BFH-Urteil vom 31.7.1991 (VIII R 89/86) BStBl. 1992 II S. 85

BFH-Urteil vom 31.7.1991 (VIII R 89/86) BStBl. 1992 II S. 85

§ 12 Nr. 4 EStG steht dem Abzug einer Geldstrafe als Betriebsausgabe nicht entgegen, wenn die von einem ausländischen Gericht festgesetzte Geldstrafe wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die im Streitjahr 1976 und in den vorangegangenen Jahren Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik Polen unterhielt. Zur Pflege und Ausweitung der Geschäftsbeziehungen reiste der persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin R wiederholt nach Polen. Im Jahre 1975 wurde er dort inhaftiert, weil ihm von den polnischen Behörden u. a. vorgeworfen wurde, Wirtschaftsspionage betrieben zu haben. Nach ca. sechsmonatiger Untersuchungshaft wurde R zu zwei Jahren Freiheitsentzug und zu einer Geldstrafe von 50.000 Zloty verurteilt. Die Verurteilung wurde darauf gestützt, daß R einem polnischen Geschäftspartner Vermögensvorteile in Form von Sachzuwendungen gewährt hatte, die das polnische Gericht als Gegenleistungen für geheime Wirtschaftsinformationen ansah. Nachdem die Klägerin eine Kaution von 149.054 DM gestellt hatte, wurde R freigelassen. Anschließend wurde die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt, deren Höhe der gezahlten Kaution entsprach.

Die Klägerin behandelte ihre Aufwendungen für die Kaution bzw. die Geldstrafe bei der Gewinnermittlung des Streitjahrs als betrieblichen Aufwand.

Im Anschluß an eine Außenprüfung bei der Klägerin ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) die Zahlung der 149.054 DM nicht mehr zum Abzug zu und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr.

Einspruch und Klage gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1976 vom 28. November 1980 blieben erfolglos.

Im finanzgerichtlichen Verfahren trug die Klägerin vor, bei den Sachleistungen, die Anlaß für die Verurteilung des R gewesen seien, habe es sich um Geldleistungen für Dolmetscherdienste, Fahrten mit dem privaten PKW, sonstige Auslagen und allgemeine Informationen wie z. B. devisenrechtliche und abwicklungstechnische Auskünfte gehandelt. Diese Auskünfte hätten auch über allgemein zugängliche Quellen beschafft werden können, so daß der Vorwurf der Wirtschaftsspionage unbegründet sei. Nach der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) herrschenden Rechtsauffassung seien die Vorgänge in Polen nicht strafbar gewesen.

Bei der gegen R verhängten Geldstrafe habe es sich um eine staatliche Willkürmaßnahme gehandelt, die keine wirkliche Bestrafung darstelle. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der in Österreich erscheinenden Zeitung „Die Presse“ Bezug genommen, in dem es heißt: „Die kommunistischen Staaten haben eine neue Sparte entdeckt, den Westen erfolgreich zur Kasse zu bitten. Unter dem Vorwand der Wirtschaftsspionage oder des Versuchs einer Bestechung werden Geschäftsleute aus der freien Welt bei ihren Dienstreisen in den Osten verhaftet und erst nach Zahlung eines saftigen Lösegeldes wieder freigelassen.“

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die streitige Zahlung könne nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden, da es sich dabei nicht um eine Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG -), sondern um Kosten der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gehandelt habe. Die Klägerin habe die Zahlung vor allem zur Wiederherstellung der persönlichen Freiheit ihres Gesellschafters R geleistet. Dies ergebe sich daraus, daß die Kaution erst gezahlt worden sei, als R bereits ca. sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht habe und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden sei. Derartige Aufwendungen seien – ebenso wie die Zahlung eines Lösegeldes an den Entführer eines Betriebsinhabers (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 30. Oktober 1980 IV R 27/77, BFHE 132, 235, BStBl II 1981, 303) – Kosten der Lebensführung.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4 EStG).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

a) das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1976 dahingehend abzuändern, daß der Gewinn der Klägerin um 149.054 DM niedriger festgestellt wird;

b) die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ermöglichen dem erkennenden Senat keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Klägerin die streitige Zahlung als Betriebsausgabe abziehen kann.

1. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Aufwendungen sind betrieblich veranlaßt, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschluß vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, 55, BStBl II 1984, 160). Nicht abziehbar sind Aufwendungen, die in den Bereich der privaten Lebensführung fallen (§ 12 Nr. 1 EStG).

Zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung gehören grundsätzlich auch Geldstrafen. § 12 Nr. 4 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 1984, 1006, BStBl I 1984, 401) bestimmt, daß in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift die schon bisher bestehende Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs – RFH – (vgl. z. B. Urteile vom 31. Oktober 1928 VI A 1147/28, RStBl 1929, 83; vom 20. Januar 1937 VI A 22/37, RStBl 1937, 427; vom 17. August 1938 VI 440/38, RStBl 1939, 229) und des BFH (vgl. BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, m. w. N.), daß Geldstrafen, die als Sühne für kriminelles Unrecht festgesetzt werden, nicht steuermindernd berücksichtigt werden können, bestätigt. Sie sind nach der klaren Entscheidung des Gesetzgebers in § 12 Nr. 4 EStG den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen (Urteil des Senats vom 22. Juli 1986 VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845, m. w. N.; BFH-Urteil vom 14. April 1986 IV R 260/84, BFHE 146, 411, 415, BStBl II 1986, 518). Das gilt auch dann, wenn die Straftat im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb begangen wurde (BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845). Denn bei Geldstrafen, die für kriminelles Unrecht verhängt werden, überwiegt die Beziehung zur Person des Täters. Maßgebend für ihre Festsetzung ist nicht der Umstand, daß die Tat in Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb begangen wurde, sondern die persönliche Schuld des Täters (BFHE 147, 346, 350, BStBl II 1986, 845).

Das in § 12 Nr. 4 EStG statuierte Abzugsverbot soll nach § 52 Abs. 19 a EStG, eingefügt durch das Gesetz vom 25. Juli 1984, auch für Veranlagungszeiträume vor 1983 Anwendung finden, sofern die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Diese Regelung verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verbot rückwirkender (belastender) Steuergesetze (BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845).

2. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG ist – anders als das Abzugsverbot für Geldbußen in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 und § 9 Abs. 5 EStG – nicht davon abhängig, daß die Geldstrafe von einem deutschen Gericht festgesetzt wurde. Das Abzugsverbot gilt deshalb grundsätzlich auch für Geldstrafen, die durch ein ausländisches Gericht verhängt wurden (Bordewin, Finanz-Rundschau – FR – 1984, 405, 411; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 12 Anm. 13). Es greift jedoch nicht ein, wenn die im Ausland verhängte Geldstrafe wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht (Regierungsbegründung zum Entwurf des Gesetzes vom 25. Juli 1984, BTDrucks 10/1314, S. 7, mit Hinweis auf § 73 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen). Nach § 73 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. Dezember 1982 (BGBl I, 2071) ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Eine ähnliche Regelung enthält § 328 Abs. 1 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bezüglich der Anerkennung von Urteilen ausländischer Zivilgerichte. Danach ist die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts u. a. ausgeschlossen, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; vgl. auch § 723 Abs. 2 ZPO und Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB -). Diese Vorschriften enthalten eine Durchbrechung des Rechtsgrundsatzes, daß Urteile eines ausländischen Gerichts von den deutschen Behörden und Gerichten nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden dürfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nach dem sog. Vorbehalt des ordre public geboten, wenn die Berücksichtigung des ausländischen Urteils in ihrem Ergebnis zu den Grundgedanken des deutschen Rechts und der ihm zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß sie aus deutscher Sicht untragbar erscheint (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 20. Juni 1979 IV ZR 106/78, BGHZ 75, 32, 43; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 16. Aufl., § 328 Anm. 2).

