Steuerpflicht der Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung bei Umschuldung eines sog. Neudarlehens

Urteil vom 12. April 2021, VIII R 6/18

ECLI:DE:BFH:2021:U.120421.VIIIR6.18.0

BFH VIII. Senat

EStG § 10 Abs 2 S 2 , EStG § 10 Abs 2 S 2 Buchst a , EStG § 20 Abs 1 Nr 6 S 2 , EStG § 20 Abs 1 Nr 6 S 4 , AO § 189 , AO § 180 Abs 2 , AO1977§180Abs2V § 9 , EStG VZ 2010

vorgehend FG Düsseldorf, 06. September 2017, Az: 15 K 2050/16 F

Leitsätze

Ein Forwarddarlehen, das durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung besichert wird, dient im Rahmen einer Umschuldung nicht unmittelbar und ausschließlich i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, wenn es höher als die Restschuld des umzuschuldenden Darlehens ist und der übersteigende Betrag zur Finanzierung der Bereitstellungszinsen und anderer umschuldungsbedingter Aufwendungen verwendet wird.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 06.09.2017 – 15 K 2050/16 F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1998 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau ein Einfamilienhaus. Die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten betrugen 360.812 DM (= 184.480,24 €). Das Einfamilienhaus wurde seit 1999 vermietet. Zur Finanzierung der Anschaffung nahmen der Kläger und seine damalige Ehefrau u.a. Darlehen bei der A-Bank in Höhe von 185.000 DM (= 94.589 €) und bei der B-Bank in Höhe von 76.000 DM (= 38.858 €) auf. Im März 2006 übernahm der Kläger den Miteigentumsanteil und die Darlehensschuld seiner damaligen Ehefrau.
  2. Am 17.11.2006 schloss der Kläger mit der B-Bank ein Forwarddarlehen über 112.000 € ab, um beide genannten Anschaffungsdarlehen abzulösen. Die bereitstellungszinsfreie Zeit betrug 32 Monate, danach waren Bereitstellungszinsen in Höhe von 3 % p.a. geschuldet.
  3. Zudem war der Kläger Versicherungsnehmer einer Kapitallebensversicherung. Am 21.06.2010 trat er die Ansprüche aus der Lebensversicherung bis zu einem Höchstbetrag von 38.000 € an die B-Bank zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens ab.
  4. Der Kläger konnte die ursprünglichen Anschaffungsdarlehen vertragsgemäß erst im Juli 2010 ablösen. Am 05.07.2010 valutierte die B-Bank den Darlehensbetrag in Höhe von 112.000 €. Der Kläger tilgte noch am selben Tag das erste –mittlerweile bei der C-Bank als Rechtsnachfolgerin der A-Bank geführte– Darlehen in Höhe von 80.322,45 €. Für die taggenaue Überweisung fielen Gebühren in Höhe von 9,50 € an. Ferner löste der Kläger am 06.07.2010 das Anschaffungsdarlehen bei der B-Bank in Höhe von 26.979,89 € (Tilgung 26.904,45 € und noch offene Zinsen 75,44 €) ab. Die B-Bank buchte vom Konto, auf das das Forwarddarlehen ausgezahlt worden war, zudem einen Betrag in Höhe von 3.248 € für die entstandenen Bereitstellungszinsen (= 3 % von 112.000 € für die Zeit vom 17.07.2009 bis zum 05.07.2010) ab.
  5. Mit einer Anzeige nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 16.07.2010 benachrichtigte die B-Bank den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–), dass der Kläger ihr seine Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung in Höhe von 38.000 € zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens abgetreten habe.
  6. Mit Feststellungsbescheid vom 06.10.2014 stellte das FA die Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung des Klägers gesondert fest.
