetzes zum Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zuwiderläuft, ohne dass dafür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt. Dadurch wird die Klägerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten subjektiven Grundrecht auf Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung und damit auch des sog. Gesetzesvorbehalts verletzt.
9 
I. Anwendung von § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. im Streitfall
10 
1. Das FG hat die an den Beigeladenen für das von diesem begebene Darlehen gezahlten Zinsen zutreffend als Betriebsausgaben der Klägerin berücksichtigt. Es hat ebenso zutreffend angenommen, dass es sich bei den entsprechenden Vergütungen aus der Sicht des Beigeladenen als atypisch still an der Klägerin Beteiligten um Sondervergütungen handelt, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (1997) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Als solche sind sie bei ihm nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (1997) der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Denn für den fraglichen Gewerbebetrieb wird im Inland eine Betriebsstätte unterhalten, welcher die zugrunde liegende Darlehensforderung wirtschaftlich schon deswegen zuzurechnen ist, weil es –einerseits– an einer anderweitigen Betriebsstätte des Beigeladenen mangelt, es –andererseits– aber prinzipiell einer Betriebsstättenzuordnung bedarf (s. dazu nachfolgend unter B.II.2.b.dd) und die notwendige Zuordnung sich insoweit nach nationalem Recht richtet.
11 
2. Das deutsche Besteuerungsrecht an den Zinsen wird jedoch ausgeschlossen, da sie nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989 in Italien besteuert werden können.
12 
a) Der Beigeladene hatte im Streitjahr keinen Wohnsitz im Inland; er war nur in Italien ansässig. Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Vertragsstaat besteuert werden, Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989. Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Empfänger der Zinsen der Nutzungsberechtigte ist, 10 v.H. des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen, Art. 11 Abs. 2 Satz 1 DBA-Italien 1989. Bezieht eine in Italien ansässige Person Einkünfte, die in Deutschland besteuert werden können, so kann Italien bei der Festsetzung der Einkommensteuer diese Einkünfte von hier nicht einschlägigen Vorbehalten abgesehen in die Bemessungsgrundlage dieser Steuern einbeziehen (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Italien 1989). In diesem Fall zieht Italien von den auf diese Weise festgesetzten Steuern die in Deutschland gezahlte Einkommensteuer und ggf. die Gewerbesteuer im Rahmen näher bestimmter Höchstbeträge ab (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-Italien 1989). Ist umgekehrt Deutschland der Ansässigkeitsstaat, werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Italien ausgenommen, die nach diesem Abkommen in Italien besteuert werden können (Art. 24 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 DBA-Italien 1989); die italienische Steuer, die nach dem Recht Italiens und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen u.a. von Zinsen erhoben wird, wird auf die deutsche Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer angerechnet (Art. 24 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 Unterabs. ii DBA-Italien 1989).
13 
b) Im Streitfall ist Italien der Ansässigkeitsstaat des Beigeladenen als des nutzungsberechtigten Zahlungsempfängers der Zinsen. Italien als dem "anderen Staat" im Sinne der vorgenannten Vorschriften steht deswegen daran im Rahmen der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht das Besteuerungsrecht zu, Deutschland als Herkunftsstaat der Zinsen hingegen lediglich das der Höhe nach begrenzte Recht zur Quellenbesteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG [1997]).
14 
c) Diese Besteuerungszuordnung gilt unbeschadet dessen, dass die Zinsen nach deutschem Steuerrecht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG (1997) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind und dass gewerbliche Einkünfte den Unternehmensgewinnen nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 und 2 DBA-Italien 1989 unterfallen; die speziellere Einkunftsart nach Art. 11 DBA-Italien 1989 geht ebenso wie die zwischenstaatlich dafür vereinbarte Einkunftszuordnung infolge des in Art. 7 Abs. 7 DBA-Italien 1989 angeordneten sog. Spezialitätenvorrangs vor. Nationale Besonderheiten –wie hier in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. § 20 Abs. 3) EStG (1997) für Sondervergütungen– treten dahinter zurück (vgl. Art. 3 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development [OECD] –OECD-MustAbk–, Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien 1989). Nur dieses Auslegungsergebnis entspricht den abkommensrechtlichen Zusammenhängen, die für die betreffenden Einkünfte entsprechende und ausschließliche Einkunftskategorien (nämlich in Art. 6, Art. 10 bis Art. 12, Art. 15 bis Art. 19 OECD-MustAbk, DBA-Italien 1989) vorbehalten, und nur dieses Ergebnis trägt mithin der zwischenstaatlich gebotenen Entscheidungsharmonie bei der Auslegung des Abkommens hinreichend Rechnung (ebenso Frotscher, Internationales Steuerrecht –IStR– 2009, 593, 597).
15 
Nichts anderes ergibt sich aus dem sog. Partnership Report der OECD aus dem Jahre 1999 (The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, in Issues in International Taxation No. 6 [1999]). Die betreffenden Einkünfte sind danach grundsätzlich Unternehmensgewinne. Für den sog. Inbound-Fall hat das zur Folge, dass das Besteuerungsrecht stets Deutschland als dem Quellenstaat zusteht. Im sog. Outbound-Fall gilt im Prinzip Gleiches: Stuft der andere Vertragsstaat die Einkünfte nach einer spezifischen Einkunftsart ein, liegt ein Qualifikationskonflikt vor. Die OECD löst diesen Konflikt in der Weise, dass dem innerstaatlichen Recht des Ansässigkeitsstaats der Vorrang eingeräumt wird (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk). Das soll dem Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 OECD-MustAbk (oder entsprechenden Switch over-Klauseln) entnommen werden können. Der Senat ist anderer Ansicht, weil sich die von der OECD erwünschte Rechtsfolge jedenfalls dem Methodenartikel, wie er in Art. 24 Abs. 1 DBA-Italien 1989 vereinbart ist, gerade nicht entnehmen lässt. Unbeschadet dessen lässt sich die im Partnership Report der OECD niedergelegte Rechtsauffassung für das DBA-Italien 1989 schon deswegen nicht fruchtbar machen, weil sie als bloße "Meinungsäußerung" verschiedener Fisci kraft Mehrheitsbeschlusses innerhalb des OECD-Steuerausschusses weder maßgeblich noch verbindlich für die (als solche autonome) Abkommensauslegung durch die (nationalen) Gerichte ist; für diese ist prinzipiell rein statisch (nur) auf die Gegebenheiten und Vorstellungen der Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses –hier also das Jahr 1989– abzustellen.
16 
Im Einzelnen verweist der Senat zu alledem auf seine ständige Spruchpraxis (seit den Senatsurteilen vom 27. Februar 1991 I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444; vom 31. Mai 1995 I R 74/93, BFHE 178, 74, BStBl II 1995, 683; vom 16. Oktober 2002 I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631) –und hierbei insbesondere auf das ebenfalls zu Zinseinkünften ergangene Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 5/06 (BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356)– welcher sich der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 10. August 2006 II R 59/05 (BFHE 214, 518, BStBl II 2009, 758) für die Zuordnung von Darlehensforderungen nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/1969 angeschlossen hat. Der Senat verweist ferner auf sein zu Lizenzvergütungen (i.S. von Art. 12 DBA-USA 1989) ergangenes Urteil vom 8. September 2010 I R 74/09 (BFHE 231, 84) sowie das zu Ruhegehältern (i.S. von Art. 18 DBA-USA 1989) ergangene Urteil vom 7. Dezember 2011 I R 5/11 (BFH/NV 2012, 556). Die darin aufgestellten Rechtsgrundsätze, an denen der Senat uneingeschränkt festhält, gelten hier wie dort gleichermaßen.