Ob das Urteil des ausländischen Gerichts wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht, hat das FG von Amts wegen zu prüfen. Insoweit gilt eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß es nicht Aufgabe der FG ist, die Richtigkeit strafgerichtlicher Urteile nachzuprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1964 VI 165/62 S, BFHE 79, 274, BStBl III 1964, 331). Die Prüfung bezieht sich sowohl auf das dem ausländischen Urteil vorangegangene Verfahren (vgl. dazu BGH-Urteile vom 18. Oktober 1967 VIII ZR 145/66, BGHZ 48, 327, und vom 19. September 1977 VIII ZR 120/75, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1978, 1114) als auch auf die Urteilsfindung selbst (vgl. BGH-Urteil vom 11. Oktober 1956 II ZR 305/55, BGHZ 22, 24). Bei der Prüfung, ob der Inhalt des ausländischen Urteils gegen den deutschen ordre public verstößt, ist von den tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts auszugehen, soweit diese verfahrensrechtlich ohne Verletzung fundamentaler Prinzipien des deutschen Prozeßrechts getroffen sind (Thomas/Putzo, a. a. O., m. w. N.). Maßgebend ist dabei nur, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts vom Standpunkt des deutschen Rechts zu mißbilligen ist; es kommt nicht darauf an, ob das ausländische Gesetz auf den gleichen Prinzipien wie das entsprechende deutsche beruht (BGH-Beschluß vom 26. September 1979 VIII ZB 10/79, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – WM – 1979, 1392).

Widerspricht die von einem ausländischen Gericht verhängte Geldstrafe dem deutschen ordre public, kann sie als Betriebsausgabe abgezogen werden, wenn sie für eine Tat verhängt wurde, die in Zusammenhang mit einer gewerblichen Betätigung begangen wurde (ebenso bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 12 Nr. 4 EStG: BFH-Urteil vom 18. Juli 1957 IV 374/56, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK -, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 4, Rechtsspruch 218).

3. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für Einzelunternehmer wie für Gesellschafter einer Personengesellschaft. Übernimmt die Personengesellschaft die Bezahlung einer gegen ihren Gesellschafter von einem inländischen Gericht verhängten Geldstrafe, so kann dadurch das Betriebsvermögen (Gesellschaftsvermögen) nicht vermindert werden; vielmehr handelt es sich um eine Entnahme aller oder eines der Gesellschafter, weil die Zahlung durch die Lebensführung des Gesellschafters veranlaßt ist. Das gilt auch dann, wenn die Straftat im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb der Gesellschaft steht. Ein Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben kommt jedoch dann in Betracht, wenn der Gesellschafter die Straftat in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tätigkeit für den Gewerbebetrieb der Gesellschaft begangen hat, die Geldstrafe von einem Gericht im Ausland festgesetzt wurde und die Strafe dem deutschen ordre public widerspricht. In einem solchen Fall wird der geschäftsführende Gesellschafter regelmäßig von der Gesellschaft den Ersatz seiner Aufwendungen nach § 110 Abs. 1 i. V. m. § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) verlangen können (vgl. dazu allgemein Ulmer in Staub, Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 110 Rdnrn. 18 ff.).

4. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt sich, daß das polnische Gericht R wegen einer Straftat, die in engem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin stand, zu der Geldstrafe verurteilt hat. Das FG hat die betriebliche Veranlassung dieser Zahlung mit der Begründung verneint, sie sei in erster Linie zur Wiederherstellung der persönlichen Freiheit des R geleistet worden und könne deshalb ebensowenig wie die Lösegeldzahlung eines entführten Unternehmers (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 27/77 und IV R 223/79, BFHE 132, 235, 240, BStBl II 1981, 303, 307) steuermindernd berücksichtigt werden. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die (später in eine Geldstrafe umgewandelte) Kaution nur zur Erfüllung einer betrieblichen Verbindlichkeit (vgl. § 110 HGB) oder auch deshalb gezahlt hat, um die persönliche Freiheit ihres Gesellschafters wiederherzustellen. Die in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafe (oder die vom Beschuldigten zum Zweck der Haftverschonung gestellte Sicherheit) kann dem von einem Verbrecher erpreßten Lösegeld selbst dann nicht gleichgestellt werden, wenn das Strafverfahren des ausländischen Gerichts rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt oder wenn der Urteilsausspruch wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht. Das FG kann sich für seine abweichende Ansicht nicht auf das BFH-Urteil in BFHE 132, 235, BStBl II 1981, 303 berufen. Der BFH hat in dieser Entscheidung den Abzug von Lösegeldzahlungen als Betriebsausgaben vor allem deshalb abgelehnt, weil das Risiko, entführt zu werden, nicht einer bestimmten Tätigkeit, sondern einer bestimmten Person anhaftet: Von der Gefahr einer Entführung seien nicht nur Gewerbetreibende, sondern grundsätzlich alle Personen mit einem hohen Einkommen oder einem großen Vermögen betroffen. Diese Erwägungen können auf die Festsetzung einer Geldstrafe oder Kaution in einem Strafverfahren nicht übertragen werden. Das Risiko, im Ausland bei geschäftlichen Kontakten wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage oder ähnlicher Delikte in ein Strafverfahren verwickelt zu werden, haftet nicht einer bestimmten Person an, sondern ist tätigkeitsbezogen. Der Vorwurf der Wirtschaftsspionage oder der aktiven Bestechung setzt zumindest voraus, daß der Beschuldigte Kontakt zu Unternehmen oder zu ausländischen Behörden aufgenommen und dabei gegen Normen des ausländischen Strafrechts verstoßen hat. Für andere Delikte (wie z. B. Zollvergehen) gilt Entsprechendes; in jedem Fall bedarf es einer bestimmten Handlung des Beschuldigten, die als Grund für eine strafrechtliche Verurteilung herangezogen werden kann. Insofern ist die Geldstrafe für eine betrieblich veranlaßte Straftat dem Aufwand für einen betrieblich veranlaßten Unfall (vgl. BFHE 132, 235, BStBl II 1981, 303, unter 3 a) vergleichbar. Im Streitfall kann nach den Feststellungen des FG und dem Vorbringen der Klägerin davon ausgegangen werden, daß es ohne die Zuwendungen des R an den polnischen Geschäftspartner nicht zu einer Verurteilung wegen Wirtschaftsspionage oder aktiver Bestechung gekommen wäre. Das Urteil des FG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, kann keinen Bestand haben.

5. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden.

Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dem Senat eine abschließende Beurteilung der Frage zu ermöglichen, ob die gegen R festgesetzte Geldstrafe mit wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist und deshalb dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG unterliegt.