  7. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 und 4 und § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der am 31.12.2004 anzuwendenden Fassung (EStG 2004) seien erfüllt. Er habe das Forwarddarlehen über 112.000 € in Höhe von 107.226,90 € verwendet, um die bestehenden Anschaffungsdarlehen abzulösen. Von dem Differenzbetrag in Höhe von 4.773,10 € habe die B-Bank ihm 3.248 € für die Bereitstellungszinsen belastet. Bei diesen Aufwendungen handele es sich um bankübliche einmalige Finanzierungskosten, die er nach dem Senatsurteil vom 19.01.2010 – VIII R 40/06 (BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254) neben den originären Anschaffungs- und Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses habe steuerunschädlich mitfinanzieren dürfen. Die Bereitstellungszinsen seien daher nicht auf die gesetzliche Bagatellgrenze gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 in Höhe von 2.556 € anzurechnen. Der Restbetrag des Forwarddarlehens sei zwar in Höhe von 1.525,10 € (= 1.440,16 € für andere mit der Umschuldung im Zusammenhang stehende Kosten und 75,44 € zur Tilgung der Zinsen aus dem Ursprungsdarlehen bei der B-Bank und in Höhe von 9,50 € für Überweisungskosten) steuerschädlich verwendet worden. Dieser Betrag unterschreite aber die auch in Umschuldungsfällen anzuwendende Bagatellgrenze (2.556 €).
  8. Das FA wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es stellte darauf ab, dass der Kläger, selbst wenn man die Verwendung des Darlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen als unschädlich ansehe, die weiteren Finanzierungsaufwendungen in Höhe von 1.525,10 € steuerschädlich durch das Darlehen mitfinanziert habe. Die Bagatellgrenze sei bei Umschuldungen nicht anzuwenden (Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 15.06.2000 – IV C 4-S 2221-86/00, BStBl I 2000, 1118, Rz 43).
  9. Die anschließend erhobene Klage blieb erfolglos. Die Begründung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 635 mitgeteilt. Das FG sah die tatsächliche Verwendung des Forwarddarlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen und übrigen Aufwendungen im Rahmen der Umschuldung als steuerschädlich an, weil das Darlehen insoweit nicht ausschließlich und unmittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 verwendet worden sei.
  10. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 unzutreffend angewandt. Es habe verkannt, dass es sich bei der Mitfinanzierung der Bereitstellungszinsen im Rahmen der Umschuldung um eine sich im Rahmen des Üblichen haltende Finanzierung handele, die als solche steuerunschädlich sei, und die steuerschädlichen Aufwendungen die Bagatellgrenze unterschritten.
  11. Der Kläger beantragt sinngemäß,
    das Urteil des FG Düsseldorf vom 06.09.2017 – 15 K 2050/16 F und den Feststellungsbescheid vom 06.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 aufzuheben.
  12. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
  13. Die Entscheidung des FG sei zutreffend. Nach Rz 45 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1118 dürfe für eine unmittelbare und ausschließliche Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten durch das besicherte Umschuldungsdarlehen dessen Höhe die Restschuld des abzulösenden Anschaffungsdarlehens nicht übersteigen. Überdies sei die gesetzliche Bagatellgrenze in Umschuldungsfällen nicht anzuwenden.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
  2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung des Klägers steuerpflichtig sind. Eine Steuerbefreiung kommt für diese Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 4 und § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 aufgrund der Abtretung der Versicherungsansprüche zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens nicht in Betracht. Das FA hat die Steuerpflicht der Zinsen zutreffend gesondert festgestellt.
  3. 1. Gemäß § 52 Abs. 36 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2010 anzuwendenden Fassung (EStG; nunmehr § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG) sind im Streitjahr sowohl § 10 Abs. 2 Satz 2 als auch § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 anzuwenden.
  4. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 steuerpflichtig; dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, wenn es sich um Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 handelt, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind.
  5. Versicherungsbeiträge können gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind. Von diesem Abzugsverbot enthält u.a. die –im Streitfall allein in Betracht kommende– Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 eine Rückausnahme. Der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge ist nach dieser Vorschrift gestattet, wenn das durch die Versicherung besicherte Darlehen selbst unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen; dabei ist es unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder zur Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils für einen Teilbetrag bis zu 2.556 € nicht erfüllt sind.