17 
d) Ein Besteuerungsrecht Deutschlands lässt sich nicht aus der Rückverweisung in Art. 11 Abs. 5 DBA-Italien 1989, dem sog. Betriebsstättenvorbehalt, ableiten. Danach ist u.a. Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. In diesem Fall können die Zinsen im anderen Vertragsstaat nach dem Recht dieses Staats besteuert werden. Diese Voraussetzung ist aber im Streitfall nicht erfüllt.
18 
Zwar übt der Beigeladene im Inland eine gewerbliche Tätigkeit durch eine hier gelegene Betriebsstätte aus. Denn er war Gesellschafter der Klägerin, und die Betriebsstätten einer Personengesellschaft sind abkommensrechtlich deren Gesellschaftern als eigene zuzurechnen (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356, m.w.N.), und deshalb können die Gewinne, die er aus der mitunternehmerischen Beteiligung an der Klägerin erzielt hat, auch in Deutschland besteuert werden, jedenfalls insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können. Das ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989. Jedoch greift die Rückverweisungsklausel des Art. 11 Abs. 5 DBA-Italien 1989 im Streitfall deshalb nicht durch, weil die in Rede stehende Darlehensforderung nicht tatsächlich zu der deutschen Betriebsstätte gehört. Der Umstand, dass die Zinsen nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts als Sondervergütungen des Beigeladenen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) anzusehen und dem Gewinn der Gesellschaft und mithin den von ihr unterhaltenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, widerspricht dem nicht. Ausschlaggebend ist, dass die zugrunde liegende Darlehensforderung des Beigeladenen nur dann in der gebotenen tatsächlichen Weise zu der Betriebsstätte gehören kann, wenn sie aus der Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bildet. Auch zu diesem Punkt verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356 und die darin gegebenen weiteren Erwägungen und Nachweise. Unabhängig davon ist Art. 11 Abs. 5 DBA-Italien 1989 ohnehin nicht einschlägig, stellt man nicht auf die schuldrechtliche Forderung (hier des Beigeladenen als Gläubiger), sondern auf die damit korrespondierende schuldrechtliche Verbindlichkeit (hier der Klägerin als Schuldnerin) ab (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444; Frotscher, IStR 2009, 593, 594).
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3. In Reaktion auf die zitierte Spruchpraxis des Senats sowie des II. Senats des BFH hat der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2009 allerdings mit § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F., nunmehr § 50d Abs. 10 EStG 2009 a.F., eine Regelung geschaffen, welche darauf abzielt, das deutsche Besteuerungsrecht unbeschadet dieser Spruchpraxis sicherzustellen (vgl. BTDrucks 16/11108, S. 23). Nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Nr. 3 Halbsatz 2 EStG (1997), auf die die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, das –wie das DBA-Italien 1989– keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne. Nach § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F./EStG 2009 a.F. (nunmehr § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F.) und nach § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. ist die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
20 
a) Konsequenz dieser Regelung des § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. ist, dass für Sondervergütungen im Ausgangspunkt allein Art. 7 OECD-MustAbk –und damit im Streitfall Art. 7 DBA-Italien 1989– anzuwenden ist. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Italien 1989 können gewerbliche Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können die gewerblichen Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-Italien 1989). Nach Art. 7 Abs. 2 DBA-Italien 1989 werden dieser Betriebsstätte die gewerblichen Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte.
21 
b) Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. werden durch den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt.
22 
aa) Indem § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. Sondervergütungen abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen unterwirft, kommt zwar –jedenfalls im Ausgangspunkt– Art. 7 OEDC-MustAbk (hier Art. 7 DBA-Italien 1989) und kommen nicht Art. 10, Art. 11 und Art. 12 OECD-MustAbk zum Zuge. Das bedingt strenggenommen einen Zirkelschluss der Anwendung, weil dann nicht nur Art. 7 Abs. 1 OECD-MustAbk, sondern diese Abkommensvorschrift insgesamt anzuwenden ist, also einschließlich des sog. Spezialitätenvorrangs in Art. 7 Abs. 7 OECD-MustAbk (hier Art. 7 Abs. 7 DBA-Italien 1989), der –wenn auch seinerseits unter dem sog. Betriebsstättenvorbehalt in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3 OECD-MustAbk– wiederum zu Einkünften nach den jeweils spezielleren Einkunftsarten führt. So gesehen würde der Anwendungsbefehl des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. schon im Ansatz unterlaufen. Doch hält der Senat ein derartiges Regelungsverständnis im Ergebnis für nicht vertretbar (im Ergebnis ebenso z.B. Frotscher, IStR 2009, 593, 594 f.; offen noch im Senatsurteil in BFHE 231, 84). Es würde der mit der Regelung beabsichtigte Zweck mit einer letztlich formal-strikten Spitzfindigkeit auf den Kopf stellen. Bei richtiger Lesart ist vielmehr zu unterstellen, dass der Gesetzgeber mit der angeordneten Umqualifikation der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne lediglich Art. 7 Abs. 1 OECD-MustAbk zur Anwendung bringen wollte.
23 
bb) Bleibt es infolgedessen bei der Anwendung (nur) von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 OEDC-MustAbk (hier Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989), bestimmt sich die abkommensrechtliche Zurechnung der den Zinsen zugrunde liegenden Darlehensforderung und der Darlehensverbindlichkeit zu der dem Beigeladenen von der Klägerin vermittelten Betriebsstätte nach allgemeinen Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten, und dieser Zuordnungsmaßstab deckt sich im Ergebnis mit der Zurechnung nach wirtschaftlichen Maßstäben, wie sie nach der innerstaatlichen Regelungslage des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (1997) geboten ist. Die vereinnahmten Zinsen sind damit als Unternehmensgewinne einer Inlandsbetriebsstätte i.S. von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989 zu behandeln. Der Senat hält auch insoweit an seiner Spruchpraxis fest und verweist auf seine Urteile vom 13. Februar 2008 I R 63/06 (BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414) und vom 12. Juni 2013 I R 47/12 (BFHE 242, 107, jeweils m.w.N.).
24 
cc) Eine möglicherweise anderweitige wirtschaftliche Zuordnung des Darlehens zu einer sog. Mitunternehmerbetriebsstätte des Beigeladenen in Italien scheidet unter den Gegebenheiten des Streitfalles aus. Das zum einen deswegen, weil es sich für die bloße Verwaltung des ausgereichten Darlehens bei der abkommensrechtlich gebotenen isolierten Betrachtung um Vermögensverwaltung handelt, nicht aber um eine unternehmerische Betätigung, welche allein eine Betriebsstätte im Abkommenssinne (vgl. Art. 5 Abs. 1 OECD-MustAbk, Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien 1989) begründen könnte, und zum anderen, weil nichts dafür ersichtlich oder dargetan ist, dass die Verwaltung in einem möglichen Veranlassungszusammenhang zu einem vom Beigeladenen in Italien tatsächlich unterhaltenen gewerblichen Unternehmen gestanden hätte (s. zu einer derartigen Konstellation Senatsurteil in BFHE 231, 84). Soweit die Klägerin diesbezüglich Gegenteiliges behauptet, wird dies durch tatrichterliche Feststellungen jedenfalls nicht unterstützt. Auch dazu nimmt der Senat auf sein Urteil in BFHE 242, 107 Bezug.