Das FG ist bei seiner Entscheidung von der Annahme ausgegangen, es habe sich bei der Verhaftung und Verurteilung des R um eine Willkürmaßnahme der polnischen Behörden gehandelt, denen es lediglich darum gegangen sei, ausländische Devisen zu erlangen. Diese Annahme wird durch die tatsächlichen Feststellungen der Vorentscheidung nicht gestützt. Als Willkürmaßnahme könnte die Verurteilung des R nur angesehen werden, wenn die Zuwendungen des R an den Geschäftspartner in Polen auch nach polnischem Recht offensichtlich nicht strafbar waren. Derartige Feststellungen hat das FG jedoch nicht getroffen. Der Hinweis auf einen von der Klägerin vorgelegten (undatierten) Pressebericht, in dem ohne Bezug auf den vorliegenden Fall behauptet wird, in Polen würden Geschäftsleute unter dem Vorwand der Wirtschaftsspionage verhaftet und erst nach Zahlung eines Lösegelds freigelassen, kann entsprechende Feststellungen für den hier zu beurteilenden Fall nicht ersetzen. Auch wenn es in Einzelfällen zu willkürlichen Verhaftungen von Geschäftsleuten in Polen gekommen sein sollte, folgt daraus nicht, daß dies auch im Fall des R so gewesen ist. Auch die weitere Annahme des FG, das Strafverfahren gegen R habe rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprochen, ist nicht durch tatsächliche Feststellungen der Vorentscheidung belegt. Der Umstand, daß die Freiheitsstrafe gegen R in eine Geldstrafe umgewandelt wurde, die der Höhe nach der gezahlten Kaution entsprach, reicht nicht aus, um die Schlußfolgerung zu rechtfertigen, die Bestrafung sei unvereinbar mit dem deutschen ordre public. Zwar kennt das deutsche Strafrecht die Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe nicht. Das allein genügt aber nicht, um dem Strafurteil des polnischen Gerichts die Anerkennung zu versagen. Eine krasse Verletzung deutscher Rechtsvorstellungen ist darin nicht zu sehen. Nach welchen Gesichtspunkten das polnische Gericht die Geldstrafe bemessen hat, ist aus dem angefochtenen Urteil nicht ersichtlich. Das FG hat nur festgestellt, daß sie der Höhe nach der von R gestellten Kaution entsprach. Diese Übereinstimmung läßt für sich gesehen noch nicht den Schluß zu, die Geldstrafe sei der Höhe nach willkürlich bemessen. Denkbar ist z. B., daß das Gericht die Kaution (und die Geldstrafe) unter Zugrundelegung von Tagessätzen für die von R noch zu verbüßende Freiheitsstrafe festgesetzt hat. Da das FG den Inhalt des polnischen Urteils nicht festgestellt hat, kann der Senat nicht prüfen, ob das FG zu Recht die Bemessung der Geldstrafe als willkürlich beurteilt hat.

Das FG hat ferner unter Bezugnahme auf die gegen R erhobene Anklage wegen aktiver Bestechung die Ansicht vertreten, die Geldstrafe sei jedenfalls insoweit nicht abziehbar, als sie wegen dieses Anklagepunkts verhängt worden sei; denn auch das deutsche Recht kenne einen Straftatbestand der aktiven Bestechung. Mit diesem Hinweis allein ist jedoch nicht dargetan, daß das Urteil des polnischen Gerichts im Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist. Das FG wird die hierfür erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben; insbesondere wird es den Inhalt des gegen R ergangenen Strafurteils zu würdigen haben.

6. Sollte das FG bei der Prüfung des gegen R ergangenen Strafurteils feststellen, daß die Verurteilung wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht, so ist die streitige Zahlung grundsätzlich als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Dem Abzug steht in diesem Fall nicht entgegen, daß die Klägerin mit der Bezahlung eine Verbindlichkeit ihres Gesellschafters getilgt hat. Denn § 110 HGB gewährt dem geschäftsführenden Gesellschafter einen Anspruch auf Ersatz für Schäden, die er bei der Erfüllung seiner Aufgaben erleidet (s. oben unter 3.).

In diesem Fall wird das FG jedoch zu prüfen haben, ob die durch die Zahlung der Kaution verursachte Gewinnminderung zum Teil durch Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen Dritte kompensiert wird. Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB kommen jedenfalls dann in Betracht, wenn R im Rahmen der Tätigkeit, die zu seiner Verurteilung geführt hat, nicht nur für die Klägerin, sondern auch für andere Unternehmen, an denen er als Gesellschafter beteiligt war, tätig geworden sein sollte. Er hätte dann von diesen Unternehmen in gleicher Weise den Ersatz der Geldstrafe nach § 110 HGB verlangen können. Etwaige Ausgleichsansprüche der Klägerin nach § 426 BGB sind aktivierungspflichtig, wenn sie am Bilanzstichtag des Streitjahrs bereits hinreichend konkretisiert waren (vgl. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1973 VIII R 1/69, BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90, und vom 26. April 1989 I R 147/84, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213).

7. Der Antrag der Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum außergerichtlichen Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist unzulässig. Für die Entscheidung über einen Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist allein das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 139 FGO Rz. 38).


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