BFH-Urteil vom 30.11.1982 (VII R 96/82) BStBl. 1983 II S. 154

BFH-Urteil vom 30.11.1982 (VII R 96/82) BStBl. 1983 II S. 154

Die am 12. August 1980 endende Frist für den Antrag auf Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter kann nicht um die Dauer des Wehrdienstes verlängert werden, wenn der Bewerber den Wehrdienst vor dem Beginn der ordnungsmäßigen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf geleistet hat.

StBerG § 156 Abs. 2 Nrn. 2 und 3, 5 Sätze 1 und 3; DVStB § 6 Abs. 2; ArbPlSchuG § 13.

Sachverhalt

 

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bestand am 7. Juni 1974 die Reifeprüfung und leistete anschließend vom 1. Juli 1974 bis zum 30. September 1975 den Grundwehrdienst. Am 15. Januar 1976 begann er eine Lehre als Steuerfachgehilfe bei einem Steuerbevollmächtigten und legte am 22. Juni 1978 die Steuerfachgehilfenprüfung ab. Vom 23. Juni 1978 bis zum 23. Juni 1981 war der Kläger als Gehilfe im wirtschafts- und steuerberatendem Beruf tätig.

Am 28. September 1981 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Oberfinanzdirektion – OFD -) die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1982. Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD lehnte den Antrag mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen für eine Verlängerung der (am 12. August 1980 endenden) Antragsfrist gemäß § 156 Abs. 5 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht gegeben seien. Gegen die am 17. November 1981 zugestellte Entscheidung erhob der Kläger fristgerecht gegen die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik), vertreten durch das Land Nordrhein-Westfalen, dieses vertreten durch die OFD, Klage mit dem Antrag, den Ablehnungsbescheid der OFD aufzuheben und sie zu verurteilen, ihn zur Steuerbevollmächtigtenprüfung für das Jahr 1982 zuzulassen.

Sein klagabweisendes Urteil begründete das FG damit, daß der Kläger keinen Anspruch auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1982 habe, da die Antragsfrist bereits am 12. August 1980 abgelaufen sei und die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Antragsfrist gemäß § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG nicht gegeben seien. Die in § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG für den Antrag auf Zulassung vorgesehene 8-Jahresfrist nach dem Inkrafttreten dieser Regelung habe mit Ablauf des 12. August 1980 geendet. Die allgemeine Antragsfrist verlängere sich nur dann um die Dauer des abgeleisteten Grundwehrdienstes, wenn die Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG durch die Ableistung des Grundwehrdienstes unterbrochen worden sei (§ 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG). Das treffe nicht zu, weil der Kläger den Grundwehrdienst bereits nach seinem Abitur abgeleistet und die hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens erst am 23. Juni 1978 begonnen habe. Die Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung des § 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG habe sich auch nicht durch die Ableistung des Grundwehrdienstes verschoben. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger im Anschluß an die Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung des § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG durch die Einziehung zum Grundwehrdienst daran gehindert worden wäre, mit dem Berufspraktikum zu beginnen.

Eine erweiternde Auslegung des § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG gegen den Wortlaut sei mit Sinn und Zweck der Übergangsregelung nicht vereinbar (vgl. BT-Drucks. 6/3456 S. 7 zu Nr. 21). Es habe kein Anlaß bestanden, auch denen noch den Zugang zu dem auslaufenden Beruf zu ermöglichen, die bei Inkrafttreten der Änderung die spezielle Ausbildung noch nicht begonnen hätten. Die Übergangsvorschrift des § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG habe nicht den Sinn und Zweck, durch die Ableistung des Grundwehrdienstes eintretende zeitliche Nachteile hinsichtlich der Vorbildungsvoraussetzungen bis zum Schlußtermin der letzten regulären Steuerbevollmächtigtenprüfung auszugleichen. Solche Nachteile würden bereits durch die in § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG getroffene Regelung ausgeglichen. Ein Bewerber, der am 13. August 1972 bereits mit einer speziellen, auf den Steuerbevollmächtigtenberuf ausgerichteten Ausbildung begonnen habe und der danach zum Grundwehrdienst eingezogen worden sei, habe zeitlich schon bis zum 12. Januar 1979 die Zulassungsvoraussetzungen zur Steuerbevollmächtigtenprüfung erbringen können (drei Jahre Lehre – § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG – und drei Jahre Berufspraktikum – § 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG, § 13 Arbeitsplatzschutzgesetz – ArbPlSchuG -).

Da zeitliche Nachteile für Berufsbewerber, die sich am 13. August 1972 bereits in der steuerlichen Ausbildung befunden hätten und danach zum Wehrdienst herangezogen worden seien, bereits durch die in § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG, § 13 ArbPlSchuG getroffenen Regelungen ausgeglichen seien, könne die in § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG getroffene Sonderregelung nicht denselben Sinn und Zweck haben.