25 
dd) Ebenso wenig kann gänzlich auf die Zuordnung zu einer (hier der durch die Klägerin vermittelten) Betriebsstätte verzichtet werden. Die von der Klägerin befürwortete Annahme sog. betriebsstättenloser Einkünfte aus Gewerbebetrieb vertragen sich nicht mit dem vom Senat –im Urteil vom 19. Dezember 2007 I R 19/06 (BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398)– vertretenen Rechtsverständnis, an welchem ebenfalls festzuhalten und welches allgemein –und damit auch für Abkommenszusammenhänge– bedeutsam ist. Im Einzelnen bezieht sich der Senat dazu abermals auf sein Urteil in BFHE 242, 107.
26 
4. In gleicher Weise wäre zu entscheiden, stellt man auf die gemäß § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F. ebenfalls –und gemäß § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. neben § 50d Abs. 10 EStG 2009 a.F.– rückwirkend anzuwendende Regelungsneufassung des § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG 2009 n.F. ab. Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber abermals auf die Spruchpraxis des Senats –dieses Mal in dessen Urteil in BFHE 231, 84– reagiert. Sind auf eine Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden und enthält das Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung, gilt die Vergütung nach Satz 1 der Vorschrift für Zwecke der Anwendung des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt selbiges jetzt ausdrücklich auch für die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen. Diese tatbestandliche Erweiterung betrifft auch die im Streitfall zu beurteilende Darlehensverbindlichkeit (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444). Die danach vorzunehmende abkommensrechtliche Umqualifikation wird nunmehr zudem durch eine fiktive Zuordnungsregelung ergänzt: Nach § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG 2009 n.F. ist die Vergütung des Gesellschafters ungeachtet der Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung über die Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Betriebsstätte derjenigen Betriebsstätte der Gesellschaft zuzurechnen, der der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegende Leistung zuzuordnen ist. Für die Situation des Streitfalles stimmt die gesetzlich angeordnete Zuordnung insoweit allerdings mit den (unter B.I.3.b.bb) beschriebenen abkommensrechtlichen Zuordnungsmaßstäben überein und wirkt die abermalige Neuregelung deswegen –entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut– insoweit nicht "abkommensüberschreibend".
27 
5. Auf der Grundlage der vorstehenden Regelungslagen hätte die Revision des FA damit, die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. sowie des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. unterstellt, Erfolg: Das angefochtene Urteil der Vorinstanz wäre gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die von der Klägerin in gesetzlicher Prozessstandschaft gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO erhobene Klage gegen den zwischenzeitlich geänderten Feststellungsbescheid vom 29. Mai 2013, der nach § 127, § 68 FGO in das Klage- und Revisionsverfahren übergeleitet worden ist, wäre abzuweisen. Deutschland stünde an den von dem Beigeladenen im Streitjahr vereinnahmten Zinsen das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu.
28 
II. Verfassungsrechtliche Beurteilung
29 
Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass die genannten Vorschriften gegen Völkervertragsrecht verstoßen, dass für diese Verstöße keine tragfähigen Gründe bestehen und dass der Beigeladene als Gesellschafter der Klägerin infolgedessen in seinem subjektiven Grundrecht auf die Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung verletzt ist. Er ist überdies davon überzeugt, dass die rückwirkende Geltung beider Vorschriften, wie sie in § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F./2009 a.F. (nunmehr § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F.) und in § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. angeordnet wird, dem verfassungsrechtlich gewährten Vertrauensschutzgebot und damit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG nicht standhält.
30 
1. Die in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. getroffenen Regelungen weichen von Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989 und der darin völkerrechtlich zwischen beiden Staaten vereinbarten Verteilung und Zuordnung des Besteuerungsrechts ab. Sie brechen damit diese Vereinbarung und verstoßen gegen den Grundsatz des pacta sunt servanda, der gewohnheitsrechtlich zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört und der insoweit in Art. 26 und Art. 27 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (BGBl II 1985, 927) kodifiziert ist. Allerdings verwandelt dieser Grundsatz die einzelnen Normen völkerrechtlicher Verträge nicht ihrerseits ebenfalls in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 9. Juni 1971  2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 "Milchpulver", unter Hinweis auf BVerfG-Urteil vom 26. März 1957  2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363) "Reichskonkordat"). Vielmehr werden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und damit hier auch das DBA-Italien 1989 in Deutschland nicht unmittelbar, sondern nach Maßgabe von Art. 59 Abs. 2 GG nur mittelbar in der Form des Zustimmungsgesetzes vom 10. August 1990 (BGBl II 1990, 742, BStBl I 1990, 396) angewendet. Das (förmliche) Zustimmungsgesetz –sei es als sog. Transformationsakt, sei es als sog. Vollzugsbefehl ("Rechtsanwendungsbefehl", so BVerfG, z.B. Beschluss vom 14. Oktober 2004  2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 "Görgülü"; Urteile vom 3. Juli 2007  2 BvE 2/07, BVerfGE 118, 244 "ISAF-Mandat"; vom 4. Mai 2011  2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10, BVerfGE 128, 326 "Sicherungsverwahrung I und II"; vgl. umfassend und zum Diskussionsstand Rauschning in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Dezember 2009, Art. 59 Rz 137 ff., 144 f., m.w.N.)– ist ein einseitiger Akt des deutschen Gesetzgebers. Das Abkommen erhält dadurch innerstaatlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, das infolge der normhierarchischen Gleichrangigkeit mit Vorbehalten versehen, aufgehoben oder geändert werden kann. Ob durch einen Vorbehalt bzw. durch die Aufhebung oder Änderung Völkerrecht verletzt würde, ist eine andere Frage, die die formale Wirksamkeit des Vorbehalts bzw. der Aufhebung oder Änderung nicht berührt. Aus § 2 (nunmehr § 2 Abs. 1) der Abgabenordnung (AO) ergibt sich nichts anderes, weil die Vorschrift nicht den Fall betrifft, dass der Gesetzgeber –wie in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. geschehen– ausdrücklich eine vom Zustimmungsgesetz abweichende Regelung trifft; es gilt dann vielmehr der Grundsatz des lex posterior derogat legi priori. Art. 25 GG ist insoweit nicht angesprochen, weil Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören und auch nicht unter Art. 79 Abs. 1 GG fallen, weshalb die Einfügung der § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. kein den Art. 25 GG im Einzelfall mit der qualifizierten Mehrheit des Art. 79 Abs. 2 GG änderndes Gesetz voraussetzt. Schließlich gilt im Bereich des Art. 59 Abs. 2 GG kein "Alles-oder-nichts-Prinzip". Der innerstaatliche Gesetzgeber ist im Prinzip frei darin, im Zustimmungsgesetz Vorbehalte gegenüber der Anwendung bestimmter Abkommensvorschriften zu verankern.