  6. 2. Nach diesen Vorgaben hat das FG die Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung und deren Feststellung durch das FA zu Recht bestätigt. Die Gewährung einer Steuerbefreiung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 kommt für diese Zinsen nicht in Betracht, weil dem Kläger der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge aufgrund der Abtretung der Versicherungsansprüche zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 zu versagen ist.
  7. a) Die Kapitallebensversicherung des Klägers ist von den Beteiligten und dem FG übereinstimmend und zutreffend als Versicherung eingeordnet worden, die unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 fällt. Für den Sonderausgabenabzug der Beiträge zu dieser Versicherung sind danach die Vorgaben des § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 zu erfüllen.
  8. b) Dem Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kapitallebensversicherung des Klägers steht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 entgegen, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens dienen, dessen Finanzierungskosten jedenfalls in Höhe der Bereitstellungszinsen Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind.
  9. Die im Streitjahr angefallenen Bereitstellungszinsen sind Nebenkosten der Darlehensaufnahme. Sie gehören nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten des fremdvermieteten Einfamilienhauses. Es besteht auch kein Wahlrecht, diese Aufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung den Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen (s. zum Ganzen Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 07.11.1989 – IX R 190/85, BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460, unter 2.; vom 27.07.2004 – IX R 32/01, BFHE 207, 200, BStBl II 2004, 1002, unter II.2.a, II.2.b aa und bb). Die Bereitstellungszinsen sind auch Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften des Klägers. Es besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zu den Vermietungseinkünften, weil die Bereitstellungszinsen im Rahmen der Umschuldung zur Finanzierung der Anschaffungskosten der vermieteten Immobilie getragen werden (vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFHE 207, 200, BStBl II 2004, 1002, unter II.2.a; zum Werbungskostencharakter von Bereitstellungszinsen vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2016 – IX R 19/15, BFH/NV 2017, 19, Rz 30; BFH-Beschluss vom 05.11.2001 – IX B 92/01, BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144; Senatsurteil vom 13.12.1983 – VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, unter II.2.b).
  10. c) Die Voraussetzungen der –hier allein in Betracht kommenden– Rückausnahme vom Abzugsverbot in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 sind nicht erfüllt.
  11. Da der Kläger aus den Darlehensmitteln des Forwarddarlehens neben den Restschulden aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen die Bereitstellungszinsen und weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umschuldung finanziert hat, dient das mit der Kapitallebensversicherung des Klägers besicherte Forwarddarlehen nicht i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Einfamilienhauses (s. unter aa bis cc). Dies ist schädlich, weil die Bereitstellungszinsen und die weiteren umschuldungsbedingten Aufwendungen die Bagatellgrenze gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 2 EStG 2004 übersteigen (s. unter dd).
  12. aa) Der Streitfall betrifft die Umschuldung in einem sog. Neufall (zum Begriff s. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118, Rz 43 Satz 1), da die zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten der Immobilie des Klägers ursprünglich (im Jahr 1998) aufgenommenen Darlehen und das im Jahr 2006 aufgenommene Forwarddarlehen jeweils nach dem 13.02.1992 abgeschlossen wurden. Sowohl nach der Auffassung des Senats (vgl. Senatsurteile in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254, Rz 19, 20, 22 bis 24, und vom 12.10.2011 – VIII R 30/09, BFHE 235, 412, BStBl II 2014, 153) als auch der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118, Rz 43 Satz 2, Rz 44, 45) dient ein Neudarlehen, mit dem ein zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten aufgenommenes Darlehen abgelöst wird, i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 ebenfalls der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines begünstigten Wirtschaftsguts. Der vom Gesetz geforderte Finanzierungszusammenhang eines Darlehens zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten besteht in diesem Sinne nicht nur, wenn das Darlehen die Anschaffung ermöglicht, sondern auch, wenn es aufgenommen und verwendet wird, um ein bestehendes Anschaffungsdarlehen abzulösen.