Mit seiner gegen die Vorentscheidung eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 156 Abs. 5 StBerG. Er trägt vor, eine Verlängerung der Antragsfrist müsse auch dann in Betracht kommen, wenn der Wehrdienst schon vor der Ausbildungszeit abgeleistet worden sei. Bei sachgerechter Auslegung dieser Vorschrift sei eine Unterbrechung der hauptberuflichen Tätigkeit nicht tatbestandsmäßige Voraussetzung. Der Wortlaut dieser Vorschrift sei in sich mißverständlich. Eine Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung sei vom Wortsinn her das Endziel der Vorbildung, das heiße also, der Abschluß der vierjährigen praktischen Tätigkeit. Ein Abschluß als solcher könne jedoch nicht unterbrochen werden, denn hierbei handele es sich um einen Zeitpunkt und nicht um einen Zeitablauf. § 156 Abs. 5 StBerG sei daher auslegungsbedürftig. Nach seinem Sinn solle jede Verzögerung der hauptberuflichen Tätigkeit durch den Grundwehrdienst eine Verlängerung der Frist für den Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung auslösen. Im konkreten Falle verlängere sich deshalb die vierjährige berufspraktische Tätigkeit um 15 Monate, also bis zum 12. November 1981.

Das FG habe darauf abgestellt, daß sich die Zeit der Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) bis zum Beginn der letzten regulären Steuerbevollmächtigtenprüfung (im Lande Nordrhein-Westfalen bis zum 24. März 1981) verlängere. Die DVStB beruhen auf der Ermächtigung des § 158 StBerG. Diese Vorschrift sei in Übereinstimmung mit dem Vorlagebeschluß des FG Düsseldorf – Az. II 91/81 STG – mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sowie gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit, das nur durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden könne, und damit in Verbindung gegen den das Prinzip der Gewaltenteilung normierenden Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verstoße. Da sich § 158 StBerG als verfassungswidrig erweise, seien auch die aufgrund dieser Ermächtigungsnorm ergangenen Durchführungsbestimmungen über die Verlängerung der Zulassungsfrist rechtsunwirksam mit der Folge, daß er – der Kläger – zur Prüfung zuzulassen sei.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die OFD zu verurteilen, ihn zur Steuerbevollmächtigtenprüfung für das Jahr 1982 zuzulassen.

Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

Der Kläger ist durch die Ablehnung seines Antrages auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1982 nicht in seinen Rechten Verletzt. Gemäß § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG kann der Antrag auf Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter bis zum Ablauf des achten Jahres nach Inkrafttreten der Abs. 1 bis 4 gestellt werden. Der erkennende Senat hat mit seinem Urteil vom 2. Juni 1981 VII R 3/81 (BFHE 133, 240, BStBl II 1981, 591) entschieden, daß die regelmäßige Übergangszeit für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung mit Ablauf des 12. August 1980 endet. Die OFD hätte dem vom Kläger erst am 28. September 1981 gestellten Zulassungsantrag nur dann stattgeben müssen, wenn die Voraussetzungen des § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG vorgelegen hätten. Nach dieser Vorschrift verlängert sich die mit Ablauf des 12. August 1980 endende Frist um die Dauer des abgeleisteten Grundwehrdienstes, wenn die Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung des Abs. 2 Nr. 3 durch seine Ableistung unterbrochen worden ist. Lägen diese Voraussetzungen vor, so hätte der Kläger den Zulassungsantrag im Hinblick auf den 15monatigen Wehrdienst noch bis zum 12. November 1981 stellen können.