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2. Wegen dieser Ausgangslage entspricht es herkömmlicherweise bis heute der wohl überwiegenden Rechtsauffassung im Schrifttum, dass der unilaterale "Bruch" des völkervertragsrechtlich Vereinbarten –das sog. Treaty overriding– zwar aus rechtspolitischer Sicht unerfreulich, dass darin aber kein verfassungsrelevanter Vorgang zu sehen ist (so z.B. Bron, IStR 2007, 431; Musil, Recht der internationalen Wirtschaft –RIW– 2006, 287; derselbe, Finanz-Rundschau –FR– 2012, 149, 151; Stein, IStR 2006, 505; Hahn, IStR 2011, 863; Frotscher, Steuerberater-Jahrbuch –StbJb– 2009/2010, S. 151; derselbe in Spindler/Tipke/Rödder [Hrsg.], Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, S. 687; derselbe, IStR 2009, 866; Jansen/ Weidmann, IStR 2010, 596; Brombach-Krüger, Die Unternehmensbesteuerung –Ubg– 2008, 324; Lehner/Waldhoff in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rz A 516a; Lehner, FR 2011, 1087; derselbe, IStR 2011, 733; derselbe in Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band XI Internationale Bezüge, 3. Aufl., § 251 Rz 56 ff.; Heger, Steuer und Wirtschaft International –SWI– 2011, 95; Karla, Steueranwaltsmagazin –SAM– 2011, 181; Mitschke, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2011, 2221; Wichmann, FR 2011, 1082; Thiemann, Juristenzeitung –JZ– 2012, 908; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, passim; derselbe, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2013, 195; Frau/Trinks, Die öffentliche Verwaltung –DÖV– 2013, 228; Schwenke, FR 2012, 443; derselbe in Baumhoff/Schönfeld [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und internationale Entwicklungen, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 41, 2012, S. 23 f.). Dem hat sich der erkennende Senat in seiner bisherigen Spruchpraxis angeschlossen (vgl. z.B. Urteil vom 13. Juli 1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129, dort m.w.N. zur älteren Literatur; Beschluss vom 17. Mai 1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781).
32 
3. Der Senat möchte an dieser Spruchpraxis –erneut und übereinstimmend mit seinem an das BVerfG gerichteten Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09 (BFHE 236, 304), dort betreffend die Regelung in § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710)– nicht festhalten. Er ist vielmehr der Überzeugung, dass die bislang vertretene Einschätzung den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Anforderungen nicht gerecht wird.
33 
a) Grund dafür gibt ihm die ursprünglich vor allem von Vogel angefachte (z.B. in Cagianut/Vallender [Hrsg.], Steuerrecht, Ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, Festschrift für Ernst Höhn, 1995, S. 461 ff.; in JZ 1997, 161; in Blankenagel/Pernice/Schulze-Fielitz [Hrsg.], Verfassung im Diskurs der Welt, Festschrift für Peter Häberle, 2004, S. 481 ff.; in IStR 2005, 29, und in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Einl. Rz 193 ff., 205) und in den letzten Jahren wieder aufgeflammte intensive Diskussion (z.B. Rust/Reimer, IStR 2005, 843; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 219 ff. und passim; Bron, IStR 2007, 431; Musil, RIW 2006, 287; derselbe, FR 2012, 149, 151; Stein, IStR 2006, 505; Hahn, IStR 2011, 863; Kempf/Bandl, Der Betrieb –DB– 2007, 1377; Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 108 ff.; Gosch, IStR 2008, 413; derselbe in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 50d Rz 25; Frotscher, StbJb 2009/2010, S. 151; derselbe in Spindler/Tipke/Rödder, a.a.O., S. 687; derselbe, IStR 2009, 593, sowie IStR 2009, 866; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.24 ff.; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596; Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Heger, SWI 2011, 95; Karla, SAM 2011, 181; Mitschke, DStR 2011, 2221; Wichmann, FR 2011, 1082; Lehner, FR 2011, 1087; derselbe, IStR 2011, 733; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 5a; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/ Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 20 AStG Rz 41 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, S. 34 ff., 87 ff. und passim; M. Lang in Lehner, Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, S. 59 ff.; Rauschning in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, a.a.O., Art. 59 Rz 137 ff., 143; Oellerich in Beermann/Gosch, AO § 2 Rz 86 ff.), welche ihrerseits an die zwischenzeitliche Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG anknüpft. Diese Rechtsprechung wird markiert durch die Beschlüsse in BVerfGE 111, 307 (319) –den sog. Görgülü-Beschluss– sowie vom 26. Oktober 2004  2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01 (BVerfGE 112, 1) –den sog. Alteigentümer-Beschluss– sowie –nachfolgend darauf aufbauend– das Urteil in BVerfGE 128, 326 in Sachen "Sicherungsverwahrung I und II".
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Das BVerfG bestätigt in diesen Entscheidungen die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verpflichtung aller staatlichen Organe zur Beachtung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl II 2010, 1198), die kraft Zustimmung gemäß Art. 59 Abs. 2 GG –nicht anders als ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (hier das DBA-Italien 1989)– in den Rang eines innerstaatlichen Bundesgesetzes überführt worden ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 111, 307, 316 f.; Urteil in BVerfGE 128, 326). Es äußert sich dahin, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, Völkervertragsrecht zu beachten, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen vorliegen, von denen das BVerfG die Zulässigkeit der Abweichung vom Völkervertragsrecht abhängig macht. Darauf aufbauend ergibt sich aus Sicht des BVerfG in dem sog. Alteigentümer-Beschluss die Verpflichtung aller Staatsorgane, "die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen". Aus diesen Erkenntnissen ist –aus Sicht des erkennenden Senats zu Recht– der Umkehrschluss gezogen worden: Der Gesetzgeber wird von Verfassungs wegen (und damit basierend auf dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG) in die Pflicht genommen, Völkervertragsrecht zu beachten. Die prinzipielle Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist vorrangig. Sie nimmt dem Gesetzgeber –in Abkehr von der bisherigen (und früher auch vom BVerfG vertretenen, s. sub B.II.1.) Sichtweise– "die Verfügungsmacht über den Rechtsbestand" (so –mit allerdings noch anderem Ergebnis– BVerfG-Urteil in BVerfGE 6, 309, 363) und wirkt für den Gesetzgeber unbeschadet dessen demokratisch-legitimierten Rechtssetzungsbefugnissen als unmittelbar bindendes Gebot wie als materiell-rechtliche "Sperre". Ausnahmen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Die Voraussetzungen dafür sind eng; im sog. Alteigentümer-Beschluss wird dies präzisiert: Rechtfertigungsgründe sind die Beachtung der Menschenwürde, die Beachtung der Grundrechte. Das BVerfG verschiebt damit nicht die Rangfolge zwischen Zustimmungs- und speziellem Steuergesetz; es formt und bestimmt jedoch die inhaltlichen, die materiellen Maßstäbe für das, was an Spezielle(re)m zulässig ist und weist methodisch den Weg zu einer Erforderlichkeitsprüfung. Als "in diesem Sinne rechtsstaatlich kann Art. 59 Abs. 2 GG daher nur dergestalt gedeutet werden, dass der Gesetzgeber" mit der Umsetzung "über seine Gesetzgebungskompetenzen verfügt und dadurch seine ungebundene Normsetzungsautorität in dem Maße, das der völkerrechtliche Vertrag vorgibt, einbüßt" (so Rust, a.a.O., S. 108 ff.). Ein Bruch des Völkervertragsrechts ist ausnahmsweise innerstaatlich bindend, "sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist". Damit weist das BVerfG den methodischen Weg zur Anwendung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auch für ein Treaty override: Es kommt für den Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsprinzipien von Rechtsstaat und Demokratie darauf an, ob dem Gesetzgeber gegenüber dem Vertragsbruch ein gleich sicheres, aber milderes Mittel zu Gebote steht (so Rust, ebenda; im Ergebnis ebenso z.B. Rust/Reimer, IStR 2005, 843; Jankowiak, a.a.O., S. 219 ff. und passim; Gosch, IStR 2008, 413; derselbe in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 25; Schaumburg, a.a.O., Rz 3.24 ff.; Kempf/Bandl, DB 2007, 1377; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 20 AStG Rz 41 ff.; Oellerich in Beermann/Gosch, AO § 2 Rz 89 f.; Rauschning in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, a.a.O., Art. 59 Rz 137 ff., 143).