  13. bb) Das Forwarddarlehen des Klägers dient im Streitfall aber nicht „unmittelbar und ausschließlich“ i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses.
  14. aaa) Wie der Senat im Urteil vom 12.10.2011 – VIII R 49/09 (BFHE 235, 419, BStBl II 2014, 156, Rz 19, m.w.N.) entschieden hat, dient ein Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines begünstigten Wirtschaftsguts, wenn der Steuerpflichtige aus den Darlehensmitteln auch Finanzierungskosten (dort: sog. Zinsbegrenzungsprämien) bestreitet, die selbst nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten gehören. An der „Ausschließlichkeit“ fehlt es auch, wenn das aufgenommene Darlehen die Anschaffungs- und Herstellungskosten übersteigt und der Steuerpflichtige den übersteigenden Teil verwendet, um daraus Finanzierungskosten zu zahlen (Senatsurteil vom 12.10.2005 – VIII R 19/04, BFH/NV 2006, 288, unter II.2.b aa, zur Mitfinanzierung eines Disagios, einer Zinsbegrenzungsprämie und von Bearbeitungskosten). Ein zur Umschuldung aufgenommenes Neudarlehen dient ferner nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten, wenn die Darlehensschuld höher als die Restschuld des abzulösenden Anschaffungsdarlehens ist, selbst wenn der übersteigende Betrag mittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird (Senatsurteil in BFHE 235, 412, BStBl II 2014, 153, zur Einzahlung eines Teilbetrags des Umschuldungsdarlehens in einen Bausparvertrag im Rahmen des Finanzierungskonzepts).
  15. bbb) Das FG hat auf dieser Grundlage zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 nicht erfüllt sind. Der Kläger verwendet das Forwarddarlehen nicht zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern anderer Aufwendungen (s. unter II.2.b), soweit er hiermit die Bereitstellungszinsen mitfinanziert. Die Höhe des Forwarddarlehens (112.000 €) überstieg ferner die Restschuld der abzulösenden Anschaffungsdarlehen (107.226 €), der übersteigende Betrag diente trotz der Umschuldung nicht unmittelbar der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Dass die Bereitstellungszinsen getragen wurden, um die Umschuldung zu ermöglichen, genügt für den vom Gesetz geforderten engen Zusammenhang nicht. Unerheblich ist auch, dass der Kläger die Versicherungsansprüche zur Besicherung und Tilgung des Forwarddarlehens nur in Höhe eines Betrags (38.000 €) abgetreten hat, der unterhalb der noch nicht getilgten Beträge aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen (107.226 €) liegt. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 verlangt auch bei Abtretung der Versicherungsansprüche zu einem Betrag unterhalb des Betrags des Anschaffungsdarlehens, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich verwendet wird, um die Anschaffungs- und Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts zu finanzieren (Senatsurteil in BFHE 235, 419, BStBl II 2014, 156, Rz 20), woran es hier fehlt.
  16. ccc) Soweit der Senat im Senatsurteil in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254 (unter II.2.c cc (1)) entschieden hat, dass ein mit einem banküblichen Disagio versehenes Ablösedarlehen insgesamt –d.h. nicht nur in Höhe des ausgezahlten Nettokreditbetrags, sondern auch in Höhe eines im Darlehensbetrag enthaltenen banküblichen Disagios– ausschließlich und unmittelbar der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten dienen kann, lässt sich hieraus keine günstigere Beurteilung für den Kläger ableiten.