Das FG hat jedoch zu Recht entschieden, daß sich der Kläger auf die genannte Vorschrift nicht berufen kann. Der Kläger hat seinen Grundwehrdienst unmittelbar im Anschluß an die Ablegung des Abiturs und vor Beginn seiner Lehre als Steuerfachgehilfe geleistet. Damit steht zunächst fest, daß die Erfüllung der Vorbildungsvoraussetzung des § 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG, also die hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens, nicht unterbrochen worden ist. Der Senat hätte, ausgehend vom Sinn und Zweck der in Abs. 5 Satz 3 getroffenen Regelung, keine Bedenken, diese Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn die hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens durch den Wehrdienst nicht unterbrochen, sondern aufgeschoben wird. Das kann aber nur dann in Betracht kommen, wenn der Wehrdienst zwischen der Vorbildungsvoraussetzung des § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG (im Streitfalle der Ablegung der Gehilfenprüfung nach ordnungsmäßiger Lehrzeit im steuerberatenden Beruf) und dem Beginn der Vorbildungsvoraussetzung der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens (§ 156 Abs. 2 Nr. 3 StBerG) geleistet wird. Für eine Verlängerung der Zulassungsfrist um die Dauer des Wehrdienstes besteht dagegen dann kein Anlaß, wenn dieser bereits vor Beginn der Lehrzeit geleistet worden ist. Das würde dem Wortlaut der in § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG getroffenen Regelung klar widersprechen und wäre auch mit Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift des § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG nicht vereinbar. Diese soll, wie sich aus dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Bundestages ergibt (BT-Drucks. 6/3456, S. 7 zu Nr. 21), mit ihrer achtjährigen Übergangsfrist sicherstellen, „daß Berufsbewerber, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen über die Zusammenführung der Berufe auf den Steuerbevollmächtigtenberuf vorbereiten, die für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung notwendigen Vorbildungsvoraussetzungen einer abgeschlossenen Lehre . . . und des vierjährigen Berufspraktikums abschließen können“. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 133, 240, BStBl II 1981, 591 in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß diese Regelung angemessen erscheint, und weiter ausgeführt: „Wer sich darauf eingerichtet hatte, den Beruf des Steuerbevollmächtigten zu ergreifen und bereits eine entsprechende spezifische Vorbildung angefangen hatte, sollte in seinem Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Regelung nicht enttäuscht werden. Dagegen hatte der Gesetzgeber keinen Anlaß, auch denen noch den Zugang zu dem auslaufenden Beruf zu ermöglichen, die bei Inkrafttreten der Änderung in die entsprechende spezielle Ausbildung noch nicht eingetreten waren. Die Länge der Übergangszeit mußte der Gesetzgeber daher so bemessen, daß diejenigen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes schon die Lehre i. S. des § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG begonnen hatten, noch Steuerbevollmächtigte werden konnten. Das bedeutete im extremen Fall, daß, wer im Herbst 1972 seine Lehre i.S. des § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG begonnen hatte, das Recht behalten mußte, seine Ausbildung als Steuerbevollmächtigter zu Ende zu führen. Die achtjährige Übergangsfrist entsprach in großzügiger Weise diesen Anforderungen. Das gilt um so mehr, als die Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 DVStB 1979 diese Übergangsfrist praktisch noch ausdehnte. Die Übergangsregelung des § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG unterliegt also keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.“

Aus diesen Ausführungen, an denen der Senat festhält, folgt, daß auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Anlaß besteht, den § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG gegen seinen Wortlaut dahin auszulegen, daß auch die Ableistung des Grundwehrdienstes vor Beginn der ordnungsmäßigen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf zur Verlängerung der Frist für die Zulassung führen müsse.

Der Kläger mußte sich über die sich aus der Übergangsregelung des § 156 Abs. 5 StBerG ergebenden Rechtsfolgen auch im klaren sein. Er hat seine am Anfang der Berufsausbildung stehende Lehrzeit i. S. des § 156 Abs. 2 Nr. 2 StBerG im Januar 1976, also nahezu dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Übergangsbestimmung, begonnen. Selbst bei Zugrundelegung der von ihm zurückgelegten Lehrzeit von etwa zweieinhalb Jahren und bei Berücksichtigung des Umstandes, daß die hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens wegen der Anrechnung eines Teils des Wehrdienstes gemäß § 13 ArbPlSchuG auf drei Jahre herabgesetzt werden konnte (was die OFD offenbar anerkannt hat), war es dem Kläger nicht möglich, die Zulassungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 StBerG vor dem 23. Juni 1981, also erst etwa acht Monate nach dem Ende der Zulassungsfrist des Abs. 5 Satz 1 zu erfüllen.

Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Ermächtigungsnorm des § 158 StBerG mit dem GG vereinbar sei, kommt es im Streitfall nicht an. Die vom FG getroffene und vom Senat bestätigte Entscheidung beruht allein auf § 156 StBerG. Ob § 6 Abs. 2 Satz 1 DVStB im Hinblick auf die vom FG Düsseldorf angenommene Verfassungswidrigkeit des § 158 StBerG gültig ist, wäre nur dann von rechtserheblicher Bedeutung, wenn der Kläger seinen Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 nicht nach, sondern vor dem Ende der in § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG vorgesehenen Übergangsfrist von acht Jahren, also spätestens bis Ablauf des 12. August 1980, gestellt hätte. Nur für diesen Fall hätte die OFD die Zulassung unter der Bedingung aussprechen können, daß der Kläger die Vorbildungsvoraussetzung der mehrjährigen hauptberuflichen Tätigkeit bei Beginn der schriftlichen Prüfung erfüllt hat.

Im übrigen hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 133, 240, BStBl II 1981, 591 in einem insoweit gleichliegenden Fall entschieden, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, daß die OFD den Termin für die Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981, gestützt auf § 6 Abs. 2 Satz 1 DVStB, auf März 1981 festgesetzt hat.


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