35 
b) Der Senat macht sich diese Überlegungen zu eigen. Er erkennt in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. einen Völkerrechtsverstoß, der sich nicht nur im Sinne einer möglichen völkerrechtsfreundlichen Normauslegung auswirkt, sondern der in dem prinzipiellen Vorrang des Abkommens begründet ist und der aus verfassungsrechtlicher Sicht die Nichtigkeit der "abkommensüberschreibenden" unilateralen Vorschrift nach sich zieht.
36 
aa) Bei § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. handelt es sich um ein Treaty override: Völkerrechtlich haben Deutschland und Italien sich für Zinsen auf die Freistellungsmethode und auf das Quellenprinzip verständigt, und Zinsen können unter den im Streitfall festgestellten Gegebenheiten im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers besteuert werden. Das ist hier für den Beigeladenen Italien. Die beschriebene Freistellung ist in Deutschland vorbehaltlos und unbedingt vereinbart und ebenso vorbehaltlos und unbedingt kraft Zustimmung in nationales Recht überführt worden. In Einklang damit fehlt es insoweit an einer abkommenseigenen Rückfallklausel –einer sog. subject to tax-Klausel– zugunsten des Herkunftsstaats der Zinsen.
37 
bb) Allerdings ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien (in BTDrucks 16/11108, S. 23 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009) erkennbar der Auffassung, in einer Regelung, wie sie in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. enthalten ist, sei "keine Überschreibung (treaty override) eines DBA zu sehen; denn es geht lediglich um eine – der Auffassung des BFH widersprechende – innerstaatlich verbindliche Auslegung des DBA-Ausdrucks ‚Unternehmensgewinne‘, den die DBA selbst nicht definieren". Die Behandlung der Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte sei ein tragender Grundsatz der Besteuerung von Mitunternehmerschaften im deutschen Steuerrecht und führe zur Gleichbehandlung von Einzelunternehmern und Gesellschaftern von Mitunternehmerschaften. Das Ergebnis der Anwendung dieses Grundsatzes sei, dass der Mitunternehmer nicht nur in Bezug auf seinen Gewinnanteil, sondern auch in Bezug auf die Sondervergütungen damit einen Teil des Gewerbeertrages repräsentiere. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Besteuerung inländischer und ausländischer Gesellschafter sei es daher unumgänglich, eine DBA-Anwendungsregelung zu schaffen, die anordnet, dass die genannten Vergütungen für Zwecke der DBA-Anwendung den Unternehmensgewinnen zuzuordnen sind.
38 
Mit diesem Regelungsverständnis widersetzt sich der Gesetzgeber den geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Denn völkerrechtliche Vereinbarungen und die darin enthaltenen Begriffe sind primär autonom nach Maßgabe völkerrechtlicher Grundsätze auszulegen (umfassend Gosch, Internationale Steuer-Rundschau 2013, 87; derselbe in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 42, 2013, S. 1 ff.; jeweils m.w.N.). Zwar hat bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staats über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt. Doch gilt das erklärtermaßen nur dann, "wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert", und ein solcher Zusammenhang ist hier gegeben. Es bleibt also beim Vorrang abkommensautonomer Auslegungsgrundsätze und ist Anleihe beim jeweiligen nationalen Recht nur subsidiär zu nehmen. Diesen Vorgaben hat jeder Abkommensinterpret Rechnung zu tragen, auch und vor allem haben das im Rahmen der Gewaltenteilung und der ihnen zugewiesenen Rechtsschutzgewährung die Gerichte. Ihnen allein ist im Rahmen ihrer Fachzuständigkeit letztlich die verbindliche Auslegung einer Norm überantwortet (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 19. Oktober 1983  2 BvR 298/81, BVerfGE 65, 196; Beschluss vom 17. Juni 2004  2 BvR 383/03, BVerfGE 111, 54, 107; Beschluss vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369), und diese Verantwortung wird nicht mittels einer authentischen Regelungsinterpretation des Gesetzgebers überlagert (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 369). Indem das nationale Gesetz sich über diese international allgemein anerkannten völkerrechtlichen Auslegungs- und Anwendungsvorgaben in Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk (hier bezogen auf Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien 1989) einseitig im Sinne des nationalen Steuerrechts hinwegsetzt, werden diese folglich "überschrieben". Dass der Gesetzgeber das anders gesehen hat und dass die Regelungen infolgedessen nicht als "offenes", sondern als "verdecktes" Treaty overriding –ohne ausdrückliche Kennzeichnung als materieller Abkommensvorbehalt (sog. Melford-Klausel: "ungeachtet der Vorschriften eines DBA"; vgl. Gosch, IStR 2008, 413; Frotscher, IStR 2009, 593, 597, m.w.N.)– zu erkennen sind, widerspricht dem nicht. Auch ein verdecktes Treaty overriding ist aufgrund seines Inhalts und seiner Wirkungsweise als solches zu qualifizieren (im Ergebnis ebenso Frotscher, IStR 2009, 593, 595 und 597 f., und IStR 2009, 866; derselbe, StbJb 2009/2010, 151; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 44a; und allgemein z.B. Oellerich in Beermann/Gosch, AO § 2 Rz 75; Schild/Eisele, IStR 2005, 217, 221; Bron, IStR 2007, 431, 433; s. auch BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987  2 BvR 589/79, 740/81  2 BvR 284/85, BVerfGE 74, 358).
39 
cc) Eine Rechtfertigung für den Völkerrechtsverstoß erkennt der vorlegende Senat nicht.