  17. (1) Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die im Senatsurteil in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254, unter II.2.c cc und II.2.c cc (1) verwendeten Formulierungen darauf hindeuten könnten, dass eine Mitfinanzierung banküblicher Finanzierungsaufwendungen (hier: der Bereitstellungszinsen) durch ein Umschuldungsdarlehen für den erforderlichen ausschließlichen und unmittelbaren Zusammenhang unter weiteren Voraussetzungen generell unschädlich sein könnte. Diese Passagen sind jedoch im Kontext der Umstände zu verstehen, die dem Senatsurteil in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254 zugrunde lagen. Es ging im dortigen Streitfall um ein zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten für ein begünstigtes Wirtschaftsgut vor dem 14.02.1992 aufgenommenes sog. Altdarlehen, welches ein Disagio umfasste und mit einer Versicherung besichert war. Dies war steuerunschädlich, weil § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25.02.1992 (BGBl I 1992, 297) –EStG a.F.– im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme noch nicht anwendbar war (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 EStG a.F.). Dieses Altdarlehen wurde im Rahmen einer einheitlichen Finanzierung derselben Anschaffungs- und Herstellungskosten durch ein mit derselben Versicherung besichertes Darlehen abgelöst, welches wiederum ein bankübliches Disagio umfasste. Hervorzuheben ist ferner, dass der Darlehensbetrag des Ablösedarlehens einschließlich des Disagios die Restschuld aus dem ursprünglichen Anschaffungsdarlehen nicht überstieg. Der Gesetzeszweck gebot unter diesen spezifischen Umständen eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 in der Weise, dass im Rahmen der Anschlussfinanzierung auch derjenige Teil des Ablösedarlehens, der das Disagio umfasste, als ausschließlich und unmittelbar der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten dienend anzusehen war (Senatsurteil in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254, unter II.2.c bb).
  18. (2) Es lässt sich aus der Senatsentscheidung entgegen der klägerischen Auffassung aber nicht ableiten, dass ein Ablösedarlehen (Neudarlehen) unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten dient, wenn bei Neudarlehen –wie im Streitfall– die Mittel des Ablösedarlehens im Rahmen einer Umschuldung verwendet werden, um die Restschuld aus dem bestehenden Anschaffungsdarlehen und bankübliche Finanzierungsaufwendungen (hier: die Bereitstellungszinsen) zu finanzieren.
  19. (3) Ferner sind keine Gründe ersichtlich, die eine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts von § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 in der Weise gebieten, dass die im Streitfall gegebene Konstellation als steuerunschädlich zu qualifizieren ist.
  20. Der Senat hat § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 zwar verschiedentlich teleologisch reduziert, weil die Regelung nur bestimmte steuersparende Finanzierungsmodelle, insbesondere sog. Zinsaufblähungsmodelle, verhindern soll (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 55 ff.; BTDrucks 12/1506, S. 156 f., 170) und sie aufgrund ihres Wortlauts eine überschießende Wirkung entfalten kann. Neben der im Senatsurteil in BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254 als unschädlich beurteilten Mitfinanzierung eines Disagios im Rahmen der Umschuldung eines Altdarlehens hat der Senat unter bestimmten Voraussetzungen auch die vorübergehende Vereinnahmung und Verwahrung des Auszahlungsbetrags eines besicherten Darlehens auf einem (verzinslichen) Konto des Steuerpflichtigen im Rahmen eines banküblichen und typischen Zahlungswegs als unschädlich angesehen (vgl. Senatsurteile vom 04.07.2007 – VIII R 46/06, BFHE 218, 308, BStBl II 2008, 49, unter II.2.c aa; vom 24.11.2009 – VIII R 29/07, BFHE 228, 36, BStBl II 2011, 251, unter II.2.b aa, und vom 09.02.2010 – VIII R 21/07, BFHE 229, 108, BStBl II 2011, 257, unter II.2.b; vom 13.07.2004 – VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184, unter II.2.b bb; s. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118, Rz 53, 54).