40 
aaa) Ausweislich der zitierten Gesetzesmaterialien ging es dem Gesetzgeber im Kern um die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Mitunternehmern. Dieses Gesetzesziel mag vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG hinnehmbar erscheinen. Es blendet indessen aus, dass sich eine derartige Gleichheit vor dem Hintergrund der abkommensrechtlich verbindlich eingegangenen Vereinbarungen nicht rechtfertigen lässt. Aus Verfassungssicht darf nicht außer acht gelassen werden, dass ausschließlich im Inland tätige Steuerpflichtige in einem anderen Regelungszusammenhang agieren. Gleiches gilt für Steuerpflichtige, welche zwar im Ausland agieren, jedoch in einem Staat, mit dem Deutschland sich abkommensrechtlich auf die sog. Anrechnungsmethode verständigt hat. Solchen Steuerpflichtigen steht keine Steuerfreistellung zu. Richtigerweise muss deswegen auch die maßgebende Vergleichsgruppe eine andere sein: Derjenige Steuerpflichtige, der unter den Voraussetzungen der abkommensrechtlich vereinbarten Freistellungsmethode Einkünfte vereinnahmt, die aus dem jeweils anderen Vertragsstaat stammen, kann nur mit ebensolchen Personen verglichen werden. Mit Steuerpflichtigen, die ausschließlich über entsprechende Inlandsbeziehungen verfügen oder die mit ihren Auslandseinkünften unter Anrechnung einer ausländischen Steuer im Inland besteuert werden, sind Steuerpflichtige mit einschlägigen, freigestellten Auslandseinkünften so gesehen bereits im Ausgangspunkt ebenso wenig vergleichbar, wie dies beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1976  1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1, BStBl II 1977, 190; s. auch Beschlüsse vom 24. Februar 1989  1 BvR 519/87, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1990, 359; vom 9. Februar 2010  2 BvR 1178/07, IStR 2010, 327; s. vor diesem Hintergrund zur gleichheitsrechtlichen Unvereinbarkeit der Methode der Freistellung und der Methode der Anrechnung als beiderseitige Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch den Antrag des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2013 A 2013/0010 an den österreichischen Verfassungsgerichtshof, abrufbar unter www.vwgh.gv.at/rechtsprechung/2010150039.pdf?458h7x). Es ist hier wie dort allein sachgerecht, die inländische (Gesamt-)Leistungsfähigkeit von der ausländischen (Teil-)Leistungsfähigkeit zu trennen und beide Leistungsfähigkeiten im jeweiligen Kontext einerseits mit dem Welteinkommensprinzip, andererseits mit dem Territorialitätsprinzip und als deren Konkretisierung und Ausformung zu erkennen (zutreffend Jankowiak, a.a.O., S. 100 ff., m.w.N.). Eine –gleichwohl grundsätzlich anzustrebende– Gleichbehandlung lässt sich in Anbetracht dessen in verfassungskonformer Weise immer nur im Rahmen einer möglichen –völkerrechtlich-autonomen– Abkommensauslegung erreichen. Sie kann jedoch nicht darüber hinausgehen und verbietet sich, wenn der Abkommenstext und die Abkommenssystematik eine solche Auslegung ausschließt (teilweise weiter gehend Lampert, a.a.O., passim, bezogen auf konkrete Qualifikationsdivergenzen S. 279 ff.), und das ist die Situation im Streitfall.
41 
bbb) Die vom Gesetzgeber durch § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. angestrebte Gleichbehandlung lässt sich aber auch aus einem anderen Grund als dem der "falschen" Vergleichsgruppe nicht erreichen. Zielt die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (1997) für Sondervergütungen angeordnete Gewerblichkeitsfiktion nämlich darauf ab, die Besteuerung von Einzelunternehmern und Mitunternehmern aneinander anzunähern, so muss diese Gleichbehandlung scheitern, sobald ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen worden ist, dass das Besteuerungsrecht für die Sondervergütungen dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist. Für Einzelunternehmer scheidet eine derartige Zuweisung aber aus; das Abkommen enthält für deren (gewerbliche) Einkünfte entsprechende Zuweisungsnormen nicht; Einzel- und Mitunternehmer befinden sich insofern also von vornherein nicht in einer vergleichbaren Lage (zutreffend Frotscher, IStR 2009, 593, 599).
42 
ccc) Dass nur das hier vertretene Verständnis richtig sein kann, erweist sich schließlich daran, dass Deutschland als Vertragsstaat zwischenstaatlicher Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Gleichheitsproblematik gerade bezogen auf Sondervergütungen von Mitunternehmern sehr wohl erkannt und dementsprechend eine Reihe von Abkommen geschlossen hat, die in Abstimmung mit den jeweiligen Vertragsstaaten einschlägige Sonderregelungen enthalten, z.B. die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit der Schweiz, mit Österreich, Weißrussland, Ghana, Kasachstan, Singapur, Tadschikistan, Usbekistan, Algerien, Uruguay (vgl. Hemmelrath in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 7 Rz 61; Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 801, 807 f.; Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301, 303), bis auf die Schweiz und Österreich durchweg also mit Staaten, denen das steuerliche Mitunternehmerkonzept und hierbei die besonderen Rechtsinstitute des Sonderbetriebsvermögens und der Sondervergütung nicht unbedingt geläufig sein dürften; ein etwaiges "Unverständnis" gegenüber diesem Konzept im Ausland, das einer bilateralen Verständigung entgegenstehen könnte, lässt sich sonach kaum als belastbares Gegenargument nutzen. Wenn Deutschland in anderen Abkommen und so auch im DBA-Italien 1989 aber –aus welchen Gründen auch immer– davon absieht, muss der deutsche Gesetzgeber sich das denn auch als verbindlich anlasten lassen (ebenso Frotscher, IStR 2009, 593, 597). Er ist aber nicht befugt, ein etwaiges abkommensrechtliches Regelungsdefizit einseitig zu überschreiben, und zwar gerade aus Gründen der Belastungsgleichheit. Denn die einseitige Maßnahme zieht regelmäßig zwangsläufig die doppelte Besteuerung eines und desselben Besteuerungssubstrats –hier der Darlehenszinsen– nach sich, weil dem anderen Vertragsstaat die Rechtsfigur der Sondervergütung des Mitunternehmers und die fiktive Einbeziehung solcher Vergütungen in die Gewerblichkeit gemeinhin unbekannt sein wird. Er wird die Zinsen statt dessen auch abkommensrechtlich als solche behandeln und dafür das ihm nach Art. 11 Abs. 1 OECD-MustAbk zugewiesene Besteuerungsrecht beanspruchen. So verhält es sich, soweit bekannt, auch und gerade im Verhältnis zu Italien (vgl. Krabbe in Wassermeyer, DBA, Art. 4 Italien Rz 32 und Art. 7 Italien Rz 14; Lobis, daselbst, Exkurs zu Art. 7 Italien Rz 41). Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird im Ergebnis infolge Doppelbesteuerung nachhaltig verletzt.
43 
ddd) Dass dem Gesetzgeber auch diese Ungereimtheit nicht fremd geblieben ist, zeigt sich daran, dass er in seinem "Reparaturgesetz" des § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. nunmehr erklärtermaßen mit Blick auf das regelmäßig abweichende Abkommensverständnis in dem anderen Vertragsstaat (BRDrucks 632/1/12, S. 15) und der deswegen drohenden Doppelbesteuerung –"im Sinne einer verfassungskonformen Ausgestaltung" (so Mitschke, FR 2013, 694, 696)– eine Möglichkeit zur Anrechnung der in dem anderen Vertragsstaat einbehaltenen Steuern geschaffen hat: Sind entsprechende Sondervergütungen einer Person zuzurechnen, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als im anderen Staat ansässig gilt, und weist der Steuerpflichtige nach, dass der andere Staat die Einkünfte besteuert, ohne die darauf entfallende deutsche Steuer anzurechnen, ist nach § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG 2009 n.F. die in diesem Staat nachweislich auf diese Einkünfte festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte, der deutschen Einkommensteuer entsprechende, anteilige ausländische Steuer bis zur Höhe der anteilig auf diese Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer anzurechnen. Der konstatierte Völkerrechtsverstoß wird aber auch dadurch nicht gerechtfertigt. Zum einen ändert die nunmehr geschaffene Möglichkeit der Steueranrechnung für die Zinseinkünfte nichts an jenem Verstoß, wenn –wie im DBA-Italien 1989– abkommensrechtlich eben nicht die Anrechnung, sondern die Freistellung vereinbart worden ist. Der Völkerrechtsverstoß bleibt als solcher bestehen, lediglich die Wirkungen werden unilateral abgemildert.
44 
Die Abmilderung wirkt aber unbeschadet dessen auch nur unzulänglich, sie ist nicht konsequent und folgerichtig ausgestaltet worden (s. zum verfassungsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebot z.B. und m.w.N. umfassend Englisch in Tipke/Seer/Hey/Englisch [Hrsg.], Gestaltung der Steuerrechtsordnung, Festschrift für Joachim Lang, 2010, S. 167): Nach dem bereits wiedergegebenen (s. B.II.3.b.bb) Regelungszweck von § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. ebenso wie von § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. zielen die Regelungen insbesondere darauf ab, Sondervergütungen in inländischen und ausländischen Konstellationen gleichermaßen als Teil auch des Gewerbeertrages zu behandeln. Diese Motivation kontrastiert aber mit dem Versuch, über die Anrechnung "salvierend" Doppelbesteuerungen zu vermeiden, weil gerade für die Gewerbesteuer als tragende Rechtfertigungssäule keine Anrechnungsmöglichkeit vorgesehen ist. Und das widerspricht dem DBA-Italien 1989 im Besonderen, weil auch die Gewerbesteuer –als Gegenstand des Abkommens (s. Art. 2 Abs. 3 Buchst. b Unterabs. iv DBA-Italien 1989)– von der an sich vereinbarten Freistellung profitieren würde. Denn gerade dann, wenn Italien –wie hier für den Beigeladenen– der Ansässigkeitsstaat ist, erfordert die Einbeziehung der Einkünfte, die in Deutschland besteuert werden können, in Italien den Abzug der in Deutschland gezahlten Einkommensteuer, und zwar einschließlich der Gewerbesteuer, soweit sie vom Ertrag erhoben wird (vgl. Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 i.V.m. Satz 1 DBA-Italien 1989). Hinzu kommt, dass die Steueranrechnung nach § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG 2009 n.F. ohnehin nur für eine Person vorgesehen ist, die im anderen Vertragsstaat als ansässig "gilt". Erfasst wird sonach eindeutig bloß eine doppelansässige Person, für die die Ansässigkeitsfiktion des Art. 4 Abs. 2 und 3 OECD-MustAbk (hier Art. 4 Abs. 2 und 3 DBA-Italien 1989) einschlägig ist, nicht aber eine solche Person, die –wie der Beigeladene– nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien im anderen Vertragsstaat aufgrund territorialitätsbezogener Merkmale ansässig und damit dort steuerpflichtig "ist". Die neugeschaffene Anrechnungsmöglichkeit taugt als Rechtfertigungsgrund für die Abkommensüberschreibung damit weder prinzipiell noch ihrer tatbestandlichen Ausgestaltung nach.
45 
Dass das für die Einkommensbesteuerung des Beigeladenen zuständige FA –wie die Klägerin und der Beigeladene haben wissen lassen– unter Hinweis auf den Eintritt der Bestandskraft des für das Streitjahr ergangenen Einkommensteuerbescheides den zwischenzeitlich gestellten Antrag abgelehnt hat, die in Italien auf die Zinsen erhobene Einkommensteuer nach Maßgabe von § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG 2009 n.F. anzurechnen, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung deswegen unbeachtlich. Allerdings müsste der Anrechnungsbetrag, zu dessen Höhe das angefochtene Urteil des FG nichts aussagt, nach Lage der Dinge ohnehin gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO –in einem von dem hier angefochtenen Bescheid verfahrensrechtlich zu trennenden Bescheid– einheitlich und gesondert festgestellt werden (s. Senatsurteil vom 18. Juli 1990 I R 115/88, BFHE 161, 499, BStBl II 1990, 951); das ist nach Mitteilung der Klägerin bis dato nicht geschehen, aber auch davon bleibt die verfassungsrechtliche Beurteilung unbeeinflusst.
46 
eee) Schließlich ist nicht erkennbar, dass Deutschland gezwungen gewesen wäre, mittels der in § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. getroffenen Neuregelungen in beschleunigter Weise –und deswegen unilateral– auf einen besonderen Missstand oder einen in besonderer Weise zutage tretenden Steuerausfall bei Sondervergütungen in grenzüberschreitenden Zusammenhängen zu reagieren. Jedenfalls hätte dem Gesetzgeber für das DBA-Italien 1989 –wie in Übereinstimmung mit Art. 31 OECD-MustAbk auch nach den meisten anderen deutscherseits geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung– zweifelsfrei ein anderweitiges, milderes Mittel der Reaktion zur Verfügung gestanden: Es war nach Art. 32 Satz 1 und 2 DBA-Italien 1989 unter Einhaltung einer Frist von mindestens sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres einseitig kündbar; das Abkommen war danach letztmals anwendbar auf die Steuern, die für spätestens am 31. Dezember des Kündigungsjahres endende Veranlagungszeiträume erhoben werden (Art. 32 Satz 3 Buchst. b DBA-Italien 1989). Der Gesetzgeber war also sehr wohl in der Lage, auch kurzfristig handeln zu können, und im Ergebnis überwiegt demnach das rechtsstaatliche Interesse an der Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen (s. ebenso Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 236, 304, m.w.N.).
47 
c) Nach der Überzeugung des Senats steht § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. nach allem nicht mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang. Die zitierte, vom BVerfG (im Beschluss in BVerfGE 111, 307, 319) dem Gesetzgeber zugestandene Ausnahme, "Völkervertragsrecht (…) nicht (zu beachten), sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist", liegt bei der Abgrenzung der Tatbestände im Steuerrecht im allgemeinen (s. auch z.B. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 272: "keinen zwingenden Grund des gemeinen Wohls") und bei den hier in Rede stehenden Vorschriften der § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. im Besonderen nicht vor. Der Senat erkennt in Anbetracht dessen keine andere Möglichkeit, dem klägerischen Begehren abzuhelfen. Insbesondere erscheint ihm als nicht gangbar, die ihrem Wortlaut nach insoweit unmissverständlichen Regelungen der § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. vermittels eines völkerrechtsfreundlichen und damit zugleich verfassungskonformen Normenverständnisses im Sinne dieses Begehrens auszulegen.