  21. Die Steuerschädlichkeit der Umschuldung im Streitfall ist aber nicht auf eine überschießende Beschränkung banküblicher Umschuldungen durch § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 zurückzuführen. Der Kläger hat die Zusatzbelastung durch die Bereitstellungszinsen durch den Abschluss eines Forwarddarlehens zu einem frühen Zeitpunkt vor der Umschuldung verursacht. Zudem hat er das Forwarddarlehen in einer Höhe abgeschlossen und verwendet, die es ihm erlaubte, mit den Darlehensmitteln die Restschuld aus den bisherigen Anschaffungsdarlehen, die Bereitstellungszinsen sowie die weiteren Aufwendungen aufgrund der Umschuldung zu finanzieren. Ihm hätten steuerunschädliche Formen der Umschuldung (etwa der Abschluss eines Darlehens zu einem späteren Zeitpunkt ohne Bereitstellungszinsen und die Finanzierung nur der Restschuld aus den Anschaffungsdarlehen) zur Verfügung gestanden.
  22. cc) Die Bereitstellungszinsen (und übrigen Aufwendungen) übersteigen schließlich die Bagatellgrenze gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 2 EStG 2004. Zwar spricht der Gesetzeswortlaut aus Sicht des Senats dafür, dass die Bagatellgrenze in Höhe von 2.556 € bei der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten desselben begünstigten Wirtschaftsguts über die gesamte Finanzierung hinweg in Anspruch genommen werden und damit auch bei der Umschuldung eines Neudarlehens Anwendung finden kann (anderer Ansicht BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118, Rz 43 Sätze 4 und 5). Es bedarf im Streitfall jedoch keiner die Entscheidung tragenden Beurteilung dieser Frage, weil die im Rahmen der Umschuldung mitfinanzierten schädlichen Aufwendungen (4.773,10 €) die Bagatellgrenze (2.556 €) übersteigen.
  23. d) In Ermangelung des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1, 2 und 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 sind die gesamten rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung des Klägers steuerpflichtig. Eine Aufteilung des Forwarddarlehens und der Zinsen in einen steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil ist ausgeschlossen (Senatsurteil in BFHE 235, 419, BStBl II 2014, 156, Rz 21, m.w.N.).
  24. 3. Die Steuerpflicht der Zinsen ist danach gemäß § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (VO zu § 180 Abs. 2 AO) i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes vom 05.07.2004 (BGBl I 2004, 1427) im angefochtenen Feststellungsbescheid durch das FA zutreffend gesondert festgestellt worden und die dies bestätigende Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Soweit die redaktionellen Änderungen von § 10 Abs. 1 EStG durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009 (BGBl I 2009, 1959) sowie die Neufassung des § 52 EStG durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1266) in § 9 der VO zu § 180 Abs. 2 AO (bis zur Änderung durch die Dritte Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 18.07.2016, BGBl I 2016, 1722) nicht nachvollzogen wurden, steht dies der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht entgegen, da es sich um ein unbeachtliches Redaktionsversehen des Verordnungsgebers handelt (Senatsurteil vom 25.09.2018 – VIII R 3/15, BFHE 263, 123, BStBl II 2019, 235, Rz 10).
  25. 4. Schließlich musste das FG nicht über den vom Kläger gestellten Antrag entscheiden, das FA zu verpflichten, die Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung negativ (mit anderen Worten: deren Steuerbefreiung) gesondert festzustellen. Ficht der Steuerpflichtige einen gesonderten Feststellungsbescheid erfolgreich an oder wird dieser aus anderen Gründen aufgehoben, steht der Aufhebungsbescheid einem negativen Feststellungsbescheid gleich (BMF-Schreiben vom 16.07.2012 – IV A 3-S 0361/12/10001, BStBl I 2012, 686, unter IV.). Das Verpflichtungsbegehren des Klägers war auf dieser Grundlage nicht als eigenständiger Streitgegenstand zu beurteilen und zu bescheiden, weil es vom weiter gehenden Aufhebungsbegehren des Klägers umfasst war.
  26. 5. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).
  27. 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.