48 
d) Verstoßen § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. damit aber in gleichheitswidriger Weise gegen vorrangiges Völkervertragsrecht, so löst dies zugleich einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung aus, die in Art. 20 Abs. 3 GG Handlungsmaßstab und Bindung für die Gesetzgebung ist und woraus dem betroffenen Steuerpflichtigen, hier dem beigeladenen Gesellschafter der Klägerin, wiederum aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ein subjektives Recht auf Beachtung jener Ordnung erwächst (s. bereits Senatsbeschluss in BFHE 236, 304; ebenso Frotscher, IStR 2009, 593, und IStR 2009, 866; derselbe, StbJb 2009/2010, S. 151, der insoweit zusätzlich einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG anmahnt; s. auch Gosch, IStR 2008, 413).
49 
4. Der Senat ist schließlich der Überzeugung, dass die Neuregelungen insoweit nicht dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG standhalten, als sie nach § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F. (nunmehr § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F.) und nach § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. rückwirkend anzuwenden sind.
50 
a) Nach § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F./2009 a.F., jetzt § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F., ist § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Nach § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. ist auch § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Beide Anwendungsregelungen stehen nebeneinander. Sie stimmen letztlich überein und unterscheiden sich in der Wortwahl bloß in der Zeitform: § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F. begnügt sich damit, dass die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig "festgesetzt ist", wohingegen § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. verlangt, dass besagte Steuer noch nicht bestandskräftig "festgesetzt worden ist". Einen sachlichen Grund für diese Unterscheidung erkennt der Senat nicht. Ihm erschließt sich auch nicht der (systematische) Sinn für die gleichzeitige Anwendbarkeit beider Vorschriftenfassungen des § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. bzw. EStG 2009 n.F., obschon § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. unter Aufnahme des Regelungsinhalts von § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. doch neu gefasst worden ist.
51 
b) Davon abgesehen handelt es sich bei den Regelungsanordnungen bezogen auf den Streitfall (Streitjahr 2000) um sog. echte Rückwirkungen. Diese Rückwirkungen sind zur Überzeugung des Senats nicht zulässig; sie verletzen in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise das in einem Rechtsstaat prinzipiell geschützte Vertrauen des Bürgers in die gesetzte Rechtsordnung und widersprechen damit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG.
52 
aa) Das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004  2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 180). Dabei findet das Rückwirkungsverbot seinen Grund im Vertrauensschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996  1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64, 86 f.). Das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung greift daher aber auch nur dann ein, wenn eine gesetzliche Regelung dazu geeignet war, Vertrauen auf ihren Fortbestand in vergangenen Zeiträumen zu erwecken (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 27. Juni 1961  1 BvL 26/58, BVerfGE 13, 39, 45 f.; BVerfG, Entscheidung vom 23. März 1971  2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66, 2 BvR 196/66, 2 BvR 197/66, 2 BvR 210/66, 2 BvR 472/66, BVerfGE 30, 367, 389). Entscheidend ist, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 20. Oktober 1971  1 BvR 757/66, BVerfGE 32, 111, 123). Die Fundierung im Vertrauensschutz zeichnet zugleich die Grenze des Rückwirkungsverbotes vor (vgl. BVerfG, Entscheidung in BVerfGE 32, 111, 123; BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1993  1 BvR 1509/91, 1 BvR 1648/91, BVerfGE 88, 384, 404; BVerfG, Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 266). Dieses greift unter anderem dann nicht ein, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume bilden konnte (vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 88, 384, 404; BVerfG, Beschluss in BVerfGE 95, 64, 86 f.; BVerfG, Urteil in BVerfGE 101, 239, 263), etwa weil die Rechtslage unklar war (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 272; BVerfG, Beschluss in BVerfGE 126, 369).
53 
bb) Die zu § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F./2009 a.F., jetzt § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F., gegebene Begründung des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz 2009 rechtfertigt die Rückwirkung bezogen auf § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. damit, die neue Regelung entspräche der "bisher praktizierten Besteuerung" und diene der "Sicherstellung der steuerlichen Belastungsgleichheit" (BTDrucks 16/11108, S. 23). Angesichts der diametral gegenläufigen, langjährigen Spruchpraxis des BFH (erstmals in dem Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444, und sodann in den nachfolgenden Senatsurteilen in BFHE 178, 74, BStBl II 1995, 683, und in BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631) überzeugt das jedoch nicht. Diese Rechtsprechung war geeignet, entsprechendes Vertrauen zu schaffen. Infolge dieser durchgängigen Rechtsprechung konnte insbesondere nicht von einer "unklaren Rechtslage" gesprochen werden, die ungeeignet gewesen wäre, entsprechendes Vertrauen des Bürgers zu bilden. "Unklar" war die Rechtslage allenfalls in dem kurzen –und im Streitfall unbeachtlichen– Zeitraum "zwischen" den gesetzlichen Neuregelungen nach § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. Tatsächlich steht der Rückwirkung deshalb kein rechtfertigender Entlastungsgrund zur Seite (ebenso z.B. Chr. Schmidt, DStR 2010, 2436; Chr. Korn, DStR 2009, 2366; insoweit anders Frotscher, IStR 2009, 866).
54 
cc) Und Gleiches gilt für § 52 Abs. 59a Satz 10 i.V.m. § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. Dass infolge der Neufassung der Vorschrift durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz lediglich eine "entsprechende Klarstellung des gesetzgeberischen Willens" bewirkt werde, und dass sich in Ermangelung einer "gefestigten, langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung" ein schutzwürdiges Vertrauen nicht habe bilden können (so BRDrucks 632/1/12, S. 15, und das aufgreifend Mitschke, FR 2013, 694, 696), überzeugt abermals nicht, weil diese Behauptungen die bisherige gefestigte Rechtslage einmal mehr außer Acht lässt. Die Rückwirkung lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Neuregelung in § 50d Abs. 10 EStG 2009 n.F. als solche gegenüber der Vorgängerfassung der Vorschrift in Einzelfällen –und so auch im Streitfall– infolge der nunmehr vorgesehenen Anrechnungsmöglichkeit im Vergleich zu der vorherigen Regelung für den Steuerpflichtigen weniger belastend wirken kann. Denn allein ausschlaggebend ist, dass durch Satz 1 beider Vorschriftenfassungen das jeweils betreffende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gleichermaßen zum Nachteil des Steuerpflichtigen "überschrieben" wird (im Ergebnis ebenso z.B. C. Pohl, DB 2013, 1572; Chr. Schmidt, DStR 2013, 1704, 1710).
55 
dd) Schließlich sind beide Fassungen der Übergangs- und Anwendungsvorschriften einer etwaigen verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich; die jeweiligen Regelungen sind nach ihrem Wortlaut vielmehr eindeutig.
56 
III. Entscheidung des Senats
57 
In Anbetracht der hiernach vom Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit von § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2009 n.F. einerseits und § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F./EStG 2009 a.F. (nunmehr § 52 Abs. 59a Satz 11 EStG 2009 n.F.) und § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. andererseits war das Revisionsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und ist die Entscheidung des BVerfG über die im Leitsatz formulierten Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften einzuholen.

Quelle: bundesfinanzhof.de